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24.11.2014 | Journalismus | Schwerpunkt | Online-Artikel

Juristen taugen nicht als Krisensprecher

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

3 Min. Lesedauer

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Ex-Bundespräsident Christian Wulff ist juristisch von allen Vorwürfen befreit. In der Krise hatte er die Medien gegen sich und seinen Anwalt stets bei sich. War das der Fehler?

Haben die Medien Ex-Bundespräsident Christian Wulff "weggeschafft" oder musste er völlig zu Recht vor knapp drei Jahren von seinem Amt zurücktreten? Die "Causa Wulff" ist seit dem Freispruch des Landgerichts Hannover in diesem Sommer beendet. Was bleibt, ist der Geschmack eines ausgeuferten Medienhypes währenddessen die Unschuldsvermutung verloren ging und dem Bundespräsidenten der Rückhalt und das Vertrauen der Bevölkerung abhanden kamen.

"Causa Wulff" war keine Kompetenzkrise

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Letzteres sieht Wulff heute allerdings ganz anders. Er habe die Bevölkerung immer voll hinter sich gehabt und sich nie mit ihr in "Diskrepanz" gesehen, äußerte er Anfang November gegenüber "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo beim Wirtschaftsforum der Wochenzeitung im Hamburger Michel. Eine Studie der Springer-Autoren Patricia Grünberg, Christoph H. Muxfeld, Sarah Eichmann, Franziska Weber, Martin Müller und Manuel Wecker hat die Medienberichterstattung und den Social-Media-Diskurs im Verlauf der zweimonatigen Krise untersucht. Ihr Ergebnis zeigt, dass Wulff den "hohem Glaubwürdigkeitsansprüchen an das Bundespräsidentenamt nicht mehr genügen konnte" (Seite 301) – was ihm die Bevölkerung nicht verzieh.

Mit falscher Kommunikation Vertrauen zerstört

Für die im Buchkapitel "Die Causa Wulff - eine Vertrauensanalyse der Medienberichterstattung und des Social Media Diskurses" erläuterte Studie untersuchten die Autoren Zeitungsartikel, die sich zwischen Dezember 2011 und Februar 2012 zu mindesten 50 Prozent mit dem Fall beschäftigten. Für den gleichen Zeitraum wurden die Userkommentare zu den Posts der Printmedien auf deren Facebook-Seiten unter die Lupe genommen.

Wie die Erhebung zeigt, musste sich Wulff sowohl von den Medien als auch der Internetöffentlichkeit an seinen eigenen moralischen Bewertungsmaßstäben messen lassen. Im Visier der Kritik standen die auf Sozialverhalten, Charakter und Kommunikationsverhalten zielenden sozialpsychologischen Vertrauensfaktoren. "Es hat sich gezeigt, dass die Causa Wulff weniger eine Kompetenzkrise war, sondern vielmehr eine Krise, die auf kommunikatives und ethisches Fehlverhalten zurück geht", folgern die Autoren (Seite 300). Wie konnte es dazu kommen?

Wer Anwälte hat, hat was zu verschweigen

In "Strukturen und Prozesse juristischer Krisen", macht Springer Autor Matthias Prinz die Allgegenwart von Wulffs Anwalt für den massiven öffentlichen Vertrauenseinbruch verantwortlich. "Das ständige Auftreten des Anwalts vermittelt den Eindruck, dass man ein schwerwiegendes rechtliches Problem und etwas zu verschweigen hat" (Seite 232).

Im Krisenfall rät er zu einer Strategie, die für Juristen per Ausbildung und Selbstverständnis nicht in Frage kommen kann: Mit Mut zur lückenhaften Faktenlage schnell kommunizieren. "Der Jurist möchte seinen Kommentar erst dann abgeben, wenn er sicher ist, dass er alle Fakten ganz sicher zutreffend erfasst und juristisch bewertet hat" (Seite 229). In Fall Wulff hat es bis zur endgültigen Rechtsprechung mehr als zwei Jahre gedauert. Amt und Ansehen waren zu diesem Zeitpunkt bereits zerstört.

Litigation-PR: Schnell kommunizieren mit Mut zur Lücke

Probleme, die Krisen nach sich ziehen, müssen also schnell auf den Tisch gelegt und bereinigt werden. Springer-Autor Prinz rät dazu, im akuten Fall auf drei Kommunikationsebenen gewappnet zu sein (Seite 230):

  • Was machen wir, wenn die Vorwürfe stimmen?
  • Was machen wir, wenn die Vorwürfe unberechtigt sind?
  • Was können wir jetzt machen, ohne zu wissen, wie der Sachverhalt wirklich ist?

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