Wenn wir nachfolgend über sogenannte Boom-Branchen 50plus sprechen, müssen wir zunächst den Versuch einer Definition verschiedener Begriffe unternehmen. Das englische Wort „(to) boom“ bedeutet „Wirtschaftsblüte“, aber auch „dröhnen“, „wummern“ und bezeichnet eine längere, häufig nachhaltige Konjunkturphase.
Fünf Beiträge werden in diesem Kapitel die Affinität von Best Agern zur Werbung, Kommunikation und zum Internet und umgekehrt beleuchten, kritisch hinterfragen und die Zukunftschancen und -risiken aufzeigen.
Produkte müssen heutzutage im Ageless Design sein, um bei Best Agern und jüngeren Zielgruppen gleichermaßen Erfolg zu haben. Gefordert sind Funktionalität, Design, einfaches Handling, Problemlösung. Wie man mit Menschen im besten Alter im Handel oder Einzelhandel, als Berater oder Verkäufer umgehen sollte, davon handeln die folgenden Beiträge. Zunächst einige Fakten und Trends im Überblick.
„Er fällt auf: ein Fremdkörper unter den Nadelstreifenanzügen und Chanel-Kostümen in der glänzenden Schalterhalle. Nicht dass er unsauber wäre, aber der ältere Mann wirkt schäbig. An den Manschetten seines Mantels ist der Stoff abgewetzt. Die Cordhosen sind abgetragen. Die Mitarbeitenden tauschen verstohlene Blicke. Der Mann wartet lange. Endlich erbarmt sich ein junger Angestellter.
Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft wird im Zusammenhang mit den Zielgruppen 50plus interessanter und lukrativer. Menschen über 50 mieten in der Regel nicht die erste Wohnung in ihrem Leben. Auch nach dem fünfzigsten Lebensjahr wollen überraschend viele Menschen ihre Wohnsituation verändern, lassen sich scheiden, beginnen neue Lebensmodelle, suchen nach neuen Wohnformen, die ihnen auch im späteren Alter Kontakte zu Gleichgesinnten ermöglicht und ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht – ohne Verpflichtungen, ohne Rücksicht auf Kinder und Enkelkinder.
Vor allem Hersteller von Produkten und Dienstleistungen rund um das Thema Gesundheit, Pflege, Senioren werden von der Marktmacht 50plus und den demografischen Veränderungen logischerweise am stärksten profitieren – eine Parade-Boom-Branche sollte man meinen. Aber selbst hier werden nur die Anbieter und Unternehmen auf dem Markt überleben, die sich mit einem Alleinstellungsmerkmal beim Kunden profilieren und durchsetzen können und sich frühzeitig entscheiden, ob sie sich auf den Premium- oder Billigmarkt konzentrieren wollen. Denn die Konkurrenz wird auch hier weltweit immer stärker, die Angebote immer vielfältiger, verrückter, unüberschaubarer. Über Erfolg oder Misserfolg wird entscheiden, wer es schneller und intelligenter versteht, künftige Kundenwünsche der jetzt noch 40- bis 50-Jährigen aber älter werdenden Generation zu antizipieren, sein Dienstleistungsportfolio und seine Produktpalette zu modifizieren und zu emotionalisieren.
Der Jugendwahn bestimmt immer noch und in Zukunft noch viel stärker als bisher unsere Gesellschaft – auch wenn wir das nicht so wahrhaben wollen. Jung bleiben, jung wirken, jung aussehen, koste es was es wolle, als jung und vital wahrgenommen zu werden, das wird die nächsten Dekaden das beherrschende Thema unserer Gesellschaft, der Wirtsccnnung, Entschleunigung, sinnvolle Gestaltung der zunehmenden Freizeit bei gleichzeitig höherer Lebenserwartung – das sind die Motive, die das Heer von Wellness- und Gesundheitsjüngern künftig mehr denn je umtreiben wird.
„Die Zeit ist ein guter Arzt, aber ein schlechter Kosmetiker.“ Wer könnte die Klage des englischen Schriftstellers William Sommerset Maugham nicht nachvollziehen? Schönheit und Eitelkeit sind für Best Ager Themen ersten Ranges – heute und in Zukunft noch viel stärker, weil die nachrückenden jetzigen Generationen 30plus hierfür höchst affin sind. Man will spurenlos altern – knackig bis zum Tod. Wenn schon älter werden, dann bitte schön attraktiv, fit, straff, knackig, faltenfrei und eitel.
Die meisten Tourismus-Anbieter werden von der Demografie und vom veränderten Kundenverhalten der Best Ager ganz besonders partizipieren – aber nur dann, wenn sie sich um mehr Kundennähe bemühen und Mut für neue Wege haben – wie bereits in vorherigen Kapiteln ausführlich geschildert. Die Zahl der Urlaubsreisenden über 60 dürfte in den kommenden zehn Jahren um drei Millionen steigen. Erhebliche Veränderungen sind die Folge. Besonders beliebt sind Kultur-, Natur- und Gesundheitsreisen. TUI zum Beispiel hat für diese Zielgruppe spezielle Angebote gestrickt. Immerhin 50 Prozent der TUI-Urlauber sind älter als 50 Jahre, bei Flusskreuzfahrten liegt der Anteil sogar bei über 70 Prozent. Die Ansprache der Kunden 50plus findet überwiegend in den Reisebüros statt – wenn man sich auch im Internet informiert. 90 Prozent dieser Altersgruppe bucht im Reisebüro ihren Urlaub. Auch ALLTOURS hat sein Programm um Gesundheitsreisen von Mediplus erweitert.
Obwohl unsere Sozialstruktur dauernd älter wird und dies seit Jahrzehnten bekannt ist, wird das Thema Mode für Best Ager von zahlreichen Modeschaffenden und Produzenten noch immer stiefmütterlich behandelt. Nur wenige Firmen entwerfen spezielle Mode für ältere Menschen, die deren besonderen Ansprüchen genügt – weg von der „Generation beige, schwarz, grau“, die im Modemarkt einkauft. Vorbei sind die Zeiten von gedeckten Farben, von einfarbigen Röcken, Strickjacken, Kittelschürzen, Cordhosen, austauschbarem Mode-Allerlei. Auch Menschen über 50, 60, 70 sehnen sich nach modischer, bequemer, kombinierbarer Mode, die mehr als nur einen Sommer hält. Die Details spielen auch hier eine große Rolle: das Problem mit den winzigen und schlecht gängigen Reißverschlüssen, Schuhe die man nicht mehr so gut binden kann oder die zwar bequem, aber nicht ansprechend im Design sind – oder umgekehrt.
Im letzten Kapitel möchte ich Ihnen vier höchst unterschiedliche Boom-Branchen vorstellen, die drei gemeinsame Schnittmengen haben: Sie sind von innovativen Vordenkerinnen und Vordenkern geschrieben, haben derart viel Zukunftspotenzial und machen Lust auf mehr. Die Handwerker-Branche kann der große Gewinner dieses Jahrhunderts und des demografischen Wandels werden, wenn sie sich auf alte Stärken, auf die wirklichen Bedürfnisse ihrer Kunden, auf ihre Kernkompetenz kreatives Hand-Werk, angereichert mit einem Schuss Emotionalisierung und Kundennähe besinnt und Best Ager dort abholt, wo sie sich befinden.
Die Erkenntnisse in diesem Buch beruhen bewusst nicht auf Marktforschungsergebnissen, sondern auf Fakten, Erfahrungen, Einschätzungen, Intuition. Sie erheben keinerlei Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und Vollständigkeit. Die zahlreichen Antworten von erfahrenen Persönlichkeiten, die mitten im Leben stehen und nah an den Kunden sind, untermauern diese Prognosen und Trends, werfen aber auch neue Fragen auf. Alles ist subjektiv. Und das ist genau so gewollt. Ich möchte, dass Sie sich selbst, liebe Leserin und lieber Leser, nach der Buchlektüre Ihre eigenen Gedanken machen, wohin der Weg in Ihrer Branche, in Ihrem Unternehmen, für Sie selbst gehen könnte.