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2014 | Buch

Journalismus und (sein) Publikum

Schnittstellen zwischen Journalismusforschung und Rezeptions- und Wirkungsforschung

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Über dieses Buch

​Das Bild von der verschwimmenden Grenze zwischen Kommunikator und Rezipient ist das Leitmotiv zur Charakterisierung der gewandelten Kommunikationsverhältnisse im Onlinezeitalter. Die akademische Trennung zwischen Journalismusforschung und Rezeptions- und Wirkungsforschung erschwert es, die damit verbundenen Entwicklungen und Phänomene adäquat zu beschreiben und zu analysieren. Dieser Band versammelt daher Beiträge, die sich mit den Schnittstellen zwischen Journalismusforschung und Rezeptions- und Wirkungsforschung auseinandersetzten und Theorien, Ansätze und Methoden aus beiden Feldern miteinander abgleichen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie eine derart integrierende Perspektive dazu beitragen kann, die gewandelten gesellschaftlichen Kommunikationsverhältnisse theoretisch und empirisch in den Griff zu bekommen​.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Journalismusforschung und Rezeptions- und Wirkungsforschung: Intradisziplinäre Trennung oder selbstverständliche Verbindung?
Zusammenfassung
Die kommunikationswissenschaftliche Journalismusforschung sowie die Rezeptions- und Wirkungsforschung operieren weitgehend unabhängig voneinander und nehmen sich gegenseitig nur selektiv zur Kenntnis. Gleichzeitig ist aber offensichtlich, dass der Journalismus zum einen auf ein Publikum angewiesen ist und er zum anderen zentrale Funktionen für das Publikum erfüllt. Ziel des Bandes „Journalismus und (sein) Publikum. Schnittstellen zwischen Journalismusforschung und Rezeptions- und Wirkungsforschung“ ist es daher, trennende Aspekte zwischen beiden Forschungsbereichen zu überwinden, theoretische Verknüpfungen sowie integrierende Perspektiven darzustellen – und aus den in beide Teildisziplinen „eingeschriebenen“ Perspektivierungen zu lernen. Der vorliegende Einleitungstext führt in die Thematik und Struktur des Bandes ein.
Marco Dohle, Wiebke Loosen

Die Beziehung zwischen Journalismus und Publikum

Frontmatter
Journalistisches Publikumsbild und Publikumserwartungen
Eine Analyse des Zusammenhangs von journalistischen Vorstellungen über das Publikum und Erwartungen des Publikums an den Journalismus
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht die gegenseitigen Erwartungen von Journalisten und ihrem Publikum, indem er das Publikumsbild und das Rollenselbstverständnis von Journalisten mit den Nutzungsmotiven und Medienimages der Mediennutzer in Beziehung setzt. Auf der Basis einer Sekundäranalyse von zwei repräsentativen Studien („Journalismus in Deutschland“; ARD/ZDF-Langzeitstudie „Massenkommunikation“) werden auf aggregierter Ebene die journalistischen Vorstellungen und Publikumserwartungen in Bezug auf Information, Unterhaltung und Service miteinander verglichen. Medienübergreifend legen die Journalisten großen Wert auf Informationsjournalismus, obwohl sie das Publikum für nicht so stark informationsorientiert halten. Das Publikum selbst hat wiederum starke Nutzungsmotive in Richtung Information, schätzt die Medien in ihrem Image aber als gar nicht so informativ ein. Bei der Unterhaltung ist der Fall anders gelagert: Sie gehört weniger zum journalistischen Selbstverständnis, wird aber vom Publikum sehr stark erwartet. Bei medienspezifischen Vergleichen zeigen sich verschiedene, jeweils medienspezifische Beziehungsmuster von Journalisten und ihrem Publikum, aber auch die methodischen Schwierigkeiten, die durch den Vergleich der beiden unterschiedlichen Studien entstehen.
Armin Scholl, Maja Malik, Volker Gehrau
Vom Hasen und vom Igel – oder warum der Journalismus sein Publikum stets erfolgreich und folgenreich verfehlen darf
Zusammenfassung
Das Verhältnis vom Journalismus zu seinen Publika gestaltet sich vielschichtig und zuweilen widersprüchlich. Im Kern beruhen diese Interrelationen auf (wechselseitigen) Erwartungen. Erwartungen sind im Spiel, wenn von generalisierten Kommunikationsmedien, journalistischen Rollenselbstbildern, Leistungs- und Publikumsrollen oder aber journalistischen Berichterstattungsmustern die Rede ist. Erwartungen reduzieren Komplexität, indem sie unbestimmte Ungewissheit, die keinerlei Orientierung ermöglicht, durch eine bestimmte Ungewissheit ersetzen. Der Beitrag führt die Vorteile dieser Unschärfe aus und beschreibt unterschiedliche Erwartungsstile des Publikums. Hierbei wird argumentiert, dass gerade die Erwartungsenttäuschung keineswegs per se dysfunktional ist, sondern dass sich im Umgang mit enttäuschten Erwartungen zeigt, wie lernfähig Journalismus und Publika sind.
Alexander Görke
Die Beziehung zwischen Journalisten und ihrem Publikum
Kritische Betrachtung und alternative theoretische Fundierung
Zusammenfassung
Die Kommunikationsforschung beschreibt und analysiert das Verhältnis von Journalisten und ihrem Publikum als imaginäre, nicht als soziale Beziehung. Diese etablierte Konzeption zu hinterfragen, ist Ziel des Beitrags. Unschärfen der theoretischen Setzungen zu Massenkommunikation und ihrem Beziehungspotenzial werden dabei ebenso herausgearbeitet wie die Limitationen empirischer Studien zur Kommunikator-Rezipient-Beziehung. Anschließend wird ein alternatives Konzept einer sozialen Beziehung entwickelt, das die vorherrschenden Restriktionen mit einer sozialkonstruktivistischen Argumentation überwindet. Journalistische Strukturen können dabei als Kitt einer Sozialbeziehung zwischen Journalisten und Rezipienten identifiziert werden.
Julia Meusel

Die neue Sichtbarkeit von Journalismus und Publikum

Frontmatter
Transparenz von Rezeptions- und Kommunikationsverhalten im Internet
Theoretische Überlegungen zur Veränderung der Öffentlichkeitsdynamiken zwischen Journalismus und Publikum
Zusammenfassung
Klickzahlen, Nutzerkommentare, Facebook-Likes und -Shares sowie Tweets und Retweets machen Publikumsverhalten im Internet transparent und bewirken eine Veränderung der Beobachtungsverhältnisse in der öffentlichen Kommunikation. Durch diverse Monitoring-Verfahren werden Publikumspräferenzen sichtbar und Veränderungen in der Verteilung von öffentlicher Aufmerksamkeit können beinahe in Echtzeit verfolgt werden. Der Beitrag stellt Möglichkeiten der Publikumsbeobachtung im Internet vor und diskutiert vor dem Hintergrund von aufmerksamkeitsökonomischen Grundlagen die Relevanz dieser technischen Entwicklungen für das Verhältnis von Leistungs- und Publikumsrollen im Journalismus. Dabei geht es zunächst um eine Abgrenzung des Begriffs der Transparenz von dem der Öffentlichkeit. Es werden Problemstellungen abgeleitet die darauf abzielen, den neuen Einfluss des Publikums auf journalistische Selektionsprozesse empirisch zu erforschen.
Manuel Wendelin
Mediennutzung im Zeitalter von Social Navigation
Ein Mehrebenen-Ansatz zur theoretischen Modellierung von Selektionsprozessen im Internet
Zusammenfassung
Durch die erweiterten Möglichkeiten des Social Web, sich an der Mediennutzung Anderer zu orientieren oder auch selbst Nutzungsinformationen zu hinterlassen, gewinnt ‚Social Navigation’ im Internet eine neue Bedeutung. Dieses Phänomen ist ein Paradebeispiel für die veränderte Rollenverteilung zwischen dem Journalismus und seinem Publikum, da die Platzierung und Verbreitung von Medieninhalten nicht nur durch Journalisten, sondern aufgrund neuer Angebotsfunktionen auch durch Nutzer beeinflusst wird. Durch diese Veränderungen werden beide Perspektiven, die Journalismus- sowie die Rezeptionsforschung, vor neue theoretische Herausforderungen gestellt. Auf Grundlage etablierter Ansätze der Kommunikationswissenschaft (wie etwa dem dynamisch-transaktionalen Ansatz, der Gatekeeping-Theorie oder der Diffusionsforschung) legt dieser Beitrag eine theoretische Modellierung des Kommunikationsprozesses via ‚Social Navigation’ auf Mikro-, Meso- und Makroebene vor, die als Basis für weitere Forschung dienen kann.
Patrick Rössler, Lena Hautzer, Marco Lünich
Journalistische Inhalte in sozialen Onlinenetzwerken: Was Nutzer rezipieren und weiterkommunizieren
Zusammenfassung
Journalistische Inhalte finden sich nicht mehr nur auf Websites traditioneller Medienanbieter, sondern auch in anderen Angeboten, wie etwa in sozialen Onlinenetzwerken. Die vorliegende Studie untersucht diese noch kaum erforschte Schnittstelle aus einer nutzerorientierten Perspektive. Auf der Basis von Theorien und Forschungsergebnissen zur klassischen Mediennutzung, zur Nutzung von Onlinenetzwerken, zur Nachrichtenselektion und zur Diffusion wurde ein standardisierter Onlinefragebogen entwickelt. In der Befragung (n = 1.209) wurde die Nutzung journalistischer Inhalte in sozialen Onlinenetzwerken sowie der Einfluss von Nachrichtenmerkmalen, Quelle und Personeneigenschaften erfasst. Es kann gezeigt werden, dass ein Großteil der Nutzer in seinen sozialen Onlinenetzwerk mit journalistischen Inhalten in Berührung kommt (73 %). Nur etwa ein Drittel der Nutzer (34 %) postet jedoch selbst journalistische Inhalte oder leitet sie weiter. Dabei werden insbesondere politische Themen von spiegel.de und süddeutsche.de rezipiert und verbreitet.
Jennifer Wladarsch
„The audience is the message“
Die journalistische Berichterstattung über Publikumsresonanz
Zusammenfassung
Der Beitrag führt in die Strukturen und Wirkungen der Publikumsvorstellungen von Rezipienten ein. Es wird angenommen, dass sich Publikumsvorstellungen auch durch den Einfluss von Medienberichten ausbilden. Voraussetzung dafür ist, dass die journalistische Berichterstattung die Verbreitung und Nutzung von Medienangeboten (Publikumsresonanz) thematisiert und damit Informationen darüber zur Verfügung stellt, welche Medienangebote welche Art von Aufmerksamkeit erfahren. Mit dem Konzept der Publikumsresonanz verbinden sich daher zugleich Fragen und Annahmen der Journalismus- sowie der Rezeptions- und Wirkungsforschung. Auf Basis einer zeitvergleichenden Analyse der Berichterstattung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (n = 279) wird argumentiert, dass in Zeiten fragmentierter Publika immer mehr das als interessant gilt, was am meisten genutzt wird und starke Aufmerksamkeit erzeugt hat. Formen der Publikumsresonanz laden journalistische Berichte mit Relevanz auf, offerieren Mediennutzern Vergleichs- und Orientierungsräume und lassen Medienangebote unterschiedlich bedeutsam und anschlussfähig erscheinen. Das ‚Publikum‘ stellt sich damit als eine kommunikationsrelevante Größe heraus, die Kommunikation in und über Medien strukturiert.
Silke Fürst

Partizipation im Journalismus

Frontmatter
Konkurrenz, Korrektorat oder Ideenpool?
Die Beziehung von Lokaljournalisten zu partizipativen lokalen Plattformen am Beispiel von myheimat.de
Zusammenfassung
In diesem Beitrag steht die Frage im Mittelpunkt, welche Bedeutung Lokaljournalisten einer durch den eigenen Verlag gegründeten Plattform für partizipativen Lokaljournalismus in ihrem Verbreitungsgebiet beimessen. Dazu wird an einem Fallbeispiel mit einer Online-Befragung (n = 52) untersucht, welche Einstellung und Bewertung im Hinblick auf die Funktionen partizipativen Lokaljournalismus professionelle Lokaljournalisten haben, inwieweit sie die lokale Plattform als Bedrohung für die eigene Arbeit sehen und in welchem Maße die Plattform und ihre Inhalte in die tägliche Arbeit integriert wird. Die Ergebnisse zeigen, dass die Einschätzung der Journalisten eher diffus ausfällt: Das betrifft vor allem die Bewertung der Funktionen partizipativer Inhalte, gilt aber auch für deren Einstellung, die Plattform nicht als Konkurrenz, aber auch nur eingeschränkt als Ergänzung zu sehen. Für die befragten Journalisten eignet sich noch am ehesten das Themenportfolio der Plattform als Ideengeber für die eigene journalistische Arbeit.
Florian Knabe, Wiebke Möhring, Beate Schneider
Der Bürger als Programmmacher – der Journalist als Ratgeber
Eine Befragung von Zulieferern und Programmredakteuren zum TV-Sender nrwision
Zusammenfassung
Während sich aktuelle Studien zu partizipativem Journalismus vor allem mit Online-Angeboten beschäftigen, besteht für das Fernsehen ein Forschungsdesiderat. Unsere Studie beschäftigt sich daher mit dem ersten partizipativen Fernsehsender seiner Art in Deutschland, dem in Nordrhein-Westfalen (NRW) landesweit im digitalen Kabelnetz ausgestrahlten TV-Sender nrwision. Im Gegensatz zu den früheren Offenen Kanälen setzt dieser TV-Lernsender auf eine Programmredaktion aus professionellen Journalisten. Eingebettet in die Theorie eines diskursiven Journalismus und vor dem Hintergrund der Entwicklung des Bürgerfernsehens in NRW untersuchen wir in unserer Studie u. a., welche Rolle die medienpolitischen Ziele (gleichberechtigter Zugang, Meinungsvielfalt und Medienkompetenz) für die Zulieferer des Senders spielen. Methodisch basiert unsere Studie auf einer quantitativen Befragung der professionellen Journalisten der Programmredaktion sowie der Programmzulieferer. Sie zeigt, dass die Stärke von Bürgersendungen eher in der persönlichen Perspektive gesehen wird, die des professionellen Journalismus insbesondere mit Blick auf journalistische Qualitätskriterien wie beispielsweise Vielfalt der Informationen oder Neutralität. Programmzulieferer wollen durch ihre Tätigkeit bei nrwision vernachlässigte Themen aufgreifen, insbesondere aber auch mehrheitlich ihre journalistischen Kompetenzen stärken und sich für einen Beruf in den Medien vorbereiten. Entsprechend suchen sie vor allem journalistische Anleitung und Feedback zu ihren Produktionen.
Annika Sehl, Michael Steinbrecher
Diskutieren für mehr Demokratie?
Zum deliberativen Potenzial von Leserkommentaren zu journalistischen Texten im Internet
Zusammenfassung
Im Internet stehen Rezipienten vielfältige Partizipationsmöglichkeiten zur Verfügung, die es in traditionellen Medienangeboten nicht gab. Ein Wandel der Beziehung zwischen Medien und Rezipienten erscheint möglich: Die vormals klaren Grenzen zwischen Kommunikator und Rezipient verschwimmen zusehends, auch Rezipienten können sich im Internet als Kommunikatoren betätigen. Der vorliegende Beitrag untersucht, inwieweit im Rahmen dieser Partizipationsmöglichkeiten auch ein politischer Rollenwandel der Rezipienten möglich ist, ob also neue Beteiligungsmöglichkeiten im Internet eine aktivere Teilhabe an politischen Prozessen nach sich ziehen. In diesem Zusammenhang wird analysiert, ob auf massenmedialen Internetseiten politische Diskurse im Sinne einer deliberativen Demokratietheorie stattfinden. In einer Inhaltsanalyse wurden dazu 1.390 Leser-Kommentare auf den Internetseiten von sechs deutschen Printmedien untersucht. Es zeigt sich, dass viele der formalen und normativen Forderungen deliberativer Demokratietheorien auf diesen Plattformen nicht vollständig erfüllt werden. Es lassen sich dennoch Anzeichen dafür finden, dass auf massenmedialen Internetseiten durchaus Diskurse im Sinne der Demokratietheorie zustande kommen können. Hier liegt jedoch noch viel ungenutztes Potenzial, mit dem die Dialogizität der Diskussionen gesteigert werden kann.
Ilka Jakobs

Journalistische Qualität im Urteil des Publikums

Frontmatter
Journalismus, der es keinem recht macht?
Eine empirische Untersuchung zu Ursachen und Konsequenzen des Hostile-Media-Effekts
Zusammenfassung
Den Annahmen des Hostile-Media-Effekts zufolge sind involvierte Rezipienten selbst dann der Auffassung, die Medienberichterstattung zu einem kontroversen Thema begünstige das gegnerische Lager, wenn die Berichterstattung ausgewogen ist. Eine solche Wahrnehmung durch Rezipienten stellt ein Problem für den Journalismus dar, weil sie zum Beispiel dazu führen kann, dass Rezipienten die Leistungen von Journalisten skeptischer bewerten. In einer Online-Befragung wurden Einflussfaktoren und Folgen des Hostile-Media-Effekts untersucht. Kritikern und Befürwortern von Windkraftanlagen wurde dazu ein Zeitungsartikel zum Thema vorgelegt. Die Ergebnisse bestätigen, dass Windkraftanlagen-Gegner den Artikel im Vergleich zu den Befürwortern als deutlich positiver gegenüber Windkraftanlagen ansehen. Weiteren Analysen zufolge wird der Hostile-Media-Effekt von einem generellen Vertrauen in Medien beeinflusst, nicht aber von der vermuteten Reichweite des Artikels. Als Konsequenz einer zunehmenden Hostile-Media-Wahrnehmung zeigt sich, dass die Qualität des Artikels negativer eingeschätzt wird und bei Teilen der Stichprobe die Befürchtung steigt, er könne negative Wirkungen auf andere Rezipienten ausüben.
Philipp Henn, Friederike von Vincke, Marco Dohle, Shoshana Schnippenkoetter
Die Identität und Qualität des Journalismus im Internet aus der Sicht des Publikums
Ergebnisse einer Online-Befragung
Zusammenfassung
Medienschemata dienen der wechselseitigen Abstimmung der Erwartungen zwischen Anbietern und Publikum. Formate, Medien, Marken und berufliche Merkmale unterstützen als Schemata das Erkennen und Bewerten journalistischer Angebote. Mit ihrer Hilfe können Rezipienten relativ zuverlässig Angebote dem Journalismus zuordnen und deren Qualität beurteilen. Im Internet, so der Eindruck, verschwimmen die Grenzen und Maßstäbe des Journalismus. Im Unterschied zu älteren Medien, bei denen sich die Erwartungsstrukturen allmählich verfestigt und vereinheitlicht haben, besitzt das Internet Eigenschaften (Multioptionalität, Partizipation, Dezentralität), die zu einer andauernden Institutionalisierungsschwäche führen könnten, was unter anderem an den Hybridmarken und -formaten ablesbar ist. Vorgestellt werden Ergebnisse einer Online-Befragung, mit der das Schemawissen des Publikums über Formatbezeichnungen und Markennamen im Internet erfasst wurde. Danach besitzt der Journalismus im Internet einen klar strukturierten Kernbereich, in dem sich die Websites von Presse und Rundfunk befinden, sowie eine schwach konturierte Peripherie.
Christoph Neuberger
Von der Sender- zur Nutzerqualität
Entwicklung einer mehrdimensionalen Skala zur Messung der Qualität von Online-Nachrichtenangeboten aus Publikumssicht
Zusammenfassung
Die Qualität eines Angebots stellt einen möglichen Einflussfaktor dafür dar, ob und wie intensiv Medienangebote vom Publikum genutzt werden. Gerade im Internet, wo aufgrund der zahlreichen und heterogenen Informationsquellen vermehrt Nutzungsentscheidungen getroffen werden müssen, rückt das Spannungsverhältnis zwischen Qualität und Quote in den Blick. Thema des Beitrags ist die Operationalisierung der Qualität von Nachrichtenangeboten im Internet aus Nutzersicht. Hierzu liegt bislang keine theoretisch und methodisch fundierte Skala vor. Das Ziel des Beitrags ist daher, auf der Basis eines mehrdimensionalen Modells ein Messinstrument zur Erfassung der Qualität von Online-Nachrichtenseiten zu erarbeiten und empirisch zu testen. Dabei werden drei verschiedene Angebotsformate unterschieden. Durch die Integration der Perspektive der Nutzer wird eine Verbindung zwischen Qualitäts- und Rezeptionsforschung hergestellt.
Katja Mehlis

Journalistische Darstellungsmittel und ihre Wirkungen auf das Publikum

Frontmatter
Die Relevanz von Ursachen- und Verantwortungszuschreibungen im Kontext von Nachrichtenproduktion und -rezeption:
Theoretische und methodische Potenziale von Attributionstheorien
Zusammenfassung
Die öffentliche Kommunikation über krisenhafte Ereignisse deutet darauf hin, dass Journalisten und Rezipienten ein fundamentales Bedürfnis danach haben, mehr über die Ursachen der Ereignisse und verantwortliche Akteure zu erfahren. Wurden Ursachen und Verantwortung zugeschrieben, so kann dies die Einstellungen von Rezipienten beeinflussen. Auch Journalisten attribuieren Ursachen und Verantwortung für Ereignisse in der Berichterstattung. Wie dieser Prozess der Ursachen- und Verantwortungszuschreibung abläuft, welche Faktoren ihn auslösen und wie er sich auswirkt, wurde bislang weder in der Rezeptions- noch in der Journalismusforschung zufriedenstellend geklärt. Daher soll dieser Beitrag zeigen und begründen, wie Journalismus- und Rezeptionsforschung künftig von einer systematischeren Berücksichtigung und Weiterentwicklung von Attributionstheorien profitieren können. Ausgehend vom State-of-the-Art in der Kommunikationswissenschaft und der Attributionsforschung werden theoretisch-konzeptionelle und methodische Schlussfolgerungen diskutiert, um das Zustandekommen und die Auswirkungen von Kausal- und Verantwortungsattributionen in den Gesamtkontext von Nachrichtenproduktion und Medienrezeption zu integrieren. Dies wird unter anderem anhand des Framing-Ansatzes verdeutlicht.
Andreas Schwarz
Emotionale Wirkungen von Kommunikatoren- und Journalisten-Frames
Zusammenfassung
Die wirkungsorientierte Framing-Forschung operiert oft mit idealtypischen Medienstimuli. Auch Ansätze zu emotionalen Wirkungen von Medien-Frames fokussieren idealtypische Medien-Frames, die intensive emotionale Reaktionen nach sich ziehen sollten. Die aus dem Austauschprozess von Kommunikatoren und Journalisten hervorgehenden Medien-Frames dürften indessen oft keinen idealtypischen Aufbau aufweisen. Im Beitrag wird diskutiert, wie von Kommunikatoren und Journalisten erzeugte Frames aufgebaut sind und welche emotionalen Wirkungen derartige Frames nach sich ziehen.
Rinaldo Kühne
Der kombinierte Einsatz von Daten und Fallbeispielen in den Medien: Wirkung und Glaubwürdigkeit
Zusammenfassung
Die Verwendung sogenannter „Fallbeispiele“ im Journalismus soll die Anschaulichkeit der Berichterstattung erhöhen und wird in der Literatur als Indikator für eine verstärkte journalistische Publikumsorientierung betrachtet. In den letzten Jahren konnte gleichzeitig eine zunehmende Verwendung von Statistiken in der Berichterstattung beobachtet werden („Datenjournalismus“). Vor dem Hintergrund dieser gegenläufigen Trends befasst sich der vorliegende Beitrag mit der kombinierten Wirkung beider Darstellungsmittel. Bisher wurde hier meist ein „Fallbeispieleffekt“ gefunden: Fallbeispiele wirken stärker auf die Urteilsbildung der Rezipienten als summarische Realitätsbeschreibungen. Dabei wurde jedoch fast ausschließlich das Fallbeispiel experimentell variiert. Um diese Lücke zu schließen, wurde daher im Rahmen einer experimentellen Befragung (n = 239) auch die summarische Realitätsbeschreibung variiert. Zudem wurde der Einfluss der zugeschriebenen Glaubwürdigkeit berücksichtigt, die durch dissonante Kombinationen aus Fallbeispiel und statistischen Daten beeinträchtigt werden könnte. Es zeigt sich, dass die kombinierte Wirkung von Fallbeispielen und summarischen Realitätsbeschreibungen in den Medien differenzierter betrachtet werden muss als dies bisher geschehen ist.
Victoria Fast, Philipp Müller, Sebastian Scherr
Was bleibt von Fernseh-Darstellungen des Holocaust?
Ein integrativer Ansatz zur empirischen Verknüpfung von Rezipienten- und Journalistenperspektive
Zusammenfassung
Der Aufsatz widmet sich dem Zusammenspiel von medial vermittelter Erinnerung und dem individuellen bzw. kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung. Vorgestellt wird ein integrativer Ansatz, der Rezeptions- und Wirkungsforschung mit der geschichtsjournalistischen Arbeit zusammenbringt. Ausgangspunkt ist eine empirische Studie, in der die Bedeutung von Fernsehdarstellungen für mentale Repräsentationen der Rezipienten vom Holocaust aus langfristiger Perspektive untersucht wird. Als ein herausragendes Ereignis wurde in den Interviews der „Majdanek-Prozess“ (1975–1981) genannt, welcher deshalb für unseren Ansatz das Anwendungsbeispiel bildet. Ausgehend von den Ergebnissen zur subjektiven Wirkung speziell dieses Ereignisses auf die Rezipienten wird eine geschichtsjournalistische Untersuchung der Fernsehberichterstattung über den Prozess bzw. die dreiteilige Fernsehdokumentation „Der Prozeß“ von Eberhard Fechner (NDR 1984) durchgeführt. Über diese Kontextualisierung der jeweiligen Ergebnisse eröffnet sich die Chance der mehrdimensionalen Betrachtung der komplexen Prozesse, in denen Erinnerung und Gedächtnis ständig neu verhandelt werden.
Juliane Finger, Hans-Ulrich Wagner
Metadaten
Titel
Journalismus und (sein) Publikum
herausgegeben von
Wiebke Loosen
Marco Dohle
Copyright-Jahr
2014
Electronic ISBN
978-3-531-19821-7
Print ISBN
978-3-531-19820-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19821-7