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04.08.2015 | Automobil + Motoren | Nachricht | Online-Artikel

eMerge: Elektrofahrzeuge intelligent mit erneuerbarer Energie betanken

verfasst von: Katrin Pudenz

5:30 Min. Lesedauer

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Nach über einer Million Kilometern in zwei Jahren - von Mai 2013 bis Juni 2015 - ist der Elektroauto-Praxistest eMerge abgeschlossen. Dabei wurde erstmals die Elektromobilität ganzheitlich betrachtet. Es konnte gezeigt werden, dass es nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch möglich ist, Fahrzeuge intelligent und ausschließlich mit zur Verfügung stehender erneuerbarer Energie aufzuladen. Auch kam bei dem Projekt heraus, dass E-Autos vor allem ab einer täglichen Strecke von 50 km finanziell interessant werden.

eMerge leitet sich von "elektromobile Modellregionen" und basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz. Nutzungs-, Lade- und Vermarktungsmodelle der Elektromobilität wurden anhand realer Kundendaten aus den Regionen Rhein-Ruhr und Berlin evaluiert und weiterentwickelt. Es sollten Innovationen bei Elektroautos vorangetrieben und Akzeptanz für Geschäftsmodelle geschaffen werden. Ziel war der langfristige Markterfolg von E-Fahrzeugen. Bei eMerge kooperieren sieben Partner: Daimler, Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS), PTV, RWE Effizienz, RWTH Aachen University (Lehrstuhl Controlling), TU Berlin (Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik/WIP) und Universität Siegen (Lehrstuhl Marketing). Gefördert wird eMerge vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Rahmen der Modellregionen Elektromobilität.

Untersuchung mit 146 Smart Fortwo Electric Drive

Der breit angelegte Feldversuch im Rahmen des eMerge-Projekts gibt nun nicht nur Aufschluss über Nutzerverhalten und Technik von E-Autos. Untersucht wurden auch intelligente Ladesysteme zur Verbesserung der Stromnetzauslastung sowie unterschiedliche Preissysteme im Hinblick auf die Kundenakzeptanz. Mithilfe von Verkehrsmodellen haben die Projektpartner den Bedarf öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur überprüft. Daimler beispielsweise verantwortete im Projekt die Erfassung von Fahr- und Ladedaten für die Evaluierung des Feldtests. Daten wie Ladedauer oder Ladehäufigkeit wurden anonymisiert erfasst und wissenschaftlich ausgewertet, dazu erfolgten regelmäßig Befragungen mit den Teilnehmern.

"Die Teilnehmer am Forschungsprojekt eMerge haben einen wichtigen Beitrag für die Mobilität der Zukunft geleistet. Mit ihrer Hilfe haben wir den realen Kundenbetrieb von Elektroautos wissenschaftlich erforscht und damit wertvolle Daten gewonnen, die wir für die Entwicklung künftiger Elektroautos nutzen können",erläutert Harald Kröger, Leiter Entwicklung Elektrik/Elektronik & E-Drive Mercedes-Benz Cars. "Mit zunehmend günstigen Batteriesystemen werden wir unseren Kunden in Zukunft immer attraktivere Preise bieten können. Wir befürworten aber zusätzlich ein attraktives Anreizsystem, das der Elektromobiliät schnell Aufschwung geben kann. Daimler verfügt schon heute über die weltweit vielfältigste Elektro- und Hybridflotte und investiert weiterhin massiv in die Entwicklung alternativer Antriebssysteme."

Elektroautos ab 50 km täglich finanziell interessant

Die Daimler-Beteiligten berichten, dass die Teilnehmer des Projekts Privat- und Geschäftskunden mit 146 Smart Fortwo Electric Drive aus Berlin, Potsdam und Nordrhein-Westfalen waren. Einige davon erzielten dabei, wie die Stuttgarter verraten, Rekorde: "Der niedrigste durchschnittliche Energieverbrauch über ein Jahr lag bei 10,4 kWh/100 km, die höchste Reichweite bei 161 Kilometern. Zertifiziert ist der Smart Fortwo Electric Drive mit einem Verbrauch von 16,3 kWh/100 km und 145 Kilometern Reichweite."

Als Ergebnisse der Zielgruppenanalyse des eMerge-Projekt bennenen die Experten: "Typische Befürworter der Elektromobilität sind gebildet, technologieaffin und verfügen über ein überdurchschnittlich hohes Einkommen". Die Forscher erhielten auch eine interessante Erkenntnis zu den Ablehnern der Elektromobilität. Sie stellten Folgendes fest: "Je weniger die befragten Personen über Elektromobilität wussten, desto negativer deren Urteil". Als ein weiteres Ergebnis der Studie konnte dokumentiert werden, dass der Anschaffungspreis ein zentrales Kriterium für oder gegen ein Elektroauto ist. Ersparnisse im Verbrauch seien den Befragten dagegen oft nicht bewusst. Als ideale Zielgruppe haben sich in der Untersuchung Pendler mit täglichen Fahrstrecken ab 50 Kilometern erwiesen, da die Anschaffung eines Elektroautos dann durch die geringen Betriebs- und Unterhaltskosten finanziell interessant wird, berichten die Forscher. Reichweite, Leistung, Platz und Ladedauer gewichten die Befragten ebenfalls sehr hoch. Die Entscheidung für ein Elektroauto fällt laut Studie vor allem aus Imagegründen. Das persönliche Umweltbewusstsein spiele dagegen eine untergeordnete Rolle. Durchaus positiv beeinflusse eine Kaufentscheidung dagegen der Zugang zu öffentlicher Ladeinfrastruktur.

Erkenntnisse rund ums Laden

Im Rahmen von eMerge wurden auch die Fahr- und Ladeprofile potenzieller Nutzer analysiert und der entsprechende Bedarf ermittelt. Demnach werde etwa ein Viertel der Ladeinfrastruktur voraussichtlich an öffentlichen Standorten benötigt, über die Hälfte an halböffentlichen, etwa bei Einkaufszentren oder Freizeiteinrichtungen. Eine weitere wichtige Erkenntnis ergab, dass der Nachtladebedarf den gesamten Infrastrukturbedarf bestimmt, da nachts in der Regel pro Ladepunkt nur einmal geladen wird, während tagsüber mehrere Ladevorgänge möglich sind, berichten die Experten.

Die Erprobung des Plug&Charge-Ladens bei Teilnehmern mit eigener Photovoltaik-Anlage bildete einen weiteren Forschungsschwerpunkt. Plug&Charge bedeutet, dass der Ladevorgang automatisch startet, ohne dass eine zusätzliche Identifikation nötig ist. Mittels einer RWE-Wallbox gelang es, das intelligente Laden weiterzuentwickeln. eMerge-Teilnehmer konnten ihre Ladestrategie anpassen, also etwa ihren Smart Fortwo Electric Drive genau dann laden, wenn genügend Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung stand - in diesem Fall aus der eigenen Solaranlage. So können die Nutzer gleichermaßen komfortabel, intelligent und umweltbewusst laden, berichten die Forscher.

Vorteile des Standards ISO/IEC 15118

Zum Projekt-Abschluss berichtet RWE, Konsortionalführer und Projektteilnehmer, dass es wie erläutert auch ganz praktisch möglich ist, Fahrzeuge intelligent und ausschließlich mit zur Verfügung stehender erneuerbarer Energie aufzuladen. Hierzu seien die Vorteile des Standards ISO/IEC 15118 gegenüber "herkömmlichen" Elektrofahrzeugen voll und ganz ausgespielt worden. Diese Vorteile liegen in der automatischen Nutzerauthentifizierung, der Übermittlung der aktuellen und wahrscheinlich zukünftigen Netzauslastung an das Fahrzeug sowie der Einbeziehung der Nutzerwünsche hinsichtlich der Abfahrtszeiten, erläutern die RWE-Experten.
Als Teilnehmer hatte RWE während des Projektzeitraums eine Flotte von zehn Smart Fortwo Electric Drive in Form eines internen eCarsharing eingesetzt. "eMerge hat wichtige Erkenntnisse gebracht, wie wir die Elektromobilität für die Nutzer attraktiver machen und somit weiter voranbringen können", erklärt Dr. Norbert Verweyen, Mitglied der RWE-Effizienz-Geschäftsführung.

eMerge2: Flottenvorhaben mit 200 Fahrzeugen von Mercedes-Benz

Direkt im Anschluss an eMerge soll die Arbeit an eMerge2 aufgenommen werden, wie die Verantwortlichen bei Daimler in Stuttgart mitteilen. Bis zu 200 Autos sollen im Rahmen dieses Nachfolgeprojekts in den Modellregionen Berlin/Potsdam, Stuttgart, Rhein-Ruhr und Rhein-Main eingesetzt werden. Die Fahrzeugflotte setzt sich aus dem batterieelektrischen B 250 e und Plug-in-Hybrid-Modellen von Mercedes-Benz zusammen. Aufgrund der anderen Technik und der anderen Fahrzeugsegmente lassen sich, davon gehen die Daimler-Forscher aus, andere Nutzungsmotive vermuten als beim Smart Fortwo Electric Drive. Durch die Integration von Plug-in-Hybride-Modellen können die Projektpartner das Nutzungsverhalten einer weiteren Kundengruppe untersuchen und dem von Kunden mit rein elektrischen Fahrzeugen gegenüberstellen. Die Ergebnisse aus dem tatsächlichen Kundenbetrieb bei eMerge2 können so wiederum zusammen mit weiteren Erfahrungswerten - beispielsweise aus Tests mit Dauerläufern - in die Entwicklung elektrischer Antriebsstränge beziehungsweise Systeme einfließen, betonen die Wissenschaftler.

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