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2014 | Buch

Die Verfassung des Politischen

Festschrift für Hans Vorländer

herausgegeben von: André Brodocz, Dietrich Herrmann, Rainer Schmidt, Daniel Schulz, Julia Schulze Wessel

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

​Die Beiträge befassen sich mit der Verfassung des Politischen und bilden die wichtigsten Kernthesen von Hans Vorländer ab.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Die Grundlegung politischer Ordnung
Ein Streifzug durch Hans Vorländers Forschungsfelder
Zusammenfassung
„Dat ham wir uns so nich vorjestellt“. So reagierte Konrad Adenauer auf die Ablehnung seines Staatsfernsehens. Der gebürtige Wuppertaler Hans Vorländer hat diese Formulierung oft und gern zitiert. Sie kam dann zum Einsatz, wenn er über die Rolle des Bundesverfassungsgerichts oder generell über die Verfassung als Institution gesprochen hat. In ihr kommt auch tatsächlich vieles zusammen, was über den hier zu Ehrenden zu sagen ist.
André Brodocz, Dietrich Herrmann, Rainer Schmidt, Daniel Schulz, Julia Schulze Wessel

1 Die historische Verfassung des Politischen

Frontmatter
Formale Verfahren als Steuerungsmechanismen mittelalterlicher Orden
Aufriss eines Forschungsfeldes
Zusammenfassung
Schon Max Weber (zu Folgendem: Weber 1972, S. 696f.) hatte erkannt, dass die Lebensführung des Mönches, welcher zwar individuell für sich, aber dennoch in unterstützender Gemeinschaft von Gleichgesinnten „die ekstatische oder kontemplative Vereinigung mit Gott“ suche, prinzipiell nur durch einen „methodischen Betrieb“ erreicht und erhalten werden könne.
Gert Melville
Transzendenz ohne Gemeinsinn?
Ein religiöser „Übererfüller“ im 17. Jahrhundert
Zusammenfassung
In vielen zeitdiagnostischen Meisterzählungen erscheint die westliche Moderne als eine Epoche, die – nach einer Phase der Säkularisierung – weitgehend frei von religiösen Bindungen ist. Der vormodernen Geschichte kommt in diesem Narrativ die Rolle einer kontrastiven Hintergrundfolie zu. Historiker sind diesem Erzählstrang häufig gefolgt. Einen klassischen Ausdruck fand diese Argumentation bereits in jener Beweisführung Lucien Febvres über die ‚Unmöglichkeit des Unglaubens‘ im 16.
Gerd Schwerhoff
Entscheidung durch das Los
Vom praktischen Umgang mit Unverfügbarkeit in der Frühen Neuzeit
Zusammenfassung
Pantagruel, der Held in François Rabelais‘ satirischem Roman, nahm einmal an einer Gerichtssitzung teil, bei der ein Richter angeklagt war (Rabelais 2003, S. 450ff .). Man warf ihm vor, dass er ein ungerechtes Urteil gefällt habe. Der Richter rechtfertigte sich, er habe nur einmal aus Versehen die Augen auf den Würfeln nicht richtig abgelesen, die er stets für die Urteilsfi ndung verwende.
Barbara Stollberg-Rilinger
Mythische Opfer und reale Tote
Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ und der Erste Weltkrieg
Zusammenfassung
Der kanadische Historiker Modris Eksteins beginnt seine Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs mit dem Skandal, der die Premiere von Strawinskys Ballett Le Sacre du printemps im Théâtre des Champs-Élysées begleitete (Eksteins 1990, S. 25-92). Der Abend des 29. Mai 1913 in Paris, an dem die Parteien der ästhetischen Avantgarde und der Klassizität aufeinanderprallten, ist in Eksteins Darstellung das Pendant zu dem, was im anschließenden, Berlin gewidmeten Kapitel als „Augusterlebnis“ bezeichnet wird: der frenetische Jubel, mit dem die deutsche Kriegserklärung an Russland gefeiert wurde, die Rede des Kaisers, wonach er keine Parteien mehr kenne, sondern nur noch Deutsche, und die stürmische Begeisterung, mit der die Regimenter an die Front verabschiedet wurden.
Herfried Münkler

2 Die Verfassung der Demokratie

Frontmatter
Was hält die demokratische Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland zusammen?
Zusammenfassung
In dem von Prof. Vorländer von 2009 bis 2014 geleiteten Sonderforschungsbereich „Transzendenz und Gemeinsinn“ wurden die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens wissenschaftlich untersucht. Anlässlich der Eröffnung dieses Forschungsbereichs habe ich an der TU Dresden – damals als Bundesminister des Innern – die Festrede gehalten. Mein Beitrag zu dieser Festschrift basiert im Wesentlichen auf meinem Eröff nungs-Vortrag, den ich heute, vier Jahre später, überarbeitet, ergänzt und aktualisiert habe.
Thomas de Maizière
Die repräsentative Funktion des Körpers in der Demokratie
Zusammenfassung
Noch nie wurde in Deutschland über die Inszenierung von Politikerinnen und Politikern so oft diskutiert wie bei den Bundestagswahlen von 2013. Bei der Auseinandersetzung mit Kandidatinnen und Kandidaten sah es so aus, als ob es nur um die Frage ginge, ob sie geschickt und professionell genug mit ihrem eigenen Image umgehen konnten. Sicherlich kann man von einer massenmedialen Fokussierung auf die Selbstdarstellung der Politiker/innen und insbesondere auf ihre Körper sprechen, die vom eigentlichen Inhalt der politischen Diskussion wie Parteiprogrammen, politische Linie und Einstellung der Kandidat/innen ablenkt.
Paula Diehl
Zwischen Wut und Resignation
Politische Apathie, negativer Aktivismus und technokratischer Diskurs
Zusammenfassung
Unter den vielen Problemen, mit denen sich Hans Vorländer in seiner langen und produktionsreichen Karriere auseinandergesetzt hat, spielt die Kritik am technokratischen Denken eine besondere Rolle. Dies lässt sich nicht nur durch die erneute Brisanz und Aktualität erklären, die das Thema in den letzten Jahren in Europa wieder gewonnen hat, sondern sollte eher im Lichte des dauerhaften Interesses Vorländers für Theorie und Praxis der Demokratie verstanden werden, von dem zahlreiche Veröffentlichungen Zeugnis tragen.
Alessandro Pinzani
Zur demokratischen Ökonomie politischer Empörung
Zusammenfassung
In einem Spiegel-Essay (Kurbjuweit 2010, S. 26f.; die nachfolgenden Zitate sind dem Essay entnommen) behauptete der Autor Dirk Kurbjuweit im Herbst 2010, der „Wutbürger“ bestimme „das Gesicht der Gesellschaft […] und den Geist der Zeit“. Er entspringe dem Schoß einer „skeptischen Mitte, die bewahren will, was sie hat und kennt, zu Lasten einer guten Zukunft des Landes“.
Günter Frankenberg
Zur Politik der Transformativen Wissenschaft
Zusammenfassung
Kann man dafür votieren, dass die weitere Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft den menschlichen Zivilisationen auf dieser Erde die natürlichen Lebensgrundlagen irreversibel entzieht? Kann man also gegen Nachhaltigkeit sein? Gewiss: Man kann ihren Prinzipien zuwider handeln, ja fallweise scheint es annähernd unmöglich, dies nicht zu tun. Aber diese Prinzipien von Nachhaltigkeit mit Gründen bestreiten zu wollen, das dürfte kaum gelingen – und zwar aus moralischen Gründen.
Peter Strohschneider

3 Die Macht der Verfassung

Frontmatter
Verfassung und Patriotismus?
Ein ‚Text-Symbol‘ für die neugewonnene deutsche Demokratie
Zusammenfassung
Jede Form der Herrschaft – wenn man der Defi nition Max Webers folgen will (Weber 1920/1972, S. 122) – bedarf einer „Legitimitätsgeltung“, ist also (zumeist rechtlich) regulierte, sozusagen auf einer institutionellen ”Charta“ beruhende Machtausübung. Dabei kommt es – bis zum Monopolanspruch des Staates auf legitime physische Gewaltsamkeit (ebd., S. 29) – zu einer Machtsteigerung durch legitimierende Machtbeschränkung beziehungsweise Konkretisierung ihres Geltungsbereiches und -umfanges.
Karl-Siegbert Rehberg
Der juristische Wert einer Weltverfassung. Nur ein Glasperlenspiel oder Triebkraft eines Wandlungsprozesses?
Zur Bedeutung des Weltbildes für das Recht
Zusammenfassung
Den Anfang machte, zumindest aus juristischer Sicht, der Europäische Gerichtshof: en passant kennzeichnete er den EWG-Vertrag als Verfassungsurkunde. Wenige Jahre später legte dasselbe Gericht nach und präzisierte:
  • „[…] stellt der EWG-Vertrag, obwohl er in Form einer völkerrechtlichen Übereinkunft geschlossen wurde, nichtsdestoweniger die grundlegende Verfassungsurkunde einer Rechtsgemeinschaft dar […] Die wesentlichen Merkmale der so verfassten Rechtsordnung sind ihr Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten und die unmittelbare Wirkung zahlreicher für ihre Staatsangehörigen und sie selbst geltenden Bestimmungen.“
Ulrich Fastenrath
Deutungsmacht als Machtschranke
Gewaltenkontrolle zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof
Zusammenfassung
Der Europäische Gerichtshof ist ein mächtiges Gericht. Aber wie mächtig ist er? Er wurde als die treibende Kraft hinter dem Prozess der europäischen Integration identifiziert (Dehousse 1998, S. 75; Pollack 2003). Den Ursprung dieser Macht erklären neofunktionalistische Ansätze mit der wichtigen Rolle, die Gerichte spielen können, um ein Kooperationsdilemma zwischen exekutiven und legislativen Akteuren zu überwinden.
Steven Schäller
Kleingeschriebene Konstitutionalismen
Über den Perspektivenwechsel hinter dem Bedeutungswandel des Konstitutionalismus
Zusammenfassung
Als Begriff hat der Konstitutionalismus Konjunktur. Aber was mit Konstitutionalismus gemeint ist, ist heute umstrittener denn je. Das semantische Feld ist breit gefächert: Vertraut man den Fachzeitschriften, so ist der Konstitutionalismus heute ‚national‘ oder ‚global‘, ‚staatlich‘ oder ‚gesellschaftlich‘, ‚holistisch‘ oder ‚pluralistisch‘, ‚politisch‘ oder ‚managerial‘ – um nur einige der zur Zeit geläufigsten Bezeichnungen zu nennen, hinter denen sich oftmals neue verfassungstheoretische Ansätze verbergen.
Oliviero Angeli
Vom KPD-Verbotsurteil bis nach Lissabon
Vorüberlegungen zur Demokratietheorie des Bundesverfassungsgerichts
Zusammenfassung
Die Demokratie in Deutschland war schon immer eine von Karlsruher Gerichtsurteilen geprägte Demokratie. Das gilt nicht erst seit der großen Aufmerksamkeit, die dem Bundesverfassungsgericht im Zuge der aktuellen Urteile zum Europäischen Stabilitätsmechanismus, zum Wahlrecht oder zum ZDF-Staatsvertrag zukam.
Christian Wöhst
Verfassungsgebung jenseits der Konstituante
Solidarność und die politische Mobilisierung in Polen 1993-1997
Zusammenfassung
Die polnische Verfassungsgebung zwischen 1989 und 1997 widersprach fast allen Annahmen und Empfehlungen der klassischen Theoriebildung. Heißt es, ein Verfassungsgebungsprozess könne verfeindete politische Lager an den Verhandlungstisch bringen und im Idealfall aussöhnen, wurde er im polnischen Fall zu einer Chiffre für parteipolitische Auseinandersetzungen und politisch-kulturelle Deutungskämpfe.
Maik Herold, Solongo Wandan
„Welche Tradition setzen wir fort, und welche Tradition verwerfen wir?“
Vergangenheit als Geltungsressource im Verfassungsgebungsprozess der SBZ 1947-1949
Zusammenfassung
Ein Schneiderlehrling, ein Maschinenschlosser, ein Schüler und ein Schlosserlehrling sitzen am 29. November 1948 in einem kleinen Studio des Mitteldeutschen Rundfunks in Halle vor den Mikrofonen. Paul Verner, im Parteivorstand der SED für Jugendfragen zuständig, hat sie zusammen mit einem weiteren Funktionär der FDJ zum Radiosender begleitet. Geplant ist ein Gespräch zu einem politisch brisanten Thema: Es geht um den Entwurf einer gesamtdeutschen Verfassung. Wenige Wochen zuvor war dieser in der sowjetischen Besatzungszone zur Diskussion gestellt worden.
Johannes Schulz

4 Die Verfassung der politischen Theorie

Frontmatter
Hegels Begriff der Macht
Zusammenfassung
Macht ist eine soziale Beziehung, um Handlungsräume zu strukturieren. Geht man davon aus, dass Akteure grundsätzlich über verschiedene Handlungsoptionen verfügen, also in einer bestimmten Situation etwas Bestimmtes tun oder unterlassen oder etwas anderes tun können, so bewirkt die Ausübung von Macht, dass einige dieser Optionen für sie unmöglich oder unattraktiv, andere wiederum wesentlich attraktiver oder allein sinnvoll erscheinen.
Gerhard Göhler
Macht Macht dumm?
Über Odysseische Klugheit, Kantische Politik, Sokratische Dialogik und Nietzsches Herrenmoral
Zusammenfassung
„Macht Macht dumm?“ – Stimmt es oder nicht? – Ausgehend von der ersten Antwort auf diese Frage, lässt sich schnell ein Bezug zu Nietzsches Moralkritik und zu der für sie grundlegenden Unterscheidung zwischen der „Herren- und Sklavenmoral“ herstellen. Er ermöglicht die Auseinandersetzung mit zwei Themen: mit der Kritik jener Ideologie, die das „Recht des Stärkeren“ für selbstverständlich hält; zweitens mit der Analyse von Nietzsches nicht-trivialer und eigentlicher Theorie des „Herrn“ und deren Bedeutung.
Georg Kohler
Zeit für einen Paradigmenwechsel in der politischen Theorie?
Der Ansatz der Neuen visuellen Hermeneutik
Zusammenfassung
Viele Beobachter vertreten die Position, dass der computational turn (Berry 2011) nicht nur alle Sphären des individuellen wie kollektiven Lebens tangiert, sondern bereits heute gravierendere Konsequenzen besitzt als die industrielle Revolution. Man muss dieser Einschätzung nicht zustimmen, um trotzdem anzuerkennen, dass die Art und Weise, wie Wissenschaft betrieben wird, durch den computational turn bereits deutlich verändert wurde.
Gary S. Schaal, Roxana Kath
Grundsätzliches oder Selbstverständliches zum Politischen Realismus
Zusammenfassung
In seinem Beitrag zur Festschrift für Christian Hacke, die dem Thema Außenpolitik und Staatsräson gewidmet ist, hat Hans Vorländer den „Pragmatismus“ und „Realismus“ von Immanuel Kant gegen einen idealisierenden mainstream hervorgehoben. Selbst in der Schrift Zum ewigen Frieden sei der „moralische Politiker“ bei Kant „mit den Regeln der politischen Klugheit ausgestattet“.
Pier Paolo Portinaro
Weltanschaulicher Pluralismus und politische Gerechtigkeit – eine Alternative?
Ein Rückblick auf und mit John Rawls
Zusammenfassung
Pluralismus und Liberalismus bedingen einander wechselseitig. Wer den gesellschaftlichen Pluralismus als Ausgangsdatum, als irreversibles „Faktum“ (Rawls) der sozialen Struktur moderner Gesellschaften akzeptiert, darf schon im wohlverstandenen Eigeninteresse nicht hinter die Tradition von John Locke bis Thomas Jefferson zurückfallen, wenn er selbst zu dieser Entwicklung eine „liberale“ Haltung einnehmen will.
Enno Rudolph
Theorie und Methodenprobleme einer interzivilisatorisch vergleichenden Theorie
Zusammenfassung
In seinen zahlreichen Veröffentlichungen plädiert Fred Dallmayr für eine grundsätzliche Reorientierung und Reevaluierung der dominanten in Academia verankerten Konzeption der politischen Theorie und „replace or supplement the rehearsal of routinized canons with a turn to global, cross-cultural, or ‚comparative‘ political theorizing.
Jürgen Gebhardt
Backmatter
Metadaten
Titel
Die Verfassung des Politischen
herausgegeben von
André Brodocz
Dietrich Herrmann
Rainer Schmidt
Daniel Schulz
Julia Schulze Wessel
Copyright-Jahr
2014
Electronic ISBN
978-3-658-04784-9
Print ISBN
978-3-658-04783-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-04784-9