Skip to main content

31.05.2017 | Motorentechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Comeback der elektrischen Aufladung

verfasst von: Christiane Köllner

4:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Kunden und Gesetzgeber fordern weitere Verbrauchssenkungen bei neuen Motoren. Eine Lösung: elektrisch angetriebene Aufladesysteme. Diese bieten neue Gestaltungsmöglichkeiten für Downsizing- und Downspeeding-Konzepte.

Bei modernen Motoren ist die Aufladung ein integraler Bestandteil der Systemarchitektur. Die Kombination eines elektrischen Verdichters mit einem Verbrennungsmotor ist dabei so alt wie die Geschichte der Aufladung selbst. "Die ersten Strömungsverdichter in Schiffsantrieben und Stationärmotoren wurden von leistungsstarken elektrischen Maschinen angetrieben", wird im Kapitel Aufladung von Verbrennungsmotoren aus dem Handbuch Verbrennungsmotor erläutert. Diese Idee sei aufgegriffen und auch für Pkw-Anwendungen ausgeführt worden. Der Einsatz von elektrisch unterstützen Aufladeaggregaten ist in den 90er-Jahren wiederholt untersucht worden. Doch erst mit zunehmender Elektrifizierung der Fahrzeuge, also größeren Kapazitäten der Bordnetze, den Fortschritten in der Elektromotortechnik, bei leistungselektronischen Bauteilen und Mikroprozessoren, haben sich jetzt neue Möglichkeiten für die elektrische Aufladung ergeben.

Empfehlung der Redaktion

01.06.2016 | Titelthema

Der neue V8-TDI-Motor von Audi Teil 1: Aggregatearchitektur und Aufladekonzept mit elektrischem Verdichter

Audi setzt mit der nächsten Generation des V8-TDI-Motors ein komplett neues Aggregatekonzept um. Die beiden Abgasturbolader im Innen-V folgen dem Konzept der Registeraufladung. Eine Weltpremiere ist der elektrisch angetriebene Verdichter, der die …

  

Neue Impulse durch 48 V

Dass das 48-V-Bordnetz den elektrischen Verdichter wiederbeleben wird, davon ist auch Gernot Goppelt überzeugt. Durch die höhere Bordnetzspannung eröffnen sich Freiheitsgarde, die der Idee der elektrischen Unterstützung wieder Rückenwind verleihen könnten. Doch was bedeutet das für konkurrierende Konzepte der Mehrfach-Turboaufladung? Wie unterscheidet sich der Nutzen bei Otto- und Dieselmotoren? Steht der E-Kompressor in Konkurrenz zu Mildhybrid-Antrieben oder können sich die beiden Konzepte ergänzen? Diesen Fragen geht Gernot Goppelt in seinem Report "Kommt die elektrische Aufladung?" aus der MTZ 7-8-2015 nach.

48 V lösen gewissermaßen den Knoten, der bisher manch erstrebenswerte technische Lösung verhindert hat", sagt Goppelt. 

Das gelte auch für die elektrisch unterstützte Aufladung: zum einen der autonom arbeitende E-Kompressor, der dem Motor Frischluft zuführt, und zum anderen der elektromotorisch unterstütze Turbolader, mit dem Luft- und Abgaspfad beeinflusst werden können. Es gibt nämlich verschiedene Ansätze, wie im Kapitel Antriebe aus dem Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik erklärt wird. Entweder lässt sich ein Elektromotor auf der Welle des Turboladers integrieren, der bei Bedarf zusätzliche Energie auf den Verdichter übertragen kann oder es wird ein zusätzlicher, elektrisch angetriebener Turboverdichter in die Luftstrecke des Motors (vor oder hinter Turboladerverdichter) eingebaut, der direkt den Ladedruck erhöht.

Elektrischer Verdichter geht auch beim Ottomotor in Serie

Aktuell setzt Audi einen elektrisch angetriebenen Verdichter beim neuen 4,0-l-V8-TDI-Motor erstmals bei einem Serienaggregat ein, und zwar im Audi SQ7 TDI. Der Verdichter, der die konventionellen Abgasturbolader unterstützt, soll für ein hochdynamisches Anfahrverhalten sorgen. Die technischen Details zum Aufladekonzept mit elektrischem Verdichter hat Audi im Artikel Der neue V8-TDI-Motor von Audi aus der MTZ 6-2016 zusammengefasst. Die Ingolstädter haben bereits 2014 zwei Fahrzeuge mit unterschiedlichen Ausbaustufen des 3,0-l-TDI-Motors vorgestellt, in denen ein elektrischer Verdichter umgesetzt ist: im Audi A6 TDI Concept und im RS 5 TDI Concept. Der elektrische Verdichter wurde von Valeo zugeliefert.

Dich nicht nur im Dieselmotor, auch im Ottomotor geht ein elektrisch angetriebener Verdichter in Serie. Der eBooster des US-amerikanischen Automobilzulieferers BorgWarner wird sein Debüt im neuesten 3,0-l-Benzinmotor von Daimler feiern. 

BMW: Stufenaufladung mit vier Turboladern

Schaut man sich die Lösung von Audi aus 2014 an, dann liegt der Vergleich mit der Dreifach-Turboaufladung von BMW nahe. BMW M setzte sie ebenfalls in einem 3,0-l-Dieselmotor ein. Das System, das BorgWarner zuliefert, besteht aus zwei kleinen VTG-Hochdruckturboladern und einem größeren wassergekühlten Niederdruckturbolader. Für Dr. Hermann Breitbach von BorgWarner Turbo Systems sei im High-End-Segment eine Dreifach-Turboaufladung wie bei BMW eine sehr gute Anwendung, die im stationären Betrieb dem eBooster naturgemäß überlegen sei, zitiert Goppelt ihn in seinem Report.

Auf dem Tri-Turbo aufbauend ist jetzt im neuen BMW M550d xDrive ein 3,0-l-Reihensechszylinder-Dieselmotor mit vier Turboladern verbaut. Dabei wird der leistungsfördernde Zustrom von komprimierter Luft in die Brennräume von einer Stufenaufladung erzeugt. Die Hochdruckstufe besteht aus zwei kompakten und in einem gemeinsamen Gehäuse integrierten Ladern mit variabler Turbinengeometrie. Hinzu kommen anstelle eines besonders großen nun zwei in ihren Dimensionen reduzierte und daher schneller ansprechende Niederdrucklader. Der Sechszylinder-Dieselmotor absolvierte 2016 sein Debüt in den serienmäßig mit Allrad ausgestatteten Modellen BMW 750d xDrive und BMW 750Ld xDrive. BMW zielte mit dem neuen Diesel wohl direkt auf den Selbstzünder im Audi SQ7.

Herausforderung Systemkomplexität

Allerdings muss sich erst erweisen, wie viel Systemkomplexität bezahlbar ist. In diesem Zusammenhang gab Professor Dr. Heinz K. Junker bereits 2014, damals Vorsitzender der Mahle-Konzern-Geschäftsführung, im Artikel Perspektiven des Ladungswechsels aus dem MTZ-Sonderheft 75 Jahre zu bedenken: "Spätestens wenn über neue Normzyklen zur Verbrauchsermittlung auch der transiente Motorbetrieb stärker in den Fokus rückt, wird ein vermehrter Einsatz mehrstufiger Aufladesysteme erfolgen. Eine interessante Option stellt an dieser Stelle die elektrisch unterstützte Aufladung dar. Als Neutechnologie ist sie allerdings kostenseitig zunächst noch zu prüfen." Zudem bleibe laut Junker mit der elektrisch unterstützten Aufladung die hohe Motorkomplexität erhalten – ebenso der Aufwand bei der Ladungswechselauslegung, weshalb sie sich künftig an einem Mildhybrid messen lassen müsse.

Unternehmen wie Audi, Hyundai/Kia, Valeo oder BorgWarner positionierten sich klar zugunsten des E-Kompressors, sagt Goppelt. Sie sähen sogar Einstiegslösungen mit 12 V, den vollen Nutzen aber erst mit 48 V. Eine extreme Ausprägung hatte laut Goppelt Dr. Hans-Jakob Neusser, damaliger VW-Entwicklungsvorstand, auf dem Wiener Motorensymposium 2015 vorgestellt: einen Dreizylinder-TSI-Motor mit Monoscroll-Turbolader "E-Booster" mit einer Literleistung von 200 kW.

Goppelt bilanziert: Motor, Getriebe und Elektronik ließen sich eigentlich nicht mehr isoliert betrachten. Es bedürfe integrierter Simulationsmethoden. Der elektrische Lader sei ein neuer Mitspieler. Spannend wird nach Meinung von Goppelt unter anderem die Frage, wie viel Hybridisierung in Verbindung mit einem per Turbo und E-Lader unterstützten Verbrennungsmotor eigentlich sinnvoll ist.

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren

04.07.2014 | Motorentechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Nur abgasaufgeladene Motoren sind nicht genug

03.05.2016 | Fahrzeugtechnik | Nachricht | Online-Artikel

Erste Probefahrt im Audi SQ7 TDI

04.05.2017 | Aufladung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Anforderungen an das Aufladesystem steigen

    Premium Partner