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2016 | Buch

Schwierigkeiten mit der Moral

Ein Plädoyer für eine neue Wirtschaftsethik

herausgegeben von: Philipp Aerni, Klaus-Jürgen Grün, Irina Kummert

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

Welche Rolle spielt die Moral für unser wirtschaftliches Handeln und überhaupt in der Wirtschaft? Steht sie uns vielleicht sogar im Weg? Durch Finanz- und Wirtschaftskrisen ist das Misstrauen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft weiter gestiegen. In Anbetracht dessen stellen die Herausgeber dieses Bandes die Frage, ob wir eine neue Wirtschaftsethik brauchen: eine Wirtschaftsethik, die den in der Wirtschaft tätigen Menschen eine wirkliche Orientierung gibt, statt sie dem Dilemma von leerem Moralismus und praktischen Zwängen der ökonomischen Welt zu überlassen; eine Wirtschaftsethik, die dem Anspruch, einen realistischen ethischen Rahmen für das wirtschaftliche Handeln zu bieten, tatsächlich gerecht wird. Die Beiträge dieses Buches behandeln interdisziplinär und aus unterschiedlichen Perspektiven die Schwierigkeiten mit der Moral und münden in der provokanten These, dass sich Wirtschaftsethik auch ausgezeichnet als Warnung vor der Moral eignet.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

I Märkte und Moral

Frontmatter
Absicherungsstrategien und Scheinsicherheit: Die Kontextualität von Moral und Regulierung unter besonderer Berücksichtigung des Kapitalmarktes
Zusammenfassung
»Erfolg garantiert!« Mit diesem oder einem ähnlichen Slogan werben moderne Partnervermittlungen für ihre Dienstleistung. Es scheint so, als sei sogar die Liebe, dieses unkalkulierbare Phänomen, unserem Sicherheitsdenken zum Opfer gefallen. Dass Partnervermittlungen einen derart großen Zulauf haben und Menschen ihr Beziehungsglück nicht mehr dem Zufall überlassen wollen, ist nur ein Indikator dafür, dass unsere Bereitschaft, Risiken einzugehen gesunken ist. Weil wir die Zukunft nicht vorhersagen können, weil sie unserem Kalkül verschlossen bleibt, weil wir Angst haben vor Verlusten und vor dem Scheitern, neigen wir dazu, uns abzusichern.
Irina Kummert
Welche Ethik braucht es für die Durchsetzung der UNO-Nachhaltigkeitsziele?
Globale Unternehmerverantwortung im Spannungsfeld von Regulierung und Innovation
Zusammenfassung
In den laufenden internationalen Bestrebungen der Vereinten Nationen Nachhaltigkeitsziele für die nächsten 15 Jahre zu definieren (Post-2015 Agenda) wird der Förderung von innovativem Unternehmertum nach wie vor kaum Bedeutung zugemessen. Implizit wird nämlich angenommen, dass der Unternehmer in seinem Streben nach Gewinn primär sich selbst bereichert, und das oftmals auf Kosten der Gesellschaft. Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch bei vielen Ethikern und Ökonomen herrscht daher die Überzeugung, dass der Unternehmer nicht zugleich gewinnorientiert und ethisch sein kann.
Philipp Aerni
Kollektive Verantwortung im Ethischen Naturalismus
Zusammenfassung
Begriffe wie Freiheit, Gerechtigkeit und Ethik haben in der Geschichte der Philosophie Tradition. Anders ist dies mit dem Begriff der Verantwortung, der erst seit dem 19. Jahrhundert ein philosophisch relevanter Terminus ist. Verantwortlich für etwas zu sein bedeutet ursprünglich Rechenschaft ablegen zu müssen, beispielsweise vor Gott, der Justiz oder der Öffentlichkeit. (Vgl. Lenk und Maring 1971 ff., Sp. 566) Seine »ethisch und politisch motivierte Hochphase» (Nida-Rümelin 2011, S. 142) erreichte der Begriff in den 1970er Jahren, als atomare Bedrohung, Umweltzerstörung und neue Technologien eine kritische Öffentlichkeit bewegten.
Yvonne Thorhauer

II Philosophische Ethik und Märkte-Moral

Frontmatter
Kooperation in der Krise
Von der Habitualisierung der Lüge zur Organisation der Synergie
Zusammenfassung
Kürzlich hatte ich in einem Berliner Bürgeramt einen Termin. Ein junger Mann sprach mich im übervollen Warteraum an und fragte, ob ich mir die Zeit, bis ich aufgerufen werden würde, mit einem wissenschaftlichen Experiment vertreiben wolle. Ich willigte ein und das Spiel begann.
Dieter Thomä
Das Gute möge nützlich sein – Wirtschaftsethik als Warnung vor der Moral
Zusammenfassung
Der Beitrag möchte die Schwächen unserer Volksmoralen und akademischen Ethiken herausstellen und dazu ermuntern, vom Standpunkt der Nützlichkeit aus eine kritische Haltung gegenüber den Lehren des Guten einzunehmen. Die Lehren des Guten verteufeln zwar das Nützliche, aber sie bleiben weit hinter ihrem Anspruch zurück, ohne das Prinzip der Nützlichkeit auszukommen. Fehlende Kritik ethisch-moralischer Selbstverständlichkeiten erachten wir als einen der Gründe für die stets unterschätzte Feindseligkeit in einigen Metaphern des Guten. Der Beitrag fasst Argumente zusammen, die dem Dogma, dass Ökonomie stets das Andere der Ethik und Moral sein müsste, ungeboten erscheinen lassen.
Klaus-Jürgen Grün
Metaethische Grundannahmen eines philosophischen Naturalismus
Zusammenfassung
Die Begriffe »Naturalisierte Ethik« und »Metaethik« haben weitestgehend dieselbe Bedeutungsextension. Von einem szientistischen Naturalismusverständnis, welches an den Erklärungsmethoden der Naturwissenschaften orientiert ist, unterscheidet sich der philosophische Naturalismus grundlegend dadurch, dass er von einem kausalen Erklärungsmodell absieht, das Ereignisketten einzig auf die Vorkommnisse mikrophysikalischer Eigenschaften an Punkten der Raum-Zeit zurückführt, und stattdessen die voraussetzungsvolle These aufstellt, dass es mit Hinblick auf die menschliche Sozialität bestimmte Entitäten gibt, welche dem Kausalnexus physikalischer Eigenschaften entrückt sind, sie sich vielmehr nach dem Erklärungsmodell der Emergenz verstehen lassen.
Johannes Schwarze

III Zur Psychologie des Marktes

Frontmatter
Die Ethik des Präferenz-Managements: Risiko, Werte und Entscheidungen
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werde ich in wenigen Worten die Psychologie des Risikos und einige ihrer Implikationen beschreiben. Dabei werde ich mit einer Untersuchung der Subjektivität beginnen, sowie den Werten, welche in der Definition und Beurteilung von Risiko inbegriffen sind. Ich werde argumentieren, dass es legitime, werte-geladene Sachverhalte gibt, welche den multiplen Dimensionen der öffentlichen Risikowahrnehmung zu Grunde liegen, und diese Werte sind als Risiko- Richtlinien-Entscheidungen (risk-policy decisions) zu erachten.
Paul Slovic
Ethik und Heuristiken: Eine komplexe Beziehung
Zusammenfassung
Lassen Sie mich zu Beginn die Karten auf den Tisch legen. Mein Ziel ist folgendes: Ich möchte Sie von einem einfachen Umstand überzeugen, nämlich dem, dass es entsetzlich schwer sein kann, allein mit Blick auf das Handeln einer Person oder seinen Resultaten Schlussfolgerungen über die Qualität des Charakters oder die ethischen Dispositionen der Person zu ziehen. Die Konsequenz dieses Umstandes ist, dass wir moralische Bewertungen erst dann treffen können, wenn wir auch die Entscheidungsstrategie eines Handelnden kennen und verstehen. Dies ist die These meines Vortrages und wir könnten jetzt unmittelbar zur Diskussion schreiten. Doch natürlich möchte ich nicht den Versuch versäumen, Sie zunächst von dieser These zu überzeugen.
Ralph Hertwig
Gute Lügen, böse Moral und beliebiges Gewissen
Zusammenfassung
Sie haben den ganzen Tag über Ethik, Moral und Lügen gesprochen. Ich kann mir nicht anmaßen, nun die ultimative Zusammenfassung zu liefern und schon gar nicht, Ihnen etwas ebenso Kompetentes zu liefern, wie Sie es sich heute erarbeitet haben. Deshalb beschränke ich mich darauf, einige Gesinnungswandel zu schildern, die ich zu Ihrem Themenbereich während und nach meiner aktiven Zeit als Politiker durchlebte. Gewiss haben Sie bei diesem Titel gedacht: Er liest aus seinem Tagebuch als Politiker vor. »Nirgends wird so viel gelogen wie in der Politik, Moral ist dort ohnehin ein Schimpfwort und Gewissen haben die gar keines.« Das ist eine häufig anzutreffende Einstellung.
Moritz Leuenberger

IV Voten aus den Unternehmen zur Frage der Nachhaltigkeit

Frontmatter
Nachhaltigkeit als Metapher des Guten? Das Gute der Nachhaltigkeit
Zusammenfassung
Wenn man über eine so große Sache wie Nachhaltigkeit redet, setzt dies im allgemeinen voraus, dass man weiß, was unter der Sache zu verstehen ist. Konfrontiert man aber mehrere Verwender mit der Frage »Was ist Nachhaltigkeit?«, so bekommt man häufig einen bunten Strauß unterschiedlicher, möglicherweise sogar sich widersprechender Antworten. Dabei wird schnell deutlich, dass sich das Wort Nachhaltigkeit in vielfältiger Weise verwenden lässt. Ihre unternehmerische Umsetzung findet es im Konzept der so genannten Corporate Social Responsibility.
Thomas Forwe
Nachhaltigkeit – Anspruch und Wirklichkeit eines Trend-Begriffs
Zusammenfassung
Es scheint kaum einen Bereich mehr zu geben, der ohne Nachhaltigkeit auskommt. Produkte wie Tiefkühlpizza werden damit ebenso beworben wie Biosprit aus Raps- und Palmöl oder die Regale einer Billigmöbelkette. Finanzprodukte werden mit dem Attribut »nachhaltig« versehen, um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Die Politik gebraucht das Adjektiv geradezu inflationär. Sei es zur Rechtfertigung dreistelliger Milliardensummen für eine »Eurorettung« oder zur Umsetzung einer »Energiewende«. Unternehmen begründen mit »Nachhaltigkeit« umfangreiche Entlassungsprogramme, und lenken von ihrer bereits sehr hohen Profitabilität ab.
Stefan Fomm
Jenseits der Nachhaltigkeit
Zusammenfassung
Als Hotelgast in einem nachhaltigen 5-Sternehotel werde ich eingeladen zu übersehen, dass auch ein Solarkollektor auf dem Dach und eine Woche dreckige Handtücher den Gesamtressourcenverbrauch von Luxustourismus nur minimal reduzieren. Aber ich lasse mich von einem mit Nachhaltigkeit beworbenen Hotel einladen zu verdrängen. Vielleicht sogar, dass ich einen Langstreckenflug zurückgelegt habe, um zu meinem Urlausort zu gelangen. Und irgendwie weiß ich ja, dass das mit den Langstreckenflügen nicht so eine gute Sache ist, wegen des Klimas.
Katharina Serafimova
Backmatter
Metadaten
Titel
Schwierigkeiten mit der Moral
herausgegeben von
Philipp Aerni
Klaus-Jürgen Grün
Irina Kummert
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-10282-1
Print ISBN
978-3-658-10281-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-10282-1