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2014 | Buch

Unternehmensbewertung in Spruchverfahren beim „Squeeze out“

Der Zeitaspekt in Gesetz, Rechtsprechung und Gutachterpraxis aus funktionaler Sicht

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Über dieses Buch

​Nach einem „Squeeze out“ haben Minderheitsaktionäre einen Rechtsanspruch auf eine Barabfindung, deren Angemessenheit gewöhnlich in einem Spruchverfahren überprüft wird. Solche Überprüfungen sind komplex und langwierig, weil regelmäßig Unternehmensbewertungsgutachten erforderlich sind. Obwohl die mehrjährigen Spruchverfahren ein reales Problem darstellen, wird der Zeitaspekt im Schrifttum selten berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund untersucht Behzad Karami den Zeitaspekt aus Sicht der funktionalen Unternehmensbewertungslehre. Der Autor verdeutlicht die Gründe für die Beachtung des Zeitaspekts in der Gutachter- und in der Spruchpraxis und generiert zweckadäquate Lösungsvorschläge.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
I. Zeitaspekt als Rechtstatsache und ökonomisches Problem
Zusammenfassung
Einen Schwerpunkt der betriebswirtschaftlichen Forschung und Praxis stellt traditionell die Unternehmensbewertung dar. Unbestritten gilt sie als „Königsdisziplin“, einen Königsweg gibt es indes nicht. Ein entsprechender Blick in die Literatur zeigt nicht enden wollende Kontroversen über diverse Bewertungsfragen. Darüber hinaus erhalten Bewertungsfragen auch in der rechtswissenschaftlichen Forschung und Praxis ein stärkeres Gewicht. Unternehmensbewertung wird zum Rechtsproblem, wenn vermögensrechtliche Ansprüche vom Wert eines Unternehmens(anteils) abhängen und die konfligierenden Rechtssubjekte sich außergerichtlich über diesen Wert nicht einigen können. In derartigen Konstellationen stellt die Unternehmensbewertung eine die Rechtsanwendung betreffende, doch wesentlich mit bewertungstheoretischen Erkenntnissen verzahnte Materie dar. Es obliegt dem zuständigen Richter, nach Würdigung aller für den konkreten Sachverhalt relevanten Tatsachen einen „normrichtigen“ Unternehmenswert („Normwert“) festzulegen. Die Problematik, die sich dabei stellt, betrifft die richterliche Entscheidung unter dem Aspekt der Wahrung des rechtlichen Wertungssystems, d. h. der (verfassungs-)rechtlichen und gesetzlichen Anforderungen, ohne dabei bewertungstheoretische Widersprüche oder Brüche zu provozieren. Nur dann kann ein Richter die Aufhebung seiner Entscheidung durch eine höhere Instanz vermeiden.
Behzad Karami
II. Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Abfindungsrechts am Beispiel des aktienrechtlichen „Squeeze out“
Zusammenfassung
Wie in Kapitel I dargelegt, legitimiert die deutsche Rechtsordnung einen Hauptaktionär, der die Voraussetzungen der §§ 327a ff. AktG erfüllt, Minderheitsaktionäre gegen ihren Willen aus der Zielgesellschaft auszuschließen („Squeeze out“). Dabei bedarf der „Squeeze out“ trotz eines nachhaltigen Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte keiner sachlichen Rechtfertigung. Unerläßliche Voraussetzung gemäß § 327a AktG ist lediglich ein Kapitalanteil von mindestens 95 % des Grundkapitals einer AG oder KGaA. Insofern kommt es nicht ausschließlich auf den Stimmrechtsanteil des Hauptaktionärs an. Unterschiede zwischen Kapital- und Stimmrechtsanteil ergeben sich etwa bei einer Emission stimmrechtsloser Vorzugsaktien, die Eingang in die Berechnung des Kapitalanteils finden, jedoch kein Stimmrecht verbriefen. Die Berechnung des Kapitalanteils eines Hauptaktionärs bestimmt sich nach § 327a Abs. 2 AktG in analoger Anwendung von § 16 Abs. 2 u. 4 AktG. Demgemäß sind dem Hauptaktionär – dessen Rechtsform im übrigen irrelevant ist – alle Aktien zuzurechnen, die direkt oder indirekt in seinem Eigentum stehen, also auch Aktien, die von einem vom Hauptaktionär beherrschten Unternehmen oder von einem Dritten für Rechnung des Hauptaktionärs gehalten werden.
Behzad Karami
III. Verhältnis von Bewertungsstichtag und Entscheidungstag im Spruchverfahren
Zusammenfassung
Das Stichtagsprinzip regelt die Frage, welcher Zeitpunkt für die Wertermittlung maßgeblich ist. Schließlich sind (Unternehmens-)Werte i. S. v. Bar- oder Gegenwartswerten zeitabhängig und subjektiv, d. h. die Wertvorstellungen eines Bewertungssubjektes ändern sich im Zeitablauf in Abhängigkeit von den verfügbaren Informationen, den individuellen Handlungsmöglichkeiten und -beschränkungen, dem allgemeinen Marktgeschehen, den Erwartungen über die künftige Entwicklung und vom Zielsystem. Vor diesem Hintergrund ist für jede Bewertung ein Tag zu bestimmen, auf welchen der maßgebliche Wert zu ermitteln ist. Dieser sog. Bewertungsstichtag ist immer ein bestimmter Tag, niemals ein Zeitraum, denn im deutschen Rechtssystem hängen wesentliche Rechtsfolgen vom Wert zum Bewertungsstichtag (sog. Stichtagswert) ab. Deshalb darf der Bewertungsstichtag nicht willkürlich festgelegt werden, denn dieser determiniert, welche finanziellen Überschüsse den bisherigen Unternehmenseignern bereits zugeflossen sind und daher im Rahmen der Wertermittlung grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden, und ab welchem Zeitpunkt zu erwartende bzw. bereits realisierte, aber noch nicht ausgeschüttete, finanzielle Überschüsse den künftigen (Allein-)Eigentümern zuzurechnen sind. Der Bewertungsstichtag kennzeichnet somit eine Zäsur in der Zeitachse, weil feststellbare vergangenheitsbezogene Ist-Daten von unsicheren zukunftsorientierten Plan-Daten getrennt werden, wobei gemäß dem Grundsatz der Zukunftsbezogenheit nur Plan-Daten für die Ermittlung eines theoretisch fundierten Barwertes maßgebend sind.
Behzad Karami
IV. Zusammenfassung
Zusammenfassung
Mit zunehmender Relevanz des Spruchverfahrens steigt auch die Bedeutung der rechtlichen Unternehmensbewertung. Regelmäßig beeinträchtigen aktien- und umwandlungsrechtliche Maßnahmen, die vom Hauptaktionär teilweise gegen den Willen von Minderheitsaktionären durchgeführt werden, die vermögensrechtliche Stellung betroffener Minderheitsaktionäre. Daher sieht das Gesetz für diese Minderheitsaktionäre eine „angemessene“ Kompensation vor, die vom Hauptaktionär zu entrichten ist. Gegenstand eines Spruchverfahrens ist die gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit und ggf. die richterliche Erhöhung der Kompensation (sog. Abfindungsergänzungsanspruch). Vor dem Hintergrund, daß Spruchverfahren häufig langwierig sind und in der Zwischenzeit neue (bewertungsrelevante) Informationen und (wissenschaftliche) Erkenntnisse gewonnen werden, war das Ziel der Arbeit, die Bedeutung des Zeitaspekts und dessen Einfluß auf die Höhe der „angemessenen“ Kompensation darzulegen sowie erste theoretische Lösungsvorschläge für die dabei auftretenden Probleme zu präsentieren. In diesem Zusammenhang wurde auf der Grundlage des Modells zur Bestimmung angemessener Barabfindungen von MATSCHKE/BRÖSEL, welches auf dem Grundkonzept des Arbitriumwertes nach MATSCHKE basiert, ein theoretisch fundiertes Konzept entwickelt, welches aus Sicht des richterlichen Entscheidungstages im Spruchverfahren die Frage nach dem ökonomisch sachgerechten Abfindungsergänzungsanspruch im intertemporalen Kontext beantworten sollte. Es handelt sich um ein praktikables Modell, das sowohl den rechtlichen als auch den bewertungstheoretischen Anforderungen Rechnung trägt.
Behzad Karami
Backmatter
Metadaten
Titel
Unternehmensbewertung in Spruchverfahren beim „Squeeze out“
verfasst von
Behzad Karami
Copyright-Jahr
2014
Electronic ISBN
978-3-658-04815-0
Print ISBN
978-3-658-04814-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-04815-0