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28.11.2012 | Umwelt | Interview | Online-Artikel

Der Wert der Natur für Wirtschaft und Gesellschaft

verfasst von: Matthias Schwincke

4:30 Min. Lesedauer

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Im Interview: Prof. Dr. Bernd Hansjürgens, Projektleiter "Naturkapital Deutschland - TEEB DE"

Am 23. Oktober 2012 fiel der offizielle Startschuss für das vom Bundesumweltministerium (BMU) und vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) geförderte Projekt "Naturkapital Deutschland – TEEB DE". Das interdisziplinäre Projekt hat zum Ziel, die Fragestellungen und Forschungsansätze der internationalen Studie "The Economics of Ecosystems and Biodiversity" (TEEB) auf die Erhaltung von biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen in Deutschland anzuwenden. TEEB DE-Projektleiter Prof. Dr. Bernd Hansjürgens vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) über die Bedeutung des Projekts für Entscheider in Wirtschaft und Unternehmen.

In welchem größeren Zusammenhang steht das Projekt TEEB DE? 

Die internationale TEEB-Initiative wurde von Deutschland im Rahmen seiner G8-Präsidentschaft im Jahr 2007 gemeinsam mit der EU-Kommission gestartet und mit Hilfe zahlreicher weiterer Institutionen unter der Schirmherrschaft von UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, durchgeführt. Angeregt durch die Veröffentlichung der sieben internationalen TEEB-Berichte wurde in einzelnen Staaten bereits mit der nationalen Erfassung von Naturkapital begonnen, z.B. in Großbritannien oder der Schweiz. Auch nationale TEEB-Studien werden zunehmend initiiert, u.a. in den Niederlanden, Norwegen, Brasilien und Korea. „Naturkapital Deutschland – TEEB DE“ ist nun der deutsche Beitrag im Rahmen dieser internationalen Biodiversitäts-Initiative.

Worum geht es bei TEEB DE?

Das Projekt wird die gesellschaftliche Relevanz und den Wert von gesunder Natur und ihren Dienstleistungen demonstrieren sowie die Kosten der Vernachlässigung unseres Naturkapitals und dessen negative Rückwirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft offenlegen. Zu diesem Zweck werden als Kernstück zwischen 2012 und 2015 vier thematische wissenschaftliche Berichte entstehen. Diese sollen insbesondere Entscheidungsträgern in Politik, Verwaltung und Wirtschaft, aber auch Naturschutzorganisationen ökonomische Argumente für die Erhaltung des „Naturkapitals“ sowie für naturnahes Wirtschaften liefern und damit ethische und ökologische Begründungen sinnvoll ergänzen.

Welche Ziele verfolgt TEEB DE im Hinblick auf Unternehmen und Wirtschaftsverbände?

Unser wichtigstes Ziel in diesem Bereich ist die Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung. Denn im Gegensatz zum Klimaschutz und zur CO2-Reduktion ist das Thema biologische Vielfalt in der Wirtschaft noch nicht präsent. Dabei ist die Herausforderung Biodiversität nicht weniger dramatisch. Nach dem BfN-Bericht "Daten zur Natur" vom September 2012 werden in Deutschland zum Beispiel aktuell 207 Wirbeltiere auf einer "Roten Liste" geführt. Das bedeutet: 43 Prozent der in unserem Land lebenden Wirbeltiere sind in ihrem Bestand gefährdet. Und der Erhalt der biologischen Vielfalt betrifft ja nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch Lebensgemeinschaften, Lebensräume und Landschaften sowie die genetische Vielfalt innerhalb der verschiedenen Arten.

Inwiefern sind in diesem Zusammenhang Unternehmen angesprochen?

Die internationale Studie "TEEB for Business" belegt klar, wie Wirtschaftstätigkeit zu Biodiversitätsverlusten führen kann. Zudem entstehen durch Artensterben und eine eingeschränkte Funktionstätigkeit von Ökosystemen auf mittlere Sicht auch direkte und indirekte unternehmerische Risiken. Dazu zählen offensichtliche physische Risiken wie die Verfügbarkeit von pflanzlichen und tierischen Rohstoffen oder von Betriebsmitteln wie sauberes Wasser. Aber auch weniger sichtbare Gefahren wie mögliche regulatorische Risiken, Marktpreisrisiken, Rechtsrisiken und Reputationsrisiken sind mit dem Verlust biologischer Vielfalt verbunden.

Welche Strategie verfolgen Sie, um das Thema erfolgreich in der Wirtschaft zu verankern?

Weil Biodiversität ein etwas komplexes Thema ist und auch im allgemeinen Bewusstsein noch nicht so im Vordergrund steht, adressiert TEEB DE nicht in erster Linie die Geschäftsführungsebene. In größeren Unternehmen richten wir uns vielmehr an Nachhaltigkeitsbeauftragte und Umweltverantwortliche, denen wir Argumente und Rüstzeug an die Hand liefern möchten, um das Thema unternehmensintern voranzutreiben. Kleinere und mittlere Unternehmen, die oftmals über keine entsprechenden Funktionen verfügen, versuchen wir über Vorträge und Diskussionen in Branchen- und Unternehmerverbänden zu erreichen. Zur besseren Vermittlung und Kommunikation des Ansatzes sind ausgewählte Vertreter aus Unternehmen und Wirtschaftsverbänden zudem in die Projektbegleitende Arbeitsgruppe eingebunden. Dazu zählen vor allem Unternehmen aus der Initiative "Biodiversity in Good Company".

Welche Erwartungen und Wünsche haben Sie vor diesem Hintergrund an die Wirtschaftsakteure?

Ich wünsche mir, dass uns zwei Dinge gelingen: Empfangen und Senden. Das heißt auf der einen Seite, dass Unternehmen und Wirtschaftsverbände zuhören, welche möglichen Veränderungen im Unternehmensumfeld sich im Zusammenhang mit dem Thema Biodiversität ergeben können, dass sie diese neuen Impulse aufnehmen und sich damit auseinandersetzen. Auf der anderen Seite sollen Unternehmen und Wirtschaftsverbände uns ihre Wünsche und Erwartungen senden und sich mit Hinweisen und Anregungen einbringen. Zudem können Unternehmen auch erfolgreiche Beispiele liefern. Auf der "Naturkapital Deutschland"-Webseite wird es zur Darstellung von erfolgreichen Fallbeispielen aus der Praxis ein interaktives Internetportal geben.

Sind darüber hinaus weitere Maßnahmen zur gezielten Ansprache der Wirtschaft geplant?

Die vier wissenschaftlichen TEEB DE-Berichte, die im Laufe des Projekts entstehen sollen, werden flankiert von zwei Broschüren. Eine davon richtet sich ausdrücklich an Unternehmen und wird nach der bereits veröffentlichten Einführungsbroschüre als zweite TEEB DE-Publikation im März 2013 auf dem Forum Biodiversität des Bundesumweltministeriums erscheinen. Diese Unternehmensbroschüre entsteht in enger Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung PriceWaterhouse Coopers, die in Unternehmen bereits Biodiversitäts-Checks auf freiwilliger Basis durchführt. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass von Anfang an hochkarätiges internationales Knowhow und Praxiswissen bei TEEB DE einfließt.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

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