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08.05.2015 | Automobil + Motoren | Nachricht | Online-Artikel

Bulander: "Der Verbrennungsmotor hat noch viel auf der Pfanne"

verfasst von: Michael Reichenbach

6:30 Min. Lesedauer

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Noch vor ein paar Jahren war dies undenkbar: Der Elektromotor ist in Wien angekommen. Auf dem 36. Wiener Motorensymposium zeigt sich in vielen Vorträgen und Gesprächen, dass der E-Motor nicht mehr als Gegner zum Verbrennungsmotor aufgefasst wird, sondern als sinnvolle Ergänzung dient. Neben den Themen Elektrifizierung und Systemansatz diskutieren die Ingenieure auch die von Dr. Rolf Bulander, Bosch, vorgestellte Wassereinspritzung.

Das Internationale Wiener Motorensymposium im Kongresszentrum Hofburg Wien findet dieses Jahr zum 36. Mal statt. Musikalisch wurde es vom TU-Wien-Orchester mit der Ouvertüre von Händels Wassermusik eröffnet - ein möglicher Hinweis auf den Stand der Technik bei der Wassereinspritzung für den Verbrennungsmotor. "Wenn ich das so sagen darf: Der Verbrennungsmotor hat noch viel auf der Pfanne", damit begann Dr. Rolf Bulander von Bosch seine Keynote. Der Geschäftsführer des Stuttgarter Zulieferers stellte die Verbrauchs- und Emissionsverbesserung in den Mittelpunkt seines Vortrags, ging aber auch auf einen umfassenden Systemansatz für die Optimierung des Antriebsstrangs ein.

Im Speziellen war das Verdichtungsverhältnis des Ottomotors schon immer ein Kompromiss zwischen dem Kraftstoffverbrauch in Teillast und Maximalleistung unter Volllast. Für die hohen Lasten muss der Zündwinkel nach spät verzogen werden, um das Klopfen zu vermeiden. Dies führt zu gewissen Verschlechterungen. Aber eine Wassereinspritzung, arbeitete Bulander am ersten Tag des Symposiums heraus, umgeht die Volllastanreicherung, reduziert die Klopfneigung und ergibt ein höheres Verdichtungsverhältnis. Somit könne diese bisherige Kompromisslösung verringert oder sogar beseitigt werden. Der Verbrauch würde mit einer Wassereinspritzung um 4 Prozent im NEFZ sinken, auch im WLTC und beim realen Fahrbetrieb ergäben sich bessere Werte. Messungen hätten ergeben, dass ab 35 Prozent Wasseranteil - das destillierte Wasser kann aus dem Kondensat der Klimaanlage kommen oder aus einem Tank - ein stöchiometrischer Betrieb möglich sei. So sei ein völliger Verzicht auf die Anreicherung realisierbar, was zu einer 13-%-Verringerung des Verbrauchs im Betriebspunkt bei 5000/min Drehzahl führe. Das System wird zurzeit mit einem Pilotkunden (wahrscheinlich BMW) für den Serieneinsatz fertig entwickelt.

Gutzmer: "Systemischer Ansatz wird eine ganz große Rolle spielen"

In urbanen Räumen wird der elektrische Antrieb wichtig werden, stellte Professor Peter Gutzmer, Schaeffler, in seinem Plenarvortrag fest. Hier wird die Fortbewegung von intermodalen Konzepten leben müssen. Deshalb stünden drei Paradigmenwechsel an, um Effizienz, automatisiertes Fahren und Integration des Internets in das Automobil zu verbessern. Denn bis 2025 würden sich alle Flottenverbräuche und CO2-Emissionen auf den Kontinenten auf Werte unter 100 Gramm pro Kilometer bewegen. Dies sind ambitionierte Ziele, die es durch geeignete Antriebstechnik wie Hybride zu verwirklichen gilt. Dadurch, so der Technikvorstand, wird der Hybridanteil von 19 im Jahr 2020 auf 35 Prozent in 2030 steigen, während sich zugleich die reinen Elektroantriebe nur von 1 auf rund 9 Prozent erhöhen.

Zudem denkt auch er, dass der systemische Ansatz eine ganz große Rolle spielen wird. Einzelne Komponenten singulär zu verbessern, bringt nicht mehr die notwendigen Effektivitätssprünge. So komme die Zukunft des Motors über das Getriebe, das immer mehr als Schaltzentrale und Drehmomentmanager zwischen Verbrennungsmotor, Elektromotor und Rädern fungiert. Um die Emissionsziele zu erreichen, gelte es, "den Verbrennungsmotor, elektrische Komponenten und Getriebe im Verbund zu betrachten". Dazu gehört es, Optimierungen im Motorkennfeld, wie sie zum Beispiel durch variable Ventiltriebe erreicht werden können, zu berücksichtigen, aber auch die Gangzahl eines Getriebes neu zu denken. Ein elektrifiziertes Vierganggetriebe ermöglicht laut Gutzmer im Vergleich zum rein verbrennungsmotorischen Antrieb eine Verringerung des Verbrauchs um etwa 18 Prozent im WLTC, wenn man von einer P2-48-Volt-Hybridisierung mit 1,4-l-Ottomotor und Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ausgehe - und dies bei gleicher Fahrbarkeit und Spreizung. Im alten NEFZ ergebe sich sogar eine Ersparnis von 23 Prozent. Die richtige Wahl der Ganganzahl und der Grad der Elektrifizierung wird somit die zukünftige Technik des Verbrennungsmotors bestimmen. Hier sprach Gutzmer vom "Rightspeeding".

Lenz: "Basis bleibt der Verbrennungsmotor"

Professor Hans Peter Lenz, Vorsitzender des Österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK) und Leiter des Symposiums, wies in seiner Begrüßung morgens am Donnerstag , den 7. Mai 2015 bei strahlendem Wetter in Wien darauf hin, dass der Trend zu kleineren Hubräumen bei Verbrennungsmotoren anhält. "Die Entwicklung kleiner aufgeladener Motoren löst die Sechs- und Achtzylinder ab", sagte er. In die Hofburg waren wieder über 1000 Teilnehmer und 300 Begleitpersonen gekommen. Die Hybridisierung und Elektrifizierung setzt sich weiter durch, um Mobilität effizienter darzustellen. "Aber Basis bleibt der Verbrennungsmotor", so Lenz. Seine Grundlast diene für lange Strecken, während beim Beschleunigen und Bremsen elektrische Komponenten mitwirken. Auch die Nebenaggregate würden mehr und mehr elektrisch angetrieben. Der reinen Elektromobilität erteilte Lenz allerdings einen Dämpfer. "Wenn es überhaupt eine Alternative zu den heutigen Verbrennungsmotoren gibt, liegt diese beim Plug-in-Hybrid", stellte Lenz fest. "Hier wird mit relativ kleinem Aufwand elektrisches Fahren ermöglicht, ohne auf Reichweite verzichten zu müssen, und auch ohne elektrische Aufladung ist Fahren möglich."

Fuerst: "Nicht nur das reine Fahrvergnügen als Entwicklungsziel"

In seinem Plenarvortrag stellt John Fuerst, Vice President Engineering Powertrain Systems bei Delphi, fest: "Das reine Fahrvergnügen steht für uns als Zulieferindustrie schon lange nicht mehr allein als Ziel im Raum. Heute sind Innovationen gefragt, die den Anforderungen zahlreicher Zielgruppen entsprechen: den Fahrzeugherstellern, den Autofahrern, der Politik und der Gesellschaft im Allgemeinen". Für die breite Masse müssen Technologien auch erschwinglich sein. Aktuell ist die Antriebsstrangentwicklung dominiert von der weltweit zunehmenden Nachfrage nach Fahrzeugen mit geringeren Emissionen und reduziertem Energiebedarf. Verbesserte Fahrleistungen in Verbindung mit CO2 Absenkungen führen die aktuellen sauberen Ottomotoren immer näher an den effizienten Dieselmotor heran. Dies ist auch durch den Einsatz der direkten Kraftstoffeinspritzung möglich. Die Benzin-Direkteinspritzung (GDi) in vierter Generation von Delphi erlaube eine hohe Variabilität des Einspritzvorgangs und ermögliche damit eine signifikante Verbesserung der Kraftstoffeffizienz sowie der toxischen Emissionen.

Sugiyama: "Kerntechnologien im eigenen Haus behandeln"

Der Einsatz einer einzigen Antriebsstrangtechnik für alle Regionen der Welt sei keine zielführende Lösung für die Energie- und Umweltfragen. Dies stellte der leitende Toyota-Motorenentwickler Masanori Sugiyama klar und erteilte damit einem "Weltauto" eine Absage. In seinem Vortrag umriss der Executive General Manager Engine Engineering Field die Grundphilosophie der Toyota Motor Corporation: Die Entwicklung von Kerntechnologien im eigenen Haus, um Kunden in aller Welt optimale Antriebsstränge anbieten zu können. Gerade bei der Entwicklung von Hybridantrieben, wie beispielsweise für den Prius, macht eine Eigenentwicklung im Haus Sinn, um die vielen neuen Schnittstellen zwischen Verbrennungsmotor und Elektromotor samt Getriebe sicher zu beherrschen. Kern- und Randthemen müssten in einer Hand gehalten werden. Eine neue Kombination aus 2-l-Saugmotor mit einem stufenlosen Getriebe (CVT) sei effizienter als eine Lösung mit Turboaufladung. Aus der Sicht von Toyota, so Sugiyama, seien unterschiedliche Verkehrsbedingungen wie Autobahngeschwindigkeiten und Staus, jährliche Fahrleistungen, Qualität und Preisniveau des Kraftstoffs und die Verfügbarkeit alternativer Kraftstoffe bei der Entwicklung eines optimalen Antriebsstrangs für eine Region und ein Automobil zu berücksichtigen. Toyotas Ansatz: Für jede Region den jeweils effektivsten Antriebsstrang bereitzustellen. Somit setzt der japanische Autobauer auf Ottomotoren ohne Direkteinspritzung, also Saugmotoren, in Verbindung mit einer neuen Generation von stufenlosen Getrieben (CVTs). Gerade Stop-and-go-Verkehr in Großstädten mache dieses System zum Gewinner.

Das Wiener Motorensymposium findet in diesem Jahr zum 36. Mal statt und wird von Professor Hans Peter Lenz geleitet. Noch bis zum heutigen 8. Mai 2015 bietet es seinen Teilnehmern neue Ergebnisse der Getriebe- und Motorenentwicklung aus aller Welt. Auch in einem Jahr treffen sich die Motorenentwickler wieder, wenn zum 37. Internationalen Wiener Motorensymposium am 28. und 29. April 2016 in die Hofburg geladen wird.

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