Gewalt und neue soziale Bewegungen

Zusammenfassung

Der Gewaltbegriff wird von manchen sehr weit gefasst. Gemäß dem Verständnis von „struktureller Gewalt“ (Johan Galtung) gelten gesellschaftliche Verhältnisse, die massive soziale Benachteiligung und Ungerechtigkeit zur Folge haben, als gewaltförmig. Ebenso werden zuweilen relativ harmlose Formen zivilen Ungehorsams, etwa kurzzeitige Sitzblockaden, unter den Gewaltbegriff subsumiert. Diese Dehnungen machen den Gewaltbegriff unscharf und letztlich unbrauchbar. Dagegen ist an einem dicht am Alltagsverständnis angelehnten Begriffsverständnis festzuhalten. Gewalt bezeichnet die absichtlich herbeigeführte oder leichtfertig in Kauf genommene Beschädigung/Zerstörung von Sachen oder die Verletzung/ Tötung von Personen (Graham/Gurr 1969; Neidhardt 1986). Es bleiben allerdings Abgrenzungsprobleme, etwa hinsichtlich kleinerer Beschädigungen von Sacheigentum (z. B. durch Graffiti), des Festhaltens von Personen gegen deren erklärten Willen oder der Ausübung massiven psychischen Drucks, der — bei bestimmten Foltermethoden — bis zur Zerstörung der Persönlichkeit reichen kann. Der erste Fall sollte aus dem Gewaltbegriff ausgeklammert, der dritte Fall eingeschlossen werden, während der zweite Fall wohl nur in Kenntnis der besonderen Umstände sinnvoll eingeordnet werden kann. Generell ist darauf hinzuweisen, dass das Verständnis von Gewalt kulturabhängig ist. Während zum Beispiel die Beschneidung weiblicher Genitalien in manchen Teilen Afrikas eine allseits akzeptierte soziale Praxis ist, erscheint sie vielen westlichen Beobachtern als grausamer Akt der Verstümmelung und, im Sinne der hier vertretenen Definition, eindeutig als Akt der Gewalt.