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04.04.2013 | Bank-IT | Interview | Online-Artikel

„Der Best-of-breed-Ansatz scheitert in der Praxis sehr oft“

verfasst von: Peter Pagel

5 Min. Lesedauer

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Der Prozess der Vereinheitlichung und Zentralisierung der Sparkassen-IT auf Basis der Gesamtbanklösung OSPlus sowie die Einführung dieses IT-Systems bei mehreren Landesbanken gilt als eines der größten und komplexesten Vorhaben dieser Art in Deutschland und Europa. Peter Mertens und Peter Pagel sprachen mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Finanz Informatik, Fridolin Neumann, über das Ziel und den beschrittenen Weg.

Der Prozess der Vereinheitlichung und Zentralisierung der Sparkassen-IT auf Basis der Gesamtbanklösung OSPlus sowie die Einführung dieses IT-Systems bei mehreren Landesbanken gilt als eines der größten und komplexesten Vorhaben dieser Art in Deutschland und Europa. Peter Mertens und Peter Pagel sprachen mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Finanz Informatik, Fridolin Neumann, über das Ziel und den beschrittenen Weg.

Springer für Professionals: Herr Neumann, Sie haben einen langen Weg bis zur jetzt erreichten Zentralisierung und Vereinheitlichung zurückgelegt. Andere Organisationen wie die Deutsche Bank mit der Integration der Postbank haben vergleichbare Aufgaben noch vor sich. Können wir miteinander Ihren Weg nochmals abschreiten?

Neumann:Die Informationsverarbeitung von 426 Sparkassen und 11 Sparkassen-IT-Dienstleistern wurde in den letzten mehr als 10 Jahren auf Basis der Gesamtbanklösung OSPlus vereinheitlicht. Im Zuge der Einführung dieser Löung bei den deutschen Sparkassen wurden 130 Millionen Konten und rund 200.000 Arbeitsplätze der bankfachlich beschäftigten Sparkassenmitarbeiter umgestellt.Ausgangspunkt dieser Entwicklung waren Mitte der 90ger Jahre mehr als 10 regionale Sparkassen-IT-Dienstleister.

Ein wichtiger Anlass war nicht zuletzt auch der Jahrtausendwechsel. Es verlangte in der Summe viel Kapazität, um sich gegen das sogenannte Jahr-2000-Risiko in den damals noch verschiedenen IT-Lösungen zu wappnen. Uns allen wurde damals sehr klar vor Augen geführt, welche Vorteile ein gemeinsames System für die S-Finanzgruppe hätte. Verbunden mit dem ohnehin vorhandenen Erneuerungsbedarf haben sich Ende der 90ger Jahre dann mehrere regionale Sparkassen-IT-Dienstleister dafür entschieden, ein gemeinsames Projekt durchzuführen. Dieses Projekt haben wir „S-Buchen“ genannt, da die Entwicklung eines neuen Buchungskerns im Vordergrund stand. Mit dem „S-Buchen“-Projekt haben wir die alten, spartenbezogenen Silos abgelöst und versucht, eine Plattform zu etablieren, die spartenunabhängig arbeitet. S-Buchen war dann die „Keimzelle“ für weitere gemeinsame Entwicklungen und die IT-Gesamtbanklösung OSPlus.

Sehen Sie sich am Ende dieses Weges oder könnten Sie sich auch wieder gewisse Dezentralisierungs-Schritte vorstellen?

Wir sind noch nicht am Ende des Weges - ganz im Gegenteil: Es gibt innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe unserer Meinung nach noch viel Potenzial: So entfallen heute noch bei vielen Sparkassen rund 40 bis 50 Prozent der IT-Ausgaben nicht auf die FI. Eine Dezentralisierung dieser Art ist unseres Erachtens nicht sinnvoll. Auch bei den Verbundunternehmen wie Landesbanken, Landesbausparkassen und Versicherungen sehen wir noch viel Potenzial für uns. Die Entscheidung darüber, wer welche IT-Leistungen erbringt, treffen allerdings letztendlich unsere Kunden.

Es gibt viele Fehlschläge bei ähnlichen Projekten. Man denke nur an das FISCUS-Vorhaben zur Vereinheitlichung der IT-Systeme der Finanzverwaltung über alle Bundesländer hinweg. Es war nach einer Projektlaufzeit von 13 Jahren gescheitert [1]. Oder an die Fusion der Rechenzentralen der Volksbanken. Was hat man bei der FI besonders geschickt gemacht? 

Unser Erfolgsrezept war, dass wir ein neues homogenes Kernsystem – OSPlus - entwickelt haben. Und dies in enger Abstimmung mit vielen Partnern der Sparkassen-Organisation. Die erste Anwendung war die Buchung und damit ein quasi ideologiefreies Terrain. So blieben kräftezehrende Grundsatzdiskussionen aus. Auf dieses Fundament haben wir Anwendungssysteme gesetzt, die die Sparkassen schon hatten und von ihnen als unabdingbar erklärt wurden, zum Beispiel die Vertriebsunterstützung. (Das „Plus“ ist das Symbol für diese Erweiterungen.) Anschließend haben wir an vielen Wochenenden „Serien“ mit im Durchschnitt zunächst fünf und später bis zu 20 Sparkassen auf OSPlus umgestellt, und zwar beginnend mit der Region Baden. So konnten wir den nachfolgenden Sparkassen stets berichten, dass die davorliegenden Umstellungsschritte erfolgreich verlaufen waren. Die Alternative wäre eine sogenannte „Best-of-breed-Lösung“ gewesen, das heißt wir hätten von allen Partnern die besten Lösungselemente eingesammelt und diese integriert. Ein solcher Ansatz scheitert in der Praxis sehr oft. Fehlerfrei sind auch wir nicht, aber auf Grund der schrittweisen Vorgehensweise haben wir unser Know-how kontinuierlich zum Nutzen unserer Kunden erweitern können.

Ihre Organisation hat OSPlus individuell entwickelt, also wohl nicht auf Standardsoftware zurückgegriffen. Welche Rolle spielen externe Partner?

Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie Sie „Standardsoftware“ definieren. Im genossenschaftlichen Sektor gibt es noch zwei IT-Lösungen, viele Privatbanken haben Eigenentwicklungen im Einsatz. OSPlus ist eine Eigenentwicklung, hat sich aber mit den Jahren unserer Auffassung nach zu einer Standardsoftware im Retailbanking entwickelt. Mehrere Bausteine haben wir aber auch fremdbezogen und in unsere IT-Lösung eingebaut oder über Schnittstellen angebunden. Als Entwickler sollten Sie sich immer fragen: Müssen wir das Rad neu erfinden? Haben Sie das „not invented here“-Syndrom? Wir sprechen in der Finanz Informatik sehr bewusst von „Anwendungsbereitstellung“, nicht „Anwendungsentwicklung“. Man kann das mit dem modernen Automobilbau vergleichen: Teile wie die Lichtmaschine sind ja in bester Qualität am Markt vorhanden, die muss man nicht neu entwickeln. Das unterscheidet einen auch nicht vom Wettbewerb. Wir sagen deshalb ganz klar: Komponenten, Module, Teile, die in die Architektur, ins Gesamtkonzept passen, übernehmen wir sofern sinnvoll gerne. Wenn wir kaufen, versuchen wir natürlich mit dem gesamten Einfluss, den wir haben, für die Gemeinschaft vernünftige Konditionen auszuhandeln. Andererseits ist das Kernbanksystem natürlich eine selbstentwickelte Plattform. Diese bietet sozusagen den Rahmen, die Prozesskette, in die wir dann zusätzliche Module integrieren können. Eine Gesamtmarktlösung in dieser Form können Sie heute am Markt nicht kaufen. Und Sie werden mit zunehmender Prozessunterstützung immer mehr vor der Frage stehen, wie Sie  einen einheitlichen Prozess erreichen.

Das vollständige Interview finden Sie hier: „Der Best-of-breed-Ansatz scheitert in der Praxis sehr oft“

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Quelle:
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