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19.10.2012 | Bankenaufsicht | Schwerpunkt | Online-Artikel

"Das Trennbankensystem ist keine sozialistische Anwandlung"

verfasst von: Barbara Bocks

2:30 Min. Lesedauer

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Zwei Köpfe, 40 Minuten und weitgehende Einigkeit über das Diskutierte: die Konsequenzen für den Bankensektor aus den jüngsten Krisen. Am 17. Oktober trafen sich Jürgen Fitschen und Peer Steinbrück in Berlin zum Streitgespräch.

Mit dem Statement „Der Finanzsektor ist für Deutschland im Vergleich zur Realwirtschaft zu klein“, verblüffte Steinbrück die Anwesenden anlässlich der Veranstaltung „Impressionen 2012: "Reflexionen - Deutschland-Dialog der privaten Banken". Trotzdem hofft er, durch die Einführung eines Trennbankensystems den Realkapitalstock zu erhöhen. Über eine Trennung von Commercial und Investment Banking möchte Steinbrück erreichen, dass die Einlagen der klassischen Kreditbanken eher für Realinvestitionen genutzt werden als für Finanzinvestitionen, um so den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Das Gesetz zum Trennbankensystem sei weder „eine Lex Deutsche Bank“ noch „eine sozialistische Anwandlung“. Er machte deutlich, dass die Idee eines Trennbankensystems keine deutsche Eigenheit sei, sondern längst in vielen angelsächsischen Ländern Eingang in die Gesetzgebung beispielsweise im Dodd-Frank-Act gefunden habe, so Steinbrück weiter. Eine erneute Situation, bei der sich eine Bank wie Lehman im Eigenhandel massiv verspekuliere und über die Europäische Zentralbank (EZB) refinanzieren kann, müsse auch durch die Einführung eines Trennbankensystems verhindert werden, sagt Steinbrück. Fitschen verwies hierbei jedoch auf die negativen Auswirkungen dieses Systems außerhalb der Bankensektors. So warnte er vor schlechteren Konditionen und weniger Liquidität für den deutschen Mittelstand in einem Trennbankensystem.

Black and white – Regulierung für alle

Auch Schattenbanken möchte Steinbrück der Aufsicht der Regulierungsbehörden unterstellen. Schattenbanken, die sich über die Notenbank oder eine andere Bank refinanzieren, müssten die gleichen Auflagen und Überwachungsmechanismen wie die Institute des "weißen Bankenbereichs" erfüllen. Der Kanzlerkandidat sieht außerdem ein erhöhtes Risikopotenzial, „wenn Banken des regulierten Bereichs zunehmend bestimmte Geschäfte in den Schattenbankenbereich verlagern“.

Auch Fitschen befürwortet eine moderate Regulierung, da sich die Selbstregulierung der Branche in der Vergangenheit nicht als wirksam erwiesen habe. In diesem Zusammenhang gab er aber zu bedenken, dass aus seiner Sicht “Banken nie sicherer als heute waren“. Allein die Erhöhung der Eigenkapitalbasis in den vergangenen vier Jahren von 1,5 Billionen auf 2,5 Billionen Euro hätten den Bankensektor im Euroraum erheblich krisenresistenter gemacht. Außerdem machte er deutlich, dass nicht die Größe einer Bank bei der Beurteilung der Risikotragfähigkeit entscheidend sei, sondern vielmehr die Resilienz ihres Geschäftsmodells. In diesem Punkt stimmte ihm Steinbrück zu und plädierte für eine erweiterte Kompetenz der Regulierer, die auch die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells prüfen sollten.

Für die europäische Bankenaufsicht favorisiert Steinbrück weiterhin die EZB. Vor einigen Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass die EZB eines Tages als aktiver Marktteilnehmer agieren könnte, so Steinbrück. Allerdings sei es, aus seiner Sicht, zwingend notwendig, zwischen den Bereichen Bankenaufsicht und Zentralbank eine wirksame, chinesische Mauer innerhalb der Institution zu errichten, um die Mandate nicht zu vermischen.

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