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06.11.2014 | Kommunikation | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kreative Werbung – Erfolgsfaktor oder Denkfehler?

3:30 Min. Lesedauer

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Je ausgefallener die Kampagne, um so höher der Gesprächswert. Zumindest in der Branche. Einen Nachweis, dass kreative Werbung besser wirkt, hat aber noch niemand erbracht. Eine Kolumne von Heino Hilbig über einen Mythos in der Werbeindustrie.

Im Oktober veröffentlichte das Marketingmagazin "Werben & Verkaufen" unter der Headline "Was muss sich ändern, damit der Effie seinem Ruf als Werbe-Oscar gerecht wird?" eine Umfrage, die die Redaktion in der Marketingbranche durchgeführt hatte. Zwei Aspekte sind daran zu hinterfragen.

Ein Aspekt sind die Antworten, die "W & V" auf diese Frage bekommen hat. Denn fast alle Befragten betonten, dass die Erfolgskontrolle der zu beurteilenden Maßnahmen transparenter gestaltet werden müsste. Nur so könne sichergestellt werden, dass es tatsächlich eine nachweisbare Wirksamkeit war, die Kampagnen in die Ausscheidung gebracht hat. Und nicht etwa nur die gute Rhetorik des Marketingleiters. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn man die Sinnhaftigkeit von solchen Awards grundsätzlich akzeptiert.

Kreativität statt Controlling

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Sehr spannend fand ich jedoch die Antwort von Roland Bös, Geschäftsführer von Scholz & Friends und einer der beiden Agenturnetzwerk-Chefs, die zu Wort kamen. Bös wünschte sich mehr kreative Begeisterung und nachvollziehbare Jury Quotes. Mehr kreative Begeisterung – von Erfolgskontrolle im ganzen Statement kein Wort.

Haben Sie schon einmal in irgendeinem Fachmedium gelesen, dass jemand einen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen der Kreativität einer Anzeige, eines TV-Spots oder eines Newsletters und deren jeweiligem Erfolg nachweisen konnte? Wohl kaum. Denn diesen Nachweis hat bislang niemand führen können. Zumal ein einfacher Blick zu Amazon, Ebay, Aldi oder Lidl zeigt, dass erfolgreiche Kommunikation eben keineswegs immer kreativ sein muss. In diesen Marketingabteilungen werden Prospekte und Webseiten so genau am Erfolg gemessen, dass wir davon ausgehen können, dass Werbung ohne überbordende Kreativität, sich dort ganz offensichtlich bewährt hat.

Erfolgreiche Werbung ist nicht immer kreativ

Wenn es also einerseits erfolgreiche, aber unkreative Werbung gibt, es anderseits zudem keinen wissenschaftlich Nachweis einer Kausalität gibt, warum ist dann die Kreativität so hoch angesehen im Marketing? Darauf gibt es zwei einfache Antworten: Zum einen macht kreative Kommunikation denen, die sie verantworten, einfach mehr Spaß. Und sie bringt auch gefühlt größere Erfolgserlebnisse. Stellen Sie sich nur einmal vor, welchen Unterschied es macht, wenn Sie das Ergebnis Ihrer Arbeit in ihrem privaten Umfeld zeigen. Wie ist die Reaktion, wenn Sie eine intelligente, kreative Anzeige vorzeigen? Und wie, wenn Sie einen Tageszeitungsprospekt im Stile der Aldi-Werbung präsentieren?

Zum anderen unterliegen wir in unserer sehr abgeschlossenen Branche alle eines Wahrnehmungsfehlers, den Psychologen den Availability Bias nennen, den Verfügbarkeitsfehler. Die Gelegenheiten, bei denen wir uns nämlich ein Gesamtbild unserer Marketingbranche machen können, sind sehr eingeschränkt: Kongresse, Award-Verleihungen, Fachzeitschriften. Diese Medien leben aber von den Informationen, die ihnen von Marken und Agenturen zur Verfügung gestellt werden. Wollten wir uns anhand dieser verfügbaren Informationen darüber ein Bild machen, welchen Einfluss Kreativität auf Erfolg hat, müssten also auch von Kampagnen lesen, die nicht erfolgreich waren. Für einen richtigen Eindruck müssten wir sogar sooft von solchen nicht-erfolgreichen Kampagnen lesen, wie sie anteilsmäßig auch tatsächlich vorkommen.

Tun wir aber nicht. Denn berichtet wird nur über interessante (=kreative) Kampagnen, die entweder neu (also noch ohne messbares Ergebnis) oder irgendwie erfolgreich sind. Deswegen nehmen wir nur kreative Kampagnen, die gelegentlich sogar etwas bewirkt haben, richtig wahr. Und durch die fehlenden Informationen zu den anderen Marketingmaßnahmen entsteht bei uns allen der Eindruck, kreative Werbung wäre erfolgreicher.

Solange also Kreativität nicht nachweislich zu mehr Erfolg führt, sollten wir in der Marketingbranche dann nicht etwas bescheidener sein und auf den einen oder anderen Award verzichten? Sollte nicht der erfolgsbasierte Effie solange sogar der einzige Award sein, den wir als seriöse Auszeichnung akzeptieren?

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