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25.03.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Feinstaub: die Gefahr aus der Luft

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

6:30 Min. Lesedauer

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Ohne Luft können wir nicht atmen. Doch ist sie verschmutzt, wird sie zur Gefahr für die Gesundheit. Mit Umweltzonen soll zum Beispiel die Luft in Städten verbessert werden. Doch der Erfolg ist gering.

Kürzlich schränkte die Stadt Paris den Autoverkehr wegen zu hoher Feinstaubbelastung in der französischen Hauptstadt ein. In Peking und weiten Teilen Nord- und Ostchinas gehören Feinstaub und Stickoxide seit vielen Jahren zum Alltag und nehmen den Bürgern den Atem.

Und die Folgen sind alarmierend: Etwa sieben Millionen Menschen jährlich sterben nach einer neuen Analyse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) infolge der weltweiten Luftverschmutzung. Das seien mehr als doppelt so viele wie bisher angenommen, berichtete die WHO heute in Genf zu den Daten aus 2012. Jeder achte Todesfall weltweit gehe demnach auf verschmutze Luft zurück. Damit sei Luftverschmutzung das größte auf Umweltfaktoren basierende Gesundheitsrisiko.

Auch in Deutschland beeinträchtigen Stickstoffdioxid und Feinstaub die Luftqualität und damit die Gesundheit der Menschen. Leider auch wieder im vergangenen Jahr. Das zeigen vorläufige Messdaten der Länder und des Umweltbundesamtes (UBA). Beim Stickstoffdioxid war die Belastung im Vergleich zu den Vorjahren nahezu unverändert hoch. Mehr als die Hälfte der städtisch verkehrsnahen Stationen überschritten den zulässigen Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm (μg) Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter (m3) Luft. Auch beim Feinstaub gab es anhaltende Grenzwertüberschreitungen. Verglichen mit den Vorjahren war 2013 allerdings eines der am geringsten belasteten Jahre.

Millionen Menschen sterben an den Folgen von Luftverschmutzung

Entwarnung ist aber nicht angezeigt, sagt Thomas Holzmann, Vizepräsident des UBA: "Der Feinstaub-Grenzwert wurde zwar nur an rund drei Prozent aller Messstationen überschritten. Das scheint gering, spiegelt aber die tatsächliche Gesundheitsbelastung der Bevölkerung durch Feinstaub nicht wider, gerade wenn man an die deutlich strengeren Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO denkt." Die WHO rät bei Feinstaub der Partikelgröße kleiner als zehn Mikrometer (PM10) schon lange zu einem weitaus strengeren Luftgüteleitwert von 20 μg/m3 im Jahresmittel, sagen die Experten des Umweltbundesamtes. Dieser wurde 2013 an fast 51 Prozent aller Messstationen in Deutschland überschritten.

Und gerade eine Verschärfung der geltenden EU-Grenzwerte auf Basis der wissenschaftlichen Empfehlungen der WHO wäre wichtig. Denn: Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes gibt es jährlich im Schnitt rund 47.000 vorzeitige Todesfälle allein in Deutschland infolge der zu hohen Feinstaubbelastung. Die Deutsche Umwelthilfe geht hier sogar von rund 70.000 Toten aus, europaweit von etwa 420.000. Auch kommt den Europäern die dreckige Luft teuer zu stehen. Die direkten Kosten der Luftverschmutzung für die Gesellschaft, einschließlich Schäden an Ackerkulturen und Gebäuden, belaufen sich auf etwa 23 Milliarden Euro pro Jahr, hat die EU-Kommission im vergangenen Jahr errechnet.

Kaum Feinstaubreduktion in Umweltzonen durch Fahrverbote für Fahrzeuge ohne Umweltplakette

Als eine Maßnahme, die Feinstaubbelastung zu reduzieren und die Luftqualität zu verbessern, gelten die Umweltzonen. Denn Fahrzeuge mit hohen Feinstaubemissionen dürfen die meist städtischen Zonen nicht befahren. Insgesamt sind in Deutschland 48 Umweltzonen aktiv. Doch helfen die Umweltzonen bei der Feinstaubreduktion? Eine Studie zur Wirksamkeit von Umweltzonen hat das jetzt genauer untersucht. Im Auftrag der Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) und mit Unterstützung der Landesmessbehörden hat das Institut für Epidemiologie und Risikobewertung in der Arbeitswelt (IERA) in 19 deutschen Städten in 6 Bundesländern die Feinstaubmesswerte der Kategorie PM10 analysiert. Dazu wurden vor und nach der Einführung von Umweltzonen an Messstationen innerhalb und außerhalb der Umweltzonen für die Jahre 2005 bis 2009 alle verfügbaren Luftmessdaten zusammengeführt und einer einheitlichen Auswertung unterzogen. Das Ergebnis sei eindeutig: Alle PM10-Analysewerte zeigen geringere Feinstaubreduktionen als vor Einführung von Umweltzonen prognostiziert.

Die Auswertungen für bundesweit mehr als 4,2 Millionen PM10-Messungen in 19 Städten zeigen dabei für die Stufe 1 (Verbot für Fahrzeuge ohne irgendeine Plakette) eine Feinstaubreduktion durch die Umweltzone von insgesamt ≤ 0.2 μg/m3 beziehungsweise ≤ 1 Prozent. Die Feinstaubreduktionen sind an verkehrsnahen Stationen in der Umweltzone mit ~1 μg/m3 (< 5 Prozent) nur geringfügig deutlicher ausgeprägt. In weiteren Untersuchungen soll nun überprüft werden, welche Auswirkungen die mittlerweile weitestgehend erfolgte Einführung der Stufe 3 (Einfahrt in eine Umweltzone nur für Fahrzeuge mit grüner Plakette) auf die PM10-Konzentrationen wie auch gegebenenfalls auf weitere Schadstoffe wie Ruß, PM2,5, Stickoxide etc. hat.

Emissionen des Verkehrs

Für "gesunde" Luft bleibt also noch viel zu tun. Und zwar in allen Sektoren: von der Holzheizung, über Kraftwerke bis hin zu Lkw, Baumaschinen, Bussen und Autos. Vor allem der Stadtverkehr belastet durch Feinstaub- und Stickstoffdioxidemissionen die lokale Luftqualität. Jedoch ermittelten Wissenschaftler des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), dass der Ausstoß von Schadstoffen wie Feinstaub und Stickoxide durch den Verkehr zurückgehe. "Der Grund ist eine relativ moderne, mit Partikelfiltern ausgestatte Fahrzeugflotte in Deutschland. Dadurch dominiert hierzulande der Anteil der CO2-Emissionen im Verkehr", beschreibt Dirk Heinrichs, Leiter des Forschungsprojekts Verkehrsentwicklung und Umwelt, das untersucht, wie Mobilität sichergestellt und gleichzeitig negative Folgen für Umwelt und Wirtschaft vermindert werden können. Neben dem Verkehrsaufkommen spiele für die Entwicklung zukünftiger Emissionen des Verkehrs auch der technologische Standard der Fahrzeuge, ihre Antriebskonzepte und Effizienz eine wichtige Rolle.

Ottomotoren mit Direkteinspritzung stoßen viele gefährliche Partikel aus

Zum Beispiel müssen mit der Einführung der Euro-6-Norm auch Ottomotoren mit Direkteinspritzung einen Grenzwert für die Partikelanzahl einhalten - zum Beispiel durch innermotorische Maßnahmen oder durch einen Partikelfilter. Allerdings sind Ottomotoren mit Direkteinspritzung gefährlicher für Umwelt und Gesundheit als bislang angenommen. Eine Untersuchung, die die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bei der Abgasprüfstelle der Fachhochschule Bern (AFHB) in Auftrag gegeben hat, zeigte, dass der Ausstoß gefährlicher Partikel im realen Straßenverkehr deutlich höher ist als im Testlabor. Daher fordert die DUH auch eine rasche und umfassende Markteinführung entsprechender Abgasreinigungstechnik wie es auch bei Dieselmotoren üblich ist.

Viele Stadtbusse verfügen über keine wirksame Abgasreinigung

Neben ungefilterten Baumaschinen tragen auch Busse zur Luftverschmutzung und damit zur gesundheitsgefährdenden Belastung mit Feinstaub und NO2 bei. Vor allem größere Städte und Ballungsräume sind davon betroffen. Laut einer bundesweiten Erhebung der DUH unter 82 deutschen Städten sind knapp 60 Prozent der eingesetzten Diesel-Linienbusse im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ohne geschlossenen Dieselpartikelfilter unterwegs. Noch schlimmer sieht es bei den Stickoxiden aus: Nur 14 Prozent der Busse wurden mit einem wirksamen Stickoxid-Minderungssystem gemeldet.

Abgasuntersuchung unzureichend

Auch sei die Abgasuntersuchung (AU) ist in ihrer aktuellen Form nicht geeignet, um Fehler in der Abgasreinigung verlässlich aufzudecken und unnötige und vermeidbare Luftverschmutzung zu verhindern, erklärt die DUH. Die Umweltschutzorganisation fordert deshalb, die Fahrzeuguntersuchung zusätzlich mit einer sogenannten Endrohrmessung durchzuführen, die einzelne Schadstoffe direkt aus dem Abgasstrang untersucht und Fehler in der Abgasreinigung transparenter macht. On-Board-Diagnosegeräte würden abgasrelevante Fehler nicht in ausreichendem Umfang erkennen.

Umfassendes Konzept zur Luftreinhaltung nötig

Die Gefahr bleibt also. Ein umfassendes Konzept zur Luftreinhaltung, das neben Autos, Bussen und Schienenfahrzeugen, Baumaschinen und Schiffen auch die Industrie, Landwirtschaft und Haushalte miteinbezieht ist nötig. Entscheidend sind dabei nicht die Emissionen, die im Labor gemessen werden, sondern die Emissionen, die unter realistischen Bedingungen zustande kommen.

Denn: Über 90 Prozent der Bevölkerung in Europas Städten sind Schadstoffkonzentrationen in der Atemluft ausgesetzt, die ihre Gesundheit schädigen. Das aktuelle "Paket zur Luftreinhaltung" ("Air Quality Package") der EU-Kommission, das im vergangenen Dezember vorgestellt wurde, schützt die Menschen in Europa jedoch nur unzureichend, kritisieren deutsche Umweltverbände. Zudem würden die wenig ambitionierten Grenzwerte für die Luftreinhaltung erst 2030 gelten. Heiko Balsmeyer, Verkehrsreferent beim ökologischen Verkehrsclub VCD, sagt dazu: "Die EU-Kommission rechnet selbst für das Jahr 2030 mit weiterhin rund 200.000 jährlichen Todesfällen durch Schadstoffe in der Atemluft. Das ist nicht hinnehmbar." Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, die eindeutig schärfere Grenzwerte für Schadstoffe empfiehlt.

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2012 | OriginalPaper | Buchkapitel

Abgasemission

Quelle:
Dieselmotor-Management

01.03.2014 | Entwicklung

Weniger CO2 mehr giftiges NO2

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