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22.09.2014 | Entsorgung | Interview | Online-Artikel

Bleiben wir führend bei Recycling- und Entsorgungstechnik?

verfasst von: Günter Knackfuß

4:30 Min. Lesedauer

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Professor Michael Nelles bescheinigt der deutschen Abfallwirtschaft eine internationale Führungsrolle. Springer für Professionals sprach mit ihm über Klimaschutz, die Zukunft der Branche und die Exportinitiative RETech.

Springer für Professionals: Ihre Forschergruppe am Lehrstuhl für Abfall- und Stoffstromwirtschaft (ASW) beschäftigt sich vorrangig mit Fragen der Optimierung der stofflichen und energetischen Verwertung von Bio- und Sekundärrohstoffen. Welche Schwerpunkte bestehen dabei gegenwärtig?

Michael Nelles: Als technisch ausgerichteter Lehrstuhl der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät decken wir die gesamte Bandbreite der Abfallwirtschaft von der Abfallvermeidung bis zur Altlastensanierung in verschiedenen Studiengängen und im Bereich Wissens- und Technologietransfer ab. In der Forschung haben wir uns auf die kombinierte stoffliche und energetische Verwertung von biogenen Abfällen und Reststoffen spezialisiert, wobei die Optimierung der Biogastechnik einen großen Raum einnimmt. Dabei sind die Forschungsaktivitäten des Lehrstuhls eng mit dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig verknüpft.

Gibt es dafür schon Anwender-Beispiele?

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Am DBFZ werden jährlich über hundert Forschungsvorhaben zur energetischen Nutzung von Biomasse bearbeitet, wobei auch hier die biogenen Abfälle und Reststoffe im Fokus stehen. Das Spektrum der praxisorientierten Forschung reicht von innovativen Bioenergieträgern (z.B. Stroh), über die Erprobung neuer Kraftstoffe oder der Minderung von Emissionen bei Kleinfeuerungen bis hin zu einer Vielzahl von Forschungsthemen aus dem Bereich Biogas zur verfahrenstechnischen Optimierung und Verminderung der Emissionen. Das DBFZ betreibt eine umfassende anwendungs-, nachhaltigkeits- und technologieorientierte Forschung zur effizienten Integration der Ressource Biomasse in das heutige und künftige Energiesystem sowie in das Bioökonomiesystem der Zukunft und begleitet diese Entwicklungen wissenschaftlich.

Sie bescheinigen der deutschen Abfallwirtschaft eine internationale Führungsrolle. Welche Fakten sprechen dafür?

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern haben wir es in Deutschland geschafft, in den vergangenen Jahrzehnten eine funktionierende Kreislaufwirtschaft im Bereich der Recycling- und Entsorgungstechnik aufzubauen. D.h. anfallende Abfälle werden wieder weitgehend in den Produktionsprozess zurückgeführt. Dieses System hat sich als erfolgreich erwiesen und wird daher mittlerweile von vielen Ländern als Vorbild angesehen. Um diesen hohen Maßstab und unsere Führungsrolle nicht zu verlieren, muss Deutschland aber sowohl technologisch wie wissenschaftlich am Ball bleiben, da eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ein wesentlicher Baustein zur Sicherung des materiellen und ökologischen Wohlstands in Deutschland ist.

Unbestritten ist der Beitrag dieser Branche zum Klimaschutz. Über welche Ergebnisse reden wir dabei?

Vor allem in Deutschland leistet die Abfallwirtschaft einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz. So werden alleine durch die Verwertung und Vorbehandlung der Abfälle pro Jahr fast 40 Mio. Mg CO2-Äquivalente eingespart. Wie positiv sich die Branche in den vergangenen zwanzig Jahren entwickelt hat, belegen auch die Zahlen: 1995 wurden etwa 2 Prozent der Industrierohstoffe in Deutschland durch die Abfallwirtschaft bereitgestellt, heute sind es derzeit fast 20 Prozent. Nichtsdestotrotz steckt in diesem Bereich noch erhebliches Potenzial. Weltweit gesehen, werden Haushaltsabfälle in mehr als 90 Prozent der Länder noch ohne Vorbehandlung deponiert. Da diese Abfälle zu rund 60 Prozent aus biogenen Anteilen bestehen, sind hier erhebliche Methanemissionen durch die mikrobielle Umsetzung die Folge. Dies kann durch die getrennte Sammlung sowie die stoffliche und energetische Verwertung von Bioabfällen vermieden werden.

Ihr DBFZ veranstaltet am 1. und 2. Oktober die DBFZ-Jahrestagung. Was konkret steht auf der Agenda?

Mit der Jahrestagung des DBFZ soll einerseits ein Rückblick auf das vergangene Jahr gegeben und andererseits der aktuelle Stand der Bioenergieforschung in seinen vielfältigen Facetten dargestellt werden. Dabei fokussieren wir uns in verschiedenen Sessions auf die vier Themenschwerpunkte "Vielseitigkeit", "Sicherheit", "Wirtschaftlichkeit" und "Sauberkeit" von Bioenergie. Gleichzeitig möchten wir auch zukunftsweisende Themen wie den Beitrag der Bioenergie in einem Bioökonomiesystem der Zukunft diskutieren. Alle, die sich für das spannende Forschungsthema der Energieerzeugung aus Biomasse interessieren, sind herzlich zur Konferenz nach Leipzig eingeladen. Weitere Informationen hierzu gibt es unter: www.dbfz.de/jahrestagung

Sie sind inzwischen in den Vorstand der Exportinitiative RETech "Recycling & Waste Management in Germany" berufen worden. Wie wird ihr Beitrag für dieses Gremium aussehen?

Die enge Vernetzung zwischen den Akteuren aus angewandter Forschung und Entwicklung sowie der abfallwirtschaftlichen Praxis ist ein wesentliches Kriterium für eine erfolgreiche Recycling- und Entsorgungstechnik, wie wir sie in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland aufgebaut haben. Mit der Berufung in den Vorstand von RETech kann ich als Vertreter der Forschung einen konkreten Beitrag zur Stärkung dieser wichtigen Kooperation leisten und die internationalen Kooperationen und Netzwerke des DBFZ und der Uni Rostock in diesen Bereich einbringen. Wir haben in Deutschland eine ganze Reihe von abfallwirtschaftlich ausgerichteten Professuren an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die international erfolgreich tätig sind. Diese sollen motiviert werden, sich ebenfalls im Rahmen von RETech zu engagieren, da auf diese Weise die internationalen Aktivitäten von Wissenschaft und Forschung in vielen Ländern ideal vernetzt werden können.

Das Interview führte Günter Knackfuß, freier Autor, für Springer für Professionals.

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