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4. Forschungsgegenstand und historische Einordnung

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Zusammenfassung

Im nun folgenden vierten Kapitel wird die Geschichte der Umweltschutz-Bewegung in Deutschland mit ihren verschiedenen Entwicklungsphasen skizziert, es werden Ziele und Strategien der Bewegung vorgestellt und Akteure sowie relevante Organisationen benannt. Außerdem wird die gegenwärtige Situation der Umweltschutz-Bewegung mit zuletzt besonders relevanten Protestaktionen und zum Teil neuen Kollektivakteuren beschrieben. Anschließend folgt eine Vorstellung der in der Analyse des Interviewmaterials relevanten Organisationen MoveOn, Campact, Change.org und BUND mit ihren jeweils spezifischen Konzepten, Positionen und Strategien.
Im nun folgenden vierten Kapitel wird die Geschichte der Umweltschutz-Bewegung in Deutschland mit ihren verschiedenen Entwicklungsphasen skizziert, es werden Ziele und Strategien der Bewegung vorgestellt und Akteure sowie relevante Organisationen benannt. Außerdem wird die gegenwärtige Situation der Umweltschutz-Bewegung mit zuletzt besonders relevanten Protestaktionen und zum Teil neuen Kollektivakteuren beschrieben. Anschließend folgt eine Vorstellung der in der Analyse des Interviewmaterials relevanten Organisationen MoveOn, Campact, Change.org und BUND mit ihren jeweils spezifischen Konzepten, Positionen und Strategien. Ziel dieses Kapitels ist, den historischen und gegenwärtigen Kontext der in dieser Arbeit untersuchten Sozialen Bewegung kennenzulernen und die Kollektivakteure vorzustellen, welche die individuellen Protestpraktiken der Subjekte rahmen.

4.1 Die Geschichte der Umweltschutz-Bewegung in Deutschland

Soziale Bewegungen sind nicht immer trennscharf voneinander zu unterscheiden und weisen häufig einige Überschneidungen auf, doch insb. in der historischen Herleitung der Umweltschutz- und Anti-Atom-Bewegung1 lassen sich auch einige Unterschiede aufzeigen. Im Folgenden wird die Geschichte beider Bewegungen erläutert und zusammengeführt. Insbesondere bei der historischen Herleitung liegt der Fokus dabei jeweils stärker auf West- als auf Ostdeutschland.
Die Anti-Atomkraft-Bewegung umfasst laut Rucht (2008: 246) „die Individuen, Gruppen und Organisationen, die sich im Rahmen eines größeren, netzwerkartigen Zusammenhangs, dem sie sich selbst zurechnen, aktiv und insb. mit Mitteln des kollektiven öffentlichen Protests gegen die zivile Nutzung der Atomenergie wenden.“ An dieser Stelle wird bewusst auf die alternative Bezeichnung als Anti-Atomkraftwerk/Anti-AKW-Bewegung verzichtet, da sich die Anti-Atomkraft-Bewegung nicht nur gegen Kraftwerke richtet, sondern gegen sämtliche Formen der Atomkraftnutzung: Auch die Urananreicherung, den Transport und die Lagerung von Atommüll, die Fabrikation von Brennstäben usw. Die Anti-Atomkraft-Bewegung stellt sich gegen jegliche zivile Nutzung der Atomkraft in allen Ländern der Welt.
Die Umweltschutz-Bewegung hingegen lässt sich weiter fassen als die Anti-Atom-Bewegung. Insbesondere in der gegenwärtigen Umweltschutz-Bewegung geht es um ein neues Verständnis von gesellschaftlicher Naturbeziehung, es geht ganz allgemein um alle Auswirkungen des menschlichen Lebens auf die Natur als Lebensraum für Tiere, Pflanzen und den Menschen selbst. Darunter fällt auch die Ablehnung von Atomkraft und Unterstützung von erneuerbaren Energien. Deswegen wird die Anti-Atom-Bewegung im Folgenden als Bereich der Umweltschutz-Bewegung verstanden. Dieses Kapitel beschreibt die Geschichte der Umweltschutz-Bewegung in Deutschland und geht dabei auf Spezifika der Anti-Atom-Bewegung ein, um die im Anschluss beschriebenen Erfahrungen und Praktiken der Interview-Partner*innen im Kontext analysieren zu können.
Ausgangssituation und historische Vorläufer
Laut Brand (2008: 220) kann die organisierte Umweltschutz-Bewegung auf die Kampagnen der frühen viktorianischen Zeit gegen Tierquälerei und für Vogelschutz, die schnelle Verbreitung der sogenannten ‚natural history societies in England seit Mitte des 19. Jahrhunderts und die deutschen Anfänge eines romantisch inspirierten Denkmal- und Naturschutzes zurückgeführt werden. Um die Wende zum 20. Jahrhundert verlieh die „kompensatorische Verklärung von Natur und ländlichem Leben“ (ebd.: 221) dem Umweltschutz Rückenwind. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatten Technikfaszination, Sozialdarwinismus und mechanischer Fortschrittsglaube vorgeherrscht, doch ausgelöst durch die in den 1880er Jahren einsetzende wirtschaftliche Depression zeigten sich auch die hässlichen Seiten der Industrialisierung, z. B. die starke Luft- und Wasserverschmutzung (vgl. ebd.). Folglich verbreiteten sich Idealisierungen von landwirtschaftlicher Schönheit, unberührter Natur und sanft kultivierten Gartenlandschaften als Gegenpol dazu.
Die Forderung nach Natur- und Heimatschutz hatte bald eine breite organisatorische Basis: 1899 wurde der Deutsche Bund für Vogelschutz gegründet, 1904 der Deutsche Bund Heimatschutz, 1909 der Verein Naturschutzpark und 1913 schließlich der Bund Naturschutz Bayern, aus dem später die Gründung des BUND Deutschland hervorging (vgl. Brand 2008: 222).
Während der Weimarer Republik blieb die Randstellung von Natur- und Heimatschutz zwar bestehen, Naturschutz und Ökonomie wurden jedoch nicht mehr länger als Gegensatz gesehen. Naturschutz wurde neu definiert und um eine soziale Perspektive erweitert: Die Erhaltung der Natur als Erhaltung des menschlichen Erholungsraumes. Nachdem 1935 das Reichsnaturschutzgesetz verabschiedet wurde, folgte darauf jedoch wieder das Ziel der Effizienzsteigerung der Kriegswirtschaft (vgl. ebd.: 223). Nach dem Zweiten Weltkrieg fasste der Naturschutz in Westdeutschland nur schwer wieder Fuß. Auch weil Begriffe wie Heimat, Landschaft und Natur durch die nationalsozialistische Ideologie entwertet wurden. Kriegszerstörungen machten wirtschaftlichen Wiederaufbau zuerst vorrangig. Die bislang unkoordiniert handelnden Naturschutzvereine gründeten 1950 die gemeinsame Dachorganisation „Deutscher Naturschutzring“ mit ca. 500.000 Mitgliedern. In der DDR wurden 1949 die nach dem Ende des Krieges gegründeten Natur- und Heimatschutzverbände dem „Kulturbund" zwangseingegliedert (vgl. ebd.).
Die Anti-Atom-Bewegung hat im Gegensatz zur Umweltschutz-Bewegung keine so weit zurückreichenden Vorläufer, da erst ab 1953 die zivile Nutzung von Atomenergie vom damaligen US-Präsidenten Eisenhower öffentlich angepriesen wurde. Zivile atomare Anlagen entstanden zuerst in jenen Ländern, die schon über Atomwaffen verfügten: USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion. In Deutschland folgte die Realisierung der zivilen Nutzung mit einigen Jahren Verspätung. Laut Rucht (2008: 247; Hervorh. im Orig.) bestand gerade darin aber ein gewisser Legitimationsvorteil, „hatten sich doch im Zuge der Kampagne gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr führende Atomphysiker zwar gegen die Ausrüstung mit Atomwaffen, zugleich aber sehr nachdrücklich für die zivile Nutzung der Atomenergie ausgesprochen.“ Dafür wurden schon früh die forschungspolitischen Weichen gestellt. Bereits 1949 wurde im Rahmen des Deutschen Forschungsrates die Kernphysikalische Kommission etabliert, ab 1953 waren westdeutsche Atomphysiker in Genf am Europäischen Kernforschungszentrum CERN beteiligt und 1955 erhielt die Bundesrepublik volle Souveränitätsrechte und die Bundesregierung richtete auf Drängen der Industrie das Bundesministerium für Atomfragen ein (vgl. ebd.: 247 f.). Die ein Jahr später gegründete Deutsche Atomkommission entwickelte sich zum „treibenden Motor der Atompolitik“ (Rucht 2008: 248) und im Jahr 1957 wurde mit dem Eltviller Programm die Grundlage des ersten Atomprogramms der Bundesregierung gelegt.
Entwicklungsphasen der Umweltschutz-Bewegung
Der frühe Naturschutz war ein kulturelles Anliegen, gegensätzlich zur Verstädterung und Industrialisierung sollte das Verhältnis zur Natur bewahrt werden. Mitte der 1960er Jahre änderte sich diese Perspektive: „Die Folgeprobleme der industriellen Naturnutzung wurden nun nicht mehr als >>Naturschutz<<- sondern als >>Umwelt<<-Probleme thematisiert.“ (Brand 2008: 223) Wissenschaftliche Publikationen aus den USA wie „Silent Spring“ (Carson 1962) oder „Limits to Growth“ (Meadows et al. 1971) rüttelten die Bevölkerung wach und stießen eine Diskussion an.2 Die bedrohlichen Auswirkungen industrieller Naturnutzung auf die Lebensbedingungen und -räume der Menschen rückten fortan in den Vordergrund.
Kern (2008: 104 f.) führt die plötzlich aufkommende Aufmerksamkeit für ökologische Probleme auf drei Ursachen zurück: Eine erhöhte Sensibilität für ökologische Risiken, eine höhere Zahl von Umweltkatastrophen und die Formierung lokaler Gruppen und Bürgerinitiativen. Beispiele hierfür sind: Der Untergang des Öltankers Torrey Canyon vor der englischen und französischen Küste im Jahr 1967, Zwischenfälle in Kernkraftwerken, die Ölpest des Santa-Barbara-Kanals in den USA und generell die zunehmende Vergiftung von Wasser, Luft und Böden in den USA, Europa und Japan (vgl. ebd.: 105). Zuletzt bildeten sich mehr Bürgerinitiativen und regionale Gruppen, die gegen den Abbau der Wälder, die Trockenlegung von Sümpfen oder den Bau von Straßen, Startbahnen und Ähnlichem vorgingen. Aus diesen Gruppen bildete sich später der organisatorische Kern der Umweltschutz-Bewegung.
Für die Zeit bis 2006 unterteilt Brand (2008: 224 ff.) die Umweltschutz-Bewegung in fünf Phasen:3
1) 1969–1974 Die Etablierung von Umweltschutz als politisches Handlungsfeld: Erst Ende der 1960er Jahre wurde die Umweltdebatte aus den USA auch in Deutschland aufgegriffen. Umweltschutz als Handlungsfeld gelangt top-down durch die sozialliberale Regierung unter Willy Brandt, nach seiner Regierungserklärung von 1969, dem „Sofortprogramm Umweltschutz“ 1970 und dem Umweltprogramm 1971 auf die Agenda – nicht durch den Druck der Bevölkerung. Damit wurden die Grundsteine für ein neues institutionelles Politikfeld gelegt. Begünstigt durch eine Reform- und Aufbruchsstimmung und neue politische Mobilisierung von unten, welche durch die Jugend- und Studentenbewegung entstand, gründeten sich zunächst in der eher bürgerlichen Mittelschicht städtische und ländliche Bürgerinitiativen. 1972 fand die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm statt. Von da an erfuhr das Thema nicht nur eine breitere Öffentlichkeit, sondern auch eine internationale Vernetzung.
2) 1975–1982 Polarisierung zwischen Ökonomie und Ökologie: Mitte der 1970er Jahre schlug der umweltpolitische Konsens um. Die Ölkrise 1973 sorgte für einen Anstieg der Ölpreise, führte zu einer weltweiten wirtschaftlichen Rezession und verschob innenpolitisch die Handlungsprioritäten. Der Kanzlerwechsel von Brandt zu Schmidt stand für einen Kurs hin zu wirtschaftlicher Modernisierung und einem beschleunigten Ausbau der Kernenergie (vgl. Brand 2008: 225). Ökonomie und Ökologie standen sich von nun an polar gegenüber. Umweltproteste erfuhren dadurch eine fundamentalistische Stoßrichtung, insb. Konflikte um den Bau von neuen Atomanalagen und andere Großprojekte erhielten vermehrt Gegenwind. Dieser Protest führte „zur Herausbildung eines dichten Netzwerks grün-alternativer Projekte, >>basisdemokratischer<< Bewegungsorganisationen und Wählerlisten, die zur Gründung der Partei Die Grünen führte.“ (ebd.)
3) 1983–1990 Institutionalisierung der Umweltbewegung: Mit Beginn der 1980er Jahre ließen sich deutliche Institutionalisierungstendenzen in der Umweltschutz-Bewegung beobachten. Die Partei Die Grünen zog 1983 als viertstärkste Kraft erstmals ins Bundesparlament ein und Bundeskanzler Kohl nutzte eine öffentlichkeitswirksame Debatte um das Waldsterben, um sich als europäischer Vorreiter in Sachen Umweltschutz zu positionieren. 1986 führte die Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl zur Entstehung neuer Graswurzel-Bewegungen, ebenso wie zur Schaffung eines eigenen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Neben den Grünen setzte sich von nun an auch die SPD für den Ausstieg aus der Kernenergie ein. Damit war das Thema endgültig auf der politischen Tagesordnung der Bundesrepublik. Die Kämpfe in Wackersdorf4 und Co. erhielten starken Rückenwind und Grüne besetzten erstmals Minister- und Dezernenten-Posten auf Kommunal- und Landesebene. „Die Umweltbewegung wurde – zum Teil wider Willen und mit erheblichen Identitätsproblemen – von einer antiinstitutionellen Massenbewegung zu einem akzeptierten, auch wegen seines Sachverstands gefragten gesellschaftspolitischen Akteur.“ (Brand 2008: 227)
4) 1991–1995 Standortdebatte und die Umweltbewegung in der Defensive: Zu Beginn der 1990er Jahre wurden umweltpolitische Debatten von der deutschen Vereinigung und Debatten um deren wirtschaftlichen und sozialen Folgen überlagert. Unter anderem für den Aufbau Ost mussten ökologische Belange zurückgestellt werden. Doch neue Fokussierungen auf globale Umweltfragen wie das Ozonloch, Abholzung der Regenwälder oder die Desertifikation verhinderten, dass bisherige inhaltlich erreichte Standards der Umweltdebatte verloren gingen. Umweltpolitik orientierte sich neu und musste sich als präventives Umweltmanagement etablieren (vgl. ebd.: 228).
5) 1996–2006 Neurahmung der ökologischen Problematik unter dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung: Seit der UNCED Konferenz (United Nations Conference on Environment and Development) in Rio 1992 verbreitete sich langsam ein neues Leitbild der nachhaltigen Entwicklung. Fortan lag die Verknüpfung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Entwicklungsaspekten im Fokus. Exemplarisch für diese Neuorientierung standen das sogenannte Drei-Säulen-Modell „Schutz des Menschen und der Umwelt“ im Jahr 1994 und die Studie des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie „Zukunftsfähiges Deutschland“ aus dem Jahr 1996, welche vom BUND und MISEREOR in Auftrag gegeben wurde (vgl. ebd.: 229). Mit der Gründung eines Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung, der Ausarbeitung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategien und der Bildung eines nationalen Nachhaltigkeitsrates wurde die Debatte um umweltpolitische Fragen immer konkreter. Die Veröffentlichung des vierten Berichts des UN-Weltklimarates 2007 und die darin erwähnten drastischen zu erwartenden Folgen der Klimaerwärmung bildeten eine neue Zäsur in der öffentlichen Debatte um Umweltprobleme.5
Phasen der Anti-Atom-Bewegung
Die Anti-Atom-Bewegung, als Teil der Umweltschutz-Bewegung, lässt sich nach Rucht (2008) wiederum in die drei Phasen Formierungsphase, Phase der Eskalation und schrittweiser Einstieg in den Ausstieg unterteilen.
1) 1956 erwähnte das Atomministerium zwar das Problem einer sogenannten Strahlenangstpsychose und in den 1950er/60er Jahren kam es vereinzelt zu kleineren, lokalen Protesten, doch eine fachliche Kritik am Atomprogramm der Bundesrepublik blieb nur wenigen Wissenschaftler*innen vorbehalten (vgl. Rucht 2008: 248 f.). Erst 1970/71 formierten sich erste organisierte Bürger*innen gegen geplante Atomkraftwerke in Neckarwestheim, Bonn, Breisach und Esenshamm. Von der Atomlobby wurde dies mit mehr Verwunderung als Besorgnis wahrgenommen, da man die Proteste auf mangelnde Sachkenntnis zurückführte. Doch mit den Bürgerprotesten am badischen Oberrhein legte die Bewegung an Masse und Dynamik zu. An dieser Stelle können nicht alle Widerstände erwähnt werden, bekannt ist jedoch insb. der Widerstand in Wyhl: Im Anschluss an eine Großdemonstration besetzten ab Februar 1975 rund 28.000 Personen das Wyhler Baugelände (vgl. ebd.: 249). „Von dieser mehrmonatigen Besetzung, an der sich neben wenigen Daueraktivisten viele Besucher aus dem Umland zumindest sporadisch beteiligten, ging eine Signalwirkung auf die gesamte Anti-Atomkraft- und Ökologiebewegung aus“, beschreibt Rucht (ebd.) die Konsequenzen der Aktion. Die Besetzer*innen hatten den Rückhalt der lokalen Bevölkerung und die noch protestunerfahrene Landesregierung vermied es, Proteste mit Gewalt niederzuschlagen. Ein langwieriger Verhandlungsprozess endete schließlich mit dem Kompromiss, dass weitere Studien zu Gefahrenquellen des Atomkraftwerkes erstellt werden würden und die Besetzer*innen verließen das Baugelände.
2) Ab Mitte der 1970er Jahre mussten sich die Betreiber von Atomanlagen an fast allen geplanten Standorten mit wachsendem Widerstand auseinandersetzen. Lokale Initiativen arbeiteten untereinander eng zusammen, da sie Kraftwerke nicht nur vor der eigenen Haustür verhindern, sondern generelle Ablehnung demonstrieren wollten. „Kein AKW in X und anderswo“, (ebd.: 250) lautete der Slogan. Inspiriert von der Besetzung in Wyhl bildeten sich auch radikalere politische Gruppen, die sich nach anfänglicher Zurückhaltung oder gar Kritik an den bürgerlichen Initiativen der Widerstandsbewegung anschlossen.
Gegenstrategien der Politik waren kleine institutionelle Korrekturen wie die Verlagerung der Verantwortung für Reaktorsicherheit weg vom Forschungs- hin zum Innenministerium, eine Informationskampagne mit dem Ziel die Bevölkerung von Atomenergie überzeugen zu können, Auftragsstudien zur Akzeptanzproblematik und die aktive Mobilisierung der eigenen Lager. Im Dezember 1977 korrigierte die Bundesregierung ihre „Zweite[n] Fortschreibung des Energieprogramms“ mit einer Reduzierung des Atomprogramms um 50 Prozent und einem verstärkten Gewicht auf Energiesparmaßnahmen und der Entwicklung neuer, nicht-nuklearer Energien. Trotzdem entspannte sich der Konflikt nicht. Besonders gegenüber direkten Aktionen von Atomkraftgegner*innen war Härte angesagt. Versuchte Platzbesetzungen in Brokdorf und Grohnde wurden blutig niedergeschlagen. Zehntausende Menschen beteiligten sich 1976/77 an Massendemonstrationen und „speziell in dieser Phase wirkte der Atomkonflikt über seinen unmittelbaren Anlass hinaus stark polarisierend. Es ging vielfach um einen Grundsatzstreit“, beschreibt Rucht (2008: 252).
1977/78 zeichnete sich ab, dass ein Atomprogramm auf direktem Weg nicht grundsätzlich zu verhindern war. Einige Aktivist*innen machten sich entsprechend auf die Suche nach alternativen Aktionsmöglichkeiten: Energiesparmaßnahmen und die Entwicklung erneuerbarer Energien, Aufbau von Umweltschutzorganisationen und schließlich auch die Etablierung alternativer bzw. grüner Parteien.
Ab den späten 1970er Jahren wurde der Konflikt um Fragen der Wiederaufbereitung und Endlagerung ergänzt. Gorleben rückte in den Mittelpunkt der Diskussion, doch auch Wyhl und Brokdorf blieben Brennpunkte. Im Februar 1981 demonstrierten rund 100.000 Teilnehmer*innen in Brokdorf, im Januar 1982 etwa 30.000 in Wyhl. Die bundesweit größte Demonstration gegen Atomkraft fand im Herbst 1979 mit rund 150.000 Teilnehmer*innen in Bonn statt. Die Katastrophe von Tschernobyl im April 1986 führte – nachdem es zuvor zu einer vorübergehenden Abnahme der Proteste gekommen war – zu einer Verstärkung und Revitalisierung der bundesdeutschen Anti-Atomkraft-Bewegung.
3) Bereits auf dem Nürnberger Parteitag 1986 setzten die Atomkraftgegner*innen in der SPD einen Ausstiegsbeschluss durch. Auch im Bundestag war das Thema ein Streitpunkt geworden, da insb. mit dem Einzug der Grünen im Jahr 1983 die Atomkraftgegner*innen eine erhebliche Stärkung erfuhren (vgl. ebd.: 254). Der Ausbau der Atomenergie war faktisch bereits zum Stillstand gekommen, noch bevor formell über die Zukunft dieser Stromerzeugungsform entschieden worden war. Die sogenannten Konsensgespräche von 1992/93 markierten den Einstieg in den Ausstieg aus der Atomenergie. Damit gingen auch die Aktivitäten der Atomkraftgegner*innen zurück. Zu einer Vereinbarung, längerfristig aus der Atomenergie auszusteigen, kam es 2000 zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung. So verloren zwar die Auseinandersetzungen um bestehende Atomkraftwerke an Schärfe, doch die Anti-Atom-Bewegung war damit nicht am Ende: Viele Menschen waren mit den vereinbarten Restlaufzeiten nicht einverstanden und es herrschte ein großes Misstrauen gegenüber der Industrie- und Energiewirtschaft. Weiterer Streitpunkt blieb die Frage der Entsorgung; der Widerstand gegen Atommülltransporte verlieh der Bewegung eine neue Dynamik. Von 1994 an rückten insb. die Castortransporte in den Mittelpunkt der Proteste.
Ideologie und Ziele der Umweltschutz-Bewegung
Die Entwicklung der Umweltschutz-Bewegung ist in einen umfassenden Mobilisierungszyklus der sogenannten Neuen Sozialen Bewegungen eingebettet. Diese weisen einen hohen Grad an Vernetzung und kultureller Integration auf.6 Innerhalb der Umweltschutz-Bewegung kann zwischen drei verschiedenen Strömungen unterschieden werden: Dem traditionellen Naturschutz, dem modernen pragmatisch orientierten Umweltschutz und der politischen Ökologie (vgl. Brand 2008: 231; Rucht 1994: 246 ff.). Die neue Umweltdebatte ging Anfang der 1970er an den traditionell orientierten Umweltschützer*innen vorbei, ab Mitte der 1970er Jahre und mit Polarisierung der Debatte prägten die radikal-ökologischen Positionen die Bewegung am stärksten. Politisch linke Positionen sind in der Umweltschutz-Bewegung im Verhältnis zur bundesdeutschen Gesamtbevölkerung und auch im europäischen Vergleich überrepräsentiert (vgl. Brand 2008: 231). Durch die Institutionalisierung der Bewegung und die Integration der Ökologie-Thematik in die etablierte Politik verloren radikale und traditionelle Bereiche der Umweltschutz-Bewegung an Bedeutung und „pragmatisch-reformistische Positionen wurden dominant.“ (ebd.)
Die Anti-Atom-Bewegung hat die vollständige Abkehr von ziviler Nutzung der Atomenergie zum Ziel. Begründet wird dieses Ziel mit einer Vielzahl von Argumenten – z. B. den Bedenken zur ungelösten Endlagerfrage, der Katastrophengefahr oder Unwirtschaftlichkeit – und über eine Bandbreite von ideologischen Positionen hinweg von der politisch radikal Linken bis zur radikal Rechten. In ihrem Entwicklungsprozess hat die Anti-Atom-Bewegung jedoch ein Profil angenommen, in dem überwiegend aus der politisch Linken rekrutiert wird. Nichtsdestotrotz beteiligen sich insb. in ländlichen Regionen auch konservative Kreise am aktiven Widerstand gegen Atomenergie.
Kritikpunkte der Aktivist*innen sind bspw. der Vorrang wirtschaftlichen Profitstrebens gegenüber gemeinwohlorientierten Aspekten (ink. der Sicherheitsfrage), mangelnde Transparenz bei staatlichen Entscheidungen, die in einigen Ländern fehlende Trennung zwischen militärischer und ziviler Nutzung der Atomenergie, unzureichende bürgerliche Mitbestimmung und Tendenzen der Abschirmung und Überwachung, die unter dem Schlagwort des sogenannten ‚Atomstaats‘ zusammenkommen (vgl. Rucht 2008: 257 f.). Ein weiterer Kritikpunkt sind die Kosten der Stromerzeugung, sprich mangelnde Wirtschaftlichkeit: Würde man alle einfließenden Kosten, folglich auch die staatliche Forschungsförderung und die Entsorgung, mitberechnen, sei die Atomenergie deutlich teurer als andere Formen der Energieerzeugung, so das Argument. Das wichtigste, mobilisierungskräftigste Argument der Bewegung gegen Atomenergie ist jedoch das des Gefahrenpotenzials. Dieses Argument bezieht sich erstens auf das Risiko von Unfällen durch technisches oder menschliches Versagen, zweitens auf die radioaktiven Emissionen im normalen Betrieb eines Kraftwerks und drittens auf Strahlungsrisiken, die von der Zwischenlagerung und der bis heute ungeklärten Frage der Endlagerung der Abfälle ausgehen. Daneben wird auch auf externe Einwirkungen wie (beabsichtigte oder unbeabsichtigte) Flugzeugabstürze, Erdbeben oder Kriege hingewiesen.
Diese Argumente hat die Bewegung neben Veranstaltungen auch über zahlreiche Publikationen, Aufklärungsschriften und Handbücher verteilt. Nicht unerheblich ist dabei, dass sich auch renommierte Wissenschaftler*innen und darunter sogar Nobelpreisträger auf die Seite der Atomkraftgegner*innen gestellt haben (vgl. Rucht 2008: 258).7
Organisation und Netzwerke der Umweltschutz-Bewegung
Bezüglich der internen Organisation in der Umweltschutz-Bewegung unterscheidet Brand (2008: 233 ff.) zwischen drei Sektoren: Autonome Basislager, wahl- und parteipolitische Organisationen und Naturschutzverbänden, und Umweltorganisationen. Rucht (1994: 246 ff.) wiederum unterscheidet zwischen traditionellen Naturschutzverbänden, sogenannten Organisationen des pragmatischen Umweltschutzes und Organisationen der politischen Ökologie.
In den 1970er Jahren dominierten laut Brand autonome Basislager mit ihren regionalen und themenspezifischen Netzwerken das Erscheinungsbild der Umweltschutz-Bewegung, bspw. bei den Auseinandersetzungen im Rahmen von Standortkonflikten. Viele dieser Initiativen waren lose im 1972 gegründeten BBU (Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz) vernetzt. Diesem kam damit in den 1970er Jahren eine strategisch und politisch wichtige Rolle in der Bewegung zu. In den 1980er Jahren verloren viele Netzwerke ihre zentrale Bedeutung für die Entwicklung der Umweltschutz-Bewegung, doch die Katastrophe von Tschernobyl brachte 1986 die neue Basisbewegung „Mütter gegen Atomkraft“ ins Leben (vgl. Brand 2008: 233). Die Reaktorkatastrophe sorgte dafür, dass die Skepsis gegenüber Atomkraft und die Bereitschaft zum Ausstieg es bis in etablierte Parteien schaffte und ein Institutionalisierungsschub des Ökologiethemas8 erfolgte (siehe oben).
Rucht (1994: 253) wiederum ordnet den BBU dem Bereich „Organisationen der politischen Ökologie“ zu – ebenso Die Grünen, das Öko-Institut in Freiburg und Robin Wood. Zeitgleich zum Verlust an Einfluss des BBU erfolgte der Aufstieg der Partei Die Grünen. Dass die Partei 1983 erstmals mit 5,6 Prozent in den Bundestag einzog, hatte erhebliche finanzielle Zuflüsse zur Folge und Die Grünen „avancierten so bis Mitte der 1980er Jahre, trotz ihrer vergleichsweise geringen Mitgliederanzahl, zur dominanten, ressourcenstärksten Organisation innerhalb der Ökologiebewegung Westdeutschlands.“ (Brand 2008: 234) Die Institutionalisierung des Ökologiethemas und der Zerfall des alternativen Milieus ab Mitte der 1980er lösten jedoch einen Konflikt zwischen den sogenannten Realos und Fundis um die Neubestimmung der grünen Identität aus. Nach langen Verhandlungen kam es 1993 zum Zusammenschluss von Bündnis 90 und Die Grünen, 1998 wird die Partei erstmals in der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder ein Teil einer Bundesregierung.
Weitere Akteure im Netzwerk der politischen Ökologie sind das Öko-Institut und Robin Wood. Das Institut ist das größte und bekannteste unter den ökologisch orientierten Forschungsinstituten in Deutschland und finanziert sich durch Projektaufträge, Spenden und Mitgliedsbeiträge der mehr als 2.400 Vereinsmitglieder.9 Robin Wood wiederum entstand 1982 in Norddeutschland aus einer Abspaltung von Greenpeace, als die Debatte um das Waldsterben ihren Aufwind erlebte.10 Die Organisation achtet im Gegensatz zu Greenpeace strikt auf basisdemokratische Entscheidungsstrukturen und beschränkt sich auf ein nationales Level. Personell und finanziell verfügt Robin Wood nur über einen Bruchteil der Ressourcen von Greenpeace, arbeitet jedoch mit ähnlichen Aktionstypen (vgl. Rucht 1994: 254).
Die von Brand unter „Naturschutzverbände und Umweltorganisationen“ zusammengefassten Akteure unterteilt Rucht (ebd.: 247 ff.) nochmal in „Traditionelle Umweltschutzverbände“ (Bund für Vogelschutz/NABU, WWF, DNR) und „Organisationen des pragmatischen Umweltschutzes“ (BUND, Greenpeace). Während Die Grünen eine konflikthafte Phase der Ablösung vom ursprünglich fundamentalistischen Selbstverständnis durchlebten, gewannen sowohl neue als auch modernisierte alte Umweltverbände stetig an Mitgliedern (vgl. Brand 2008: 235). Als eines von knapp 100 Mitgliedern11 und zugleich potentieller Gegenspieler des DNR nimmt der BUND eine zweiseitige Rolle ein.12 Er wurde 1975 von einigen wenigen Funktionären gegründet, der Bund Naturschutz in Bayern war dabei programmatisch und organisatorisch Modell für den Bundesverband.13 Nicht zuletzt unter dem Einfluss des BUND öffnete sich auch der DNR einer Perspektive eines umfassenden Umweltschutzes. Gleiches gilt für den WWF (World Wide Fund of Nature) und den Deutschen Bund für Vogelschutz, welcher unter neuem Namen (NABU, Naturschutzbund Deutschland) 1989 erst eine ökologische Wende vollzog. Darüber hinaus entstand eine neue Generation von Bewegungsorganisationen, bekanntestes und ressourcenstärkstes Beispiel hierfür ist der 1980 gegründete deutsche Ableger von Greenpeace (vgl. ebd.). Weitere Vertreter dieser neuen Generation von Umweltorganisationen sind auch der VCD (Verkehrsclub Deutschland), der ADFC (allgemeiner Deutscher Fahrrad Club), Robin Wood und das Öko-Institut in Freiburg.
Insgesamt entwickeln Verbände und Organisationen in den 1980er/90er Jahren eine bemerkenswerte Stabilität bzgl. Gruppenzahl, Mitgliederentwicklung, Bestandsdauer, Professionalisierungsgrad und finanzieller Ressourcen (vgl. ebd.). Insbesondere große Verbände wie BUND, NABU, Greenpeace und WWF erfuhren seit 1980 einen Anstieg der Mitgliederzahlen. Auch das finanzielle Budget der Gruppen wuchs in dieser Zeit erheblich. „So stieg das durchschnittliche Budget nationaler Organisationen von 1988 bis 1998 von 5,2 Millionen DM auf 8,2 Millionen DM“ (ebd.: 236). Darüber hinaus lassen sich Professionalisierungstendenzen und eine Zunahme fest angestellter Mitarbeiter*innen beobachten.
Strategien und Aktionen
Nachdem die Umweltinitiativen der 1970er Jahre teils bürgerkriegsähnliche Konflikte mit einem gegenüber ökologischen Anliegen abgeschotteten politischen System ausgetragen hatten (vgl. ebd.: 238), wurde bald deutlich, dass auf diesem Weg keine weiteren Erfolge erzielt werden würden. Vielmehr drohte sogar eine „Delegitimation des Protests durch den gesteigerten Einsatz von Gewalt“ (Brand 2008: 238). Infolgedessen kam es zu einer Ausdifferenzierung der Aktionsformen und Handlungsstrategien, bspw. dem verstärkten Ausbau eines Netzwerkes von alternativen Projekten, der Mobilisierung für gewaltfreie Widerstandsformen, Bemühungen um eine Entwicklung konkreter Alternativen oder auch die grün-alternative Wahlbewegung auf Landesebene, aus der später die Bundespartei Die Grünen entstand. Je mehr Aktivität auf Bundes- und Länderebene aufkam, desto sinnloser wurde die Auseinandersetzung mit fundamentaloppositionellen Strategien. An die Stelle von Konfrontation traten Dialog und zum Teil auch Kooperation (vgl. ebd.: 239).
Brand (ebd.: 240) unterscheidet bei den Veränderungen der Aktionsformen drei Ebenen: Die Ausdifferenzierung der Handlungsfelder, die Professionalisierung der Aktionsformen und die Zunahme an transnationalen Aktivitäten. Die meisten Umweltorganisationen nutzten fortan neben der herkömmlichen Protestmobilisierung auch klassische Lobbyarbeit und eine strategische Kooperation mit Behörden oder Industrieverbänden zur Entwicklung von ökologischen Alternativen. Bspw. gab Greenpeace wissenschaftliche Studien in Auftrag, um eigene Kampagnen themenspezifisch und fachlich zu unterfüttern oder der BUND und Greenpeace kooperierten mit Firmen, um sogenannte grüne Technologien zu fördern (bekanntestes Beispiel ist der FCKW-freie Kühlschrank aus der Greenfreeze-Kampagne 1991/92). Darüber hinaus nahm die Gewaltbereitschaft in Protesten stark ab. Zwischen 1980 und 1984 unterstützen noch 21,9 Prozent der Protestler*innen gewaltförmigen Protest, 1990 bis 1994 nur noch 1,6 Prozent (vgl. ebd.).
Ein Trend der Professionalisierung lässt sich insb. an einer Zunahme bezahlter Mitarbeiter*innen, wachsender Verwissenschaftlichung, organisatorischer Umstrukturierung und dem Einzug von Marketingmethoden in der Öffentlichkeitsarbeit erkennen. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre gewannen wissenschaftliche Expert*innen an Bedeutung. Die Verwissenschaftlichung von umweltpolitischem Engagement lässt sich bspw. am Freiburger Öko-Institut zeigen: Es entstand 1977 aus der Widerstandsbewegung um das Atomkraftwerk Wyhl und ist heute eines der größten unabhängigen ökologischen Forschungsinstitute.
Darüber hinaus nahm auch der Einfluss auf EU-Ebene auf die Aktionsformen der Kollektivakteure zu. Einflussnahme erschien fortan fast nur noch über Lobbying möglich. Im Rahmen einer Global Environmental Governance verschoben sich strategische Akzente hin zu einer Beteiligung an internationalen Konferenzen und Verhandlungsprozessen, einer Einbindung in transnationale Netzwerke und zur Umsetzung von Alternativen im eigenen Land mit Blick auf internationale Absichtserklärungen und Vereinbarungen (vgl. Brand 2008: 241). Folglich gewannen transnationale Aktivitäten der Umweltorganisationen an Gewicht.
Entgegen des allgemeinen Trends in der gesamten Umweltschutz-Bewegung, gestaltete sich die Gewaltbereitschaft in der Anti-Atom-Bewegung etwas anders. Hier erreichten konfrontative und gewaltförmige Aktionen erst in den 1990er Jahren ihren Höhepunkt (vgl. Rucht 2008: 264). Grundsätzlich kann in der Anti-Atom-Bewegung im Vergleich mit anderen Bewegungen ein vergleichsweise höherer Grad an Militanz festgestellt werden (vgl. ebd.). Atomkraftkritiker*innen gingen schnell von Informationsveranstaltungen und verbalen Auseinandersetzungen zu handfesten politischen Aktionen über, „war doch aus ihrer Sicht eine politische Intervention zwingend geboten, zumal ein enormer Ausbau der Atomenergie vorgesehen war.“ (ebd.: 262) Symbolisch für die Ausweitung des Aktions-Repertoires der Anti-Atom-Bewegung steht die Besetzung des Baugeländes in Wyhl, mit einer Nachahmung der Platzbesetzung in Gorleben. Neben vielen Massendemonstrationen insb. an vorhandenen Atomanlagen, verübten linksradikale Gruppierungen auch Anschläge auf Firmen, die sich mit Atomenergie befassten, auf Strommasten und Stromleitungen, sowie auf Anlagen der Bundesbahn (vgl. ebd.: 263). Gegen Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre gewann die Suche nach konstruktiven Lösungen an Bedeutung. Eine Möglichkeit bestand darin, den eigenen Lebensstil ökologisch auszurichten und Konsumverzicht zu praktizieren. Eine andere Möglichkeit war die Entwicklung regenerativer Energien.
Gegenwärtige Situation der Umweltschutz-Bewegung
Laut Brand (2008: 242) herrscht breiter Konsens darüber, dass die Umweltschutz-Bewegung einen Prozess der Institutionalisierung durchlaufen hat. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie ihren ursprünglichen Bewegungscharakter verloren hat. „Vielmehr kann von einer Institutionalisierung von ‚Bewegungspolitik‘ als einer neuen, alltäglich gewordenen Form sowohl professionellen wie situativen Engagements einzelner Bürger ausgegangen werden.“ (ebd.) Umweltschutz ist mittlerweile gesellschaftsfähig geworden, in Politik und Wirtschaft hat ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von nachhaltiger Entwicklung Fuß gefasst. Das zeigt sich u. a. auch im Bereich des politischen Konsums (vgl. Baringhorst/Yang/Witterhold 2019; Yang/Baringhorst 2014) und anhand zahlreicher Start-Ups, die nachhaltige Ziele verfolgen. Immer wieder wird dem Thema Umweltschutz auch anhand von Katastrophen Nachdruck verliehen: Die Flutkatastrophe im August 2002, der sogenannte europäische Jahrhundertsommer 2003, Fukushima 2011 und die Sommer der Jahre 2018 und 2019.
Das letzte Jahrzehnt wurde die Umweltschutz-Bewegung neben einer Zunahme an Umweltkatastrophen u. a. von den Themen erneuerbare Energie, Braunkohleabbau und Hambacher Forst, Castor-Transporte, dem Pariser Klimaabkommen 2015 und seit 2018 auch von Fridays for Future (FFF) und Extinction Rebellion geprägt. Das im Jahr 2000 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde in den Jahren 2014 und 2017 jeweils einer Reform unterzogen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bezeichnet den Ausbau erneuerbarer Energien als „zentrale Säule der Energiewende“14 und beabsichtigt laut EEG einen Anteil erneuerbarer Energien von 40–45 Prozent im Jahr 2025 und 65 Prozent im Jahr 2030. Der Ausbau von Windkraftanlagen und die für die Verteilung des Stromes nötige Nord-Süd-Trasse erhalten jedoch immer wieder starken Widerstand von Natur- und insb. Vogel-Schützer*innen und betroffenen Anwohner*innen. Die geplante Trasse Südlink soll über eine Strecke von 700 Kilometern Windenergie vom Norden in den Süden Deutschlands bringen und ruft damit die Gründung zahlreicher Bürgerinitiativen hervor, die sich vor Ort gegen den Bau der Trasse einsetzen.15
Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien geht die Forderung zur Beendigung des Braunkohleabbaus einher. Unter dem Slogan „Hambi bleibt“16 kämpfen seit 201217 zahlreiche Umweltschützer*innen im Hambacher Forst u. a. mit Waldbesetzungen gegen eine Abholzung des Waldes und für einen früheren Ausstieg aus der Braunkohleenergie. Im Herbst 2018 eskalierte eine Auseinandersetzung zwischen Besetzer*innen des Waldes und der Polizei, nachdem der Energiebetreiber RWE weitere Teile des Waldes für den Braunkohleabbau roden wollte, da eine Verbandsklage vom BUND abgewiesen worden war und die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg den Tagebau für 2018 bis 2020 genehmigt hatte. Es fanden Großdemonstrationen mit bis zu 50.000 Teilnehmer*innen statt, bei Räumungsversuchen verunglückte am 19.09.2018 ein Aktivist tödlich und nachdem die Rodung durch das Oberverwaltungsgericht Münster vorerst gestoppt wurde, stellte die Landesregierung von NRW die Räumung des Waldes ein.18 Im Jahr 2020 zog wiederum insb. der nordhessische Dannenröder Forst zahlreiche Umweltschützer*innen an, die sich dort gegen eine Rodung des Waldes und den Ausbau der A49 einsetzten.19 Auch hier veranstaltete ein Bündnis von Akteuren Demonstrationen, Waldbesetzungen und andere Aktionen – was jedoch schlussendlich die Rodung einer Trasse für die geplante Autobahn nicht verhindern konnte.
Mit dem „Ziel, den Tagebau zu blockieren und die Kohleförderung und -verstromung zu verhindern“20 gehen Aktivist*innen im Aktionsbündnis Ende Gelände noch einen Schritt weiter und besetzen aktive Braunkohlewerke. Mit einem nach eigenen Angaben breiten und bunten Repertoire an Mitmachmöglichkeiten, inklusive zivilem Ungehorsam, will es Ende Gelände jedem ermöglichen, aktiv zu werden: „Alle zusammen für Klimagerechtigkeit: Ungehorsam gegen Kapitalismus und für den sofortigen Kohleausstieg. Unsere Aktion wird ein buntes und vielfältiges Bild zivilen Ungehorsams sein. In den verschiedensten Aktionen werden sich alle einbringen können, die sich mit uns gegen die Klimakrise stellen wollen. Die Aktion wird ein Dreiklang aus einer Massenaktion zivilen Ungehorsams, einer niederschwelligen Aktion zivilen Ungehorsams und einer angemeldeten Demonstration.“21
Auch die Anti-Atom-Bewegung setzte ihre Aktivitäten innerhalb der Umweltschutz-Bewegung in den letzten Jahren fort. Insbesondere an den Jahrestagen der Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima finden jährlich an zahlreichen Orten über ganz Deutschland verteilt Kundgebungen und Demonstrationen statt, die einen sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie fordern.22 Auch Blockaden von Castor-Transporten mobilisierten in den vergangenen Jahren immer wieder Aktivist*innen der Anti-Atom-Bewegung und erregten zum Teil hohe mediale Aufmerksamkeit. 2017 wurde zum ersten Mal Atommüll mit einem Schiff auf dem Neckar transportiert und auch hier blockierten Atomkraftgegner*innen, in diesem Fall von der Organisation Robin Wood, den Transport.23 Seit 2016 übernimmt das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit die Genehmigung von nuklearen Transporten. Für die Endlagersuche wurde im Dezember 2016 ein Nationales Begleitgremium ins Leben gerufen, welches die Aufgabe hat „das Standortauswahlverfahren für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle vermittelnd und unabhängig zu begleiten. Dabei soll es insb. die Umsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligung begleiten mit dem Ziel, Transparenz und Vertrauen in das Standortauswahlverfahren zu schaffen.“24 Das Gremium setzt sich aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Bürger*innen zusammen, die in einem Beteiligungsverfahren nominiert und vom Bundesumweltministerium ernannt wurden.25 Transparenz und Nachvollziehbarkeit sollen dafür sorgen, dass Bürger*innen Vertrauen aufbauen und Konflikte wie in Gorleben in der Zukunft vermieden werden können. Ob dies gelingt, wird sich zeigen, wenn mögliche Standortregionen benannt und dort sogenannte Regionalkonferenzen abgehalten werden.
Ein weltweit für Umweltschutz mobilisierendes Ereignis stellte das Pariser Klimaabkommen im Dezember 2015 dar. Auf der internationalen Konferenz unterzeichneten nach vielen Jahren intensiver Verhandlungen mehr als 150 Staats- und Regierungschefs ein Abkommen, das sie dazu verpflichtet, die Weltwirtschaft auf klimafreundliche Weise zu verändern und das Ziel einzuhalten, die Erderwärmung auf unter zwei Grad und möglichst unter 1,5 Grad zu beschränken.26 Im Vorfeld demonstrierten hunderttausende Menschen weltweit am 29. November 2015 im Rahmen des Global Climate March.27 Eine neue Mobilisierungswelle für eine weltweite Umweltschutz-Bewegung löste 2018 die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg aus, die ab dem 20. August 2018 drei Wochen lang täglich und danach wöchentlich immer freitags vor dem Schwedischen Reichstag in Stockholm mit einem Schild mit der Aufschrift „Skolstrejk för klimatet“ (Schulstreik für das Klima) demonstrierte, anstatt zur Schule zu gehen. Thunberg erzeugte mit ihrer Aktion weltweite öffentliche Aufmerksamkeit und konnte schnell tausende Nachahmer*innen in vielen anderen Ländern gewinnen. Damit begründete sie die Fridays For Future-Aktivitäten (FFF), welche seit Sommer 2018 rund um den Globus zahlreiche Demonstrationen, Klimacamps und andere Aktionen organisieren, die größtenteils von Schüler*innen und Student*innen getragen, aber auch von einer Vielzahl anderer Gesellschaftsgruppen unterstützt werden (vgl. Sommer et al. 2019). Kernforderung der Aktivist*innen ist, die auf dem Pariser Klimagipfel 2015 gesetzten Ziele zur weltweiten Reduktion von CO2-Emmissionen einzuhalten und die damit verbundene Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Auf FFF-Demonstrationen kommen Schüler*innen, Umweltverbände, Wissenschaftler*innen, NGOs und kreative Zusammenschlüsse wie bspw. Omas for Future28 zusammen. Die Umweltschutz-Bewegung hat durch Greta Thunberg und die durch sie motivierten Schüler*innen-Proteste einen Aufwind erlebt, der seinen gegenwärtigen Höhepunkt beim dritten globalen Klimastreik von FFF am 20. September 2019 mit rund 1,4 Millionen Teilnehmer*innen weltweit erreichte.29 Durch die Corona-Pandemie erlebte auch FFF im Jahr 2020 einen Dämpfer, da Straßendemos mit tausenden Teilnehmer*innen nicht organisiert werden durften. Dies hielt FFF jedoch nicht davon ab, weiterhin für Klimagerechtigkeit einzustehen und so wurde bspw. am 24. April 2020 ein digitaler Klimastreik organisiert.30 Mit digitalem Protest, kleineren lokalen Aktionen und Corona-konformen Straßendemos kann FFF auch gegenwärtig als wichtiger Akteur der Umweltschutz-Bewegung benannt werden.
Im Oktober 2018 gründete sich mit Extinction Rebellion im Vereinigten Königreich in London eine neue Gruppe von Klima-Aktivist*innen, die mit der Aktionsform des zivilen Ungehorsams auf eine weltweite Klimakatastrophe und das damit verbundene Artensterben hinweisen will. Dezidiert gewaltfrei agiert auch in Deutschland eine Gruppe von Extinction Rebellion, die nach dem Vorbild aus London erreichen möchte, dass sich deutsche Politiker*innen verstärkt für den Klimawandel einsetzen: „Es funktioniert: Frühling 2019, London. Über sechstausend Menschen blockieren eine Woche lang die Brücken der Stadt. Wenige Tage später erklärt das britische Parlament den Klimanotstand. Gemeinsam können wir auch in Deutschland die Politik dazu bewegen, endlich effektiv zu handeln.“31
Gegenwärtig zeigt sich sowohl in der Wahl der Aktionsform als auch in den Teilnehmer*innenzahlen von Klima-Demonstrationen, dass die Umweltschutz-Bewegung ähnlich bunt, kreativ und gesellschaftlich verbreitet ist, wie sie es in den 1980er Jahren in Deutschland in der Anti-Atom-Bewegung war. Die Aktionen basieren auf vielerlei Bündnissen aus ganz unterschiedlichen Gruppen, auf Straßenaktionen und Mobilisierung durch persönliche Netzwerke sowie durch digitale Medien. Bilder von tausenden Teilnehmer*innen von Klima-Demos gehen Dank traditioneller Massenmedien und neuer ICTs um die Welt und erreichen auch abgelegene Orte in Entwicklungsländern und auf Insel-Staaten. Die Umweltschutz-Bewegung hat Dank Greta Thunberg und FFF einen Höhepunkt erreicht, der einen bisher noch nie so sichtbaren Rückhalt in der Bevölkerung für Umweltthemen findet.32

4.2 MoveOn, Campact, Change.org und der BUND: Konzept, Positionen und Strategien

Nachdem in Kapitel 2 „Wandel von Protestpartizipation im Zuge der Digitalisierung“ bereits einige Kampagnen-Organisationen benannt und ihre Eigenschaften beschrieben wurden, geht das folgende Kapitel nun nochmal explizit auf die Kollektivakteure ein, die im weiteren Verlauf von besonderer Bedeutung sein werden, da die Interview-Partner*innen teils Mitglieder dieser Organisationen sind. Dies ist zuerst die US-amerikanische Organisation MoveOn, die als Vorbild für Campact gilt und mit welcher Campact gemeinsam im OPEN Network vernetzt ist. Im Anschluss werden ausführlich Campact und die dazugehörige Petitions-Plattform WeAct vorgestellt. Darauf folgt eine Beschreibung der Struktur und Strategien von Change.org. Zuletzt folgen Entstehungsgeschichte, inhaltliche Schwerpunkte, Strategie und Struktur vom BUND.33
MoveOn
Die US-amerikanische Organisation MoveOn gilt als Vorbild und Mutterorganisation für die deutsche Kampagnen-Organisation Campact, 38 Degrees im Vereinigten Königreich, GetUp! in Australien und andere Organisationen in weiteren Ländern.
Am 18. September 1998 starteten die zwei Unternehmer*innen aus dem Silicon Valley Joan Blades und Wes Boyd ihre Online-Petition „Censure President Clinton and Move On to Pressing Issues Facing the Nation.”34 Obwohl laut eigenen Angaben keiner der beiden Erfahrungen in der Politik hatte, waren sie hoch frustriert über die in ihren Augen unsinnige Beschäftigung einer gesamten Nation mit dem Thema des Amtsenthebungsverfahrens von Bill Clinton. Die Petition war als einmalige Sache geplant und forderte: „Congress must Immediately Censure President Clinton and Move On to pressing issues facing the country“ (Voss 2013: 214). Doch da die Petition eine unerwartet hohe Resonanz erfuhr – innerhalb weniger Tage unterzeichneten mehr als 100.000 Menschen – arbeiteten Blades und Boyd weiter als Campaigner*innen. Am Ende unterstützten mehr als eine halbe Millionen Menschen die Aktion und es wurden beträchtliche Geldsummen gesammelt.
In den darauffolgenden Jahren entwickelte MoveOn eine Reihe von Kampagnen, insb. rund um die Themen Waffen-Kontrolle, Gesundheitsreform, ökonomische Gleichstellung und gegen den Irak-Krieg. Nach dem 11. September 2001 mobilisierte die Organisation gegen die Bush-Regierung: „MoveOn members have played crucial roles in persuading the Democratic Party to oppose and eventually end America’s war in Iraq, in helping Democrats retake Congress in 2006 with our influential ‘Caught Red Handed’ campaign, in securing the Democratic nomination for President Obama in 2008 with a pivotal endorsement before the Super Tuesday primaries, and in passing health care reform in 2010.“35 Laut Karpf (2012: 28) kann die Organisation bezeichnet werden als „a leading voice for self-identifying progressives in America.“
MoveOn ist eine Non-Profit-Organisation, die sich durch viele kleine Spenden finanziert und trotz ihrer hohen Mitgliederzahl und großen Popularität in den USA nur einen recht kleinen Mitarbeiterstab von 20 bis 35 Leuten hat. Doch Karpf (ebd.: 30) weiß: „This core staff is augmented by a phantom staff numbering in the hundreds – short-term employees brought in to organize in election season, for instance.“
Neben Campact gibt es zahlreiche andere Organisationen, die nach dem Vorbild von MoveOn entstanden sind oder gerade im Entstehen sind: Bspw. GetUp! (2005) in Australien und 38 Degrees (2008) in Großbritannien. Außerdem unterstützte MoveOn 2007 die Gründung von Avaaz, eine Online-Petitions-Plattform, die internationale Kampagnen betreibt und weltweit Bürger*innen die Möglichkeit bietet, eigene Online-Petitionen zu erstellen. 2013 wurde das OPEN Network (Online Progressive Engagement Network) von fünf Schwesterorganisationen aus der MoveOn Familie gegründet. Im Jahr 2021 umfasst das OPEN Network bereits 13 Mitglieder-Organisationen aus ebenso vielen Ländern, fünf Start-Up-Organisationen und hat weltweit insgesamt mehr als 20 Millionen Unterstützer*innen.36 Zu den Mitgliedern und Start-Ups zählen neben oben schon genannten Organisationen, u. a. noch Leadnow (Kanada), Skiftet (Schweden), Action Station (Neuseeland), Uplift (Irland), #aufstehn (Österreich), Zazim (Israel) und Akcja Demokracja (Polen). Im OPEN Network agieren alle Organisationen unabhängig und an ihren jeweils länderspezifischen Kontext angepasst, das Netzwerk soll jedoch gemeinsame Interessen bündeln und über gemeinsame Strategien produktive Arbeit gewährleisten.
Campact & WeAct
Die Kampagnen-Organisation Campact wurde im Jahr 2004 basierend auf dem US-amerikanischen Vorbild MoveOn gegründet. Campact organisiert netzgestützte politische Protestkampagnen, entwickelt aber zunehmend (mit Blick auf die vergangenen 17 Jahre) auch verschiedene Straßenaktionen und beteiligt sich an großen Demo-Bündnissen. Durch Netzaktivismus und Straßenaktionen bietet Campact interessierten Bürger*innen die Möglichkeit, sich punktuell und verhältnismäßig unverbindlich mit geringem Aufwand und wenigen Kosten für ihre Interessen einzusetzen und politische Entscheidungen mit zu beeinflussen.
Die Gründung von Campact 2004 wurde durch die Bewegungsstiftung gefördert, welche auch schon andere Organisationen wie LobbyControl oder den Verein Mehr Demokratie gefördert hat. Insbesondere bzgl. der Online-Grassroots-Elemente orientiert sich Campact stark an der Mutterorganisation MoveOn. Der Slogan der deutschen Organisation lautet: „Campact – Bewegt Politik“. Der Name Campact setzt sich aus den englischen Begriffen Campaigning und Action zusammen – Kampagne und Aktion. Die Organisation arbeitet insb. an Themen wie Agrarpolitik, Ausstieg aus der Atomenergie, faire Finanzpolitik, Bürgerrechte, Gleichberechtigung und internationale Gerechtigkeit.37 Auf Campacts Homepage gibt die Organisation an, sich für „progressive Politik“ einzusetzen. Im Detail heißt das: „Politik, die … unsere Umwelt schützt und Frieden schafft, … demokratische Teilhabe stärkt und gleiche Bildungschancen gewährleistet, … Bürgerrechte verteidigt und geflüchtete Menschen willkommen heißt, … für soziale Gerechtigkeit sorgt und für eine solidarische Steuerpolitik eintritt, … Diskriminierung abbaut und Gleichberechtigung herstellt.“38
Campact ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Verden/Aller. Der geschäftsführende Vorstand setzt sich aktuell (Stand August 2021) zusammen aus: Christoph Bautz, Dr. Astrid Deilmann, Daphne Heinsen und Dr. Felix Kolb.39 Diese vier Personen sind u. a. verantwortlich für Themenauswahl, Geschäftsführung und Außendarstellung des Vereins. Laut der aktuellen Satzung vom 24. April 202040 hat der Verein zwölf Mitglieder, welche sich aus verschiedenen Gruppen zusammensetzen: Vier Vertreter*innen aus der Gruppe der Campact-Förderer, vier Vertreter*innen aus der Gruppe der Campact-Mitarbeiter*innen und weitere vier Personen, die weder für Campact arbeiten, noch die Organisation fördern, aber mit ihr sympathisieren und externen Sachverstand einbringen. Diese zwölf Mitglieder kontrollieren und unterstützen die Arbeit des Vorstands, welcher wiederum selbst nicht in der Gruppe der Mitglieder sein darf. Die Mitgliederversammlung hat außerdem folgende Aufgaben: „Wahl und Entlastung des Vereinsvorstands, Beschluss von Änderungen der Vereinssatzung, Entscheidung über Ausschlüsse aus dem Verein, Wahl der Mitglieder des Haushaltsausschusses, Genehmigung der Jahresabschlussrechnung und des Haushalts, Diskussion der strategischen Ausrichtung von Campact.“41
Auf der einmal jährlich stattfindenden Ideenwerkstatt, auf welcher zahlreiche Förderer des Vereins zusammenkommen, werden die vier Vertreter*innen von dieser Seite gewählt, es wird rückblickend die Arbeit von Campact betrachtet und es werden zukünftige Themen und Kampagnen diskutiert. Die mehr als 83.000 regelmäßigen Förderer von Campact erhalten von der Organisation viermal jährlich eine Förder-Info mit Infos zu Kampagnen und Hintergrundberichten. Aktuell (Stand Januar 2021) erreicht Campact nach eigenen Angaben mit dem Newsletter 2.333.010 Menschen, welche von der Organisation selbst auf ihrer Homepage als „Bürgerbewegung“ bezeichnet werden, der man sich u. a. über das Abonnement des Newsletters anschließen kann. Über den Newsletter informiert die Organisation Interessierte über laufende Online-Petitionen und andere Aktivitäten. Unterstützer*innen können sich darüber hinaus auch bei Straßenaktionen offline einbringen, bspw. bei Unterschriften-Übergaben vor dem Bundestag in Berlin oder Kundgebungen und Demobündnissen. Auf der Homepage des Vereins beschreibt dieser das Engagement seiner „Bürgerbewegung“ folgendermaßen: „Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, wenden wir uns mit Online-Appellen direkt an die Verantwortlichen in Parlamenten, Regierungen und Konzernen. Wir schmieden Bündnisse, debattieren mit Politiker*innen und tragen unseren Protest auf die Straße: mit großen Demonstrationen und lokalen Aktionen. So treiben unsere Kampagnen sozialen, ökologischen und demokratischen Fortschritt voran – für eine Welt, in der alle Menschen in Frieden leben und ihre Freiheit gleichermaßen verwirklichen können.“42 Vor dem Start einer neuen Kampagne befragt Campact mindestens 5.000 zufällig ausgewählte Newsletter-Empfänger*innen über eine Online-Umfrage. Nur wenn hierbei ausreichend positives Feedback zurückkommt, wird die entsprechende Kampagne gestartet. Laut Organisation werden alle Campact-Unterstützer*innen zusätzlich regelmäßig per E-Mail nach ihren Einschätzungen zu gegenwärtigen politischen Entwicklungen befragt.43
Campact finanziert sich ausschließlich über Spenden. Dabei werden Unternehmenspartnerschaften und öffentliche Fördermittel ausgeschlossen, der Verein betont in seinem Transparenzbericht die „partizipative Schwarmfinanzierung“ (Transparenzbericht 2019: 53) und die daraus resultierende Unabhängigkeit. Im Jahr 2019 konnten Einnahmen in Höhe von 12,6 Millionen Euro generiert werden, davon 61 Prozent (7,68 Millionen Euro) aus regelmäßigen Förderbeiträgen, 27,3 Prozent aus zweckgebundenen Kampagnen- und Projektspenden (3,43 Millionen Euro), 10 Prozent aus freien Spenden (1,26 Millionen Euro) und 1,7 Prozent aus sonstigen Einnahmen wie z. B. Erbschaften (0,22 Millionen Euro) (vgl. Transparenzbericht 2019: 50 f.). Ende 2019 förderten 79.127 Unterstützer*innen die Organisation finanziell mit regelmäßigen Geldbeträgen, im Durchschnitt 8,96 Euro pro Monat. 94 Prozent aller Spenden stammen von Unterstützer*innen, die insgesamt nicht mehr als 200 Euro im Jahr an Campact überwiesen haben. Kleinspenden machen somit den Großteil von Campacts Finanzierung aus. Im Oktober 2019 wurde Campact vom Bundesfinanzhof die Gemeinnützigkeit aberkannt. Begründet wurde dies u. a. damit, dass nicht Informationen über politische Prozesse im Vordergrund stünden, sondern die Beeinflussung politischer Prozesse selbst.44 Wie sich diese Entscheidung langfristig auf die Spendenbereitschaft der Campact-Unterstützer*innen auswirkt, ist derzeit (Stand Januar 2021, Transparenzbericht für 2020 steht noch aus) noch offen. Ein Vergleich der Transparenzberichte von 2018 und 2019 zeigt jedoch eine erhöhte Spendenbereitschaft für die Organisation.45
Neben der Webseite mit ihren Online-Petitionen, Newslettern und Straßenaktionen, erreicht die Organisation Menschen auch über Social-Media-Kanäle. Campact betreibt Accounts auf Twitter, Facebook, YouTube und Flickr. Zusätzlich zur Webseite besitzt Campact noch einen Blog und ist auch auf Instagram vertreten.46
Seit Ende 2014 betreibt Campact zusätzlich die Online-Petitions-Plattform WeAct47, auf der Interessierte ähnlich wie bei Change.org eigene Online-Petitionen starten können. Campact ruft dazu auf, Veränderung selbst zu bewirken: „Starten Sie Ihre Petition. Bewegen Sie Politik – mit einer Online-Petition auf WeAct. Starten Sie Ihre eigene Kampagne in wenigen Minuten. WeAct ist die Petitionsplattform von Campact. […] Auf WeAct haben Sie selbst die Chance, Veränderung anzustoßen – mit Ihrer eigenen Petition.“48 Online-Petitionen, die auf große Zustimmung stoßen, werden daraufhin von Campact-Mitarbeiter*innen zusätzlich unterstützt. Alle Interessierten erhalten auf der Webseite eine Anleitung und Tipps zum Erstellen einer eigenen Online-Petition. Die Petitionen sind auf WeAct nach 17 Kategorien sortiert (z. B. Landwirtschaft, Gender, Rechtspopulismus oder Umwelt- und Tierschutz) und können auch über eine Suchfunktion gefunden werden. Die Nutzungsbedingungen von WeAct legen fest, dass sich Ersteller*innen einer eigenen Online-Petition an die Grundsätze von Campact halten müssen: „Zulässig sind Anliegen zu politischen und gesellschaftlichen Themen, soweit sie sich im Rahmen der Campact-Grundpositionen für eine sozial gerechte, ökologisch nachhaltige und friedliche Gesellschaft bewegen, insb. für einen ökologischen Umbau der Gesellschaft, demokratische Teilhabe und Bürgerrechte, Sozialstaatlichkeit, Steuergerechtigkeit, Gleichberechtigung, internationale Gerechtigkeit sowie friedliche Konfliktlösung.“49 Jede Privatperson und auch Organisation kann auf WeAct eine Petition erstellen, Träger*innen politischer Ämter dürfen es in dieser Funktion nicht.
Laut Voss (2013: 216) kann Campact als „Verstärker, der im richtigen Moment Menschen mobilisiert“, verstanden werden. Dementsprechend müssen Kampagnen-Themen einige Kriterien erfüllen: Sie müssen bereits ausreichend öffentliche Aufmerksamkeit haben, Aufhänger wie direkt anstehende Entscheidungen und Abstimmungen sind von Vorteil, das Thema darf nicht zu komplex (formuliert) sein und sollte klare Forderungen enthalten und das Thema muss eine gewisse Anschlussfähigkeit haben, da Campact nicht mit radikalen Forderungen arbeitet, sondern diese eine Chance auf Umsetzung haben sollten, um den politischen Entscheidungsprozess zu eigenen Gunsten beeinflussen zu können. Die Unterstützer*innen der Organisation sollen nicht frustriert werden, sondern die Erfolge ihres Engagements sehen können. Die Unterstützung für potentielle Kampagnen-Themen wird entsprechend durch eine Online-Umfrage unter 5.000 zufällig ausgewählten Newsletter-Empfänger*innen vorab getestet, um das durchschnittliche Erfolgspotenzial einer möglichen Kampagne abschätzen zu können.
Online-Petitionen sind das Herzstück von Campacts Arbeit, doch der Verein organisiert auch vermehrt Straßenaktionen und andere Events. So beteiligte er sich z. B. 2010 am Aufruf zur Bildung einer Menschenkette gegen Atomkraft, unterstützte die Demos von Stuttgart21 und mobilisiert häufig für kleinere Aktionen wie bspw. gegen Genmais, Fracking oder TTIP. Und auch die in den Online-Petitionen gesammelten Unterschriften werden im Anschluss medienwirksam in einer Straßen-Aktion übergeben, häufig vor dem Bundestag in Berlin und meist an den/die verantwortliche/n Politiker*in. Dabei werden Bilder von der Straßenaktion gekonnt und häufig auch sehr kreativ inszeniert, in der Hoffnung, dass die Bilder ihren Weg in die Massenmedien finden und auch bei der Verbreitung über die eigenen Online-Kanälen auf viel Zuspruch stoßen. Laut einer Analyse von Voss (ebd.: 218) erreichen Campacts Online-Aktionen nur begrenzte Aufmerksamkeit in den traditionellen Massenmedien. Die Aktionen außerhalb des Netzes – und insb. auch die Aktionen in Kooperation mit anderen Organisationen, wie z. B. große Demo-Bündnisse wie die „Wir-haben-es-satt!“-Demo in Berlin – erreichen hingegen eine höhere Aufmerksamkeit. Meist befinden sich rund zehn Kampagnen gleichzeitig auf der Homepage von Campact. Eine sogenannte 5-Minuten-Info bringt Leser*innen auf den Wissensstand, der laut Campact benötigt wird, um darüber zu entscheiden, ob diese oder jene Kampagne unterstützenswert ist oder nicht. Außerdem kann der Aufruf der Online-Petition über Facebook und Twitter geteilt oder per E-Mail weitergeleitet werden. Es können zusätzliche Informationen eingeholt und der Aufruf unterzeichnet werden. Abhängig von der Kampagne können teilweise auch Banner oder Studien heruntergeladen und Videos angeschaut werden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, zweckgebunden für die entsprechende Kampagne zu spenden. Chronologisch gelistet werden einzelne Schritte und Erfolge der Kampagne dargestellt. Häufig werden auch Kampagnen-Partner*innen von Campact erwähnt bzw. es wird auf deren Seiten verwiesen. Da Campact keine Fachorganisation ist, sondern eine sogenannte ‚Multi-issue‘-Organisation, arbeitet sie häufig mit Partnerorganisationen zusammen, so z. B. mit dem BUND, der Deutschen Umwelthilfe, Oxfam, Attac, LobbyControl und Mehr Demokratie.
Change.org
Change.org ist eine internationale digitale Petitions-Plattform, die ausschließlich für individualisierte Partizipation in Form von durch Bürger*innen erstellte Online-Petitionen steht. Das im Jahr 2007 von den zwei Standford-Studenten Ben Rattray und Mark Dimas gegründete Sozialunternehmen operiert seit 2010 als Online-Petitions-Plattform und hat seinen Hauptsitz in San Francisco in den USA. Als weltweit größte Plattform im Netz verfügt Change.org nach eigenen Angaben im Jahres- und Wirkungsbericht 2019 inzwischen über mehr als 349 Millionen registrierte Nutzer*innen (vgl. Jahres- und Wirkungsbericht 2019: 27). Die deutschsprachige Plattform wird derzeit von 22 Mitarbeiter*innen betreut und verfügte zum Jahresende 2019 über 6.227.896 registrierte Nutzer*innen (vgl. ebd.: 5). Im Jahr 2019 wurden insgesamt 9.508 Petitionen in Deutschland auf Change.org registriert (vgl. ebd.).
Change.org e. V. (im Folgenden Change.org) ist ein unabhängiger Verein mit Sitz in Berlin. Er ist Lizenznehmer von dem am Gemeinwohl ausgerichteten Sozialunternehmen Change.org PBC (Public Benefit Corporation). Change.org nutzt die technische Plattform und globale Infrastruktur von Change.org PBC, ist nach eigenen Angaben darüber hinaus aber in keiner Weise mit Change.org PBC rechtlich verbunden. Deutschland-Chef und Vorstandsmitglied des Vereins ist seit 2014 Gregor Hackmack. Der Verein finanziert sich mittlerweile ausschließlich aus Spenden- und Förderbeiträgen. Bis 2016 waren bei Change.org jedoch auch sogenannte gesponserte Kampagnen möglich. Die Plattform generierte über Spenden hinaus zusätzliche Einnahmen, indem Organisationen wie Amnesty International, Oxfam, WWF oder Unicef für gesponserte Kampagnen bezahlten. Diese NGOs erhielten im Gegenzug Kontaktdaten von Nutzer*innen, die die entsprechende Petition unterstützt hatten, aber nur sofern sie zuvor zugestimmt hatten. Diese Kampagnenpraxis ist in den USA durchaus üblich, stieß in Deutschland allerdings auf Kritik von Datenschützer*innen. Mit der Vereinsgründung 2016 gab Change.org das kritisierte Bezahlmodell in Deutschland auf und bietet nun keine gesponserten Kampagnen mehr an. Bis zum Ende des Kalenderjahrs 2019 wurden 368.691 Euro aus Einzelspenden und 1.324.068 Euro aus regelmäßigen Förderbeiträgen (78 Prozent der Einnahmen) generiert (vgl. Jahres- und Wirkungsbericht 2019: 35 f.). Mindestens sieben Personen oder Unternehmen haben laut des Berichts 1.000 Euro oder mehr gespendet, was insgesamt 2,5 Prozent der Jahresgesamteinnahmen ausmacht. Damit unterscheidet sich Change.org von Campact insofern, als dass der Verein Unternehmensspenden annimmt. Dadurch, dass keine Online-Petitionen von der Organisation selbst erstellt werden, gibt es bei Change.org jedoch nicht die Möglichkeit einer zweckgebundenen Spende.
Auf Change.org kann jede dort registrierte Person eine eigene Online-Petition starten. Weder Thema, Ziel noch Adressat oder Zielgruppe sind hierbei vorgegeben. Nutzer*innen müssen sich jedoch an die Community-Richtlinien50 und Nutzungsbedingungen51 halten, womit zu Gewalt aufrufende oder rechtswidrige Inhalte, sowie Hassreden und Privatsphären-Verletzungen verboten sind. Im Gegensatz zu Campact erfolgt bei Change.org keine dauerhafte Bindung über ein bestimmtes politisches Milieu. Entsprechend offen formuliert die Organisation folglich auch ihr Selbstverständnis: „Wir ermöglichen Menschen, die Welt im positiven Sinne zu verändern. Derzeit nutzen mehr als 7 Millionen Menschen in Deutschland die Plattform und verändern so Kampagne für Kampagne ihr Umfeld – lokal, national und global.“52 Dabei geht es Change.org laut eigenen Angaben auf ihrer Webseite insb. um die Vernetzung untereinander und darum, dass Menschen Vertrauen in ihr eigenes Handeln zurückgewinnen: „In Zeiten der digitalen Vernetzung kann ein einzelner Mensch ganze soziale Bewegungen auslösen. Wir glauben, dass Menschen durch gemeinsames Handeln beginnen, ihren eigenen Möglichkeiten wieder stärker zu vertrauen und die Gesellschaft voranzubringen.“53
In der Praxis sind die Online-Petitionen auf Change.org unterschiedlich gut sichtbar und erfolgreich. Beim Erstellen einer neuen Petition unterstützt die Webseite mit Tipps zur Rahmung des Textes und macht Vorgaben für die Ausgestaltung der Petition. Unter dem Stichwort „Kampagnentraining“54 geben die Mitarbeiter*innen Hilfestellungen zur Erstellung der Petition mit einer möglichst persönlichen Geschichte und einem Bild oder Video. Zudem geben sie konkrete Tipps zur Verbreitung der Online-Petition auf Social-Media-Kanälen und zum Umgang mit Massenmedien und raten dazu, die Entscheidungsträger*innen zu kontaktieren und eine Unterschriftenübergabe zu inszenieren. Danach sind die Petent*innen erst mal auf sich selbst gestellt und müssen ihre Online-Petition selbst voranbringen und sichtbar machen. Mitarbeiter*innen von Change.org filtern dann erfolgreiche bzw. erfolgsversprechende Kampagnen heraus, meist solche mit besonders ‚guten‘ Geschichten, d. h. mit einer klaren Ungerechtigkeit und umsetzbaren Lösungsvorschlägen, und bewerben diese Petitionen testweise per E-Mail-Newsletter. Ergibt sich daraus eine wachsende Unterstützung für die Kampagne, wird die entsprechende Online-Petition auch darüber hinaus gefördert, z. B. durch Interviews mit Petent*innen, die dann auf der Webseite und auf Social Media veröffentlicht werden oder durch Unterstützung und Beratung bei der Pressearbeit (vgl. Sonja Schuhmacher mit ihrer „Anti-Fracking-Kampagne“). Für alle Online-Petitionen, unabhängig von der eventuellen Unterstützung durch Change.org, sind die persönlichen und privaten Netzwerke, insb. auf Social Media, ausschlaggebend. Nur, wenn die Petent*innen ihre Online-Petition entsprechend in den eigenen Netzwerken bewerben, besonders per E-Mail oder auf Facebook, hat die Petition die Chance auf eine hohe Unterstützung.
Ähnlich wie Campact betreibt auch Change.org Social-Media-Kanäle auf Facebook, Twitter, YouTube und Instagram und berichtet dort über aktuelle Petitionen, Erfolge einzelner Aktionen und petitionsrelevante politische Entwicklungen.55 Auf Facebook verzeichnet Change.org über 1,7 Millionen Gefällt-mir-Angaben (Likes) und auf Twitter folgen 34.225 Nutzer*innen der Organisation. Die Videos auf YouTube haben hingegen nur eine geringe Anzahl an Aufrufen und auf Instagram haben nur gut 11.000 Menschen den Account von Change.org abonniert.
BUND
Am 20.07.1975 gründeten 21 Männer und eine Frau, darunter auch der langjährige Vorsitzende Hubert Weiger, in Marktheidenfeld den Bund für Natur- und Umweltschutz Deutschland. Im Jahr 1977 erfolgte die Umbenennung in BUND: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Unter Anderem engagiert sich der BUND für eine ökologischere Landwirtschaft und gesunde Lebensmittel, für den Ausbau regenerativer Energien und den Klimaschutz, sowie für den Schutz bedrohter Arten, des Wassers und des Waldes. Laut eigenen Angaben setzt er sich „ein für den Schutz unserer Natur und Umwelt – damit die Erde für alle, die auf ihr leben, bewohnbar bleibt“56 und ist einer der größten Umweltschutz-Verbände in Deutschland. Der BUND sieht sich als „die treibende gesellschaftliche Kraft für eine nachhaltige Entwicklung in Deutschland. Unsere Vision ist ein zukunftsfähiges Land in einer zukunftsfähigen und friedfertigen Welt.“57
Nach der Gründung erhielt der BUND in den 1980er Jahren immer mehr Einfluss. Der Widerstand gegen die Atomkraft und Warnungen vor einem Waldsterben waren in der Arbeit des BUND schon früh zwei zentrale Aspekte. Im Jahr 1983 wurde Hubert Weinzierl zum Vorsitzenden des BUND gewählt und am 17.11.1984 wurde die BUNDjugend (unabhängiger Jugendverband Jugend im Bund für Umwelt und Naturschutz e. V.) gegründet. Schon damals hatte der BUND über 100.000 Mitglieder. Fünf Jahre später, 1989, wurde der Verband Mitglied von ‚Friends of the Earth International‘, dem weltweit größten Zusammenschluss im Umweltschutzbereich von 73 verschiedenen Mitgliedsorganisationen und über 5.000 lokalen Aktivistengruppen, über den ganzen Kontinent verteilt.58 Nach der Wiedervereinigung wurden 1990 in Ostdeutschland fünf neue Landesverbände gegründet. Fünf Jahre später veröffentlichte der BUND zusammen mit Misereor eine Studie mit dem Titel „Zukunftsfähiges Deutschland“, welche eine lebhafte Diskussion rund um das Thema Nachhaltigkeit auslöste. Bis heute orientiert sich die Arbeit des Verbandes an dieser Studie. Von 2007 bis 2019 war Hubert Weiger Vorsitzender des BUND, im November 2019 wurde er von Olaf Bandt abgelöst.
Der BUND ist föderativ organisiert und hat pro Bundesland jeweils einen BUND-Landesverband. In rund 2.300 Kreis- und Ortsgruppen, die über ganz Deutschland verteilt sind, organisieren sich die Mitglieder des Verbandes. Insgesamt hat der BUND aktuell über 650.000 Mitglieder und Fördernde und finanziert sich vor allem aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, um eine unabhängige Arbeit leisten zu können.59 Der Wissenschaftliche Beirat des BUND ist die „fachliche Seele“60 des Vereins. Mehr als 1.000 Fachleute arbeiten in 20 Bundesarbeitskreisen an den umweltpolitischen Positionen des BUND. Die durch die Bundesdelegiertenversammlung demokratisch gewählten Sprecher*innen dieser 20 Arbeitskreise, der Vorsitzende und eine Vertreterin der BUNDjugend bilden den Wissenschaftlichen Beirat des Vereins. Hier werden aktuelle Themen diskutiert, der Vorstand und die Geschäftsführung werden beraten und nach Bedarf dient der Beirat auch als Schlichtungsstelle in Fachfragen. Zudem werden regelmäßig Artikel in der ‚politischen ökologie‘ veröffentlicht, einer Zeitschrift, mit welcher der BUND kooperiert. Der Bundesvorstand des BUND hat wiederum bis zu zehn Mitglieder: Bis zu sieben Personen, die von der Delegiertenversammlung des BUND für drei Jahre gewählt werden, und drei Personen, die jeweils aufgrund ihrer Funktion (Vorsitz des Wissenschaftlichen Beirats, Vorsitz des Verbandsrats und Vertreter*in für die BUNDjugend) dem Vorstand angehören.61
Informiert man sich auf der Homepage des BUND über Mitmachmöglichkeiten im Verband, so schlägt dieser u. a. folgende Formen vor: Die europäische Bürgerinitiative zur Rettung von Bienen, Bauern und Bäuerinnen unterstützen, mit der ToxFox-Produktcheck-App Schadstoffe aufdecken, eine Aktion zum Plastik-fasten unterstützen, Mitglied werden, spenden, eine BUND-Gruppe in der Nähe finden, den Bundesfreiwilligendienst beim BUND absolvieren, in der Projektdatenbank ANNA lokale Umweltschutzprojekte finden und deren Termine einsehen, die BUND-Akademie besuchen oder den Newsletter bestellen.62 Die im oberen Bereich der Webseite durchlaufenden/durchklickbaren Aktionen beinhalten nicht nur Online-Aktionen oder nur die Möglichkeit, Mitglied beim BUND zu werden, sondern leiten zu vielfältigen Formen des Engagements weiter. Mitglied werden bedeutet wiederum Förderer des BUND und durch eine finanzielle Spende Unterstützer*in der Arbeit des Verbands zu werden. Der Hinweis auf die lokalen BUND-Gruppen zeigt, dass für den BUND insb. das praktische Arbeiten vor Ort eine wichtige Rolle spielt. Das zeigt sich auch in den vielen Hinweisen, unter nahezu allen Rubriken, wie man im Alltag durch Veränderungen des eigenen Handelns die Arbeit des BUND unterstützen kann: Anleitungen zum Anlegen eines Bienenparadieses, einer Vogelnisthilfe, einer Schmetterlings-Oase oder die Übernahme einer Wildkatzen-Partnerschaft.63
Der BUND betont insb. auch das ehrenamtliche Engagement seiner Aktiven in den BUND-Gruppen und Projekten vor Ort: „Der BUND ist deutschlandweit in mehr als 2.000 Gruppen organisiert. Mit Ihrem Engagement als Mitglied können Sie sich aktiv in die Projekte Ihrer Regionalgruppe einbringen. Helfen Sie aktiv bei sich vor Ort mit, Umwelt und Natur zu schützen.“64 Es wird der sinnvolle Einsatz für Projekte, bei denen man anpacken und gestalten kann, beworben. Spaß und neue Leute dabei kennenzulernen, sind laut BUND Vorteile von diesem Engagement.
Wie andere große NGOs wie Greenpeace oder Amnesty International, aber gegensätzlich zu Kampagnen-Organisationen wie Campact, hat auch der BUND eine explizite Jugendorganisation, die BUNDjugend. Hier ist automatisch Mitglied, wer sich im BUND angemeldet hat und noch unter 27 Jahren alt ist. Die BUNDjugend ist eigenverantwortlich und selbstständig tätig, orientiert sich aber bei den Zielen am BUND: „Wir engagieren uns für Umweltschutz und globale Gerechtigkeit. Wir wollen eine Zukunft, in der wir lebenswerte Städte und die Vielfalt der Natur erleben können. Eine Zukunft in einer weltoffenen Gesellschaft, die alles daransetzt, die Klimakrise aufzuhalten. Eine Zukunft mit fairem Welthandel, 100 % erneuerbaren Energien, sauberem Wasser, Artenvielfalt und glücklichen Tieren.“65 Die BUNDjugend teilt sich auf zwei große Organe auf, die Bundesdelegiertenversammlung und den Bundesvorstand. Außerdem strukturiert sie sich in verschiedene Arbeitskreise und ist, ähnlich wie der BUND, Teil der Young Friends of the Earth.66 Neben der Mitarbeit in einem Landesverband bewirbt die BUNDjugend auch die aktive Teilnahme in einzelnen Projekten und Kampagnen wie bspw. dem globalen Schulstreik für Klimaschutz, sie bietet ein Toolkit für Aktionen an, lädt in Arbeitskreise und Themen-Teams ein und ruft zum Ausprobieren eines sogenannten Klimaexperiments auf.67 Ähnlich wie beim BUND werden auch hier praktische und alltägliche Aktionen vorgestellt, die Einzelne im Alltag ausprobieren können: Sich einen Monat vegan ernähren, Energie sparen, mit dem Rad fahren oder ein Jahr lang keine neue Kleidung zu kaufen.
Der BUND und BUNDjugend bespielen aktiv jeweils ihre eigenen Kanäle auf Facebook (BUND 137.512 und BUNDjugend 7.311 Likes) und Twitter (148.882 und 14.530 Follower). Die beiden YouTube-Kanäle erreichen hingegen deutlich weniger Unterstützer*innen und halten nur wenig Material zur Verfügung. Gleiches gilt für Flickr, wo dem BUND Bundesverband bspw. nur 63 Personen folgen (Stand August 2021).68 Auf Instagram verzeichnet der BUND Bundesverband mehr als 23.000 Abonnent*innen und die BUNDjugend knapp 7.500.
Ein Artikel aus dem BUNDmagazin (Thielcke 2005: 26) reflektiert die Position des BUND gegenüber Kampagnen bzw. betont deren Wichtigkeit für die eigene Arbeit: „Große Kampagnen für den Naturschutz halfen dem BUND schon früh, Verbündete und Spenden zu gewinnen“ heißt es in der Unterüberschrift. In einem Abriss der vergangenen Jahrzehnte wird die besondere Rolle von Werbefachmann Rudolf Schreiben für den BUND deutlich. Mit den Kampagnen „Rettet die Vögel“ (1977) und „Rettet die Frösche“ (1983/84) verhilft er dem BUND mehrfach zu großem Erfolg. Erfolge sind für den BUND an dieser Stelle das Anwerben von Mitgliedern, das Eintreiben von Spendengeldern und insb. auch das Auftreten in den klassischen Massenmedien: „>>Rettet die Frösche<< wurde ebenfalls zu einem großen Erfolg: Bei einer vorläufigen Bilanz im Sommer 1984 konnte der Kampagnenleiter Jürgen Resch stolz vermelden: Mehr als 1000 Artikel hatten in Zeitungen und Magazinen auf die BUND-Kampagne hingewiesen. […] Und – vielleicht der größte Erfolg der Aktion: Das öffentliche Ansehen der Amphibien war deutlich gestiegen.“ (Thielcke 2005: 27) Im Jahr 2019 nutzt die Organisation vielfältige Wege, um ihre Kampagnen zu positionieren und Aufmerksamkeit für ihre umweltpolitischen Anliegen zu erhalten. Von Online-Petitionen bis zur lokalen Ortsgruppe bietet der BUND eine große Bandbreite an Mitmachmöglichkeiten.
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Footnotes
1
In dieser Arbeit wird die Anti-Atomkraft-Bewegung (auch Anti-Atom-Bewegung) als Teil der Umweltschutz-Bewegung verstanden.
 
2
„Silent Spring“ (Carson 1962) befasste sich mit der chemischen Verseuchung von Böden und Gewässern und hielt sich in den USA 31 Wochen auf Platz 1 der Bestsellerliste der New York Times (vgl. Kern 2008: 104).
 
3
Die Benennung der Phasen erfolgte in Anlehnung an Brand (2008: 224 ff.).
 
4
Zu Wackersdorf und der Protestbewegung gegen Wiederaufarbeitungsanlagen siehe auch Kretschmer/Rucht (1987: 134 ff.).
 
5
Auf die Entwicklung der Umweltschutz-Bewegung nach 2006 und insb. auf ihre gegenwärtige Situation 2021 wird am Ende dieses Kapitels eingegangen.
 
6
Zur Einbettung der Umweltschutz-Bewegung in die Neue Soziale Bewegung siehe auch Brand in Brand/Eder/Poferl (1997: 186 ff.) und Roth in Brand (1985: 20 ff.).
 
7
Z. B. die Organisation IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War; Name der deutschen Sektion IPPNW Deutschland – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.).
 
8
Zur Institutionalisierung der Umweltschutz-Bewegung inklusive empirischer Befunde, siehe auch Rucht/Roose (2001: 173 ff.) und Rucht (1987: 238 ff.).
 
11
Der DNR hat knapp 100 Mitglieder. Eine vollständige Liste aller Mitglieder ist online einsehbar unter: https://​www.​dnr.​de/​der-dnr/​mitglieder/​
 
12
Der Aufschwung des Umweltthemas brachte auch innerorganisatorische Konflikte mit sich. Diese zeigten sich vor allem in der größten Dachorganisation, dem Deutschen Naturschutzring (DNR), in welchem Konflikte zwischen modernem Umweltschutz und unpolitischem Naturschutz aufbrachen. Daraus resultierte u. a. die Gründung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Zum Konflikt DNR-BUND siehe auch Rucht (1987: 245 ff.).
 
13
Mehr zum BUND in Abschnitt 4.2
 
18
Vgl. Chronologie zur Besetzung und Räumung des Hambacher Forsts 2012–2018 beim WDR: https://​www1.​wdr.​de/​nachrichten/​landespolitik/​hambacher-forst-raeumung-chronologie-100.​html.
 
32
In ihrer Umweltbewusstseinsstudie stellt das Umwelt Bundesamt fest, dass im Jahr 2019 68 % der Befragten Umwelt- und Klimaschutz als sehr wichtige Herausforderung einstufen und damit ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr erfolgte. Siehe: https://​www.​umweltbundesamt.​de/​daten/​private-haushalte-konsum/​umweltbewusstsei​n-umweltverhalten#das-umweltbewusstsei​n-in-deutschland.
 
33
Von den Organisationen MoveOn, Campact, Change.org und BUND gibt es leider keinerlei eigene Erhebungen oder Veröffentlichungen zur Mitgliederstruktur und Sozialprofilen der Unterstützenden. Entsprechend basieren die hier genannten Angaben ausschließlich auf Informationen, die über die entsprechenden Webseiten oder Jahres- und Transparenzberichte zugänglich sind.
 
39
Christoph Bautz und Felix Kolb haben Campact 2004 gemeinsam mit Dr. Günter Metzges gegründet. Metzges stieg 2016 bei Campact aus und arbeitet derzeit als Strategie- und Führungscoach, siehe dazu: https://​metzges-diez.​de/​
 
45
„Im Vergleich zum Vorjahr konnte Campact die Erträge erheblich steigern und viele wichtige Kampagnen anstoßen – trotz des Verlusts der Gemeinnützigkeit. Die Förderbeiträge stiegen um 1,18 Millionen Euro, die freien Spenden um 307.500 Euro und die zweckgebundenen Spenden um 905.000 Euro.“ (Transparenzbericht 2019: 50).
 
Metadata
Title
Forschungsgegenstand und historische Einordnung
Author
Lisa Villioth
Copyright Year
2023
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-40532-8_4