Skip to main content

17.03.2014 | Automobilproduktion | Schwerpunkt | Online-Artikel

Autos aus dem 3-D-Drucker

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

4:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Ein Bauteil, ein Modul oder gar eine komplette Karosserie aus einem Stück fertigen? Und in einem einzigen Fertigungsprozess herstellen? Unmöglich? Was heute nach Utopie klingt, könnte morgen schon Realität sein.

Die industrielle 3-D-Druck-Revolution hat begonnen, sagt Edag. Nachdem Konsumentendrucker für 1000 Euro den Markt erobern, werden jetzt zeitnah industrielle Anwendungen auf den Konsumentenhype folgen, prognostiziert der Entwicklungsdienstleister. Aktuelle Fortschritte in der generativen Fertigung haben die Vision erreichbarer gemacht - werkzeuglos, in einem Stück und in einem Produktionsvorgang zu fertigen. Grund genug für Edag, einen Ausblick auf die mögliche Revolution der Automobilindustrie zu geben.

Auf dem diesjährigen Genfer Autosalon präsentierte das Unternehmen die futuristische Fahrzeugskulptur Edag Genesis, die das Potenzial der generativen Fertigung am Beispiel einer Karosseriestruktur aufzeigen soll. Die Skulptur basiert auf den bionischen Mustern einer Schildkröte, dessen Panzer Schutz und Dämpfung liefert und mit dem Bewegungsskelett vereint ist. Der Panzer ähnelt einem Sandwichbauteil mit innen liegenden, feinsten Knochenstrukturen, die die Festigkeit und die Versteifung der Schalen liefern.

Generative Fertigungsverfahren beziehungsweise das "Additive Manufacturing" werden die Anwendungsgebiete des "Rapid Prototyping" verlassen und die klassischen Fertigungsverfahren und konstruktiven Gestaltungsmöglichkeiten um eine weitere Dimension revolutionär erweitern, blickt Edag in die Zukunft. Direkt aus den Datenmodellen werde eine werkzeuglose und extrem flexible Fertigung ermöglicht. Anwendungsgerecht entwickelte schweißbare Metalle und Kunststoffe sowie Keramik sollen den Weg für Zukunftsanwendungen ebnen.

Zukunft oder Utopie?

Die Evolution in der Geschwindigkeit und Vergrößerung der Bauvolumen in den generativen Fertigungsverfahren und der entsprechenden Automatisierungstechnik lässt eine Produktivitätssteigerung um das 100- bis 1000-fache in den nächsten 10 bis 20 Jahren erwarten, erklärt Edag.

Neben dem bereits heute industriell verfügbaren Generierverfahren Selective Laser Melting (SLM) habe sich ein weiterentwickeltes FDM-Verfahren als aussichtsreicher Kandidat für das Zukunftsthema der generativen Fertigung herauskristallisiert. Im Gegensatz zu den anderen Technologien biete das Fused Deposition Modelling (FDM) die Möglichkeit, nahezu beliebige Bauteilgrößen zu fertigen, da hier keine Beschränkung durch einen vorgegebenen Bauraum gegeben ist. Vielmehr werden die Strukturen durch den Auftrag von Thermoplastwerkstoffen durch Roboter generiert. Im freien Raum entstehen Schicht für Schicht komplexe Strukturen - gänzlich ohne Werkzeug und Vorrichtungen. Selbst Halbzeuge könnten bei dem Verfahren integriert werden. Durch die Möglichkeit, Endlos-Kohlefasern im Fertigungsprozess mit einzubringen, können zudem die gewünschten Festigkeiten und Steifigkeitswerte erreicht werden.

Noch in den Kinderschuhen, aber mit Potenzial

Der industrielle Einsatz der generativen Fertigungsverfahren steht zwar noch am Anfang; die revolutionären Vorteile im Hinblick auf Freiheitsgrade in der Entwicklung bis hin zur werkzeuglosen Fertigung machen diese Technologie aber zu einem Zukunftsthema, sagt Edag. Das sieht der kanadische Öko-Autoentwickler Kor Ecologic wohl ähnlich. Kor hat zusammen mit dem 3-D-Drucker-Hersteller Stratasys ein Hybridauto mit dem Namen "Urbee 2" - zusammengesetzt aus Urban-Electric Ethanol - entwickelt. Die leichten Kunststoffteile des dreirädrigen können von einem 3-D-Drucker hergestellt werden.

Aus heutiger Sicht sei eine Fertigung von Bauteilen und im nächsten Schritt von Modulen durchaus erreichbar, erklärt Edag. Allerdings sei das Ziel, komplette Karosserien mit generativen Fertigungsverfahren produzieren zu können, noch weit von der industriellen Anwendung entfernt und aktuell eine Vision.

Einige Vorteile hätte das Verfahren ja: Dezentrale Fertigungsstrukturen würden Flexibilität und Effizienz in der Produktentstehung ermöglichen. Die werkzeuglose und variantentaugliche generative Fertigung könnte möglicherweise innerhalb eines bestehenden Fahrzeugs punktgenau für spezielle Märkte Konstruktionen produzieren. Neben der Vielzahl von Ausstattungsvarianten heutiger Fahrzeuge könnte so auch auf individuelle Kundenwünsche noch besser eingegangen werden, schreibt auch die Springer-Autorin Petra Fastermann im Kapitel "Ausblick: 3D-Druck als Zukunftstechnologie" (Seite 96) aus dem Buch 3D-Druck/Rapid Prototyping.

Weitere Forschung zur Bewertung des Umweltpotenzials nötig

Auch das Öko-Institut sieht die Vorteile des generativen Fertigungsverfahrens, für eine umfassende Bewertung der Technik sei allerdings noch weitere Forschungsarbeit nötig - insbesondere was den Klima- und Ressourcenschutz angeht. In der Studie "3D Printing - Risks and Opportunities" beschreibt das Institut, was die Technik heute leisten kann, wo 3-D-Drucker einsetzbar sind und welche Potenziale und Risiken aus Umweltsicht bestehen.

"Trotz vieler erster praktischer Anwendungen mit der Technik sehen wir heute, dass sie noch in den Kinderschuhen steckt", fasst Dr. Hartmut Stahl, Experte für Stoffstromanalysen am Öko-Institut und Autor der Studie zusammen. "Gerade bei der Bewertung des Umweltpotenzials für den Klima- und Ressourcenschutz sind noch viele Fragen offen."

So seien ein geringerer Materialverbrauch sowie Einsparungen beim Energieaufwand prinzipiell denkbar, jedoch nur wenn sie nicht durch gegenläufige Entwicklungen konterkariert werden. Umweltvorteile durch Materialeinsparungen, bedingt durch materialsparendes Design und ressourceneffiziente Herstellung der Produkte, seien zu erwarten. So könnten zum Beispiel besonders leichte Fertigungsteile beispielsweise beim Flugzeugbau hergestellt werden. Ihr Einsatz führt dann dazu, dass die Fahr- oder Flugzeuge weniger Treibstoff benötigen. Eine Herausforderung könnte aber das Recycling werden - insbesondere für komplexere 3-D-Produkte, die verschiedene Materialien verbinden.

Eine umfassende Bewertung, so die Forscher des Öko-Instituts, sei dringend nötig, um die Vorteile, die die 3-D-Drucktechnologie für die Umwelt haben kann, besser beschreiben zu können und die Technologie entsprechend weiterzuentwickeln.

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2010 | Buch

Additive Manufacturing Technologies

Rapid Prototyping to Direct Digital Manufacturing

2013 | OriginalPaper | Buchkapitel

Produktentstehungsprozess

Quelle:
Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik

    Premium Partner