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12.11.2015 | Multikanal-Banking | Interview | Online-Artikel

"Geldhäuser haben den Kampf im webbasierten Zahlungsverkehr verloren"

verfasst von: Eva-Susanne Krah

4 Min. Lesedauer

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Wie können Banken am besten den digitalen Quantensprung im Finanzmarkt bewältigen? Dr. Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies, erklärt, wo die Branche in der digitalen Transformation steht.

Springer für Professionals: Herr Brühl, die Finanzmärkte unterliegen einem Digitalisierungsdruck und werden immer volatiler, wie Sie in Ihrem Buch feststellen. Wie können Kreditinstitute den digitalen Wandel in der eigenen Unternehmensorganisation vollziehen und gleichzeitig den Anpassungsdruck aus dem Markt, beispielsweise durch veränderte Kundenbedürfnisse und sinkende Erträge aufgrund der Niedrigzinsphase, bewältigen?

Volker Brühl: In der Tat befinden sich die Banken in einer besonderen Situation, da sie zum einen mit einem immer komplexer werdenden Geflecht von regulatorischen Vorgaben umgehen müssen und zum anderen sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen müssen. Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Geschäftsmodelle der Banken haben unterschiedliche Facetten. Denn die Banken stehen mit neuen Spielern wie den Fintechs, aber auch den Internet- und Telekommunikationskonzernen im Wettbewerb. Das bedeutet, dass sie einerseits eine Multikanalstrategie entwickeln müssen, die eine intelligente Verzahnung von Online- bzw. Mobile Banking mit dem stationären Vertrieb vorsieht. Zum anderen wächst der Druck auf die Kreditinstitute, ihre internen Prozesse massiv zu verschlanken, um in der neuen Welt eine wettbewerbsfähige Kostenposition zu erreichen.

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Was bedeutet aus Ihrer Sicht der massive Umschwung im Bankensektor für die künftige Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle von Kreditinstituten und wie sollten sie darauf reagieren?

Ich gehe davon aus, dass die Bank der Zukunft langfristig ganz anders aussehen wird als heute. Die Banken werden sich mehr denn je fragen müssen, welche Aktivitäten tatsächlich zu ihrem Kerngeschäft gehören und welche man besser auslagert. Denn durch die Digitalisierung der Wertschöpfungskette wird es leichter, in einem Netzwerk zu agieren anstatt vieles selbst zu machen. Ein solches „Unbundeling“ haben andere Industrien, wie die Autoindustrie, schon in Teilen hinter sich. Die Banken haben das zu einem großen Teil noch vor sich.

Ähnlich wie der Handel, dessen Digitalisierungswandel Sie im Buch beschreiben, suchen auch Banken nach guten Konzepten für ihre Multichannel-Strategien, beispielsweise beim Mobile- und Onlinebanking mit den dazu notwendigen Bezahlverfahren oder bei der Kreditvergabe. Wo liegen hier Chancen für Geldhäuser in der engeren Kooperation mit Handelspartnern und welche innovativen Services sind künftig im Finanzdienstleistungssektor hier noch denkbar?

Die Geldhäuser haben den Kampf im Bereich des webbasierten Zahlungsverkehrs schon heute gegen Paypal und andere verloren. Offen ist nur noch die Frage, welche zwei bis drei Online-Bezahlsysteme sich auf Dauer durchsetzen werden. Das als Alternative gedachte System Paydirekt der deutschen Kreditwirtschaft wird einen schweren Stand haben. Die Banken müssen im Privatkundenbereich darauf achten, dass sie die Kundenschnittstelle behalten und einen ebenso einfachen wie flexiblen Zugang kanalunabhängig zu ihren Produkten gewähren. Da haben die deutschen Banken über alle drei Säulen hinweg schon erhebliche Fortschritte gemacht und sind dort gut unterwegs. Was bislang weniger auf der Agenda zu stehen scheint, sind die Herausforderungen, die sich aus der Digitalisierung für das Firmenkunden- und das Kapitalmarktgeschäft ergeben.

Insbesondere dem Retailgeschäft der Banken bescheinigen Sie einen großen Veränderungs- und Konsolidierungsdruck, weil sich unter anderem Beratungsformen durch Social Media verändern. Einige Institute versuchen sich hier in neuen Beratungsmodellen. Von welchen Branchen können sie dabei lernen?

Die Finanzdienstleistungsbranche ist generell nicht besonders innovativ, wenn es um die Einführung neuer Technologien geht. Geldinstitute können hier beispielsweise von Internetkonzernen wie Amazon oder Google lernen, wie man mit Big-Data-Technologien die Kunden besser versteht und entsprechende Produktvorschläge für sie generiert. Aber auch ein Blick auf die Fintech-Szene in den USA zeigt, dass man eine persönliche Beratung auch virtuell, das heißt über webbasierte Videolösungen anbieten kann. Zumindest bei der Generation Y dürfte dies nicht auf Akzeptanzprobleme stoßen.

Unternehmen wie private Kreditnehmer suchen sich zunehmend niedrigschwellige Finanzierungsalternativen, beispielsweise über Crowdlending-Plattformen. Wie wird sich dieser Trend weiterentwickeln?

Crowdfunding hat meines Erachtens seine Grenzen, weil es nur für kleinere Finanzierungsvolumen praktikabel ist. Gerade im Geschäft mit zumindest mittelgroßen Firmenkunden reicht es nicht aus, Kapitalgeber und Unternehmen über eine Internetplattform zusammenzubringen. Da bedarf es fundierter Kenntnisse im Bereich der Finanzanalyse und auch eines entsprechenden Branchen-Know-Hows. Das halten Crowdfunding-Plattformen per se nicht vor, weil sie sich als reine Vermittler positionieren. Außerdem tragen die strikten regulatorischen Vorgaben unter anderem im Bereich Risikomanagement, die von den Banken beachtet werden müssen, zur Sicherung der Einlagen bei.

Angenommen, Sie bräuchten in fünf Jahren einen Kredit. Würden Sie dazu noch eine Bankfiliale persönlich besuchen?

Nein, das habe ich bisher auch nicht getan.

Zur Person
Dr. Volker Brühl ist Geschäftsführer des Center for Financial Studies (CFS) an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Bei Springer Gabler ist sein Buch "Wirtschaft des 21. Jahrhunderts" erschienen.
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