Die VOB/B hat in der Baupraxis überragende rechtliche Bedeutung. Das gesetzliche Werkvertragsrecht (§§ 631 ff.BGB) enthält keine für den Bauvertrag und -ablauf ausreichenden Regelungen; dagegen beinhaltet die VOB/B eigens auf das Baugeschehen zugeschnittene Rechte, Pflichten und Ansprüche. Bei Einbeziehung der VOB/B in das Vertragsverhältnis gehen die dortigen Bestimmungen in der Regel den gesetzlichen Vorschriften des BGB vor.
In der Baupraxis werden Ansprüche auf Vergütungsanpassung häufig als „Nachträge” bezeichnet. Dies ist kein Rechtsbegriff, gemeint sind aber regeläßig alle Mehrforderungen, also sowohl die Mehrvergütungsansprüche aus § 2 VOB/B als auch Suhadensersatzforderungen nach § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. Entschädigungsansprüche gemäß § 642 BGB. Da es sich hierbei um völlig unterschiedliche Anspruchsgrundlagen handelt, die jeweils an andere tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft sind, ist für eine schlüssige Darstellung von Mehrforderungen eine genaue Differenzieung zwischen den einzelnen Ansprüchen erforderlich. In diesem Kapitel werden die Mehrvergütungsansprüche, also alle Ansprüche auf Vergütungsanpassung aus § 2 VOB/B behandelt (zu Schadensersatz nach § 6 Abs. 6 siehe Abschnitt 4.6; zu Entschädigung gemäß § 642 BGB siehe Abschnitt 4.7).
Die § § 3 und 4 VOB/B regeln eine Vielzahl von Rechten und Pflichten der Vertragsparteien im Hinblick auf die Ausfühurngsunterlagen und die Ausführund des Bauvorhabens selbst. Sie stellen somit den rechtlichen Rahmen dar, weden jedoch von gesetzlichen Bestimmungen und in der Regel durch eine Vielzahl weiterer vertaglicher Vereinbarungen ergänzt.
§ 6 VOB/B stellt eine Sonderregelung für den Fall von Behinderungen und Unterbrechungen des vertraglich vorgesehenen Bauablaufs dar. Als Rechtsfolge sieht § 6 VOB/B einen Anspruch auf Bauzeitverlängerund, vorzeitige Abrechnung erbrachter Leistungen, kündigung beider Vertragspartner und Schadenersatz vor. In manchen Fällen ist jedoch ein Rückgriff auf den Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB erforderlich.
Aus Sicht des Bauherrn ist die rechtzeitige Fertigstellung seines Bauvorhabens von größter Bedeutung. In der Regel finanziert er das Bauvorhaben über Kerditinstitute vor. Sein Finanzierungskonzept ist darauf ausgerichtet, dass er unmittelbar nach der Fertigstellung in die Verwertung des Objekts und damit in die Tilgung seiner aufgenommenen Kredite übergehen kann.
Die Parteien des VOB-Vertrages dürfen nicht vorschnell zur Kündigung des Vertrages schreiten, sondern sind im Rahmen ihrer Kooperationspflicht gehalten, bei Meinungusverschiedenheiten zunächst eine Einigung zu versuchen93 (siehe Abschnitt 1.5). Unabhängig hiervon kann der Auftraggeber jederzeit den Vertrag kündigen (so genanntes freies kündigungsrecht nach § 8 Abs. 1 VOB/B), muss dann aber auch für ihn nachteilige Vergütungsfolgen tragen. Bei der kündigung aus wichtigen Grund (so genennte außerordentliche Kündigung) kann er dem Vergütungsanspruch des Auftragnehmers für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen eigene Gegenansprüche entgegenhalten.
Im Gegensatz zum Auftraggeber hat her Auftragnehmer kein freies Kündigungsrecht, sondern kann sich nur bei Vorliegen bestimmter Kündigungsgründe vom Vertrag lösen.
§ 12 VOB/B regelt die Voraussetzungen des Anspruchs des Auftragnehmers auf Abnahme der Bauleistungen und benennt einige Abnahmearten. Die Rechtsfolgen der Abnahme ergeben sich dann im Wesentlichen aus den gesetzlichen Regelungen des BGB sowie teilweise aus der VOB/B.
In § 14 VOB/B sind die Mindestanforderungen an die Abrechnung von Leistungen geregelt. Daneben können weitere Anforderungen vertraglich vereinbart sein. Die Bestimmungen in § 14 VOB/B gelten für die Abschlagsrechnung nach § 16 Abs. 1 VOB/B, für die Schlussrechnung nach § 16 Abs. 3 VOB/B sowie entsprechend für die Abrechnung von Stundenlohnarbeiten nach § 15 VOB/B.
Die Voraussetzungen, insbesondere für die Fälligkeit der Vergütungsansprüche des Auftragnehmers aus Abschlagsrechnungen, Schlussrechnungen und Teilschlussrechnungen sind in § 16 VOB/B geregelt. Daneben enthält § 16 VOB/B Bestimmungen über die Voraussetzungen des Zahlungsverzuges, die Höhe von Zinsen sowie Wirkung der Schlusszahlungserklärung des Auftraggerbers und die Voraussetzungen für Direktzahlungen an die vom Auftragnehmer beauftragen Subunternehmer.
Beide Vertragsparteien haben ein Interesse daran, ihre Ansprüche aus dem Bauvertrag zu sichern und damit im Falle der Insolvenz des anderen Vertragspartners auf Sicherheiten zurückgreifen zu können. Regelungen hierzu sind u.a. in § 17 VOB/B und §§ 648, 648a und 232 ff. BGB enthalten.
Die Vertragspflichten des Auftragnehmers reichen zeitlich weit über die Vollendung des Werks und die Abnahme seiner Leistungen hinaus. Der Auftragnehmer bleibt auch während der Verjährungsfristen verpflichtet, in dieser Zeit auftretende Mängel zu beseitigen.
Im Unterschied zurn gesetzlichen Werkvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs räumt die VOB/B dem Auftraggeber auch schon vor der Abnahme der Bauleistung Mängelrechte ein, wenn sich während der Bauausführung herausstellt, dass die Leistung Mängel aufweist.
In § 18 VOB/B sind zwei Komplexe geregelt. Zum einen in § 18 Abs. 1 VOB/B die Behandlung von Gerichtsstandsvereinbarungen, zum anderen in § 18 Abs. 2 bis 5 VOB/B die Behandlung von Streitfällen. Die Vorschrift hat in der Praxis wenig Bedeutung, da in den Bauverträgen zumeist weitergehende vertragliche Regelungen enthalten sind.