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Erschienen in: Berliner Journal für Soziologie 4/2015

01.04.2015 | Abhandlung

„Kapitalismus“ in der gegenwärtigen deutschen Literatur: Sombart und Weber

verfasst von: Talcott Parsons

Erschienen in: Berliner Journal für Soziologie | Ausgabe 4/2015

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Zusammenfassung

Bei dem Aufsatz handelt es sich um das dritte Kapitel der Dissertation von Talcott Parsons, die er unter seinem Doktorvater Edgar Salin verfasst und am 29. Juli 1927 in Heidelberg verteidigt hat. Parsons vergleicht und diskutiert kritisch die Analysen des Kapitalismus als einer historischen Epoche von Werner Sombart und Max Weber vor dem Hintergrund der deutschen Theoriegeschichte. Am Schluss skizziert er erste Ideen für seine eigene Sichtweise auf den Kapitalismus als ein spezifisches System des Wirtschaftslebens.

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Fußnoten
1
Diese Sicht des Kapitalismus ist natürlich scharf zu unterscheiden vom „kapitalistischen“ Umwegprozess bei Eugen von Böhm-Bawerk. Böhm-Bawerk nutzt das Kapitalismuskonzept ausschließlich analytisch und hat aufgrund des Zwecks seiner Analyse – der Kapital- und Zinstheorie – keine Beziehung zu den umfassenderen historischen und kulturellen Fragestellungen, mit denen sich Sombart und Weber beschäftigen.
 
2
Die erste Auflage von Sombarts großem Werk Der moderne Kapitalismus erschien 1902. Es erhielt viele negative Kritiken, und in den folgenden Jahren versuchte er praktisch, das ganze Buch umzuschreiben. Von Zeit zu Zeit wurden mehrere Spezialstudien publiziert (Der Bourgeois, 1913; Die Juden und das Wirtschaftsleben, 1911; Krieg und Kapitalismus, 1913; Luxus und Kapitalismus, 1913), und 1916/1917 erschienen die ersten beiden Bände der neuen Edition von Der moderne Kapitalismus. Sie beschäftigten sich mit den vorkapitalistischen Systemen und der frühkapitalistischen Periode vom Ausgang des Mittelalters bis ca. Ende des 18. Jahrhunderts. Der dritte und letzte Band, der sich mit dem Hochkapitalismus bis zum Weltkrieg beschäftigt, erschien 1926/1927 in zwei Teilbänden. Andere Arbeiten von Sombart, die sich auf die Probleme des Kapitalismus beziehen, sind Die deutsche Volkswirtschaft im neunzehnten Jahrhundert (1903), Der proletarische Sozialismus (1924; 2 Bde.), der Artikel „Prinzipielle Eigenart des modernen Kapitalismus“, Grundriß der Sozialökonomik, [IV. Abt., 1. Teil, 1925, S. 1–26], und verschiedene Aufsätze in Periodika, insbesondere dem Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik. Anmerkung des Übersetzers (A. d. Ü.): Die überarbeitete und erweiterte Fassung von Der moderne Kapitalismus erschien in drei Bänden mit insgesamt 6 Teilbänden. Die hier zitierten Ausgaben sind: Der moderne Kapitalismus. Erster Band: Einleitung – Die vorkapitalistische Wirtschaft – Die historischen Grundlagen des modernen Kapitalismus. 2 Halbbände. 5., unveränderte Aufl. München und Leipzig: Duncker & Humblot, 1922. Der moderne Kapitalismus. Zweiter Band: Das europäische Wirtschaftsleben im Zeitalter des Frühkapitalismus, vornehmlich im 16., 17. und 18. Jahrhundert. 2 Halbbände. 5., unveränderte Aufl. München und Leipzig: Duncker & Humblot, 1922. Der moderne Kapitalismus. Dritter Band: Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus. 2 Halbbände. München und Leipzig: Duncker & Humblot, 1927. Da die Halbbände durchgehend paginiert sind, werden die Bände, wie von Parsons selbst, nur mit Kurztitel und Bandangabe zitiert. Die bibliografischen Angaben zu den Schriften Sombarts und anderer erwähnter Autoren wurden ergänzt und vereinheitlicht. Größere Eingriffe in den Text wurden mit eckigen Klammern kenntlich gemacht.
 
3
Siehe E. Salin, [„Hochkapitalismus“], Weltwirtschaftliches Archiv, [Bd. 25], 1927, [S. 314–344]. Es wird hier nicht möglich sein, einen größeren Teil von Sombarts einzelnen historischen Interpretationen vorzustellen. Aber sie sollten in jede Gesamtbetrachtung seines Werkes einbezogen werden.
 
4
Kapitalismus I, S. 21 f.
 
5
Siehe die zweite Hälfte dieses Artikels für eine ausführlichere Diskussion des „Idealtypus“.
 
6
Die zwei Begriffe, die Sombart benutzt, sind „Wirtschaftsgesinnung“ und „Wirtschaftsgeist“. Beide sind schwierig zu übersetzen. Ich werde generell den Ausdruck „Geist“ benutzen und hoffe, seine genaue Bedeutung wird im Verlauf der Diskussion klar werden. A. d. Ü.: Sombart spricht an vielen Stellen selbst allgemein von „Geist“, „kapitalistischen Geist“, „Unternehmungsgeist“ etc. Unter „Wirtschaftsgesinnung“ subsumiert er „alles Geistige […], von dem die einzelnen wirtschaftlichen Tätigkeiten bestimmt werden: also alle Wertvorstellungen, Zwecksetzungen, Maximen, die in den die Wirtschaft gestaltenden Personen […] lebendig werden“. Kapitalismus I, S. 13.
 
7
Kapitalismus I, S. 25.
 
8
Es hat in der Literatur über den historischen Materialismus eine umfangreiche Kontroverse nur darum gegeben, was Marx und Engels damit meinten. Einige Interpreten (z. B. B. Croce, Historical Materialism and the Economics of Karl Marx. [New York, 1914]) behaupten, dass er nicht als eine Theorie über die Kräfte in der sozialen Evolution betrachtet werden sollte, sondern eher als ein heuristisches Prinzip. Ob das nun eine zutreffende Interpretation von Marx ist oder nicht – der Sinn, in welchem ich ihn auffasse, hatte sicherlich den größten Einfluss auf Sombart (siehe Der proletarische Sozialismus) und gleichfalls auf jenen Aspekt bei Weber, an dem ich hauptsächlich interessiert bin.
 
9
A. d. Ü.: Darunter versteht Sombart die Dorfwirtschaft und die Fronhofwirtschaft. Kapitalismus I, S. 45 ff.
 
10
A. d. Ü.: Deutsch im Original.
 
11
A. d. Ü.: Deutsch im Original.
 
12
Kapitalismus I, S. 279 ff.
 
13
Auf Sombarts eigenem Boden erscheint es etwas unverständlich, dass er von zwei vorkapitalistischen Systemen sprechen kann, obwohl das charakteristischste Kriterium jedes Systems der Geist ist und in diesem Fall beide Systeme praktisch vom selben Geist beherrscht werden. A. d. Ü.: Das wird verständlicher, wenn man berücksichtigt, dass der Geist in beiden Wirtschaftsweisen sehr unterschiedliche Formen annimmt, es sich um eine ländliche und eine städtische Variante der Eigenwirtschaft handelt. In der Dorf- und Fronhofwirtschaft erfolgt die Bedarfsdeckung vor allem direkt über Eigen- oder Fremdarbeit, in der städtischen Handwerkswirtschaft indirekt über die Produktion für den zumeist lokalen Markt oder als Lohnwerk für Auftraggeber. Die beiden Wirtschaftsformen ähneln sich in der Genügsamkeit ihrer Zielsetzung, weisen jedoch unterschiedliche Zweckzusammenhänge auf. Die handwerksmäßige Wirtschaft ist schon in hohem Maße tausch- und geldvermittelt, verfolgt aber noch keine Erwerbs- und Gewinnzwecke. Diese Motive finden sich aber bereits im Handel, vor allem im Fernhandel. Genau deshalb war, wie Parsons erwähnt, die These Sombarts umstritten, dass der mittelalterliche Handel ein Handwerk gewesen sei. Siehe Kapitalismus I, Erstes Buch.
 
14
„Prinzipielle Eigenart des modernen Kapitalismus“, Grundriß der Sozialökonomik, IV. Abt., [1. Teil, 1925, S. 2].
 
15
Kapitalismus III, S. 129.
 
16
Siehe unten mit Bezug auf Weber. Dass Sombarts Sichtweise des Kapitals nicht unbedingt als unvereinbar mit einem allgemeinen analytischen System der Wirtschaftstheorie betrachtet werden muss, wird durch das Beispiel Schumpeters bezeugt (Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 2. Aufl., München, 1926), dessen Ansicht in dieser Hinsicht der von Sombart sehr ähnlich ist. Doch Schumpeter ist einer der überzeugtesten Verfechter jener Ansprüche der Wirtschaftstheorie, die Sombart zurückweist.
 
17
A. d. Ü.: Ausdruck in Klammern deutsch im Original.
 
18
A. d. Ü.: Parsons übersetzte an dieser Stelle und in den nachfolgenden Passagen „Bürgergeist“ mit „the bourgeois spirit“ und fügte folgende Fußnote hinzu: „Sombart selbst benutzt des französische Wort bourgeois, um den ganzen kapitalistischen Menschen zu bezeichnen, nicht einen Aspekt von ihm. Für den rationalen Aspekt benutzt er den deutschen Ausdruck Bürger. Es scheint jedoch am besten, weil es kein angemessenes englisches Äquivalent für den letzteren Ausdruck gibt, Bürger mit bourgeois zu übersetzen und Sombarts Unterscheidung zu ignorieren.“ Zu Sombarts Unterscheidung der zwei geistigen Komponenten, aus deren Verbindung der kapitalistische Geist hervorgegangen ist, siehe Kapitalismus I, S. 329.
 
19
Für diesen Gesichtspunkt siehe T. N. Carver, The Religion Worth Having. [Boston, 1912]. Für Sombarts Erklärung „Prinzipielle Eigenart des modernen Kapitalismus“, Grundriß der Sozialökonomik, [IV. Abt., 1. Teil, 1925].
 
20
A. d. Ü.: Parsons bezieht sich in diesem und im nachfolgenden Absatz auf Kapitalismus III, S. 35 ff.
 
21
Im Sinne der Identifikation mit einer „organischen“ Sicht der Gesellschaft und mehr oder weniger feudalen Idealen, nicht einer Verteidigung des Status quo.
 
22
Kapitalismus III, S. 81.
 
23
Ebd.
 
24
Siehe Kapitalismus I, 29. und 30. Kapitel; Kapitalismus III, 7. bis 9. Kapitel.
 
25
Kapitalismus II, 55. Kapitel.
 
26
Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes. München, 1920.
 
27
A. d. Ü.: Deutsch im Original.
 
28
Wie in so vielen Fällen der Interpretation von Marx gibt es eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob er jemals die Absicht hatte, eine übergreifende Wirtschaftstheorie zu entwickeln. Dass er dies tat, ist eindeutig die Ansicht Schumpeters („Dogmengeschichte der Volkswirtschaftslehre“, Grundriß der Sozialökonomik, I. Abt., [2., erweiterte Aufl., 1924, S. 19–124]), der ihn als Vertreter der klassischen Schule behandelt. Die Kritik von Böhm-Bawerk (Gesammelte Schriften, Bd. 2. [Leipzig, 1926]) gründet sich auf der gleichen Interpretation. Es gibt jedoch eine andere Interpretation, die zuerst von Sombart selbst vorgeschlagen wurde ([„Zur Kritik des ökonomischen Systems von Karl Marx“,] Jahrbuch für soziale Gesetzgebung und Statistik, 7, 1894, [S. 555–594]) und von Sorel und namentlich Croce (Historical Materialism and the Economics of Karl Marx) weiterentwickelt wurde, nach der die Marx’sche Werttheorie auf den „Idealtyp“ einer hypothetischen kapitalistischen Gesellschaft bezogen sei, der dem Zweck des Vergleichs mit dem realen kapitalistischen und anderen Wirtschaftssystemen dienen sollte. Die letztere Auffassung ist die ausgesprochen positivere für Marx und die Geschlossenheit seiner Theorie und bringt ihn in viel engere Beziehungen zu Sombart und den allgemeinen Denkströmungen, die in diesem Artikel behandelt werden. Natürlich würde diese Interpretation mit dem Eingeständnis einhergehen, dass der Gehalt von Marx’ Theorie größtenteils auf Ricardo zurückgeht, sie würde aber daran festhalten, dass der logische Zweck, zu dem er verwendet wurde, ein ganz anderer war.
 
29
Kapitalismus III, S. 317.
 
30
Ebd., S. XXI.
 
31
Ebd., S. XIX. A. d. Ü.: Dieser Quellenbeleg wurde hinzugefügt.
 
32
Siehe Karl Jaspers, Max Weber: Gedächtnisrede. Tübingen, 1921.
 
33
Der deutsche Ausdruck ist „Historisches Individuum“. Er bezieht sich auf ein kulturelles Phänomen, in das viele Menschen einbezogen sein können.
 
34
Die von Weber gemeinte „vollkommene Rationalität“ mag nicht immer eine vollkommene, sondern eher eine relative Rationalität sein, eine des Grades, die von dem Zweck abhängt, für den der Idealtyp konstruiert wurde. Sie wird immer benutzt, um die relativ rationalen von den relativ irrationalen Elementen einer zu analysierenden Situation zu scheiden. Der Idealtyp, der auf der vollkommenen rationalen Anpassung der Mittel an gegebene Zwecke basiert (was er „zweckrational“ [Deutsch im Original] nennt), ist für Weber die wichtigste Kategorie. Wie er schreibt (Wirtschaft und Gesellschaft [2. Aufl., Tübingen, 1925], S. 2 und 3): „Für die typenbildende wissenschaftliche Betrachtung werden nun alle irrationalen, affektuell bedingten, Sinnzusammenhänge des Sichverhaltens, die das Handeln beeinflussen, am übersehbarsten als ‚Ablenkungen‘ von einem konstruierten rein zweckrationalen Verlauf desselben erforscht und dargestellt.“ Und weiter: „Die Konstruktion eines streng zweckrationalen Handelns also dient in diesen Fällen der Soziologie, seiner evidenten Verständlichkeit und seiner – an der Rationalität haftenden – Eindeutigkeit wegen, als Typus (‚Idealtypus‘), um das reale, durch Irrationalitäten aller Art (Affekte, Irrtümer) beeinflußte Handeln als ‚Abweichung‘ von dem bei rein rationalem Verhalten zu gewärtigenden Verlaufe zu verstehen.“ Nur in diesem Sinn ist Webers Soziologie als rational anzusehen. Sie macht keine Annahme hinsichtlich der tatsächlichen relativen Wichtigkeit der rationalen Elemente im Gesellschaftsleben. A. d. Ü.: Weber schreibt an der betreffenden Stelle präziser, dass die Methode der verstehenden Soziologie in diesem Sinne „rationalistisch“ sei.
 
35
Diese Frage nach der Objektivität seines Modells von Sozialwissenschaft ist eine der schwierigsten Aspekte von Webers Position. Sie kann hier leider nicht diskutiert werden. Für diesen Gesichtspunkt siehe „Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis“, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre [1. Aufl., Tübingen, 1922], S. 146–214.
 
36
Für die beste Analyse von Webers Methodologie siehe A. von Schelting, „Die logische Theorie der historischen Kulturwissenschaften von Max Weber [und im besonderen sein Begriff des Idealtypus]“, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 49, [1922, S. 623–752]. Teile von Webers eigenen Schriften, die sich mit dem Problem des Idealtypus beschäftigen, sind einige der Artikel in dem Band Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre und der erste Teil von Wirtschaft und Gesellschaft.
 
37
A. d. Ü.: Parsons bezieht sich hier auf die Formel von Alfred Marshall.
 
38
Die Werke Webers, die sich auf dieses Problem beziehen, sind vor allem die drei Bände der Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie [Tübingen, 1920/1921], insbesondere der erste Aufsatz „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, verschiedene Teile seines großen Hauptwerkes über Soziologie Wirtschaft und Gesellschaft, der Aufsatz „Agrarverhältnisse im Altertum“ in Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und die General Economic History (die englische Übersetzung von Wirtschaftsgeschichte. Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte durch Professor F. H. Knight [New York und London, 1927]).
 
39
„Agrarverhältnisse im Altertum“, [Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1. Aufl., Tübingen, 1924], S. 13.
 
40
Religionssoziologie I, S. 4. A. d. Ü.: Parsons gibt irrtümlich als Quelle an: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 48. Er hat zudem die Hervorhebungen Webers weggelassen.
 
41
Religionssoziologie I, S. 4. A. d. Ü.: Parsons eigene Übersetzung des Zitats weist einige interessante sprachliche Anpassungen und Probleme auf. Zudem hat er die Hervorhebungen Webers weggelassen und durch eine eigene ersetzt. Diese hervorgehobene Passage spielt dann in der weiteren Argumentation eine zentrale Rolle. Deshalb sei Parsons’ Übersetzung des Weber-Zitats hier angeführt: „Capitalism may even be identical with the suppression, or at least the tempering, of this irrational impulse. But that does not mean that capitalism has nothing to do with acquisition. On the contrary, it is identical with the struggle for gain in a continuous, rationally conducted capitalistic enterprise, a struggle for ever renewed profit, for rentability. And it must be. In a capitalistic order of society as a whole an enterprise which did not strive for gain would be condemned to destruction.“
 
42
A. d. Ü.: Hervorhebung von Parsons.
 
43
A. d. Ü.: Es ist an dieser Stelle Parsons selbst, der einen begrifflichen Kurzschluss vollzieht. Er bahnt sich bereits durch die nicht wirklich adäquate Übersetzung von „Betrieb“ mit „enterprise“ an. Webers Rede von einem „rationalen kapitalistischen Betrieb“ liest Parsons bereits als Indiz für die durchgreifende Rationalisierung des Lebens. Rationaler Betrieb meint bei Weber zunächst aber nichts anderes als ein überlegtes kontinuierliches Zweck-Mittel-Handeln bestimmter Art; dient das Handeln der Gewinnerzielung, ist der Betrieb ein kapitalistischer. Diese Betriebsformen gibt es bereits im Altertum. Mit einem Wandel der Lebensweise hat dies noch nichts zu tun, sowenig wie mit den hochgradig versachlichten Betriebsformen im modernen Kapitalismus. Wie Weber gleich am Anfang seiner „Vorbemerkung“ zu den religionssoziologischen Aufsätzen umreißt, hat sich der universalgeschichtliche Rationalisierungsprozess in vielen kleinen Schritten in vielen gesellschaftlichen Bereichen vollzogen. Allerdings schreibt er der Methodisierung und Systematisierung der Lebensführung durch die protestantische Ethik eine zentrale Rolle für die Entstehung des modernen okzidentalen Kapitalismus zu. Dabei handelt es sich jedoch um einen historisch distinkten Fall von Rationalisierung. Es gibt also, wie im Fall des Kapitalismusbegriffes selbst, bei Weber einen eher allgemeinen und einen spezifisch historischen Begriff von Rationalismus – den des modernen okzidentalen Rationalismus. Siehe besonders Religionssoziologie I, S. 11 f., 61 f. Auf diesen besonderen Rationalitätstyp und den allgemeinen Rationalisierungsprozess geht dann Parsons unten ausführlicher ein.
 
44
Religionssoziologie I, S. 4.
 
45
„Bürokratie“ wird hier in einem allgemeineren Sinn als den der Umgangssprache verwendet. Der Ausdruck bezieht sich auf jede Großorganisation der angegebenen Art und transportiert nicht irgendwelche Implikationen von Schwerfälligkeit, Papierkram etc., die so oft mit ihm assoziiert werden. Siehe Wirtschaft und Gesellschaft, S. 125–130, 650–678.
 
46
Wirtschaft und Gesellschaft, S. 96.
 
47
Auch Sombart hebt diesen Punkt hervor und lässt sich sehr gründlich auf die Geschichte der Buchhaltungsmethoden ein. Siehe Kapitalismus II, S. 110 ff., 159–162.
 
48
Wirtschaft und Gesellschaft, S. 128.
 
49
Es gibt eine beachtliche Ähnlichkeit dieser Ansicht Webers zu Professor Schumpeters Sicht auf die „trustified society“, die er in seinen Vorlesungen an der Harvard University zum Ausdruck brachte. Er behauptet, dass sich die westliche Gesellschaft in Richtung eines Zustandes entwickelt, auf den die Anwendung des Begriffes „Sozialismus“ eine Geschmackssache wäre.
 
50
„Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, Religionssoziologie I, S. 17–206.
 
51
A. d. Ü.: Im Sinne Webers müsste es genauer heißen: „dass die Entstehung des modernen Kapitalismus …“. Es geht Weber um die Emergenz von etwas Neuem oder, vorsichtiger, um die Frage nach den Gründen für die Entstehung einer neuen Form von Kapitalismus und für deren Ausbreitung.
 
52
Siehe unten. In einem anderen Sinn hat Weber die ökonomische Geschichtsinterpretation akzeptiert, nämlich als Arbeitsprinzip. Außerhalb des Reiches der reinen Wirtschaftstheorie sieht er die Hauptaufgabe der Wirtschaftswissenschaft als einer historischen Disziplin in der Untersuchung von sozialen Phänomenen unter der Annahme, dass die alleinige Triebkraft die wirtschaftliche ist, wobei sie die Wiederherstellung des Gleichgewichtes zu einer umfassenderen synthetischen Sicht bestehen lässt. Demgegenüber hat die „Soziologie“ des Wirtschaftslebens die umgekehrte Aufgabe, den Einfluss von nichtökonomischen Faktoren – Religion, Rechtsinstitutionen etc. – auf die Wirtschaftstätigkeit zu untersuchen. Soziologie und Wirtschaftswissenschaft sind deshalb für ihn aufeinander abgestimmte Sichtweisen statt Disziplinen mit separaten Untersuchungsgegenständen. Siehe „Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis“ und Schelting, „Die logische Theorie der historischen Kulturwissenschaften von Max Weber und im besonderen sein Begriff des Idealtypus“, S. 705.
In anderen Teilen seines Werkes (der Religionssoziologie insgesamt) untermauert Weber die These, dass der Kapitalismus mit Blick auf einen Ethos verstanden werden muss, durch die gleichfalls fruchtbare Frage: Warum ist der Kapitalismus nicht zu einer anderen Zeit oder an einem anderen Ort erschienen als in der modernen westlichen Gesellschaft? Seine allgemeine Schlussfolgerung ist, dass in einigen anderen Kulturen (z. B. China und Indien) die wirtschaftlichen Bedingungen im engeren Sinne mindestens genauso günstig für die kapitalistische Entwicklung waren, wie jene in Europa, aber der wirtschaftliche Geist war in beiden Fällen, obwohl jeweils aus völlig verschiedenen Gründen, ihr gegenüber so radikal feindlich, dass sich daraus ihr Ausbleiben erklärt. Es ist interessant zu erwähnen, dass Weber ausdrücklich den hohen Grad an Rationalität sowohl der chinesischen Sozialethik als auch der asketischen Disziplin in Indien hervorhebt. Aber die ursprünglichen ethischen Werte waren so unterschiedlich, dass das Ergebnis ebenfalls grundverschieden vom Kapitalismus war. Es zeigt sich also, dass Webers Ansicht, obwohl sie auf seiner Analyse der protestantischen Ethik beruht, durch eine vergleichende Untersuchung anderer Gesellschaften gestützt wird.
 
53
A. d. Ü.: Parsons übersetzt diese Stelle mit „rationalization of the world“.
 
54
„Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“, Religionssoziologie I, S. 263 f.
 
55
Religionssoziologie I, S. 203. Parsons hat dieses Zitat recht frei übersetzt: „While the Puritan wanted to lead this rational, ascetic life, we are forced to do it.“ Damit akzentuiert er noch einmal den ihn interessierenden Aspekt der Rationalisierung des Lebens.
 
56
Ebd., S. 203 f.
 
57
Zu diesem Punkt hat es eine umfangreiche Diskussion gegeben. Viele Historiker und einige Wirtschaftswissenschaftler, insbesondere Brentano (Die Anfänge des modernen Kapitalismus [München, 1916]), haben in ihrem Bemühen, Fehler in Webers historischer Analyse nachzuweisen, einerseits die historische Wichtigkeit der protestantischen Ethik für Weber selbst überbewertet, aber andererseits haben sie deren große theoretische Bedeutung für seine Sicht des Kapitalismus übersehen. Es ist wichtig, diese beiden Aspekte auseinanderzuhalten.
 
58
A. d. Ü.: Deutsch im Original.
 
59
A. d. Ü.: Deutsch im Original.
 
60
Siehe F. Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft [3., durchgesehene Aufl., Berlin, 1920]; ebenso Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 21–23. Es handelt sich um eine Unterscheidung, die im deutschen Sozialdenken von grundlegender Wichtigkeit geworden ist. Sie findet sich implizit natürlich auch im Werk Sombarts.
 
61
Für die anderen siehe oben, Fußnote 52.
 
62
Das wird am eindrucksvollsten ausgeführt durch die Religionssoziologie als Ganzes genommen.
 
63
Charisma ist ein Ausdruck und Begriff, der von Weber selbst in die Soziologie eingeführt wurde. Er wurde vom Griechischen χάρισμα übernommen, was eine „Gnadengabe“ bedeutet. Er wurde für die amerikanische Leserschaft eingeführt durch Robert Michels in seinem Buch Political Parties [New York, 1915] und kürzlich in einem Artikel in der American Political Science Review, 1927. A. d. Ü.: Parsons erläutert den griechischen Begriff mit „mission“. Bei dem Artikel handelt es sich um „Some reflections on the sociological character of political parties“, American Political Science Review, 21, S. 753–772.
 
64
Wirtschaft und Gesellschaft, S. 140.
 
65
Ebd., S. 759. A. d. Ü.: Parsons lässt in seiner Übersetzung des Zitates das nicht unwichtige Adjektiv „schöpferisch“ weg. Weber unterscheidet zwischen innerer (durch Charisma) und äußerer Revolutionierung (durch rationale Bürokratie, Wirtschaft und Technik). Die spezifische revolutionäre Kraft des Charismas besteht vor allem darin, die Menschen innerlich zu wandeln.
 
66
Siehe Religionssoziologie I, S. 267–273; Wirtschaft und Gesellschaft, S. 122–176.
 
67
Ein beachtenswerter Versuch einer weitergehenden Untersuchung der Faktoren, der größtenteils vom Problem des Rationalisierungsprozesses bei Max Weber angestoßen wurde, ist von Alfred Weber gemacht worden; „Prinzipielles zur Kultursoziologie“, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 47, 1920/21, [S. 1–49].
 
68
Präziser wäre mit Weber vom Spezifikum der ,,rational-kapitalistische[n] Organisation von (formell) freier Arbeit“ zu sprechen; Religionssoziologie I, S. 7.
 
69
A. d. Ü.: Parsons’ Kritik an Weber ist nicht leicht zu dechiffrieren. Er stößt sich an der Metapher vom „stahlharten Gehäuse“, das Kapitalismus und Bürokratie im Zuge der Rationalisierung und Entzauberung der Welt errichtet haben. Allerdings wusste Weber, dass er sich mit der abschließenden Zeitdiagnose in seiner „Protestantischen Ethik“ auf das „Gebiet der Wert- und Glaubensurteile“ begab (Religionssoziologie I, S. 205). Diese Schrift bietet zweifellos keine umfassende Darstellung des historischen Individuums „moderner okzidentaler Kapitalismus“, sondern plausibilisiert eine Kausalhypothese für dessen Entstehung. Insbesondere in der „Vorbemerkung“ zu den religionssoziologischen Aufsätzen sowie in einigen anderen Schriften definiert Weber jedoch eine Reihe von spezifischen Merkmalen des modernen Kapitalismus, die Parsons nur lückenhaft rekonstruiert. Parsons hält sich vor allem an den Prozess der Rationalisierung und glaubt, Weber eine Hypostasierung eines idealtypischen Aspektes der Realität zur bestimmenden und umfassenden Gesamtrealität vorwerfen zu können. Den von Weber herausgestellten modernen Eigenarten der rational-legalen Verwaltungspraxis der Bürokratien und der versachlichten, technifizierten und monetarisierten Wirtschaftspraxis kapitalistischer Unternehmen schenkt Parsons wenig Aufmerksamkeit. Auch die begriffslogische Kritik an Weber beruht eher auf einem Missverständnis. Weber weiß, dass es zur Bestimmung eines historischen Individuums – wenn es sich um ein komplexes Kollektivphänomen wie den „modernen Kapitalismus“ handelt, der als ein Gedankenganzes rekonstruiert werden muss – nicht nur sinnvoll, sondern notwendig ist, auf eine Mischung von Allgemein-, (Ideal)Typen- und Individualbegriffe zurückzugreifen, sieht Parsons nicht. Es bleibt natürlich zu prüfen, ob die jeweilige begriffliche Charakterisierung für die gewählte Fragestellung zweckmäßig und hinreichend ist. Diesem Problem der sachlichen Angemessenheit der Begriffsbildung stellt sich Parsons nicht wirklich, stattdessen rekurriert er auf Unstimmigkeiten in Webers Umgang mit dem Begriff des Idealtypus und wirft ihm vor, den modernen Kapitalismus im Rationalisierungsprozess aufgehen zu lassen. Dabei hat er sich von dem oben erwähnten Aufsatz von Schelting inspirieren lassen, dessen immanente Kritik an Webers Umgang mit dem Begriff „Idealtyp“ er aber in ihrem Kerngehalt nicht erfasst. Siehe Schelting, „Die logische Theorie der historischen Kulturwissenschaften von Max Weber und im besonderen sein Begriff des Idealtypus“, S. 706 ff.
 
Metadaten
Titel
„Kapitalismus“ in der gegenwärtigen deutschen Literatur: Sombart und Weber
verfasst von
Talcott Parsons
Publikationsdatum
01.04.2015
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Berliner Journal für Soziologie / Ausgabe 4/2015
Print ISSN: 0863-1808
Elektronische ISSN: 1862-2593
DOI
https://doi.org/10.1007/s11609-015-0270-2

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