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2009 | Buch

Qualitative Marktforschung

Konzepte – Methoden – Analysen

herausgegeben von: Prof. Dr. Renate Buber, Prof. Dr. Hartmut H. Holzmüller

Verlag: Gabler

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis

Frontmatter
Optionen für die Marketingforschung durch die Nutzung qualitativer Methodologie und Methodik

Das Potenzial qualitativer Methodologie und Methodik wird derzeit in der Markt und Marketingforschung bei weitem nicht ausgeschöpft. Schon vor etwa sieben Jahrzehnten prägte Wilhelm Vershofen (1940) im Zusammenhang mit der Nutzendiskussion die Begriffe „qualitative Verbrauchsforschung“ und „qualitatives Interview“. Eine Sichtung der deutschsprachigen Lehrbücher neueren Datums zum Marketing, Marketing Management und zur Marktforschung zeigt, dass eine allgemeine methodologische Diskussion und die Vorstellung qualitativer Methoden entweder völlig ausgeblendet werden oder in Randbemerkungen bzw. in sehr komprimierter Form und dann meist beschränkt auf einige wenige aus der Tradition der Marktforschung stammenden Methoden Beachtung finden. Vereinzelt finden sich Ausnahmen, wie Fantapié Altobelli (2007), Kepper (2008), Müller (2000) und natürlich das anwendungsorientierte „Schwesterbuch“ von Naderer/Balzer (2007), das parallel zur ersten Auflage des vorliegenden Sammelbandes erschienen ist. Ein bescheidener Befund ergibt sich auch bei der kursorischen Analyse von wichtigen deutschsprachigen wissenschaftlichen Zeitschriften in der Marketingdisziplin und in eingeschränktem Maß auch für transferorientierte Fachzeitschriften. Aber gerade in der angewandten, empirischen KonsumentInnenforschung, die hinsichtlich der Offenheit gegenüber anderen Disziplinen und deren methodischer Ausrichtung eine Vorreiterrolle einnimmt, haben qualitative Methoden in den letzten zwei Jahrzehnten einen bedeutenden Beitrag für stärker verstehensorientierte Herangehensweisen geleistet.

Hartmut H. Holzmüller, Renate Buber
Der Beitrag qualitativer Methodologie und Methodik zur Marktforschung

Qualitative Forschung hat insbesondere im letzten Jahrzehnt zunehmende Anerkennung erfahren: In der akademischen Lehre und Forschung kommt ein beachtlicher Korpus an Methodologien und Verfahren zum Einsatz. Methoden und empirische Ergebnisse sind in zahlreichen Büchern und Online- und Printzeitschriften dokumentiert und werden auf nationalen und internationalen Fachtagungen präsentiert und diskutiert. Auch die Anzahl verfügbarer Internet-Tools (Mailinglisten, Wikis, Blogs und Webseiten usw.) wächst kontinuierlich. Auf Seiten von Fördereinrichtungen ist ein vermehrter Druck insbesondere in Richtung „mixed methods“ zu verzeichnen, und auch in nicht-universitären Anwendungsfeldern, z.B. im Sozial- und Gesundheitswesen oder in der Politikberatung, kommen qualitative Verfahren immer mehr zum Einsatz.

Katja Mruck, Günter Mey
Zur Bedeutung qualitativer Methodik in der Marktforschungspraxis

Dieser Beitrag gibt Einblick in die Sichtweisen, Einschätzungen und Beurteilungen von ExpertInnen hinsichtlich des Stellenwerts qualitativer Methoden in der Marktforschungspraxis. Dazu wird eingangs der Prozess der Datengewinnung skizziert und im Anschluss daran werden die Ergebnisse aus Online-, telefonischer und persönlicher Befragung der ExpertInnen präsentiert. Folgende Themenschwerpunkte waren Gegenstand der Untersuchung: Grenzen bzw. Polarisierung zwischen qualitativer und quantitativer Methodik, Breite und Tiefe des in einer Beratung favorisierten Methodenspektrums, typische Fragestellungen für die Applikation qualitativer Methoden, Güte qualitativer Forschung, Einfluss methodischer Aspekte bei der Akquise und Einschätzung der zukünftigen Entwicklung qualitativer Marktforschung.

Renate Buber, Vanessa Klein

Theoretische Wurzeln

Frontmatter
Erkenntnistheoretische Basis der Marketingwissenschaft

Das Marketing - als eine Teildisziplin der Betriebswirtschaft - beschäftigt sich speziell mit

Austauschprozessen

, bei denen Individuen, Gruppen und Organisationen ihre Bedürfnisse befriedigen, indem sie materielle und immaterielle Leistungen (Sachgüter, Dienste und/oder Rechte) anbieten und/oder nachfragen (Kotler/Bliemel 2001, 24; Kuss/Tomczak 2004, 415; Esch/Herrmann/Sattler 2006, 314). Diese Austauschprozesse finden unter Wettbewerbsbedingungen statt (Plinke 2000, Backhaus 2006). Dickson (1996, 102) definiert Marketing in diesem Sinn als Wissenschaft zur Generierung von Veränderungen (Ungleichgewichten) in Märkten in der Weise, dass die Veränderung dem Unternehmen (oder einer Allianz von Unternehmen) nutzt und – konsequenterweise - Konkurrenten im Vergleich dazu benachteiligt. Aufgabe der Marketingwissenschaft ist es somit, Erkenntnisse über

menschliches Konsum- sowie Kaufverhalten

und die Ursache sowie Entstehung von

Wettbewerbsvorteilen

zu gewinnen und miteinander zu verbinden, wobei je nach Forschungsparadigma Erklärungs-, Verstehens- oder Gestaltungsziele im Vordergrund stehen.

Thomas Dyllick, Torsten Tomczak
Phänomenologie

Auf den ersten Blick scheint die Phänomenologie ein im Marketing keineswegs ‚fremder‘ Ansatz zu sein: Bereits ein 1989 im „Journal of Consumer Research“ publizierter Aufsatz (Thompson/Locander/Pollio 1989) beruft sich auf Existenzialphänomenologie und fordert eine ‚verstehende‘ Konsum

erlebens

forschung statt der herkömmlichen psychologisch-szientistischen Konsum

verhaltens

forschung. In diesem programmatischen Text wird – entlang den Metaphern von Muster, Figur und Gewahrwerden – die Differenz cartesianisch-objektivistischer und existentialphänomenologischer ‚Welt‘-Beschreibung auf- und ein dementsprechend alternatives Forschungsinteresse angezeigt. Allerdings wird bereits in diesem Artikel, auf den sich später erschienene, einschlägige Beiträge immer wieder beziehen (Thompson/Haytko 1997), die für Phänomenologie erkenntnistheoretisch zentrale Frage,

wie

die subjektive Perspektive überhaupt erfasst und beschrieben werden kann, übergangen zugunsten einer Pragmatik der expliziten Selbst-Auskunftei mittels Interviews (ganz deutlich wird dies in Thompson/Locander/Pollio 1990). Diese sogenannten „existenzialphänomenologischen Interviews“, erweisen sich schnell als ‚normale‘, stark narrationsevozierende Erkundungsgespräche. Auch die – ‚an sich‘ ausgesprochen plausiblen – Anweisungen zur

Interpretation

dieser Interviews entsprechen völlig dem, was wir in der Diskussion über interpretative Forschungsmethoden als Regeln bzw. Standards sozialwissenschaftlicher Hermeneutik kennen, haben aber mit Phänomenologie wenig zu tun.

Ronald Hitzler
Ethnomethodologie

Die Ethnomethodologie hat in den Lehr- und Handbüchern der Qualitativen Sozialforschung eine prominente Stellung inne. Es handelt sich hierbei allerdings nicht einfach um eine Methode, die man – wie etwa Interviews oder Fokus-Gruppen – zur Datengewinnung auch in der Marktforschung einsetzen könnte, sondern es geht um einen eigenständigen soziologischen Forschungsansatz. Ziel der Ethnomethodologie ist es, das „Sense-making“ von AkteurInnen in ihren alltäglichen Situationen bis in die subtilsten Details zu untersuchen. Dazu hat sie eine Reihe verschiedener Verfahrensweisen entwickelt, die alle auf anspruchsvollen theoretischen und methodologischen Prämissen beruhen und daher nicht einfach zu erlernen und anzuwenden sind.

Thomas S. Eberle
Hermeneutische Wissenssoziologie

Die hermeneutische Wissenssoziologie ist ein (in der Entwicklung begriffenes) komplexes

theoretisches, methodologisches

und

methodisches

Konzept, das imwesentlichen auf die Arbeiten von Hans-Georg Soeffner zurückgeht und u.a. von Thomas Eberle, Ronald Hitzler, Anne Honer, Hubert Knoblauch, Michaela Pfadenhauer, Jürgen Raab, Jo Reichertz, Bernt Schnettler und Norbert Schröer weiterentwickelt und ausdifferenziert wurde und das zum Ziel hat, die gesellschaftliche Bedeutung jeder Form von Interaktion (sprachlicher wie nichtsprachlicher) und aller Arten von Interaktionsprodukten (Kunst, Religion, Unterhaltung etc) zu (re)konstruieren. Anfangs wurde für diese Methode auch häufiger der Name ‚sozialwissenschaftliche Hermeneutik‘ verwendet. Die hermeneutische Wissenssoziologie hat sich in dieser Form zum einen durch die Kritik an der ‚Metaphysik der Strukturen‘ der objektiven Hermeneutik Oevermanns (Reichertz 1988) zum anderen durch die Auseinandersetzung mit der sozialphänomenologischen Forschungstradition herausgebildet (Schütz 1972).

Jo Reichertz
Konstruktivismus

Der Beitrag gibt einen knappen Überblick über die Hauptvarianten konstruktivistischer Ansätze in den Sozialwissenschaften und deren Konvergenz in der Kommunikation. Die Übersicht verschafft eine für die qualitative Forschung relevante Orientierung, weil sich zahlreiche interpretative Methoden auf die epistemologischen Grundlagen „konstruktivistischer“ Grundlagentheorien berufen.

Hubert Knoblauch, Bernt Schnettler
Symbolischer Interaktionismus

Unter dem Chiffre Symbolischer Interaktionismus firmieren in der heutigen Soziologie mehr oder weniger unterschiedliche theoretische, methodologische und forschungsstrategische Ansätze und Zugänge. Ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie Gesellschaft als aus permanenten Interaktionsprozessen bestehend verstehen, in denen andauernd subjektive und sich gegenseitig beeinflussende Interpretations- und Definitionsleistungen erfolgen. Mit dieser Perspektive rücken die AkteurInnen, ihre unmittelbaren sozialen Erfahrungen und ihre Identitätsentwürfe, ihre Handlungen in konkreten Interaktionssituationen sowie die gegenseitigen und vielschichtigen Verschränkungen von Individuum und Gesellschaft in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Durch das hier erkennbare grundlegende Verständnis von menschlicher Interaktion als einem interpretativen Prozess wird die Theorie der symbolischen Interaktion den interpretativen Ansätzen (Habermas 1981, Giddens 1984) bzw. dem „interpretativen Paradigma“ (Wilson 1973) zugerechnet.

Horst Reiger

Methodologie

Frontmatter
Hypothesen und Vorwissen in der qualitativen Marktforschung

In dynamischen und international immer stärker vernetzten Märkten steigt der Bedarf nach Wissen über die sich laufend wandelnden KundInnenbedürfnisse, den Mitbewerb sowie die eigene Positionierung am Markt. Immer öfter erkennen Unternehmen, dass klassische, voll standardisierte Erhebungen v.a. bei komplexen und neuartigen Problemstellungen unzureichend sind. Dementsprechend gewinnen in der akademischen wie auch der kommerziellen Markt- und Marketingforschung qualitative Methoden an Bedeutung. Sie liefern „reichhaltige Daten“ und den Kontext, in dem diese interpretiert werden können (Kromrey 2000, Morgan/Smircich 1980). Als Folge dessen sind seit Beginn der 1990er Jahre zahlreiche Werke zu den wissenschaftstheoretischen Grundlagen sowie zu den praktischen Methoden der Erhebung und Analyse qualitativer Daten in der Marktforschung erschienen. Bezogen auf die Marktforschung kaum diskutiert wurde dabei eine wesentliche Frage, mit der sich qualitative ForscherInnen bereits zu Beginn eines Forschungsprojekts konfrontiert sehen: Was dürfen bzw. müssen MarktforscherInnen an inhaltlichem Vorwissen in ein qualitatives Forschungsprojekt einbringen? Diese Fragestellung geht mit einem weiteren wesentlichen Problem einher: Sind für ein qualitatives Marktforschungsprojekt

ex ante

-Hypothesen aufzustellen? Der Begriff der

ex ante

-(bzw. Vorab-)Hypothese bezieht sich hierbei auf die im quantitativen Paradigma gängige Praxis, vor Beginn einer empirischen Studie inhaltliche Vermutungen über das zu untersuchende Phänomen zu formulieren. Im qualitativen Forschungszugang wird diese vielfach ebenso in Frage gestellt wie die grundsätzliche Zulässigkeit eines wissensgeleiteten Vorgehens.

Katharina J. Auer-Srnka
Objektive Hermeneutik

Im deutschsprachigen Raum ist die objektive Hermeneutik aus der Diskussion qualitativer Methoden nicht mehr wegzudenken. Als ein theoretisch begründetes methodologisches Konzept schafft sie die Grundlage für ein Verfahren zur methodisch kontrollierten Fallrekonstruktion. Mehrere Faktoren führen zu dieser besonderen Position innerhalb der qualitativen Sozialforschung und machen sie zu einem inzwischen bedeutenden Ausgangspunkt verschiedenster sozialwissenschaftlicher Studien: die Orientierung an der Rekonstruktionslogik in Abgrenzung zur subsumtionslogisch vorgehenden Fallbeschreibung; die Fokussierung auf objektiv-latente Bedeutungs- bzw. Sinnstrukturen in Abgrenzung zur Analyse subjektiv-gemeinten Sinnes; und die Schwerpunktsetzung auf neue Erkenntnis und die Bevorzugung natürlichen Datenmaterials.

Manfred Lueger, Renate E. Meyer
Grounded Theory

Verfolgt man die bisherige Entwicklung der Grounded Theory, so offenbart sich eine Erfolgsgeschichte. Begründet von Barney Glaser und Anselm Strauss vor etwa 60 Jahren hat sie seither innerhalb der qualitativen Sozialforschung nicht nur ständig an Bedeutung gewonnen sondern sich von der Soziologie auch in andere Wissenschaftsdisziplinen ausgebreitet. Die heutige Präsenz der Grounded Theory läßt sich an mehreren Faktoren ablesen: So wurde das 1967 verfasste Ursprungswerk „Discovery of Grounded Theory“ erst 1998 ins Deutsche übersetzt, was dessen ungebrochene Aktualität unterstreicht; in den letzten Jahren sind eine Reihe von Einführungswerken in die Grounded Theory erschienen, die sich kritisch mit diesem Ansatz auseinandersetzen und ihn teilweise weiterentwickeln (Dey 1999, Strübing 2004, Clarke 2005, Charmaz 2006; mit Bezug auf Management: Locke 2001; mit Bezug auf Marketing: Goulding 2002); und in vielen Einführungen und Handbüchern zur qualitativen Sozialforschung sind Darstellungen der Grounded Theory aufgenommen (Creswell 1998, Denzin/Lincoln 1998, Flick, von Kardorff/Steinke 2000, Brüsenmeister 2000, Lamnek 2005); in vielen empirischen Beiträgen zur qualitativen Sozialforschung wird methodisch auf diese Forschungsstrategie verwiesen (Breuer 1996).

Manfred Lueger
Ethnographie

Ethnographie ist investigative (aufspürende), explorative (erkundende), interpretative (deutende) und deskriptive (beschreibende) Forschung (Douglas 1976). Und die wichtigste Erkenntnis sowohl

aus

der als auch

für

die ethnographische Arbeit in der eigenen Gesellschaft findet sich (auch) in einem für die einschlägige Konsumforschung zentralen Text über die sogenannte „Harley Owners Group“ (HOG): „In our consumer culture people do not define themselves according to sociological constructs. They do so in terms of the activities, objects, and relationships that give their lives meaning“ (Schouten/McAlexander 1995, 59). Auch wenn die Autoren in diesem Aufsatz das von ihnen drei Jahre lang zunächst intensiv beobachtete und dann auch als Biker

mit-erlebte

Phänomen noch durchgängig unter ein – allerdings sehr vages – „Subkultur“-Konzept subsumieren und folgerichtig als „Harley-Davidson-oriented subculture of consumption (HDSC)“ etikettieren, gilt diese Studie zwischenzeitlich als nachgerade paradigmatisch für die ethnographische Erkundung von Brand Communities (Halbrock 1997, Mark 2001, Holt 2004, Hellmann 2005, Loewenfeld 2006).

Ronald Hitzler
Netnographie

Netnographie ist eine interpretative Methode, die in Anlehnung an Prinzipien der Ethnographie zur Erforschung von Verbraucherverhalten in Konsum(sub)kulturen und – gemeinschaften auf dem Internet entwickelt wurde. Damit spiegelt sie die Möglichkeiten und Herausforderungen für Forschung im digitalen Zeitalter wider (Stempel/Stewart 2000). Netnographie ist im Wesentlichen eine schriftliche Dokumentation von Feldarbeit, deren Daten auf online, computervermittelter oder internetbasierter Kommunikation beruhen. Die Datenerhebung besteht aus den Notizen des Forschers bzw. der Forscherin, häufig kombiniert mit Artefakten der Subkultur oder Gemeinschaft. Die Daten sind daher hauptsächlich textlich, z.B. heruntergeladene Dokumente von News-Gruppen, Transkripte von MUDs (multi-user dungeons) oder IRC (internet relay chat) „Sitzungen“ und E-Mails.

Suzanne C. Beckmann, Roy Langer
Sampling-Methoden in der Marktforschung
Wie man Untersuchungseinheiten auswählen kann

Der Frage nach passenden Verfahren zur Auswahl von Untersuchungsobjekten in der qualitativen Marktforschung wird hier in mehreren Schritten nachgegangen:

Beim Auswahlproblem handelt es sich um ein sekundäres: Dahinter steht die Frage nach der Reichweite von Aussagen bzw. der Verallgemeinerbarkeit von Ergebnissen. Klassisches Sampling auf der Basis der Wahrscheinlichkeitstheorie ist hiefür nur einer von mehreren Möglichkeiten. Welche grundsätzlichen Alternativen gibt es, um zu Aussagen zu kommen, die über den empirisch untersuchten Bereich hinausgehen? Dieser Frage widmet sich der erste Abschnitt.

Soll der Weg zu Aussagen über Grundgesamtheiten via nachvollziehbare Auswahl von Analyseeinheiten laufen, müssen auch qualitative ForscherInnen mit der Herausforderung umgehen, aus großen Grundgesamtheiten klassische Stichproben zu ziehen. So werden bspw. große Textmengen erhoben, und es geht um die Auswahl jener Stellen, die dann bspw. hermeneutisch analysiert werden. Oder es werden viele einzelne Kaufentscheidungen und Verhaltenssequenzen von Individuen beobachtet, und es geht es um die Frage, welche dieser Entscheidungen nun im Detail analysiert werden sollen. Die Analyseeinheit ist hier nicht das Individuum (die Gruppe, die Organisation), sondern die Bedeutungseinheit in einem Text, die Einzelhandlung in der Beobachtung oder die Interaktion in der Gruppendiskussion. In all diesen Fällen können klassische Samplingverfahren bei der Auswahl der Analyseeinheiten helfen. Da qualitative Marktforschung keineswegs mit der Auflage verbunden ist, quantitative Verfahren immer und überall zu meiden, sollen im zweitenAbschnitt klassische Zugänge zum Sampling vorgestellt werden.

Unter „spezifischen Verfahren für die qualitative Marktforschung“ versteht man jene, die Lösungen für folgendes Problem anbieten: Aus einer großen Grundgesamtheit sollen wenige Analyseeinheiten ausgewählt werden. Deren Zahl muss klein bleiben, da der mit den (qualitativen) Erhebungs- und Analysemethoden verbundene Aufwand sonst zu hoch würde. Damit scheiden klassische Samplingverfahren aus, weil sie allesamt auf einem mit großer Stichprobe fallendem Stichprobenfehler beruhen und daher bestimmte Mindeststichprobengrößen voraussetzen. Wie können nun nicht-probabilistisch Analyseeinheiten in kleiner Zahl so ausgewählt werden, dass ein Schluss von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit nicht völlig beliebig, sondern nachvollzieh- und argumentierbar wird? Solche Verfahren werden im dritten Abschnitt vorgestellt.

Michael Meyer, Thomas Reutterer
Mixed Methods
Systematisierung von Untersuchungsdesigns

Häufig werden der quantitative und der qualitative Forschungszugang gegensätzlich aufgefasst bzw. dargestellt. Gerade aber die gezielte und systematische Kombination beider Zugänge kann für die umfangreiche und tiefgehende Beantwortung vieler Forschungsfragen zielführend sein. Vor diesem Hintergrund wurden die Mixed Methods entwickelt, die im anglo-amerikanischen Raum mittlerweile – neben dem quantitativen und dem qualitativen – bereits als drittes Forschungsparadigma diskutiert werden. Im Rahmen des folgenden Beitrages sollen der Begriff definiert, die Einsatzbereiche von Mixed Methods strukturiert sowie die Anwendungsmöglichkeiten an Hand eines Beispiels dargestellt werden.

Thomas Foscht, Thomas Angerer, Bernhard Swoboda
Die Güte qualitativer Marktforschung

Ob sich qualitative Marktforschung auf dem Markt weiter durchsetzt, wird auch davon abhängen, wie gut sie sich rechtfertigen lässt. „It is the inability to validate qualitative research which causes some consternation in the market research camp“ (Hague & Jackson, 1999, 70). Böhler (2004, 88) beschreibt das Problem der Gütekriterien für nichtstandardisierte, d. h. qualitative, Befragungen in der Marktforschung wie folgt: „Die Zuverlässigkeit und die Gültigkeit der Ergebnisse wird durch die geringe Standardisierbarkeit und dem damit verbundenen Interviewereinfluss stark beeinträchtigt“. Neben Interviewereinflüssen (Dannenberg/Barthel 2004, 220) wird häufig die fehlende Exaktheit (Schnettler/Wendt 2006, 302) und Verallgemeinerbarkeit (Kuß 2005, 112, Weis/Steinmetz 2005, 31) qualitativer Marktforschungsmethoden moniert. Mitunter wird das Thema Bewertungskriterien qualitativer Verfahren ausgeklammert (Broda 2006). Die Frage nach der Güte des methodischen Vorgehens und der daraus hervorgegangenen Ergebnisse muss beantwortbar werden. Es sind Kriterien erforderlich, an hand derer sich die Wissenschaftlichkeit, Gültigkeit und Qualität qualitativer Marktforschung nachweisen lässt. Bisher gibt es nur wenige Ansätze für Gütekriterien qualitativer Marktforschung (Ereaut 2002, Gummesson 2001, Griggs 1987, Jackson 1997, Gabriel 1990, Wallendorf/Belk 1989). Sie beleuchten eher Einzelaspekte oder lassen ein nachvollziehbares methodologisches Fundament missen. Eine systematische Auseinandersetzung mit dem Thema steht noch aus (Callingham 2004, 105). Auch die Diskussion zu Gütekriterien qualitativer Forschung jenseits der Marktforschung ist vergleichsweise jung und noch nicht abgeschlossen (Helsper/Herwatz-Emden/Terhart 2001, Lüders 2004, 635; Bohnsack 2005).

Ines Steinke
Gültigkeit und Zuverlässigkeit von Fallstudien

Unabhängig davon, ob AkademikerInnen und MarktforscherInnen Fallstudien als Einstiegsmethode für die Definition, Eingrenzung und Evaluierung eines anfangs breiter gefassten Forschungsentwurfes verwenden, oder als Hauptmethode zur Datenerhebung einsetzen, das Ziel bleibt die Entwicklung einer neuen Theorie oder der weitere Ausbau einer bestehenden Theorie (Carson et al. 2001). Dahingehend erwarten akademische ForscherInnen nicht nur fundierte Ansätze, auch KundInnen erwarten praktische Lösungen und Empfehlungen, die auf validen und zuverlässigen Resultaten, auf denen sie ihre Entscheidungsfindung oder Entwicklung von Marketingstrategien stützen können, basieren. Dennoch herrscht in der qualitativen Forschung wenig Einigkeit über Gütekriterien und bestimmte Massnahmen zur Qualitätssicherung (Steinke 2005). Dieser Beitrag befasst sich mit der Anwendung und Nützlichkeit von vier Kontrollund Bestätigungsansätzen, mit denen sich ein höheres Mass an Gültigkeit und Zuverlässigkeit in der Fallstudienforschung erreichen lässt. In der Fallstudienforschung werden zur Datengewinnung vorwiegend leitfadengestützte executive interviews, relativ unstrukturierte konvergierende Interviews (convergent interviews), Gruppendiskussionen, Beobachtungen oder eine Kombination dieser Methoden eingesetzt (Carson et al. 2001, Riege 2003). Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Auswertung von Fallstudien, deren Datenbasis interviewgestützt generiert wurde. Der Einsatz ausgewählter Maßnahmen aus der qualitativen Marktforschung in verschiedenen Phasen der Arbeit mit Fallstudien (Forschungsdesign, Datenerhebung, Datenanalyse und Berichtverfassung) wird vorgeschlagen, um die Glaubwürdigkeit von Ergebnissen zu verbessern und die Gesamtqualität der Theoriebildung sowie Aussagekraft von analytischen Fallstudien besser beurteilen zu können.

Andreas Riege

Forschungsstrategie

Frontmatter
Hermeneutische Verfahren
Verstehen als Forschungsansatz

Hermeneutische Ansätze zählen zu den bestetablierten und meistrezipierten qualitativen Forschungsansätzen im deutschsprachigen Raum. In der Marktforschung hat sich vor allem in der englischsprachigen Literatur und dort insbesondere im Bereich Consumer Research eine intensivere Auseinandersetzung zum Einsatz von „klassischen“ hermeneutischen Verfahren entwickelt (z.B. Murray 2002, Thompson 1998, Thompson/Haytko 1997, Thompson 1997, 1996; Thompson/Pollio/Locander 1994, 1990; Arnold/Fischer 1994, O&Shaughnessy 1985; abseits von Consumer Research z.B. Gummesson 2005, Woodside/Pattinson/Miller 2005).

Monika Knassmüller, Oliver Vettori
Dokumentarische Methode

Die Relevanz sozialwissenschaftlicher Forschungsmethoden für die Marktforschung ist zu einemwesentlichen Teil davon abhängig, ob und inwieweit uns diese Methoden einen Zugang zur Handlungspraxis der KundInnen oder KonsumentInnen zu eröffnen vermögen. Die dokumentarische Methode ist im Unterschied zu anderen qualitativen Methodologien hierfür prädestiniert. Dies wird im Folgenden begründet. Der Weg der dokumentarischen Methode führt über die Rekonstruktion jener Wissensbestände, welche die Praxis orientieren, also über das

handlungsleitende Wissen

. Dessen empirische Rekonstruktion ist Voraussetzung für einen verstehenden Zugang zur Handlungspraxis und für eine mögliche Einflussnahme auf diese.

Ralf Bohnsack
Konversationsanalyse

Konversationsanalyse, die deutsche Übersetzung für „Conversation Analysis“, bezeichnet zumeist jene Forschungsrichtung, die eine Gruppe amerikanischer Soziologen um Harvey Sacks und Emanuel Schegloff in den 1960er Jahren initiiert hat, mit dem Ziel Harold Garfinkels Ethnomethodologie zu konkretisieren und anzuwenden. Diese strikt empirisch arbeitende Konversationsanalyse (KA) untersucht soziale Interaktion als einen fortwährenden Prozess der Hervorbringung und Absicherung sinnhafter sozialer Ordnung (Bergmann 2007, 525) und siedelt sich an der Schnittstelle von Soziologie und Linguistik an (Schegloff 1991). Besonders im deutschen und romanischen Sprachraum trifft man allerdings auch auf linguistische Analysen von Gesprächen, die sich als konversationsanalytisch bezeichnen, ohne im ethnomethodologischen Paradigma verhaftet zu sein. Unter „Konversation“ kann weiters sehr Unterschiedliches verstanden werden. Emanuel Schegloff präferiert überhaupt „talk-in-interaction“, um soziale Interaktionen als Untersuchungsobjekt der Konversationsanalyse vom Gespräch in seiner umgangssprachlichen Bedeutung zu unterscheiden (zuletzt Schegloff 2007, XIV). Unter dem konversationsanalytischen Etikett hat sich folglich eine Reihe von – nicht immer völlig kompatiblen – Forschungsansätzen entwickelt, die mitunter auch ihre Unterschiede und Gegensätzlichkeiten streitbar diskutieren. Für den deutschen Sprachraum ist außerdem zu beachten, dass sich als Gesprächs- oder Diskursanalyse bekannt gewordene Ansätze mit dem konversationsanalytischen Programm überschneiden können (Kallmeyer 2005, 1213; Gülich 2001, 197).

Eva Vetter
Die diskursanalytische Methode

Ziel dieses Beitrages ist es, eine vorläufige Definition des Diskursbegriffes zu geben, einen Überblick über die bisherige Verwendung dieser Herangehensweise in der Markt- und Marketingforschung zu bieten und die Vorteile der Diskursanalyse gegenüber anderenMethoden anhand eines kurzen Beispieles hervorzuheben.

Veronika Koller
Das narrative Interview und die narrative Analyse

Der

narrative Zugang

versteht sich als eine Strategie, um zu Informationen zu kommen, die mit anderen Methoden nicht oder nur schwer erhoben werden könnten (Bonsu/ Belk 2003, Joy/Sherry 2003, Muniz/O'Quinn 2001, Penaloza 2001, Price/Arnould/Curasi 2000, Thompson/Haytko 1997). Narrative Erhebungs- und Analysemethoden zählen somit (gemeinsam z.B. mit Tiefeninterviews und hermeneutischen Analysen) zu jenen, die Latenz beobachten, also in Texten Tiefenstrukturen entdecken wollen. Persönliche Geschichten, Familiengeschichten, Graffiti oder Lebensgeschichten bringen kulturelle und soziale Muster durch die Linse von persönlichen Erfahrungen zum Vorschein. Alles Gesprochene kann Material für narrative Analysen sein (Graham 1993). Die „biographische Wende in den Sozialwissenschaften“ (Chamberlayne/Bornat/Wengraf 2000) oder die „narrative Wende in der qualitativen Befragung“ (Bochner 2001) würdigt die Geschichten von Menschen als Daten, die für sich allein als pure Beschreibung von Erfahrung gesehen werden können, als narrative Dokumentation von Erfahrung (dem Herz der Phänomenologie) oder analysiert diese nach Zusammenhängen mit psychologischen, soziologischen, kulturellen und politischen Aspekten menschlicher Erfahrung (Patton 2002, 115f). In diesem Beitrag stellen wir das narrative Interview als eine qualitative Methode der Marketingforschung vor. Zuerst präsentieren wir Definitionen und zugrunde liegende Philosophien des narrativen Interviews und der narrativen Analyse. Danach diskutieren wir, wie das narrative Interview vorteilhaft durchgeführt und interpretiert werden kann. Anschließend gehen wir auf die Grenzen der narrativen Methode ein und schlagen vor, wie man die Qualität narrativer Interviews rechtfertigen und verbessern kann. Abschließend untersuchen wir Besonderheiten in der Marketingforschung, für die der Einsatz des narrativen Interviews zweckmäßig erscheint und bringen Beispiele für Marketingstudien, die mit dem narrativen Interview gearbeitet haben.

Kritsadarat Wattanasuwan, Renate Buber, Michael Meyer
Fallstudien als forschungsstrategische Entscheidung

Marketing ist traditionell ein fall-lastiges Fach der Betriebswirtschaftslehre. Dies mag mit der angloamerikanischen Wissenschaftstradition ebenso zusammenhängen wie mit dem anwendungsorientierten Charakter dieser Disziplin. Dabei steht der illustrierende, didaktisch orientierte Einsatz von Fallbeispielen und Fallstudien im Vordergrund. Charakteristisch dafür ist die Gestaltung des Standard-Lehrbuches von Kotler/Bliemel (2005). Mit Fällen werden komplexe Zusammenhänge anschaulich gemacht bzw. werden Übungssituationen für Studierende und Trainees geschaffen.

Peter Heimerl
Cultural Studies

Unabhängig davon, ob man qualitative Marktforschung aus der rein wissenschaftlichen oder eher praktischen Perspektive betrachtet, befasst sie sich jedenfalls mit verschiedenartigsten Produkten unserer (populären) Kultur. In vielen Bereichen der Erforschung von wirtschaftlichen und organisatorischen Prozessen lässt sich ein „cultural turn“ beobachten. Es wird die Auffassung vertreten, dass nur ein Verständnis der Kultur, der Art und Weise, wie sie das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen bestimmt, einen tieferen Einblick in diese Prozesse ermöglicht. Kultur führt dazu, dass Menschen ihre Sicht der Dinge und der Welt verändern. Zudem existieren starre Grenzen zwischen Ökonomie und Kultur im 21. Jahrhundert nicht mehr, sie durchdringen sich auf vielfältige Weise. Es ist daher erforderlich, mit den Mitteln der Kulturtheorie und –analyse ökonomische Prozesse zu erforschen (DuGay/Pryke 2002), wie dies die Cultural Studies praktizieren. Sie sind keine unveränderliche Disziplin, sondern nach Grossberg, einem der bedeutendsten Vertreter der Gegenwart, als

„intellektuelle Praxis“

zu begreifen (Grossberg 1999, 47), die ihre Fragestellungen an den Erfordernissen sozialer und historischer Kontexte ausrichtet. Forschungsprojekte der Cultural Studies sind stets inter- bzw. transdisziplinär angelegt, bedienen sich unterschiedlicher Methoden und haben sich einer radikalen Kontextualität verschrieben. So bemühen sie sich um ein Verständnis konkreter ökonomischer Kontexte, richten den Prozess der Forschung, die verwendeten Theorien und Methoden, pragmatisch an ihm aus, um Bedeutungen und Praktiken in ihrer Komplexität und Vielfalt zu verstehen.

Rainer Winter, Elisabeth Niederer

Datenerhebung

Frontmatter
Qualitative Interviews

Unter der Bezeichnung „Qualitative Interviews“ rubrizieren in der empirischen Sozialforschung ganz unterschiedliche Erhebungsmethoden, die nur wenige Gemeinsamkeiten aufweisen: Es handelt sich um speziell für die Erhebungssituation evozierte Kommunikation, und die Methoden grenzen sich explizit zum traditionellen standardisierten Fragebogen ab, erheben also primär keine quantitativen Daten, sondern Texte. Meistens handelt es sich um persönliche, mündliche Formen der Befragung, es sind aber auch telephonische oder sonst wie technisch unterstützte qualitative Interviews denkbar. Damit sind die Gemeinsamkeiten erschöpft. Methoden wie das narrative Interview, ExpertInneninterviews, strukturierte oder teilstrukturierte mündliche Interviews, Tiefeninterviews, projektive Interviews – sie allesamt werden großzügig als Formen qualitativer Interviews genannt, orientieren sich aber in ihrer Spezifität an ganz unterschiedlichen Dimensionen und Kriterien. Diese Dimensionen auseinander zu halten ist ein Ziel dieses Beitrages. Ein zweites ist, den bisherigen Stellenwert qualitativer Interviews in der Markt- und Marketingforschung zu skizzieren. Da dieser Abschnitt methodengeschichtlich nicht vollkommen neu geschrieben werden kann, sollen dann gängige Systematiken vorgestellt werden, um – nach Einführung einer eigenen Systematik – mit Empfehlungen für die Anwendung qualitativer Interviews in der Marktforschung zu schließen.

Anahid Aghamanoukjan, Renate Buber, Michael Meyer
Convergent Interviewing
Eine Methode zur Problemeingrenzung bei Marktforschungsprojekten

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einer speziellen Interviewmethode, die als Convergent Interviewing (CI) bezeichnet wird. CI unterstützt die Entwicklung, Eingrenzung und Präzisierung von Forschungsproblemen in neuen Forschungsgebieten oder Branchenumgebungen, in denen MarktforscherInnen noch keine Erfahrungen gesammelt haben und nur wenige Vorkenntnisse über die Branche oder das firmenspezifische Umfeld haben. Die CI-Methode umfasst die Durchführung mehrerer Interviews zur Entdeckung von wichtigen Themenbereichen und Kernpunkten in bezug auf ein unbekanntes Forschungsproblem. Diese kristalliserien sich aber nach Ablauf einiger iterativer Interviews immer mehr heraus, indem sich wichtige Themenbereiche und Kernpunkte langsam einander annähern (konvergieren) oder aber voneinander abweichen, (divergieren). Dabei befasst sich CI typischerweise mit einem unstrukturierten Inhalt von neuen Forschungsthemen, einem strukturierten zyklischen Interviewprozess und einer dialektischen Analyse.

Andreas Riege
Das Experteninterview
Ein Gespräch auf gleicher Augenhöhe

Während noch vor wenigen Jahren die Literaturlage zum Experteninterview –übrigens umgekehrt proportional zu seiner Einsatzhäufigkeit - so dünn gesät war, dass dieses als

vernachlässigtes

Verfahren der Datenerhebung bezeichnet werden konnte, sieht die Lage heute völlig anders aus: In den letzten Jahren sind allein im deutschsprachigen Raum ein Sammelband (Bogner/Littig/Menz 2002) und eine Monographie (Gläser/Laudel 2004) erschienen und das Stichwort „Experteninterview“ findet sich inzwischen auch in Methoden-Handbüchern (Bohnsack/Marotzki/Meuser 2003). Gemeinsam ist diesen Beiträgen die Idee davon, welcher Zweck der Einsatz von Experteninterviews verfolgt wird: Sie zielen ab auf die Rekonstruktion von Expertenwissen.

Michaela Pfadenhauer
Das problemzentrierte Interview

Beim problemzentrierten Interview handelt es sich um eine offene, halbstrukturierte Befragung, die die Befragten möglichst frei zu Wort kommen lässt, aber auf eine bestimmte Problemstellung zentriert ist, auf die der oder die InterviewleiterIn immer wieder zurückführt (Hölzl 1994). Diese Interviewform geht auf Witzel zurück, der sie als Teil einer Methodenkombination aus Interview, biographischer Methode, Gruppendiskussion und Fallanalyse im Rahmen eines problemzentrierten Forschungsprojekts entwickelte (Witzel 1982). Ähnlich wie beim narrativen Interview steht beim problemzentrierten Interview das Erzählprinzip im Vordergrund, der/die InterviewerIn lenkt das Gespräch aber immer wieder zur zugrunde liegenden Problemstellung hin und bezieht Begründungen, Erklärungen, Urteile und Meinungen der Auskunftsperson explizit in die Befragung mit ein (Kepper 1994). Der/die InterviewerIn gibt also seine/ihre im narrativen Interview geforderte Zurückhaltung teilweise auf, erzielt dadurch jedoch eine stärkere Strukturierung des Gesprächs.

Andrea Kurz, Constanze Stockhammer, Susanne Fuchs, Dieter Meinhard
Das Fokusgruppeninterview

Ein Marktforschungsprozess durchläuft mehrere Stufen: vom Briefing, über die Exploration, Vorbereitung und Durchführung der Studie bis zur Auswertung und Aufbereitung der Daten sowie Berichtslegung bzw. Präsentation der Ergebnisse an den Auftraggeber. Von besonderer Bedeutung für die Qualität und vor allem Umsetzbarkeit der Ergebnisse ist nach der Problemdefinition durch das Management die Phase der Exploration. Sie wird durchgeführt, wenn ForscherInnen wenig Erfahrung mit einem Forschungsthema haben oder über zu wenig Wissen verfügen (Zikmund 2003, 119) und dient der Steigerung der Vertrautheit des Forschers/der Forscherin mit einem Thema, um neue Einblicke und Ideen zu bekommen, sowie zur Strukturierung eines Problems in kleine überschaubare Einheiten, um exakte Hypothesen über mögliche Ursachen formulieren zu können (Churchill/Iacobucci 2002, 93; Birn 2000, 263).

Wolfgang Mayerhofer
Gruppendiskussionsverfahren und Focus Groups

Gruppenbezogene Forschungsverfahren werden in der Marktforschung zumeist als „Focus Groups“ bezeichnet. Von dieser vor allem in den Vereinigten Staaten entwikkelten Verfahrensweise lassen sich aber noch zwei weitere gruppenbasierte Methoden unterscheiden: die Group Discussions, die in Großbritannien entwickelt worden sind, und das Gruppendiskussionsverfahren, welches im deutschen Sprachbereich seine Wurzeln hat. Diese beiden Methoden, die hinsichtlich ihrer Geschichte, ihrer methodologischen und theoretischen Fundierung und ihrer Praxis deutliche Unterschiede zu den Focus Groups aufweisen, sind bisher kaum für die Marktforschung fruchtbar gemacht worden. Die neuen Möglichkeiten, welche das Gruppendiskussionsverfahren für diesen Bereich eröffnet, und einige Unterschiede zu den Focus Groups werden in diesem Beitrag dargelegt. Die Methode der Gruppendiskussion zählt heute zu den etablierten Verfahren qualitativer Sozialforschung. In dieser Form wurde sie vor mehr als zwanzig Jahren von Ralf Bohnsack (1989) entwickelt und seitdem fortlaufend in vielfältigen Anwendungsgebieten forschungspraktisch erprobt und methodologisch weiterentwickelt (Bohnsack 2006b, Loos/Schäffer 2000, Przyborski 2004).

Ralf Bohnsack, Aglaja Przyborski
Regionale Ontologien

Es wird gezeigt, wie regionale Ontologien auf der Grundlage qualitativer Interviews entwickelt und im Marketing eingesetzt werden können. „Ontologie“ wird dabei nicht im Sinne jener philosophischen Disziplin verstanden, die sich mit Grundstrukturen des Seins befasst sondern im Sinne der Wissensorganisation, nach der ein allgemeines begriffliches Modell über einen begrenzten Objektbereich gemeint ist (Scholten et.al. 2006, Herdina 2007, Pal'chunov 2007, Zelger 2007). Eine regionale Ontologie zeigt, was die befragten Personen in einer Region weitgehend übereinstimmend für wahr halten. Ontologien drücken stabile Vorstellungen und Überzeugungen über einen begrenzten Bereich der Welt aus, die in einer bestimmten regionalen Gruppe herrschen.

Josef Zelger
Qualitative Beobachtung

Der Tat geht ein Motiv voraus. Die Motivforschung nimmt eine zentrale Rolle in der qualitativen Forschung ein und bedient sich dabei oft der Analyse des gesprochenen oder geschriebenen Wortes. Die Kluft zwischen Wort und Motiv ist methodisch schwierig zu umschiffen. Die qualitative Beobachtung beschreibt und interpretiert Verhalten direkt ohne den kognitiven Umweg der Verbalisierung durch die handelnde Person. Ziel des Beitrages ist es, qualitative Beobachtung zu definieren und sie in einen Kontext zu den anderen qualitativen Forschungsmethoden zu setzen. Es werden Anwendungsgebiete der qualitativen Beobachtung vorgeschlagen sowie Stärken und Schwächen diskutiert. Es folgt eine Kategorisierung der unterschiedlichen Formen qualitativer Beobachtung und praxisnahe Erläuterung zur Umsetzung der Forschungsmethoden. Obwohl qualitative Beobachtung sowohl im Feld als auch indirekt über eine Kamera, bzw. Videomaterial erfolgen kann, behandelt dieser Abschnitt nur die direkte Beobachtung vor Ort.

Bernhart Ruso
Projektive Verfahren in der Marktforschung

Die Frage nach dem „Warum“ hat seit Menschen Gedenken die Wissenschaft beflügelt, auch im Marketing. Wir versuchen zu verstehen, warumMenschen bestimmte Marken oder Produkte bevorzugen, warum sie sich häufig irrational und nicht wie ein homo oeconomicus verhalten, warum sie

einen

spezifischen Lebensstil anstreben, andere Lebensstile dagegen vehement ablehnen, warum sie sich durch Medien und Werbekampagnen beeinflussen lassen, auch wenn sie dies nicht zugeben möchten, warum sie beim Einkaufen nicht nur Wert auf Auswahl und Qualität von Waren legen, sondern auch auf unverwechselbare Einkaufserlebnisse, kurzum, Marktforscher versuchen zu ergründen, warum KundInnen sind, wie sie sind. Dabei zeigt sich, dass klassische, standardisierte Interviews oftmals nur an der Oberfläche des Verhaltens „kratzen“ und die wahren Beweggründe für das Konsumverhalten nicht offen legen. Fehleinschätzungen bei der Erfolgsprognose von Produkten und Dienstleistungen sind die Folge. So wurden von deutschen Firmen zunächst die Sinnhaftigkeit von Fax-Geräten und der damit verbundene Nutzen der Übertragungsmöglichkeit von Bildern oder Bildzeichen nicht erkannt, und das in Deutschland erworbene Patent für diese Technologie wurde nach Japan verkauft. Auch der extreme Erfolg von SMS (short messaging services) wurde nicht prognostiziert, hatte man es doch nicht für möglich gehalten, dass sich KonsumentInnen die Mühe machen, auf einer kleinen Handytastatur Buchstabe für Buchstabe Texte zu schreiben.

Andrea Gröppel-Klein, Jörg Königstorfer
Denke-Laut-Protokolle

Die

Protokollanalyse

(protocol analysis) ist eine Erhebungsmethode der Denkpsychologie (Bromme 1996, 544). Zur Erfassung bewusster, handlungsbegleitender Kognitionen kann die Methode der Protokolle lauten Denkens eingesetzt werden (Shapiro 1994). Rohdaten sind die von den ProbandInnen während der Bewältigung einer festgelegten Anforderung artikulierten Verbalisationen von Überlegungen, Wahrnehmungen und Empfindungen (Bromme 1996, 544). In der Literatur finden sich auch die Begriffe

Lautes Denken

(eine Methode zur Analyse des Denkens bzw. Problemlösens; Städtler 1998, 624),

Denke“Laut”Methode, Gedankenprotokoll, Thinking Aloud Protocol (TAP), Talkaloud Interview, Thinkaloud

oder

Verbal Protocol)

, die sich begriffsdefinitorisch gesehen jedoch nur in Nuancen unterscheiden.

Renate Buber
Online Laddering

Obwohl mehrere ForscherInnen bereits die Nützlichkeit des Internets zur Durchführung qualitativer Forschungsstudien entdeckt haben, weisen AutorInnen wie z.B. Comley (2002) darauf hin, dass qualitative Onlineforschung immer noch weniger betrieben wird als quantitative Onlineforschung. O'Connor und Madge (2003) sind zudem der Ansicht, dass das Thema der qualitativen Onlineforschung im Allgemeinen und die Durchführung qualitativer Online Interviews im Speziellen mehr Beachtung finden sollten.

Thorsten Gruber, Rödiger Voss, Ingo Balderjahn, Alexander Reppel
Videographie
Erhebung und Analyse qualitativer Videodaten

Der Beitrag fasst die wesentlichen methodologischen Voraussetzungen und die methodische Vorgehensweise der sozialwissenschaftlichen Videoanalyse zusammen. Im Unterschied zu automatisierten und standardisiert-codierenden Verfahren geht es bei der Videographie um die Untersuchung ›natürlicher‹ Interaktionssituationen, wie sie im Rahmen des interpretativen Paradigmas durchgeführt wird. Mit der Betonung des

ethnographischen

Aspekts der Videoanalyse – als Video

graphie

– wird dabei besonderer Wert auf die Beachtung der Erhebungssituation und des ethnographischen Hintergrundwissens gelegt. Im Zentrum der Videographie steht die Analyse visuell aufgezeichneter Situationen. Diese können auf unterschiedliche Weise in Videodaten repräsentiert sein. Deshalb ist eine Erläuterung der verschiedenen Datensorten notwendig. Im Weiteren wird auf die Analyse von Videodaten eingegangen, die wesentlich sequenzanalytisch verfährt. Der Beitrag geht auf einige Anforderungen an die Erhebung der Videodaten ein und skizziert die Schritte der Datenauswertung. In einem abschließenden Teil wird die Rolle der Videographie in der Marktforschung erörtert.

Hubert Knoblauch, Bernt Schnettler
Weblogs als Medium der qualitativen Marktbeobachtung und -forschung

In den letzten Jahren haben sich die „Weblogs“ in rasantem Aufstieg als neues Medienformat der computergestützten Information und Kommunikation etabliert. Zunächst vor allem als privater Publikationskanal oder als basisdemokratisches Politsprachrohr diskutiert, haben inzwischen auch Wirtschaftsunternehmen sowie NonProfit-Organisationen großes Interesse an den Marketing- und Management-Potenzialen der Weblogs entwickelt.

Nicole Hoffmann
Blueprinting, sequentielle Ereignismethode und Critical Incident Technique
Drei Methoden zur qualitativen Messung von Dienstleistungsqualität

Der Richtungsstreit über das Erkenntnispotenzial quantitativer Forschung einerseits und des qualitativen Denkansatzes andererseits ist zwar nach wie vor ungelöst (Müller 2000). Aber mittlerweile hat sich in weiten Teilen der empirischen Markt- und Sozialforschung die Erkenntnis durchgesetzt, dass qualitative Methoden wesentlich dazu beitragen, wirtschaftliche und soziale Phänomene zu beschreiben und zu erklären (Lamnek 2005, Trommsdorff 1993). Das Ziel diese Artikels besteht darin, den Erkenntnisbeitrag darzulegen, den der qualitative Ansatz zur Messung eines wichtigen Erfolgsfaktors im Marketing zu leisten vermag: Dienstleistungsqualität.

Katja Gelbrich
Protokolle lauten Denkens und Site Covering
Eine Erweiterung der Methode zur detaillierten Bewertung des Screendesigns von Webangeboten

Die Methode des lauten Denkens, auch Protokolle lauten Denkens (kurz PLD) oder im Englischen „Think aloud“ genannt, ist eine der am häufigsten angewandten Methoden, wenn es um nutzerInnenbasierte Untersuchungen zur Optimierung von Internetangeboten geht. Verschiedene Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Umsetzung der Methode häufig variiert und es in der Praxis kein standardisiertes Vorgehen gibt. In diesem Beitrag werden zum einen charakteristische Merkmale dieser Methode dargestellt und zum anderen verschiedene Hinweise gegeben, die einer Standardisierung in der praktischen Umsetzung dienlich sein sollen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse einer Studie zur praktischen Anwendung der Protokolle lauten Denkens vorgestellt. Dabei wird auf Faktoren eingegangen, welche die Qualität der Protokolldaten beeinflussen. Zur Erhöhung der Datenqualität von Protokolldaten wurde die Methode mit dem sog. Site Covering kombiniert. Dabei werden den ProbandInnen nur einzelne Seitenelemente gezeigt, während der Rest der Seite mit halbtransparenten grauen Kärtchen verdeckt wird. Als Resultat zeigen sich tatsächlich Verbesserungen in der Datenqualität im Bezug auf die kontinuierliche Verbalisierung von Gedanken als auch den qualitativen Gehalt der Protokolle.

Miriam Yom, Thorsten H. Wilhelm, Stefanie Gauert

Datenanalyse und Dateninterpretation

Frontmatter
Zur Transkription von Audiodaten

Wird gesprochene Sprache in eine schriftliche Fassung gebracht, spricht man von Transkription (Mayring 2002). Der Begriff stammt vom lateinischen Wort „trans-scribere“ ab und bedeutet „umschreiben“. Audio(visuelle)-Daten z.B. aus Interviews, Videobeobachtungen, Fokusgruppeninterviews, Thinking Aloud Protocols udgl. werden für Auswertung, Dokumentation und Reporting in eine schriftliche Form gebracht. Dabei erfolgt eine Umwandlung der Tondaten (Sekundärdaten) in Textdaten (Tertiärdaten) (Kowall/O'Connell 2003). Während dieses Transformationsprozesses findet eine Reduktion und Interpretation der Daten durch den/die Transkribierende/n statt (Morse/Richards 2002). Die Wahl des Trankskriptionssystems beeinflusst die spätere Auswertung der Daten, weshalb manche AutorenInnen die Transkription als erste Phase der Datenanalyse bezeichnen (Rubin/Rubin 2005). Das Ziel bei der Transkripterstellung ist daher die Herstellung eines dauerhaft verfügbaren Protokolls, das mit Hilfe geeigneter Notationszeichen den Gesprächsverlauf wirklichkeitsgetreu wiedergibt (Kowal/O'Connell 2003) bzw. so aufbereitet ist, dass es für die Auswertung und Interpretation brauchbar ist. Während des Transkribierens soll eine umfassende Konservierung der kommunikativen Information erfolgen (Kruse 2006). „The goals of the analysis are to reflect the complexity of human interaction by portraying it in the word of the interviewees and through actual events and to make that complexity understandable to others“ (Rubin/Rubin 2005).

Regina Höld
Qualitative Inhaltsanalyse

Wir betrachten die Inhaltsanalyse und die Qualitative Inhaltsanalyse im Besonderen als Auswertungstechnik, als eine Form der Datenanalyse und Textinterpretation. Dies ist nicht unbestritten, da manche sie auch als Erhebungstechnik behandeln. Der zu analysierende Text wird dabei als Untersuchungsobjekt gesehen, dem durch die Inhaltsanalyse Daten (Textbestandteile) entnommen werden (Früh 1998). Dem wollen wir uns hier nicht anschließen, da wir die Zuordnung von Kategorien zu Textbestandteilen und die Wiederverarbeitung dieser Zuordnung als zentrale Schritte der Inhaltsanalyse ansehen, und dies sind Auswertungsschritte.

Philipp Mayring, Eva Brunner
Ethnographische Semantik
Die Ordnung der Mitgliedschaftssymbole am Beispiel des Bergsports

Die Idee der ethnographischen Semantik als einer wissenschaftlichen Methode für die Forschung über kulturelle Bedeutungssysteme stammt ursprünglich aus der linguistischen Kulturanthropologie nordamerikanischer Prägung. Einer ihrer prominenten frühen Vertreter, Charles O. Frake, hat in einem programmatisch gewordenen, auf einer Vorlesungsaufzeichnung beruhenden Aufsatz (Frake 1973[1962]), dazu ausgeführt, dass die ethnographische Forschung sich nicht nur auf die Aufgabe beschränken dürfe, im interkulturellen Vergleich Namen von Dingen in den verschiedenen Kulturen zu ermitteln (wie wir sie z.B. in den folgenden drei Begriffen Fels (dt.), Rock (engl.) und Rocher (frz.) in drei Sprachkulturen finden), sondern vielmehr nach den Dingen zu suchen habe, auf die sich Worte beziehen. Mit dieser Herangehensweise soll erreicht werden, dass die Objekte einer Kultur aus deren Binnensicht rekonstruier- und als Bedeutungssysteme in ihrer praktischen Verwendung verstehbar werden. Dieses Anliegen der Einholung der „Einheimischenperspektive“ liegt als Ausgangsprämisse für das Verstehen von Bedeutungsfiguren in der Sprach- und Handlungspraxis allen so genannten „Ethno-“Theorien gemeinsam zu Grunde. Es wird auch als die Beschreibung des „the native's point of view“ (Malinowski 1984, 49) oder die emische Sicht im Unterschied zur etischen Aussage (Pike 1967) bezeichnet. Im Kern geht es unter dieser Prämisse in der ethnographischen Semantik nun immer darum herauszufinden, welches eigentlich die „Dinge“ im Wissen jener Leute sind, die untersucht werden. In Übereinstimmung mit dem symbolischen Interaktionismus (Blumer 1986 [1969], 68) können dabei „Dinge“ alles das sein, was durch Sprache bezeichnet werden oder worauf man sich mittels Kommunikation beziehen kann. Mitgliedschaft in einer Kultur zeichnet sich dann so gesehen für den einzelnen Handelnden durch den fraglosen, situativ kompetenten Sprachgebrauch im kommunikativen Austausch mit signifikanten Anderen aus (Goodenough 1957, 36-39). Und wie sozial handelnde Mitglieder durch diesen Sprachgebrauch ihre Erfahrungen als geordnete Kategoriensysteme konstituieren und kommunikativ konstruieren bildet dann den Untersuchungsgegenstand der ethnographischen Semantik auf einer theoretischen Ebene (Hymes 1979, 166–192).

Christoph Maeder
Kundenwünsche verstehen und gewichten durch das PC-unterstützte Verfahren GABEK®

Wenn es darum geht, Wünsche möglicher KundInnen zu verstehen und darauf eingehend innovative Angebote zu machen, so müssen sie erst miteinander vernetzt und gewichtet werden. Als Methode zur Analyse und Vernetzung von Wünschen von KundInnen bietet sich das durch die Software WinRelan® unterstützte Verfahren GABEK® an. Es führt nicht nur zu einer klaren Darstellung von Grundwerten und Zielen der KundInnen sondern durch deren Vernetzung auch dazu, dass ihre Vorschläge gewichtet werden. Damit wird ersichtlich, welche die zentralen Chancen für den Anbieter sind und welche Maßnahmen allgemein zur stärkeren KundInnenbindung führen. Damit können partnerschaftliche Beziehungen mit diesen aufgebaut und das Vertrauen zwischen KundInnen und Anbietern nachhaltig verstärkt werden.

Josef Zelger
Computergestützte Analyse qualitativer Daten

Computerunterstützte Analyse qualitativer Daten ist ein Oberbegriff für verschiedene Methoden und Techniken zur Auswertung qualitativer Daten, die mit Hilfe von speziell dafür konzipierten Computerprogrammen (QDA-Software) umgesetzt werden. Dabei handelt es sich sowohl um informationswissenschaftliche Techniken („code-and-retrieve“) als auch um sozialwissenschaftliche Methoden, die von der Grounded Theory über die qualitative Inhaltsanalyse und Diskursanalyse bis zur Typenbildung reichen (Kuckartz 2005). Die Tradition dieser vergleichsweise neuen Verfahren reicht in die späten 1980er Jahre zurück, als mit dem Aufkommen des Personal Computer die Idee entstand, auch qualitative Materialien wie offene Interviews, Gruppendiskussionen oder Beobachtungsprotokolle mit Hilfe von Computersoftware auszuwerten. Die durch den PC gegebenen neuen technischen Möglichkeiten setzten eine Entwicklung in Gang, die sich im Bereich der quantitative-statistischen Methodik bereits 15 bis 20 Jahre vorher abgespielt hatte. Die große Schnelligkeit von Computern und die Fähigkeit, nahezu unbegrenzt viele Daten speichern und organisieren zu können, bedeutete einen immensen Zuwachs an analytischen Möglichkeiten. Weltweit wurde qualitative Software entwickelt, wie z.B. Aquad, Atlas.ti, Hyper Research, The Ethnograph, MAXQDA/winmax, NVivo/Nudist und andere Programme (Fielding/Lee 1998, Weitzman/Miles 1995), die nach und nach in die Praxis qualitativer Forschung Eingang fanden. Heute gehören diese analytischen Tools, für die sich zunehmend der Begriff „QDA-Software“ eingebürgert hat, zum üblichen Rüstzeug empirischer Forschung. Mittlerweile sind die Verfahren und Techniken der computergestützten qualitativen Datenanalyse weit verbreitet: Sie werden nicht nur im Bereich der Soziologie, Psychologie und Erziehungswissenschaft eingesetzt, sondern ebenso in der Ethnologie, den Gesundheitswissenschaft, der Sozialarbeit und vielen anderen Disziplinen. Im Marketing und der Marktforschung ist die Zahl der NutzerInnen noch relativ klein, aber im Anstieg begriffen (Mariampolski 2001).

Udo Kuckartz
Software-Instrumente zur Unterstützung qualitativer Analyse

Dieser Beitrag soll zeigen, wie Software Pakete die Analyse qualitativer Daten unterstützen können, und möchte mit der Vorstellung vertraut machen, dass diese Instrumente sowohl für das Datenmanagement als auch für das Ideenmanagement hilfreich sind. Um die vielfältigen Verfahren anzudeuten, die von derartigen Software Paketen zum Zweck des Daten- und Ideenmanagements eingesetzt werden können, werden ATLAS.ti 5, MAXqda 2, QSR NVIVO 7, Transana 2.1 und QSR XSight 1.2 vorgestellt. Der Beitrag endet mit zwei Fallstudien über die Anwendung dieser Werkzeuge im Bereich der kommerziellen Marktforschung – die erste Fallstudie zeigt die Verwendung von QSR XSight 1.2 für MORI, eine landesweite Evaluierungsstudie, während die zweite vorführt, wie QSR XSight 1.2 und QSR NVIVO 7 für die Erstellung eines elektronischen asynchronen Schwarzen Bretts genutzt werden.

Silvana di Gregorio
Reporting
Zur Nutzung neuer technologischer Möglichkeiten

Aufgrund der spezifischen Materialgebundenheit und des interpretativen Charakters qualitativer Forschung stellen sich in der letzten Phase eines Forschungsvorhabens, nämlich bei der Erstellung von Berichten und der Gestaltung von Präsentationen, besondere Herausforderungen. Generelle Zielsetzungen des Reportings sind die Informationsvermittlung bezüglich aller Phasen eines Forschungsvorhabens und den in den jeweiligen Arbeitschritten erfolgten Maßnahmen. Weiter sollte der Prozess der Ergebnisentwicklung und die Schlussfolgerungen, die sich in Bezug auf die Forschungsfragen ergeben, dokumentiert und vermittelt werden.

Debra Neumann, Hartmut H. Holzmüller

Exemplarische qualitative Marketingstudien

Frontmatter
Konsumpraktiken in der virtuellen Alltagsökonomie
Forschungsdesign und exemplarische Fallskizze

Der Beitrag erläutert exemplarisch die Forschungsabsichten und das methodische Vorgehen des Projektes „CyberCash – Konsumpraktiken in der virtuellen Alltagsökonomie“. Das Projekt zielt darauf ab, Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen den dynamischen Strukturentwicklungen des virtuellen Marktplatzes im Internet und den Konsumpraktiken privater Haushalte, einschließlich der Gebrauchsweisen internetspezifischer Geldformen und Zahlungssysteme, empirisch zu rekonstruieren und typologisch zu erschließen. In methodischer Hinsicht werden ethnographische und hermeneutisch-rekonstruktive Zugänge so kombiniert, dass sie der „Translokalität“ des Geschehens Rechnung tragen (Strübing 2006). Da die Nutzungsweisen des ökonomischen Angebots in Alltagskontexte privater Haushalte eingebettet sind, erfordert die Untersuchung einen Zugang zu den „Offline-Aspekten“ dieses Geschehens. Daher werden vor Ort Daten zur alltagskulturellen und biographischen Rückbettung der Internetnutzung, der Medienkompetenz, des Geldgebrauchs und der kommerziellen Orientierungen erhoben. Zugleich ist die Einsicht leitend, dass die Konsumpraktiken auf einen sozial dezentrierten Handlungsraum treffen, der sich dynamisch entwickelt und durch komplexe ökonomische, technische und kulturelle Prozesse strukturiert wird, deren Erfassung „online-ethnographische“ Erhebungsinstrumente und Analyseverfahren voraussetzt. Theoretische Überlegungen sowie die Erhebungs- und Auswertungsinstrumente werden überblicksartig dargestellt, bevor an einer Einzelfallanalyse die Verschränkung der einzelnen Analyseschritte exemplarisch vorgeführt wird.

Jörn Lamla
Frauen und Biertrinken
Auf der Suche nach Motiven und Gewohnheiten

Die Grundlage dieses Beitrags bildet eine empirische Studie zu Motiven und Barrieren des Bierkonsums von Frauen (Birklbauer 2002). Ausgehend von persönlichen Beobachtungen, wonach Biertrinken bei Konsumentinnen oft auf eine gewisse Skepsis stößt bzw. weniger verbreitet ist, war es Zielsetzung der Studie, anhand eines qualitativen Forschungsansatzes das Bierkonsumverhalten von Frauen näher zu ergründen.

Valerie Mayr-Birklbauer
Wohnen in Passivhäusern
Der Einsatz des Fokusgruppeninterviews zur Identifikation von Wohlfühlkomponenten

„Der Wunsch nach einem Zuhause, in dem man sich wohl fühlt“, schreibt der englisch-kanadische Architekt und Kulturgeschichtler Witold Rybczynski (1991, 251), „ist ein fundamentales menschliches Bedürfnis, das tief in unserer Psyche wurzelt und nach Befriedigung verlangt“. Die Entwicklung von Wohnkultur, also von Architektur und Bauwesen, Heizungs- und Lüftungstechnik, Beleuchtung, etc., zeigt, dass Menschen sich in ihrer Umgebung bzw. ihrem Wohnumfeld wohl fühlen wollen und dabei den Komfort suchen. Das lässt sich durch mehrere Jahrhunderte zurückverfolgen und belegen. Der Ausdruck Komfort spielt dabei nach Rybczynski (1991, 17) eine zentrale Rolle. Ursprünglich auf das Lateinische „confortare“ zurückgehend, das soviel bedeutet wie „stärken“ oder „trösten“, überlappt seine Bedeutung heute mit Ausdrücken wie „Behaglichkeit“, „Bequemlichkeit“, „Gemütlichkeit“, „Wohnlichkeit“ und „Wohlfühlen“. Für die Entwicklung und Vermarktung eines Passivhauses spielen diese Kriterien eine zentrale Rolle. Allerdings ist es beim Marketing für das Produkt Passivhaus bislang nicht überzeugend gelungen, dies zu kommunizieren. Immer noch stehen die energieeffiziente Bauweise und die technische Ausstattung in den Marketingargumenten im Vordergrund. Passivhäuser werden meist nicht als „Behaglichkeitshäuser“ sondern als „Häuser ohne Heizung“ verkauft, obwohl für potentielle KäuferInnen die Behaglichkeit bzw. der Wohnkomfort wesentliche Einflussfaktoren auf die Kaufentscheidung darstellen (Rohracher et al. 2001).

Renate Buber, Johannes Gadner, Regina Höld
Projektive Verfahren zur Ermittlung der Akzeptanz technologischer Innovationen
Eine empirische Studie zu Internetanwendungen auf mobilen Endgeräten

Der Erfolg von technologischen Innovationen im B2C-Bereich hängt von der Akzeptanz in der Bevölkerung ab. Schönecker (1982, 51) beschreibt Akzeptanz als eine Art Residualphänomen: „Immer dann, wenn etwas Unerklärliches und Überraschendes im Zusammenhang mit der Durchsetzung technischer Innovationen auftaucht, das weder mit technischen noch mit ökonomischen Größen zu erklären ist, wird der Begriff Akzeptanz bemüht“. Typische anfängliche Forschungsbemühungen wurden in der Beurteilung der Akzeptanz von Bürosystemen, PCs oder der BTX-Technologie betrieben. Im heutigen Zeitalter der Technologie sind Internet, Software, PC-Hardware oder auch mobile Endgeräte Gegenstände des täglichen Lebens in Beruf und Freizeit und stehen deshalb auch zunehmend im wissenschaftlichen Interesse. In der Akzeptanz- und Diffusionsforschung besteht mittlerweile ein Konsens darüber, dass sich Akzeptanz auf einem Kontinuum bewegt, das sich von der Einstellung gegenüber technologischen Innovationen bis hin zur Handlung (Kauf) und regelmäßigen Nutzung von technologischen Innovationen erstreckt (Kollmann 1998, Müller-Böling/Müller 1986, Rogers 2003). Internetanwendungen auf mobilen Endgeräten, wie z.B. Mobiltelefonen, Handheld-PCs, Tablet-PCs, PDAs oder Smartphones, werden im B2C-Bereich mit dem Begriff „Mobile Commerce“ umschrieben. Die Zusatzbeschreibung „Mobile“ soll verdeutlichen, dass der Nutzer bzw. die Nutzerin eines mobilen Endgerätes mit einer „always on“-Funktion ausgestattet ist, d.h. er/sie hat, ähnlich wie bei einem Telefon, eine ständige Zugriffsmöglichkeit auf das Internet und die damit verbundenen Informationsmöglichkeiten.

Jörg Königstorfer, Andrea Gröppel-Klein
Das Vertrauen von stationären PatientInnen in Krankenhäusern
Die Planung einer explorativen Studie

In der (Marketing-)Literatur zu qualitativen Methoden findet man mittlerweile zahlreiche Lehrbücher, die einzelne Methoden - jedoch ohne konkreten Anwendungsbezug - vorstellen. Andererseits trifft man auf empirische Studien, in denen neben den Ergebnissen die angewandte Methodik und das Forschungsdesign lediglich implizit und am Rande beschrieben werden. Artikel, die den Fokus auf die Planung einer qualitativen Studie legen und diese explizit darstellen und argumentieren, sind jedoch noch rar.

Vanessa Hessenkamp
Mixed-Model-Design
Die Nutzung von Ruhezonen in Einkaufszentren

Der Beitrag diskutiert die Umsetzung eines Mixed-Model-Forschungsdesigns im Bereich des KonsumentInnenverhaltens. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Datenerhebung, der Beschreibung der Arten von Daten sowie deren Vernetzung. Dabei wird auf die Koordination der Ablaufplanung und deren Umsetzung im Feld und die vier Arten der Triangulation (Theorien-, Methoden-, Daten- und Investigator-Triangulation) eingegangen. Es wird gezeigt, wie geplante Abläufe im Forschungsprozess flexibel gehalten werden müssen. Der Beitrag schließt mit Empfehlungen für die Planung von Mixed-Model-Designs.

Renate Buber, Bernhart Ruso, Johannes Gadner
Ein Mixed-Method-Ansatz zur Zufriedenheitsmessung
Dargestellt am Beispiel des Automobilkaufs

Spätestens seit dem Paradigmenwechsel von der Transaktions- zur Beziehungsorientierung Ende der 80er Jahre (Grönross 1994, Diller 1995) gilt KundInnenzufriedenheit in der Marketingtheorie als zentraler Erfolgsfaktor von Unternehmen (Oliver 1997, Homburg 2003). Wie

empirische Studien

zeigen, bleiben zufriedene KundInnen ihrem Anbieter eher treu als unzufriedene (Homburg/Giering/Hentschel 1998), empfehlen ihn häufiger weiter (File und Prince 1992) und sind bereit, mehr zu zahlen (Homburg, Koschate/Hoyer 2005) sowie weitere Produkte des Unternehmens zu kaufen (Verhoef/ Franses/Hoekstra 2001). Diese positiven Effekte von KundInnenzufriedenheit schlagen sich auch in ökonomischen Erfolgsgrößen, bspw. im ROI, nieder (Anderson/Fornell/ Rust 1997, Anderson/Fornell/Lehmann 1994).

Katja Gelbrich, Stefan Wünschmann, Anja Leuteritz
Künstliche Erlebniswelten
Die Bedeutung der Disneyization für Skihallen

Qualitative Untersuchungen unterliegen der Gratwanderung zwischen Offenheit und methodischer Kontrolle, die jeweils auf den konkreten Einzelfall bezogen werden muss. Anhand dieses Beitrags soll die Wirkung von Produkteigenschaften von Erlebniswelten auf KonsumentInnen und deren Anforderungen an die Gestaltungselemente einer Erlebniswelt mittels qualitativer Methoden untersucht werden. Dabei gilt es zu verdeutlichen, wie in der Forschungspraxis die methodische Kontrolle sichergestellt werden kann. Diese erfordert, dass Ablauf und Ergebnisse eines Projektes kommuniziert und intersubjektiv nachvollzogen werden können. Gleichzeitig wird gezeigt, dass erprobte Verfahren der Marktforschung als

tool

im Rahmen qualitativer Forschung produktiv eingesetzt werden können. Die folgenden Ausführungen basieren auf einem umfangreichen marketingwissenschaftlichen Forschungsprojekt, das mit qualitativen Verfahren, bzw. einem Mix aus qualitativen und standardisierten Instrumenten der KonsumentInnenforschung durchgeführt worden ist (Lobin 2007).

Daniela Lobin, Herlinde Maindok
Dokumentarische Bildinterpretation
Am exemplarischen Fall eines Werbefotos

Die zunehmende Bedeutung von Bildern in der öffentlichen, genauer: der medialen Kommunikation und damit auch im Bereich der Werbung ist unbestritten. Dies gilt nicht nur für Bildmedien im engeren Sinne, also Film und Fernsehen, sondern auch für die Zeitschriftenwerbung. Trotz des enormen Bedeutungszuwachses des Bildhaften in der kommunikativen Verständigung ist die Bildinterpretation in der modernen sozialwissenschaftlichen Empirie eine Marginalie geblieben. Der „iconic“ oder „pictorial turn“ (Mitchell 1994, 1997) ist im sozialwissenschaftlichen Forschungsalltag noch nicht angekommen. Und auch in der Werbewissenschaft wird „Bildforschung“, wie Schierl (2005, 309) konstatiert, „weiterhin kaum in einem der Bedeutung des Gegenstandes angemessenen Umfang betrieben. Dies mag damit zusammenhängen, dass Bilder in der Gesellschaft vorwiegend wegen ihres Unterhaltungswertes geschätzt, aber bezüglich ihres Beeinflussungspotentials absolut unterschätzt werden.“

Ralf Bohnsack
Mehrsprachige Interviews und softwaregestützte Analyse
Problemlösungen und Implementierung mit NVivo

Die qualitative internationale Marketingforschung findet in zunehmendem Maße Zuspruch in der betrieblichen Praxis. Über die Bedeutung der Sprache im Kontext der Fragebogengestaltung und auch der länderübergreifenden Datenerhebung wurde bereits viel publiziert (Brislin 1970, Piekkari/Welch 2004, Pike 1966). Allerdings wurde die Praxis der qualitativen Datenerhebung und Analyse mehrsprachiger Forschungsprojekte bislang nur in unzureichendem Maße vor dem Hintergrund neuartiger softwaregestützter Verfahren besprochen.

Rudolf R. Sinkovics, Elfriede Penz
Fallstudien in der Strategieforschung
Auf der Suche nach dem Strategiewandel im Internationalisierungsprozess

Die seit den 1970er Jahren beobachtbare neue Globalisierungswelle bewirkt einen fundamentalen Wandel der Weltwirtschaft, der sich in einer tief greifenden Restrukturierung der Produktions-, Distributions-, Vermarktungs- und Führungssysteme von international tätigen Unternehmen äußert (Dicken 2003). Die Forschung im Bereich des International Business und International Management hat sich bisher eher mit einzelnen Facetten dieses Phänomens beschäftigt: mit der Ermittlung der so genannten Globalisierungstreiber (Yip 1992), der Globalisierungslogik und den allgemeinen Auswirkungen der Globalisierung auf Unternehmensstrategien und -organisation (Bartlett/Ghoshal 1989, Meffert 1986, Ohmae 1990, Porter 1986), der Homogenisierung der Märkte (Levitt 1983), oder mit Fragen der Standardisierung versus Differenzierung von Marketingprogrammen (Douglas/Wind 1987, Jain 1989, Zou/Cavusgil 2002). Was die Untersuchung der strategischen Reaktionen der Unternehmen auf die veränderten internationalen Branchen- und Marktbedingungen betrifft, dominieren bisher eher statische Forschungsdesigns wie die Identifikation von unterschiedlichen Strategie- und Organisationstypen (Bartlett/Ghoshal 1989, Prahalad/Doz 1987, Porter 1986). Obwohl als Ausgangsbasis wichtig, lässt sich mit matrixgestützten Kontingenzansätzen nicht die in der internationalen Wirtschaftspraxis vorzufindende Komplexität und Dynamik im strategischen Verhalten von international agierenden Unternehmen erfassen (Morrison/Roth 1992, Roth 1992, kritische Anmerkungen bei Engelhard/Dähn 1997). Wenngleich vereinzelt Arbeiten zur Evolution von Strategie und Organisation in multinationalen Unternehmen im Zuge der Internationalisierung erschienen sind (Bäurle 1996, Douglas/Craig 1989, Kutschker 1996, Malnight 1996, Perlmutter 1969), ist die Inkongruenz zwischen dem Prozesscharakter des untersuchten Phänomens und den angewandten Untersuchungsansätzen, nämlich statischen Querschnittanalysen, im Bereich der Internationalisierungsforschung nicht zu übersehen (Andersen 1993). Die Erfassung der von den Unternehmen vorgenommenen strategischen und organisatorischen Anpassungen im Zuge der Internationalisierung ist mit Querschnittanalysen aber nur schwer möglich. Die Fallstudienmethodik, im Speziellen der Einsatz von longitudinalen Fallstudien, stellt einen Forschungsansatz dar, der die Untersuchung von Strategiephänomenen in ihrem realen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Kontext sowie die Abbildung von komplexen Ursache-Wirkungszusammenhängen im Zeitablauf erlaubt (Pettigrew 1990).

Arnold Schuh
Interkulturelle Kompetenz deutscher Expatriates in China
Qualitative Analyse und Modellentwicklung

Anhand der Analyse von Interviews mit deutschen Expatriates in China soll ein innovatives Dimensionen-Faktoren-Modell erarbeitet werden, das vom bekannten Müller-Gelbrich-Modell (Müller/Gelbrich 1999) ausgeht, dieses aber den tatsächlichen Anforderungen beliebiger verbaler Datenmengen anpasst. Der Beweis der Notwendigkeit der Erarbeitung eines solchen polyfaktoriellen und polydimensionalen offenen Analysemodells erfolgt anhand eines analysierenden Durchgangs durch eine Datenmenge, die aus den Interviews mit deutschen Expatriates gewonnen wurde. Zur Analyse wurde die von Josef Zelger entwickelte GABEK-Methode (siehe Punkt 5) verwandt. Insgesamt ergibt sich aus dem erweiterten Dimensionen-Modell die Möglichkeit beliebige Texte subjektiv individuiert als auch hoch abstrahiert darzustellen.

Thomas Wittkop
Internationale Pricing-Prozesse in der Unternehmenspraxis
Bestandsaufnahme und Implikationen aus ausgewählten Industriezweigen

Die Festsetzung und das Monitoring von Preisen auf Auslandsmärkten zählen zu den kritischen Prozessen, mit denen sich Unternehmen im globalen Umfeld auseinandersetzen müssen, wie empirische Untersuchungen belegen (Gaul/Lutz 1994, Piercy 1981, Simon 1992). Dies erklärt sich aus der Bedeutung preispolitischer Aktivitäten für die finanzielle Situation von Unternehmen. Kein anderes Marketinginstrument hat derart unmittelbare Effekte auf die Prosperität eines Unternehmens wie die Preispolitik. Im Gegensatz zu den übrigen Marketing-Mix-Instrumenten zeigen sich die Auswirkungen von Preisänderungen unmittelbar in Reaktionen der KundInnen und zumeist auch der MitbewerberInnen (Lancioni 2005a). Da anzunehmen ist, dass die Preispolitik und ihr Einsatz als Wettbewerbsinstrument in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden (Simon 2004), werden Unternehmen gefordert sein, verstärkt Augenmerk auf diese Entscheidungen zu lenken (Dolan/Simon 1997, Monroe 2003, Myers/Cavusgil/Diamantopoulos 2002, Sander 1997).

Barbara Stöttinger
Qualitative Untersuchung von Organisationsstrukturen

Dieser Beitrag stellt den Hintergrund, das Vorgehen und die Ergebnisse einer qualitativen Organisationsstudie dar. Gegenstand der Untersuchung war die Entwicklung von Organisationsstrukturen in den marktbezogenen Unternehmensbereichen, vor allem in Marketing und Vertrieb. Die Studie wurde im Jahr 2000 veröffentlicht (Homburg/Workman/Jensen 2000). Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut:

Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts wird der Hintergrund der Studie erläutert. Zum einen wird die Studie in die Literatur zur Marketing- und Vertriebsorganisation einordnet. Zum anderen wird darstellt, wie die Studie in ein Forschungsprogramm zur Marketing- und Vertriebsorganisation eingebettet war. Hier wird der Beitrag insbesondere darauf eingehen, wie qualitative und quantitative Empirie im Forschungsprogramm kombiniert wurden.

Im zweiten Abschnitt wird das Vorgehen der Studie erläutert, gegliedert nach Datenerhebung und Dateninterpretation. Der Beitrag stellt hier auch die konzeptionellen Zwischenschritte dar, die später verworfen wurden.

Im dritten Abschnitt werden die wesentlichen Ergebnisse der Studie erläutert. Im Zentrum steht dabei das Kernergebnis der Dateninterpretation: die Entwicklung zu kundenorientierten Organisationsstrukturen.

Christian Homburg, Ove Jensen
Das Marketing-Event im Dienst der Kirche
Der XX. Weltjugendtag 2005 in Köln

Die Folge pluralistischer Bedingungen ist, „dass Religionen, die früher herrschten, heute ‚verkauft‘ werden müssen, und zwar an einen Kundenkreis, der zu ‚kaufen‘ nicht genötigt ist. (…) Die religiösen Institutionen sind ‚Werbeagenturen‘, und die Religion selbst zum ‚Gebrauchsgut‘ geworden.“ Diese Diagnose hat der Religionssoziologe Peter L. Berger bereits in den späten 60er Jahren des letzten Jahrhunderts gestellt. Die ehemals regionalen Monopolisten müssten seither so umorganisiert werden, führt Berger weiter aus, dass sie imWettbewerb mit anderen Sinnanbietern um ‚Konsumenten‘ werben können. Und da man den ‚Verbrauchern‘ nicht mehr die eine (und ‚wahre‘) Religion befehlen könne und diese nicht unter Kaufzwang stünden, müsse das jeweilige Glaubensangebot attraktiv verpackt und zeitgemäß beworben werden.

Michaela Pfadenhauer
Der Einsatz qualitativer Methoden im Forschungsdesign für wahlwerbende Organisationen

Dieser Artikel beschreibt den Einsatz von qualitativen Methoden für die Forschung und somit auch für die Beratung wahlwerbender politischer Organisationen. Darunter sind sowohl politische Parteien als auch politische Fraktionen in Interessenvertretungen und -verbänden (Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund, Hochschülerschaft etc.) zu verstehen. Ob eine politische Organisation sich einer Wahl stellt oder stellen muss, bestimmt maßgeblich die Forschung und Beratung für diese Organisation. In dem Moment, wo eine politische Organisation sich für eine Wahl zur Verfügung stellt, wird sie in der einen oder anderen Form versuchen, WählerInnen für sich zu gewinnen. Daraus entsteht die Notwendigkeit der Kommunikation mit den potenziellen WählerInnen. Dies wiederum führt zur Planung und Durchführung einer Kampagne, die als Grundlage Beratung und Forschung benötigt.

Ursula Breitenfelder, Eva Zeglovits
Backmatter
Metadaten
Titel
Qualitative Marktforschung
herausgegeben von
Prof. Dr. Renate Buber
Prof. Dr. Hartmut H. Holzmüller
Copyright-Jahr
2009
Verlag
Gabler
Electronic ISBN
978-3-8349-9441-7
Print ISBN
978-3-8349-0976-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8349-9441-7