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14.08.2014 | Leichtbau | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die Schattenseiten von CFK

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

4:30 Min. Lesedauer

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Strapazierfähig, fest und vor allem leicht: Faserverbundwerkstoffe wie CFK gelten als geeignetes Mittel, um Leichtbaukonzepte im Automobilbau umzusetzen. Doch jetzt zeigt eine Studie: Von CFK kann bei Brandfällen Krebs-Gefahr ausgehen.

Mit Kohlenstofffasern verstärkte Kunststoffe (CFK) gelten als Hightech-Material. Die Kohlenstofffaser hat eine sehr hohe Festigkeit und einen sehr hohen Elastizitätsmodul. Darüber hinaus zeichnet sich CFK durch eine hohe dynamische Belastbarkeit aus. Und vor allem: Es ist leicht und bietet daher im Vergleich zu herkömmlichen Materialien wie Stahl und Aluminium enormes Leichtbaupotenzial. Daher wird der Einsatz von CFK-Strukturen im Fahrzeugbau nach Expertenmeinung auch weiterhin ansteigen.

Doch jetzt warnen Experten der Bundeswehr vor Gesundheitsgefahren durch den Werkstoff CFK. Im Brandfall könnten in der Asche des carbonfaserverstärkten Kunststoffes Fasern freigesetzt werden - mit ähnlicher Wirkung wie bei Asbest. Das berichtet das NDR-Fernsehmagazin "Hallo Niedersachsen" unter Berufung auf die Ergebnisse einer langjährigen Forschung der Bundeswehr. Sie sieht eine Gefahr vor allem für Feuerwehrleute, Ersthelfer oder Polizeibeamte, wenn sie an Unfallorten ungeschützt mit der Asche in Kontakt kommen. Sie könnten in der Folge an Krebs erkranken.

CFK verwandelt sich ab 650 Grad in gefährlichen Partikelstaub

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"Normalerweise können Kohlenstofffasern nicht eingeatmet werden. Erreichen sie aber Temperaturen von mehr als 650 Grad, verändern sich die Fasern und erreichen eine kritische Größe, die in die Lunge eindringen kann", beschreibt Professor Dr. Sebastian Eibl vom Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe in Erding die Ergebnisse der Forschung. Damit stehe das Material nach Kriterien der Weltgesundheitsorganisation WHO unter dem Verdacht, Krebs zu erregen.

"Wer an eine Unfallstelle kommt, sollte grundsätzlich seine Haut und Schleimhäute schützen", warnt Oberstleutnant Andreas Kern von der Abteilung General Flugsicherheit in der Bundeswehr im Interview mit dem NDR. "Wer direkt mit der sonst unscheinbaren Asche in Kontakt kommt, sollte unbedingt einen Vollschutzanzug ähnlich wie bei Asbest-Sanierungen tragen."

Grundlage der Warnungen sind Ergebnisse von Flugunfalluntersuchern und Materialexperten der Bundeswehr, die seit Jahren an dem Thema CFK forschen, weil es auch im militärischen Bereich immer mehr eingesetzt wird.

Eine erste Reaktion aus der Industrie zur Untersuchung kommt vom Verband CFK-Valley Stade. In einer vorläufigen Stellungnahme zum NDR-Fernsehbeitrag kündigte der Verband die sorgfältige Prüfung der Bundeswehr-Studie an. Details der Studie hätten zum Zeitpunkt der Anfrage des NDR für ein Statement zum Fernsehbeitrag nicht vorgelegen. Daher hätte man die Studie bislang nicht sorgfältig prüfen können. Sobald die Studie ausgewertet sei, werde der Verband ausführlich Stellung nehmen.

Herkömmliche Rettungstechnik funktioniert auch bei Carbonautos

Aber CFK ist nicht nur eine Herausforderung bei Bränden und hohen Temperaturen. Fahrzeuge mit CFK-Strukturen haben auch andere Anforderungen an die Personenrettung nach einem Unfall, wie die ADAC-Unfallforschung untersucht hat. Denn der Werkstoff Carbon verhält sich deutlich anders als herkömmliche Stahlstrukturen, die beim Karosseriebau verwendet werden. Beim Aufschneiden des Autos reißt und splittert das Material, Stahl hingegen verformt sich. Darauf macht auch die Bundeswehr-Untersuchung aufmerksam: Ist das Material nach Bruch scharfkantig und spröde, könne es sogar durch Stoff in die Haut eindringen und dort zu schweren Entzündungen führen, so ein Bericht zur Bundeswehr-Studie auf der Website der Luftwaffe. Beim Aufschneiden eines Carbonautos wird außerdem Staub frei, erläutert der ADAC. Deshalb müssten Rettungskräfte sich und die zu rettenden Insassen des Unfallfahrzeugs mit Staubschutzmasken schützen.

Doch positiv: Schneide- und Spreizwerkzeuge der Rettungskräfte funktionieren auch bei einem Auto aus CFK. Das habe die ADAC-Unfallforschung gemeinsam mit Feuerwehreinsatzkräften in einer simulierten Personenrettung inklusive Schneideversuchen an einem BMW i3 nachgewiesen. Um das Auto vom Strom zu nehmen, entriegelte die Feuerwehr während der Übung die Hochvolt-Trennstelle im Auto. Dies sei problemlos möglich.

Allerdings müssten der Aufbau der Karosserie und die Ansatzpunkte für Feuerwehr-Spreizgeräte beim CFK-Werkstoff sehr genau erkundet werden. Auch sei die Rettungskarte bei Elektroautos besonders wichtig. Sie zeige den Einsatzkräften sofort, an welchen Stellen das Fahrzeug aufzuschneiden ist, und wo aufgrund von Leitungen und Batterien Hochspannung herrscht.

CFK schneidet bei der Lebenszyklusanalyse schlecht ab

Doch das CFK nicht nur Wunder-Werkstoff im Leichtbau ist, machen auch schon seit Längerem die Probleme bei der Nachhaltigkeit deutlich. Hier insbesondere der energieintensive Herstellungsprozess, wie Dr. Mark White, Chief Engineer bei Jaguar Land Rove in einem Interview mit der ATZ erläuterte. "Zudem gibt es am Ende der Fahrzeuglebensdauer oder für Prozessabfälle nur sehr beschränkte Recyclingverfahren; bei der Lebenszyklusanalyse schneidet CFK gegenüber Leichtmetallen besonders schlecht ab. Es könnte dazu beitragen, die Abgasemissionen im Betrieb durch Gewichtseinsparung zu reduzieren, aber es bringt nichts, wenn man die gesamte CO2-Bilanz berücksichtigt. Im Moment sehen wir CFK nur für Nischenanwendungen als geeignet an", wie White erklärt.

Doch aufgrund des enormen Drucks immer effizienteren Leichtbau zu erzielen, wird in der Zukunft der Einsatz von CFK - nicht nur im Transportwesen - weiter zunehmen, erläutern Ulrich Huber von der HAW Hamburg und Markus Steffens, Geschäftsführer des Unternehmens Adete, im Artikel "CFK - Chancen und Herausforderungen für den Leichtbau" (Seite 19) aus der lwd 4-2013. Aktuelle Trends wie der Einsatz von Carbon Nano Tubes sollen diese Entwicklung unterstützen. Doch der Forschungsbedarf sei nach wie vor immens. Insbesondere das grundlegende Verständnis dieser Werkstoffklasse sei fundamental, um das Potenzial von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen vollständig ausnutzen zu können.

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Kunststoffe

Quelle:
Werkstoffkunde

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