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28.01.2014 | Innovationsmanagement | Interview | Online-Artikel

„Apple schaut nur auf sich selbst“

verfasst von: Andreas Nölting

8:30 Min. Lesedauer

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Noch ist Apple der Meister aller Klassen und das wertvollste Unternehmen der Welt. Doch Springer-Autor Nils Jacobsen sieht den Kultkonzern am Wendepunkt.

Was macht den Kult und die Mystik der Marke Apple aus? Wie kann ein Unternehmen derart fanatische Fans haben?

Es geht zurück bis in die Gründungstage der 70er-Jahre. Apple lebt bis heute vom Geist seines visionären Gründers. Steve Jobs verkörpert all das, was zwischen Bits und Bytes oft verloren geht: Die menschliche Seite der Tech-Revolution mit all unseren Sehnsüchten, Wünschen und Begierden. Apple steht für das Coole in der Techwelt: Es begann als Anti-IBM und positionierte sich als der Gegenentwurf zur spießigen Windowswelt. Seit dem iZyklus, der mit dem iMac in den späten 90er-Jahren begann, ist Apple der Inbegriff des besseren Lebens: Die Macs, iPods, iPhones und iPads sind Sinnbild für das bessere Leben – sie sind schöner als jedes andere Gadget und verhelfen dem Besitzer damit zu einem Statussymbol, das er sonst im Leben vielleicht nicht hat. Mehr als jede andere Marke - höchstens vergleichbar mit den exklusiven Modelabels Gucci, Prada, Louis Vuitton  – ist der angebissene Apfel zu einem Code geworden, dazuzugehören. Es ist tatsächlich ein bisschen wie bei einem Kult. Entsprechend emotional reagieren Anhänger, wenn die  Strahlkraft ihres Fixsterns angezweifelt wird.

Gibt es einen Management-Stil á la Apple? Unterscheidet sich der Führungsstil von anderen  Global Playern?

Absolut. Apple schaut nur auf sich selbst. Apple kommentiert grundsätzlich nichts. Das macht Apple als Investment problematisch: Die Aktie ist  immer wieder leichte Beute für Gerüchte, selbst wenn sie noch hanebüchen sind. Auch im Kerngeschäft verfolgt Apple eine Strategie nach extrem isolationistischer Doktrin: Das Unternehmen schwadroniert ständig damit, nicht die meisten Produkte herstellen zu wollen, sondern die besten  – woran auch immer man diesen Anspruch messen mag. Der Ansatz kommt nicht ohne Risiken daher - wie man an der Wall Street so gerne sagt: Es geht gut, bis es  schiefgeht. In den letzten 15 Jahren ging es gut, doch das Eis wird dünner. Mit seiner Ignoranz hat Apple den Phablet-Trend verpasst und auch den Fernsehmarkt zu lange links liegen lassen. Wo ist der Apple-Fernseher, von dem Steve Jobs in der Walter Isaacson-Biografie sprach? Und wieso hat Samsung seine Smartphone-Verkäufe in den vergangenen zwei Jahren verdreifacht, während das iPhone-Wachstum immer weiter abflacht? Und wieso tritt Google jeden Monat in einen neuen Markt, während Apple seit vier Jahren kein neues Produkt auf den Markt gebracht hat? Das sind die Risiken eines fast autistischen Unternehmensstils, wie ihn Apple an den Tag legt.

Der verstorbene Gründer Steve Jobs hat die Marke Apple geprägt. Wie kann es sein, dass eine einzelne Person in einem der größten Konzerne der Welt einen derartigen Einfluss hat?

Steve Jobs war Apple. Allein die ersten zehn Jahre von der Gründung Apples bis zum spektakulären Rauswurf 1985 haben Jobs mit dem Macintosh unsterblich gemacht – er war der Mark Zuckerberg der 80er-Jahre. Das junge Apple war in vielerlei Hinsicht die Blaupause für Tech- und Internet-Start-ups in den folgenden drei Jahrzehnten. Als Apple 1980 an der Wall Street debütierte, war es der größte Börsengang seit Ford 1955. Den eigentlichen Mythos von Jobs begründete seine zweite Amtszeit von 1997 bis 2011, die getrost als größtes Comeback in der Wirtschaftsgeschichte gefeiert werden kann. Was Jobs in diesen 14 Jahren mit dem Turnaround eines fast sicheren Pleitekandidaten zum wertvollsten Unternehmen der Welt gelungen ist, ist absolut einmalig - die größte Managementleistung der Menschheitsgeschichte. Gleichzeitig ist diese Bürde für den Nachfolger, Tim Cook, überlebensgroß. Cook ist in seiner äußeren Darstellung das größtmögliche Gegenteil von Jobs: Er ist alles andere als eloquent,  er verkörpert nicht Jobs’ Lässigkeit und schon gar nicht seinen Genius. Man muss es so deutlich sagen: So versiert Cook als Mann im Hintergrund die operativen Geschäfte führen mag und die Zulieferkette optimiert – als Aushängeschild ist er nicht geeignet. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Cook nicht bis zum Ende seines Vertrags 2021 Vorstandschef bleibt.

Springer für Professionals: Sie beschreiben Apple als trägen Tech-Giganten, der seine besten Jahre hinter sich hat. Diesen Vorwurf gibt es schon seit Jahren. Was ist 2014 anders?

Nils Jacobsen: So weit würde ich noch nicht gehen: Die Frage, ob Apple tatsächlich die besten Jahre hinter sich hat, ist noch nicht final entschieden. Aber der Trend ist definitiv gekippt – und zwar schneller als man es erwarten konnte.  2013 war kein gutes Jahr für Apple: Erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt gingen die Gewinne wieder zurück – und das sogar zweistellig. Noch beunruhigender: Drei von vier Unternehmenssparten wachsen nicht mehr. Über den iPod müssen wir heute nicht mehr sprechen, die Mac-Division ist im Post-PC-Alter auch zum Schrumpfen verdammt, aber dass selbst die jüngste Geschäftssparte, die iPad-Unit, nach nicht mal vier Jahren bereits an Wachstumsgrenzen stößt, ist ein schwerer Rückschlag für Apple, der in der Form sicher so nicht eingeplant war. Apple ist und bleibt die iPhone-Company, die mehr als 60 Prozent der Gewinne mit dem Kultsmartphone generiert. Das Problem: Das iPhone befindet sich im achten Jahr seines Lebenszyklus’ – das Wachstumspotenzial scheint ziemlich ausgereizt. Dieses Jahr dürfte Apple dank des China Mobile-Deals und dem Launch eines großes iPhones 6 noch ein goldenes Jahr bevorstehen, doch spätestens 2015 muss ein neues „one more thing“ auf den Markt kommen, das zum Erfolg verdammt ist.

Haben Technologie-Unternehmen zwangsläufig einen überschaubaren Lebenszyklus?

Absolut. Wie keine andere Branche ist die IT-Welt vom wiederkehrenden Muster der kreativen Zerstörung bestimmt. Einem Unternehmen gelingt eine bahnbrechende Innovation, die eine Branche revolutioniert – und den Platzhirschen entsprechend Marktanteile kostet. Wird diese Innovation zum neuen Standard, verändert es die Kräfteverhältnisse der Branche. Denken wir an Google und Yahoo zurück. Yahoo förderte Google Ende der 90er-Jahre einst mit Venture Capital und wollte Google kaufen, doch das Start-up aus Mountain View besaß die proprietäre Suchtechnologie und wurde schnell zum Goldstandard. Der Rest ist moderne Technologie-Geschichte: Binnen eines Jahrzehnts hat sich Google vom aufstrebenden Start-up zum mit Abstand wertvollsten Internetkonzern der Welt entwickelt, das längst zehnmal so viel wert ist wie Yahoo.Apples Problem in der Lebenszyklus-Theorie: Wenn wir heute über den iKonzern sprechen, dann tun wir das auf dem Gipfel seiner 38-jährigen Firmenhistorie. Apple ist in unserer Wahrnehmung der natürliche Platzhirsch, der Meister aller Klassen, der FC Bayern der Tech- und Börsenwelt. Die Geschichte lehrt jedoch, dass dieser Status quo nicht zu halten ist: Immer alles zu gewinnen, ist kein Naturzustand.  Und wenn der Trend einmal kippt, kann es sehr schnell gehen, siehe aktuell Blackberry und Nokia. Die Hightech-Industrie ist deshalb die brutalste Branche der Welt: Es herrscht Darwinismus pur - das Alles-oder-Nichts-Prinzip.     

Macht Erfolg satt? Oder können Manager dauerhaft hungrig, verrückt und kreativ bleiben?

In der Theorie schon. Aber warum reißen, egal ob in der Welt des Sports, der Politik oder eben Wirtschaftswelt immer wieder diese Erfolgsserien, warum hält kein Imperien für die Ewigkeit? Neben der Gesetzmäßigkeit der kreativen Zerstörung spielen auch psychologische Prozesse eine größere Rolle als wir vielleicht auf den ersten Blick denken. Apples Führungsteam besteht im Kern noch aus denselben Leuten, das das Unternehmen unter Steve Jobs groß herausgebracht hat. Steve Jobs hat sich auf Tim Cook als seinen Nachfolger festgelegt, Jony Ive hat Apples Erfolgsprodukte vom ersten iMac an designt, Phil Schiller leitet seit den späten 90ern die Marketinggeschicke. Dass nach 15 Jahren auf der Überholspur Sättigungserscheinungen einsetzen, ist so menschlich wie wohl unabdingbar. Die eigentliche Frage, die sich jedoch stellt, ist: Kann Apple auch den Erfolg verteidigen? Apples Erfolgsgeheimnis der vergangenen drei Jahrzehnte war das eines Underdogs: Zunächst war es der coole Herausforderer von IBM, dann der Gegenentwurf zur spießigen Windowswelt. Und jetzt? Heute ist Apple Mainstream, der Platzhirsch schlechthin, der Meister aller Klassen – und damit das erste Angriffsziel. Das wird man in den kommenden Jahren häufiger hören:  Die Apple-Führungsebene ist zwischen Mitte 40 und Mitte 50 – eine Zeit, in der es legitim erscheint, sich zu fragen, was man vom Rest seines (Berufs-)Lebens erwartet. Apple bräuchte dringend eine Blutauffrischung, stattdessen verpflichtet Cook satte Mode-Manager in den 50ern. Mit Verlaub: Nichts gegen die Neuzugänge von Burberry und Ives Saint Laurent – aber der nächste Apple-CEO sollte Elon Musk heißen, nicht Angela Ahrendts.

Wird uns die Marke Apple mit ihren Produkten noch in 30 Jahren erfreuen? Welche Produkte könnten das sein?

Ich bin ziemlich sicher, dass es Apple noch in 30 Jahren geben wird: Apple wird nicht zum nächsten Nokia, Blackberry oder HP. 150 Milliarden Dollar auf der hohen Kante, die gewaltigste Absicherung der Welt, Apple müsste ab sofort so ziemlich alles falsch machen und seine Milliarden verlieren statt eine Milliarde alle zehn Tage zu verdienen. Bei aller berechtigten Kritik muss man festhalten: Es geht Apple heute sehr, sehr gut – und daran sollte sich kurz- bis mittelfristig wenig ändern, dafür ist die Käuferschaft zu loyal und das Ökosystem der iTunes-Nutzer zu geschlossen. Diesen iZyklus, das Vermächtnis von Steve Jobs, sehe ich noch einige Jahre weiterlaufen. Wenn Apple dem ungeschriebenen Gesetz von Aufstieg und Fall trotzt und auch noch in 30 Jahren der wertvollste Konzern der Welt wäre, bräuchte es bis 2044 vermutlich fünf weitere Blockbuster-Produkte in den Dimensionen des iPhones. Und das halte ich, mit Verlaub, für ziemlich unwahrscheinlich.

Springer-Autor Nils Jacobsen ("Das Apple Imperium"):
Nils Jacobsen, Jahrgang 1974, ist ausgewiesener Apple-Experte und Wirtschaftsjournalist mit über 15-jähriger redaktioneller Erfahrung. Der gebürtige Hanseat verfolgt seit Mitte der 90er-Jahre in unzähligen Artikeln Apples erstaunlichen Aufstieg zum inzwischen wertvollsten Konzern aller Zeiten. Auf der Facebook-Seite finden Sie mehr Hinweise zum Buch „Das Apple-Imperium“.



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Die Hintergründe zu diesem Inhalt

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Der lange Schatten von Steve Jobs

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2014 | OriginalPaper | Buchkapitel

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