Die Geschichte der Zivilisation ist auch die Geschichte von Papier, die auf Papier festgehalten wurde. Die Papierherstellung hat eine lange Tradition.
Nach der Erfindung vor etwa 2000 Jahren diente Papier über viele Jahrhunderte ausschließlich zum Beschreiben und Bedrucken sowie als Kommunikationsmittel zur Verbreitung von Wissen und Nachrichten. Auch heute noch wird in Deutschland die Hälfte des verbrauchten Papiers als grafisches Papier für Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Werbung und Bürobedarf eingesetzt. Seit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert hat sich der Anwendungsbereich beträchtlich vergrößert. Papierne Flächengebilde für Verpackungszwecke haben einen Anteil am Verbrauch von etwa 40 %. Steigender Wohlstand und zunehmendes Hygienebewusstsein haben die Bedeutung des Hygienepapiers wachsen lassen, das heute mit 6 % am deutschen Verbrauch beteiligt ist. Über 6 % des Verbrauchs beziehen sich auf Spezialpapiere. Der Zivilisationsgrad einer Kultur lässt sich auch am Papierverbrauch messen [1.1].
Zur einheitlichen Nutzung sind auf der Grundlage von DIN 6730 [2.1], DIN 6735 [2.2], DIN 19303 [2.3] und ISO 4046 [2.1] die wichtigsten Begriffe zusammengefasst.
Grundlage der Papiererzeugung sind die Papierfaserstoffe. Dabei wird zwischen Primär- und Sekundärfaserstoffen unterschieden. Primärfaserstoffe werden direkt aus pflanzlichen Rohstoffen gewonnen, und zwar vorwiegend aus Holz und Einjahrespflanzen. Industriell werden vor allem Durchforstungsholz und Sägewerksabfälle genutzt. Durch chemischen Aufschluss von Holz oder Einjahrespflanzen entsteht Zellstoff, durch mechanische Zerfaserung von Holz entsteht Holzstoff.
Für die Gewinnung von Primärfaserstoffen aus Holz, die in der Papierindustrie verwendet werden, kommen im deutschsprachigen Raum überwiegend Sägewerksrestholz (angeliefert in Form von Hackschnitzeln) und Material von Durchforstungen (als Rundholz) zum Einsatz. Damit wird ein wesentlicher Beitrag für die nachhaltige Bewirtschaftung und die Gesunderhaltung der Wälder geleistet. Die Aufgaben der Holzvorbereitung (Bild 4.1) sind:
■ die Annahme und Lagerung des Rundholzes und der Hackschnitzel,
■ das Entrinden und Hacken des Rundholzes sowie
■ die Lagerung der eigenproduzierten Hackschnitzel und der Rinde.
Die Holzstofferzeugung ist ein thermo-mechanischer Prozess. Auch chemische Prozesse können eine Rolle spielen. Die mechanische Zerfaserung von Holz erfolgt heute nach zwei Verfahren: dem Stein-Verfahren und dem Refiner-Verfahren (Bild 5.1)
Die Geschichte der Papier- und Zellstofferzeugung ist eng verbunden mit der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung. Meilensteine waren die Erfindung des Buchdruckes und der Papiermaschine. Die Papierher-stellung im Manufakturbetrieb („Schöpfen per Hand aus der Bütte“) auf der Basis von textilen Abfällen als Rohstoff konnte den enorm gestiegenen Bedarf nicht mehr befriedigen. Zwangsläufig wurde mit dem Holz eine neue Rohstoffquelle erschlossen. Durch mechanischen oder chemischen Aufschluss des Holzes konnten Faserstoffe für die Papiererzeugung produziert werden.
In Deutschland ist Altpapier der mengenmäßig bedeutendste Faserstoff. Gegenwärtig werden 15 Millionen Tonnen dieses Materials pro Jahr wieder zur Produktion von Papier, Karton und Pappe verwendet. Die in Deutschland tätigen Unternehmen der Papierindustrie leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Umwelt- und Ressourcenschonung. Da die Papierherstellung auf der Basis von Altpapier weniger Energie erfordert als der Einsatz von Primärfaserstoffen, wird auch die CO2-Bilanz positiv beeinflusst.
Die Herstellung von Papier beruht maßgeblich auf dem Einsatz von faserhaltigen Rohstoffen (Zellstoff, Holzstoff, Altpapier). Rund 89 % des gesamten Rohstoffbedarfs in der Papier- und Kartonherstellung werden hiermit abgedeckt (Bild 8.1). Etwa 8 % des Rohstoffbedarfs basiert auf mineralischen Rohstoffen, die in Form von Füllstoffen (Wet End) und Pigmenten zur Oberflächenveredelung (Coating) zum Einsatz kommen. Mit Blick auf die chemische Komplexität des Papierherstellungsprozesses scheint es zunächst überraschend, dass chemische Additive (alter Begriff: Hilfsmittel) nur etwa 3 % aller verwendeten Rohstoffe ausmachen. Annähernd die Hälfte hiervon ist Stärke, die auf Basis natürlicher und nachwachsender Rohstoffe, wie Mais, Kartoffeln, Weizen oder Tapioka, hergestellt wird.
Die Aufbereitung der Faserstoffe hat das Ziel, aus Halbstoffen, Abmischungen von Halbstoffen und ggf. faserfremden Material (Füllstoffe, chemische Additive) eine zur Blattbildung geeignete Suspension herzustellen.
Auf der Papiermaschine soll aus der in der Stoffaufbereitung erzeugten Stoffsuspension kontinuierlich eine Papierbahn mit einer bestimmten Qualität erzeugt werden. Diese soll sowohl über die Breite als auch in Längsrichtung gleichförmig sein.
Zum Erzielen der Gebrauchseigenschaften Glätte, Glanz und insbesondere der Bedruckbarkeit, aber auch der optischen Erscheinung und der technischen Funktionen, wie Dichte oder Transparenz, wird das Papier während des Herstellungsprozesses geglättet. Die erste Glättung erfährt die nasse Bahn in der Pressenpartie. Die Grundlagen der Glättbarkeit des Papiers und Kartons werden allerdings bereits bei der Blattbildung (Massenverteilung/Formation) gelegt. Die Struktur der Filze und der Walzen wird im Pressnip auf die mit ihnen in Kontakt kommende Bahnoberfläche geprägt. Eine weitere volumenschonende, einseitige Glättung erfahren Faltschachtelkarton und Spezialpapiere anschließend am Glättzylinder in der Trockenpartie.
Die Oberfläche von Papier und Karton ist rau und zerklüftet, wenn man sie bei entsprechender Vergrößerung betrachtet. In Bild 12.1 ist das Fasergefüge des ungestrichenen Papiers an der Oberfläche deutlich erkennbar. Für einen qualitativ hochwertigen Druck auf Papier, benötigt man aber eine Oberfläche, die glatt und eben ist, um scharfe Druckpunkte sowie ein brillantes Erscheinungsbild des Drucks zu gewährleisten. Die Druckfarbe entwickelt sich unterschiedlich, je nachdem, ob sie auf Fasern oder Füllstoffe trifft oder ob sie ein Tal in der Oberfläche ausfüllen muss.
Die Papierverarbeitungstechnik umfasst alle Prozessschritte, die notwendig sind, aus Papier, Pappe oder Karton fertige Produkte herzustellen. Wie der folgenden Übersicht entnommen werden kann, stellen die verschiedenen Branchen der Papier verarbeitenden Industrie auch Produkte her, die nicht nur aus Erzeugnissen der Papierindustrie, sondern die auch aus einer Kombination mit anderen Materialien bestehen können, namentlich Druckfarben, Lacken und Klebstoffen, aber auch Folien aus Kunststoff oder Metall, textile Materialien oder andere flächige Werkstoffe, wenn auch Papier, Pappe und Karton in aller Regel klare Dominanz haben (vgl. Bild 13.1). Trotzdem muss sich die Papierverarbeitungstechnik mit allen diesen Werkstoffen beschäftigen und ihre besonderen Eigenschaften allein oder in Kombination mit Papier bei der Prozessgestaltung berücksichtigen.
In der deutschen Zellstoff- und Papierindustrie wurden in Deutschland im Jahre 2010 rund 300 Millionen Kubikmeter Frischwasser als Brauch-wasser im Prozess eingesetzt. Der größte Anteil mit 77 % entstammt Oberflächengewässern, gefolgt von 22 % aus Brunnen und Quellen. Die Versorgung aus dem öffentlichen Netz spielt mit rund 1 % eine untergeordnete Rolle [14.1].
Entsprechend dem Grundsatz, dass der Nutzen eines Produktes über dessen Wert entscheidet, beurteilen Kunden des Papier- oder Kartonherstellers den Wert eines Produktes anhand der für ihren Prozess erforderlichen Qualitätsmerkmale und der Erfüllung der Anforderungen, die aus der weiteren Verarbeitungskette sowie den Vorstellungen des Endver-brauchers resultieren.
Die Papierindustrie gehört neben den Branchen Baustoffe, Chemie, Glas, Nichteisen-Metalle und Stahl zu den energieintensiven Industrien in Deutschland, obwohl der spezifische Energiebedarf in den letzten Jahrzehnten deutlich reduziert werden konnte (Bild 16.1). Mit im Jahr 2010 durchschnittlich 3139 kWh/t [16.1] liegt die deutsche Papierindust- rie dabei deutlich unter dem europäischen Mittelwert (3850 kWh/t [16.2]). Mit Veröffentlichung der „Roadmap to a low-carbon bio-economy“ hat sich die CEPI zum Ziel gesetzt die CO2-Emissionen in der „holzfaserbasierten Industrie“ bis 2050 um 80 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren [16.4] und damit den Weg zu einer weiteren Reduzierung des Energiebedarfs weiter voranzutreiben.