Skip to main content

12.06.2013 | Corporate Publishing | Interview | Online-Artikel

Content-Strategie überwindet das Silodenken in Unternehmen

verfasst von: Andrea Amerland

5:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Inhalte müssen auf vielen Kanälen funktionieren, teilbar sein und ihre Zielgruppen erreichen. Wie wichtig eine ausgeklügelte Content-Strategie für das Corporate Publishing, die Pressearbeit oder den Vertrieb ist, erklären Sascha Stoltenow und Thomas Pleil im Interview.

Springer für Professionals: Das Thema Content-Strategie war 2012 Thema der IA-Konferenz, bei der sich Konzepter und Informationsarchitekten versammeln. Die kommunikativen Aspekte gilt es hierzulande noch zu entdecken. Was hat das Content Strategy Camp, das Sie erstmals ausgerichtet haben, dazu für Erkenntnisse gebracht?

Sascha Stoltenow: Wir wollten mit dem Content Strategy Camp (#cosca13) einen Anlass und Ort der Begegnung schaffen, an dem sich Kommunikationsarbeiterinnen und -arbeiter austauschen können, die sich von dem Begriff als solchem angezogen fühlen. Die merken, dass ihre bisherige Praxis an Grenzen kommt, und die sich auf etwas Neues einlassen wollen. Dafür war das offene Format des BarCamps ideal, und sowohl die Inhalte als auch die Art des Austausches zeigen, dass die Idee richtig war.

Thomas Pleil: Das Interessante ist, dass sich für diese erste Veranstaltung zum Thema im deutschen Sprachraum ein etwas anderer Teilnehmerkreis gefunden hat: Wir hatten sicher mehr PR-Leute im Boot als dies in den USA üblich ist. Insgesamt war der Anteil an Agenturleuten sehr hoch, hier scheint also ein großes Bedürfnis zu bestehen, Content-Strategie zu besprechen.

Welche weiteren richtungsweisenden Ergebnisse hat das Camp außerdem gebracht? Wie nähert man sich dem Thema an?

Thomas Pleil: Vor allem diente unser Content Strategy Camp natürlich dazu, ein gemeinsames Verständnis des Themas zu schaffen. Hierzu hatten wir mehrere Sessions, unter anderem von unseren Kollegen aus Graz, Brigitte-Alice Radl und Heinz Wittenbrink. Ansonsten haben wir grundsätzliche strategische Fragen diskutiert - beispielsweise Storytelling und Personalisierung -, Fragen der Organisation - beispielsweise zur Rolle von Content-Strategen in Unternehmen und zu Arbeitsabläufen, aber auch eher technische Aspekte wie zum Beispiel zur Produktion medienneutraler Inhalte und Anforderungen an Content Management Systeme. Richtungsweisend war daran vielleicht vor allem, dass wir einen Austausch zu solchen disziplinübergreifenden Fragen überhaupt ermöglicht haben.

Sascha Stoltenow: Entscheidend sind für mich zwei Erkenntnisse:
1. Gute Content-Strategen erkennt man daran, dass sie sich an den konkreten Problemen von Unternehmen und Organisationen orientieren. Diese werden heute sehr häufig in der (Online-)Kommunikation sichtbar, liegen häufig aber tiefer.
2. Mit den Methoden der Content-Strategie haben wir die Chance, hier eine helfende Hand zu reichen und beispielsweise das vorhandenen Silodenken in Unternehmen zu überwinden, indem sie die Beteiligten in die Lage versetzen, konsistenter aufzutreten und effizienter zusammenzuarbeiten.

Die journalistische Aufbereitung von Unternehmensinformationen scheint eine Content-Strategie zu sein, die sich zum Trend entwickelt. Content Strategy und Content Marketing gehen hier Hand in Hand. Siehe das Beispiel Coca Cola "Journey". Können Nutzer überhaupt noch zwischen Unternehmensinformationen und journalistischem Inhalt unterscheiden?

Sascha Stoltenow: Content Marketing ist eine Reaktion auf die Krisen der etablierten Medien und der Werbung. Das Publikum nutzt Medien heute extrem selektiv und immunisiert sich gegen eine plumpe werbliche Ansprache, auch Dank technischer Hilfsmittel wie AdBlockern. Daran ändert auch die journalistische Aufbereitung von Unternehmensinformationen wenig. Im Gegenteil: Warum sollte das Publikum, das bereits jetzt irrelevante Medien abwählt, Inhalte von Unternehmen nutzen, die nach dem gleichen Rezept zubereitet werden? Content-Strategie dagegen kann auch heißen, weniger, dafür aber bessere Inhalte zu entwickeln und diese gezielt zu verbreiten. Das steht im Widerspruch zum bisherigen Marketingmodell, bei dem gilt: Viel hilft viel. Wir müssen also über Qualität sprechen - und zwar sowohl in der Unternehmenskommunikation als auch im Journalismus.

Thomas Pleil: Ob Nutzer zwischen Unternehmensinformationen und journalistischem Inhalt unterscheiden können, kommt natürlich zum Teil auch darauf an, wie gut es Medienmarken gelingt, wahrgenommen zu werden und sich zu positionieren. Schon immer gibt es tolle journalistische Produkte mit ganz eigenem Charakter und andere, die eher eine günstige Publikationsplattform für viele Interessen sind. Mein Eindruck ist, dass es zum Beispiel in der Fachkommunikation noch zu einigen Verschiebungen kommen wird und zumindest solche Fachzeitschriften, die traditionell schon intensiv mit Unternehmensinhalten arbeiten, sich neu erfinden sollten. Gerade hier wird unabhängiger Journalismus dringend benötigt, beispielsweise, wenn es um vergleichende Analysen oder das Hinterfragen von Entwicklungen geht. In den ganz klassischen Themenfeldern des Journalismus - also den großen Ressorts - wird es bestimmt weiterhin einen großen Bedarf an Orientierung, Hintergründen etc. geben.

Wo sehen Sie hierzulande derzeit den größten Handlungsbedarf, wenn es darum geht, eine unternehmensübergreifende Content-Strategie zu entwickeln?

Sascha Stoltenow: Wir brauchen einen Perspektivwechsel. Fast alle Unternehmen und Organisationen arbeiten derzeit noch im Sendermodus. Ihr kommunikatives Handeln beginnt bei ihnen selbst und nicht beim Publikum. Deshalb dominiert auch häufig noch die Abteilungslogik die Kommunikation. Dem Publikum dagegen ist es herzlich egal, ob eine Botschaft aus dem Marketing, der Unternehmenskommunikation oder der Personalabteilung kommt. Es nimmt die Marke über ihre Inhalte wahr, egal wer sie bereitgestellt hat. Genau das ist die Perspektive der Content Strategie. Unternehmen, die sich das zu Nutze machen, haben die Chance das Silodenken zu überwinden und konsistenter aufzutreten.

Thomas Pleil: Auf organisatorischer Ebene muss zunächst sicher gestellt sein, dass eine Person hierfür den Hut aufhat. Wenn sie als Problemlöser anerkannt ist, ist schon viel erreicht. Mit der Zeit kann hieraus auch die entsprechende Durchsetzungslegitimität entstehen. Eine andere Perspektive: Nach meiner Wahrnehmung ist die internationale Diskussion zu Content-Strategie sehr stark auf Online-Kommunikation fokussiert. Hier gibt es sicher sehr, sehr viel zu tun. Andererseits unterscheiden die Zielgruppen längst nicht mehr zwischen “online” und “offline” - die Touchpoints zu einem Unternehmen werden immer vielfältiger. Insofern betrifft Content-Strategie sicher genauso das Corporate Publishing, in Teilen zumindest aber auch Pressearbeit oder Vertrieb. Diese Diskussion muss noch in Gang kommen.

Zur Person:

Dr. Thomas Pleil ist an der Hochschule Darmstadt Professor für Public Relations mit Schwerpunkt Online-Kommunikation und leitet dort unter anderem den eBusiness-Lotsen Darmstadt-Dieburg, ein Kompetenzzentrum für Social Media, Wissensmanagement und E-Learning.
Sascha Stoltenow leitet das Ressort Industry & Business bei SCRIPT Communications in Frankfurt. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Entwicklung und Umsetzung von Content-Strategien und Konzepten für die crossmediale Unternehmens- und Marketingkommunikation im B2B-Umfeld.
print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt