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Publicly Available Published by De Gruyter Oldenbourg December 1, 2016

Wie konzipieren wir Kinderkriegen?

Normativer Rationalismus versus empirische Praxisforschung

  • Birgit Heimerl

    Birgit Heimerl, geb. 1967 in Schongau. Studium der Soziologie in München. Promotion in Mainz. Von 2006–2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Mainz; von 2014–2015 wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut e. V. München; 01/2016–07/2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Augsburg. Seit 10/2016 Mitarbeiterin am Berufsbildungszentrum Augsburg.

    Forschungsschwerpunkte: Soziologie der Schwangerschaft, Körper-, Medizin- und Techniksoziologie, Praxistheorien, Qualitative Methoden.

    Wichtigste Publikationen: Soziologie der Schwangerschaft. Explorationen pränataler Sozialität (mit S. Hirschauer, P. Hofmann, A. Hoffmann), Stuttgart 2014; Die Ultraschallsprechstunde. Eine Ethnografie pränataldiagnostischer Situationen, Bielefeld 2013; Choreographie der Entblößung: Geschlechterdifferenz und Personalität in der klinischen Praxis, ZfS 35, 2006: 372–391.

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    and Peter Hofmann

    Peter Hofmann, geb. 1979 in München. Studium der Soziologie in München. Seit 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz.

    Forschungsschwerpunkte: Pränatale Sozialität, Wissenschafts- und Technikforschung, Medizinsoziologie, Praxistheorien, Qualitative Methoden.

    Wichtigste Publikationen: Soziologie der Schwangerschaft. Explorationen pränataler Sozialität (mit S. Hirschauer, B. Heimerl, A. Hoffmann), Stuttgart 2014; Schwangerschaftstagebücher. Produktionsbedingungen und Nutzungschancen eines Datentyps (mit S. Hirschauer), in: H.-G. Soeffner (Hrsg.), Transnationale Vergesellschaftungen. Der 35. Kongress der DGS, Wiesbaden 2013.

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Zusammenfassung:

Wie geht Kinderkriegen? Im Alltag lautet die Antwort Sex – Schwangerschaften resultieren aus Geschlechtsverkehr und Befruchtung. Sozialwissenschaftliche Studien führen sie dagegen auf ein (rationales) Entscheidungshandeln von Paaren zurück. Diesem unterliegen ‚Fertilitätsintentionen‘, denen ein entsprechendes ‚Fertilitätsverhalten‘ korrespondiert. Theoriegrundlage bilden Rational-Choice- und kognitionspsychologische Ansätze. Der Aufsatz wird diese Modellbildung hinterfragen, da sie das Kinderkriegen in seiner lebensweltlichen Komplexität nicht nur empirisch ausklammert, sondern auch normativ idealisiert und dabei dessen sozialen Eigensinn verfehlt. Anhand narrativer Interviews eines ausgewählten Falles stellen wir eine an praxeologischen Prämissen orientierte Analyse vor, die neben Akteuren auch deren Körper und am Geschehen involvierte Artefakte einbezieht. So lässt sich zeigen, wie sich der intime Paardiskurs mit der körperlich-sexuellen Ebene der Paarbeziehung verschränkt, während ihre Teilnehmer sich zunehmend als Eltern antizipieren.

Abstract:

How do couples come to have children? The first response that comes to mind is that pregnancies result from sexual intercourse and fertilization. Studies in the social sciences, however, reduce pregnancies to the (rational) decision-based action of couples: “fertility intentions” induce the corresponding “fertility behavior.” Rational choice theory and cognitive psychology constitute the theoretical basis for this kind of model construction. This article challenges these approaches. Not only do they leave aside actual pathways to parenthood in all their empirical complexity. They also idealize these processes normatively and miss the logic of “having a child” as a social practice. Based on narrative interviews, we present a praxiologically oriented analysis which includes actors as well as their bodies and the artefacts involved in the process. This reveals that the way a couple deals with the topic is interwoven with the bodily and sexual dimension of their relationship as participants progressively come to anticipate themselves as parents.

Einleitung

Dieser Aufsatz ist ein Beitrag zum soziologischen Verständnis der frühen sozialen Prozesse, aus denen (mögliche) werdende Elternpaare hervorgehen. Unser Alltagswissen vom Kinderkriegen ist primär biologisch geprägt. Wir denken an Vorgänge wie Schwangerschaft und Geburt, die aus Geschlechtsverkehr – der „natürlichsten Sache der Welt“ – resultieren und die wir dem Gegenstandsbereich der Medizin zuordnen. Auf der soziologischen Bildfläche ist die Schwangerschaft lange Zeit nicht aufgetaucht bzw. geriet sie erst unter dem Aspekt ihrer Medikalisierung in den Fokus (z. B. Duden 1991). Beiträge zu einer sozialtheoretischen Grundlegung von Schwangerschaft und Geburt als genuin soziales Geschehen entstanden erst in den letzten Jahren (vgl. Hirschauer et al. 2014; Villa et al. 2011). Wir konzentrieren uns auf eine Phase von Paarbeziehungen, die diesen Phänomenen nahtlos vorgelagert ist. Wie werden Paare schwanger und wie stellen wir Sozialwissenschaftler uns diesen Vorgang vor? Antworten auf diese Frage stammen bislang von Studien, deren gemeinsames Ziel die Erklärung des „generativen Verhaltens“ ist. Sie orientieren sich am Begriff der Fertilität, d. h. an der Frage, ob, wann und unter welchen Bedingungen Frauen wie viele Kinder kriegen (werden).

In der Nachfolge früherer Studien, die von der Sorge drohender Überbevölkerung angetrieben wurden (u. a. Mackenroth 1953), ist es in den letzten Jahrzehnten der langfristige demografische Wandel hin zu niedrigen Geburtenzahlen (vgl. Bujard 2015), der überwiegend quantitative Studien aus verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen nach Determinanten der Fertilität einer Gesellschaft suchen lässt (vgl. das Review von Balbo et al. 2013). Diese Suche findet heute vor allem durch Modellbildung auf der Mikroebene statt. Es hat sich ein Denkstil etabliert, der das Kinderkriegen in der Moderne unter individualisierungstheoretische Prämissen (vgl. Beck & Beck-Gernsheim 1994) stellt und es als ein „auf Planung und Entscheidungen“ beruhendes Verhalten (vgl. Feldhaus & Huinink 2005: 195) voraussetzt. Damit legt sich die Forschung primär auf zwei Ziele fest: die Entwicklung ausgefeilter Instrumente zur Messung von Kinderwünschen, Fertilitätsintentionen und Entscheidungskriterien sowie die Bestimmung äußerer Faktoren, die deren Umsetzung begünstigen oder verhindern. Mit Rekurs auf das Rational-Choice-Paradigma und kognitionspsychologische Ansätze wird Fertilität entsprechend entscheidungstheoretisch modelliert.

Wir stellen die empirische Adäquanz dieser kausallinearen Modellbildung in Frage und konfrontieren sie mit der lebensweltlichen Komplexität des Kinderkriegens. Dies führt uns zu dem Schluss, dass die Fertilitätsforschung konstitutive Prozesse des Phänomens nicht nur empirisch ausklammert, sondern auch normativ idealisiert. Eine dem Gegenstand angemessene soziologische Analyse des Kinderkriegens muss zum einen dessen spezifische Kommunikation in den Blick nehmen, also Formen der Thematisierung bzw. Dethematisierung des Kinderkriegens innerhalb der Paarbeziehung. Zum anderen muss sie die das Phänomen auszeichnende körperlich-materielle Dimension berücksichtigen. Dies verlangt nach einem mikrosoziologisch grundierten Kommunikationsbegriff, der über Sprache hinausweist und neben Akteuren auch deren Körper sowie am Geschehen involvierte Artefakte berücksichtigt. So lässt sich beobachten, wie sich der intime Paardiskurs mit der körperlich-sexuellen Ebene der Paarbeziehung verschränkt, während sich ihre Teilnehmer wechselseitig zunehmend als Eltern eines gemeinsamen Kindes antizipieren.

In Abschnitt 1 stellen wir in Grundzügen die theoretische Modellbildung der Fertilitätsforschung vor und setzen uns kritisch mit deren zentralen Argumenten auseinander. Die bis auf wenige Ausnahmen quantitativ verfahrende Forschung zielt darauf ab, Kinderkriegen möglichst kontextreduziert im Rahmen allgemeiner, weitgehend gegenstandsabstrahierender Modelle als Entscheidungshandeln zu erfassen. Alternativ dazu setzen wir in Abschnitt 2 einen ethnografischen Blick auf das Phänomen an, der Kinderkriegen als genuine soziale Praxis im Kontext von Paarbeziehungen versteht. Anhand von Ausschnitten aus drei narrativen Interviews eines exemplarisch ausgewählten Falles stellen wir spezifische Eigenschaften des Phänomens und einige seiner zentralen Alleinstellungsmerkmale dar. Im Abschnitt 3 diskutieren wir in Abgrenzung zu mentalistischen Modellen, welche sozialtheoretischen Gewinne eine praxeologische Perspektive erzielt, die auf Komplexitätsentfaltung und mikrosoziologische Detaillierung setzt.

1 Fertilitätsintention und Fertilitätsverhalten: ein Forschungsstand

Die Studien zur Fertilität entstammen drei wissenschaftlichen Zweigen: (1) Die Demografie nutzt Surveys zur Prognose und Folgenabschätzung der Bevölkerungsentwicklung (z. B. Philipov et al. 2015). (2) Die Familiensoziologie untersucht biografische Planungsprozesse und gesellschaftliche Bedingungen, die Einfluss auf Fertilitätsentscheidungen ausüben. Auf einen Mangel quantitativer Längsschnittdaten reagiert das deutsche Beziehungs- und Familienpanel PAIRFAM (vgl. Huinink et al. 2011), eine interdisziplinäre Studie, die sich u. a. mit Familiengründung und deren Entscheidungsprozessen beschäftigt. (3) Der Fokus der Reproductive-Health-Studies (für die BRD u. a. Helfferich 2013) liegt v. a. beim Verhütungsverhalten, der Schwangerschaftsplanung und dem Umgang mit Abbruchentscheidungen. Die Erkenntnisse fließen in die praktische Beratungsarbeit ein.[1]

1.1 Werdende Elternschaft als Folge ­rationaler Entscheidungsprozesse

Innerhalb der Fertilitätsstudien dominieren zwei Theorieansätze zur Erklärung generativen Verhaltens: Der Rational-Choice-Ansatz und die „Theory of Planned Behavior“ (Ajzen 1991). In der Familiensoziologie wird vor allem der Rational-Choice-Ansatz (vgl. Becker 1992) herangezogen, dessen mikroökonomischer Kern durch Konzepte begrenzter Rationalität (z. B. Esser 1990) erweitert wurde.[2] Sie besagen, dass Akteure gesellschaftlich gegebene Möglichkeiten und Restriktionen je individuell einschätzen und basierend darauf ihre Präferenzen ausbilden.[3] Auch das Konzept der Wohlfahrtsproduktion wurde dimensioniert aufgrund der Annahme, dass die nicht vollständig antizipierbare Zukunft mit Kind die Akteure in ihrer Kosten-Nutzen-Kalkulation überfordert und sie deshalb auf weitere Entscheidungskriterien (Gefühle, Normen usw.) zurückgreifen. Die theoretische Grundlage liefert der Value-of-Children-Ansatz (vgl. Hoffman & Hoffman 1973; Nauck 2001), der auf den sozialen und psychischen „Benefit“ von Kindern verweist.

Mit Bezug auf die individualbiografischen Herausforderungen der modernen Gesellschaft wird die Fertilitätsentscheidung als „äußerst komplexes soziales Phänomen“ (Rille-Pfeiffer 2010: 179; vgl. Huinink et al. 2011) und „als Aneinanderreihung von verschiedenen Einzelentscheidungen“ vorgestellt (Rille-Pfeiffer 2010: 74, vgl. Birg et al. 1991). Dies verlangt nach mikrofundierten Erklärungen individueller bzw. dyadischer Fertilitätsentscheidungen im Kontext ihrer gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Mikrofundierung, die auch in die Demografie Einzug gefunden hat (vgl. Liefbroer et al. 2015), wird über das Mehrebenenmodell nach Coleman (1990) bewerkstelligt, um die Fertilitätsrate einer Population als Aggregat des Fertilitätsverhaltens auf individueller Ebene zu rekonstruieren (vgl. Huinink 2006: 216; Brüderl 2006).

Die Verflechtung von Lebensbereichen und -zielen erfordert außerdem eine interdisziplinäre Ausrichtung der Forschung, um „eine differenzierte dynamische Modellierung von individuellen Entscheidungsprozessen sowie paarbezogenen und innerfamilialen Entwicklungsverläufen“ zu gewährleisten (Huinink 2006: 241). Das PAIRFAM-Panel erweitert das Coleman’sche Modell um eine „Pico-Ebene“ (Feldhaus & Huinink 2005: 199), um auch Persönlichkeitseigenschaften als Einflussfaktoren auf die individuelle Entscheidung zur Elternschaft erfassen zu können. Dazu werden Ansätze aus der Entwicklungs- und Kognitionspsychologie einbezogen.

Dies leitet über zum zweiten zentralen theoretischen Modell der Forschung zur Fertilität, das in demografischen Studien Prominenz erlangt hat: Die „Theory of Planned Behavior“ (TPB) von Ajzen (1991), eine zunächst „inhaltsleere Theorie“ (Ajzen 2011: 64), die sich aber gut zur Analyse von Fertilitätsentscheidungen eigne (vgl. Ajzen & Klobas 2013). Im Zentrum des kognitionspsychologischen Ansatzes steht die Fertilitätsintention, die von der Einstellung determiniert wird, die die betreffende Person (künftigen) eigenen Kindern gegenüber hat, von den subjektiven Normvorstellungen ihrer relevanten Bezugspersonen, und durch die subjektiv wahrgenommene Wahrscheinlichkeit, ihre Fertilitätsabsichten umsetzen zu können. Die auf diese Weise generierte Intention gilt als Prädiktor eines ihr entsprechenden (prozeptiven bzw. kontrazeptiven) Fertilitätsverhaltens (vgl. Ajzen & Klobas 2013; Philipov et al. 2015). Mit der TPB will die Demografie erklären, warum manche Menschen ihre reproduktive Absicht in ein adäquates Fertilitätsverhalten umsetzen, während andere an der Realisierung scheitern.[4]

Die Reproductive-Health-Studies arbeiten dagegen weder mit ökonomischen noch mit kognitionspsychologischen Erklärungsmodellen. Sie orientieren sich an den international verwendeten Standardkategorien (vgl. London et al. 1995) „intended“, „mistimed“ (früher als gewollt) und „unwanted“, mit denen Schwangerschaften klassifiziert werden. Dennoch setzt auch die Forschung zur reproduktiven Gesundheit auf die Korrelation zwischen Schwangerschaftsabsicht und Verhütungsverhalten – und folgt damit einer Verhaltenserwartung, wie sie ganz wesentlich sowohl der TPB als auch dem RC-Paradigma unterliegt. So schreiben z. B. Helfferich et al. (2005: 215) auf Basis ihrer quantitativen Studie zwei Dritteln der Schwangerschaften eine „rationale Entstehungsgeschichte“ zu, mit der Begründung, „sie wurden auf den Zeitpunkt hin gewollt, die Verhütung wurde weggelassen und die eingetretene Schwangerschaft freudig begrüßt und ausgetragen“.

Gegenstand der Diskussionen sind jedoch immer wieder auftretende Befunde, die dem erwarteten Kausalzusammenhang zwischen Fertilitätsintention und -verhalten widersprechen. Es differieren entweder die beabsichtigte und die tatsächlich verwirklichte Kinderzahl (z. B. Philipov 2011), oder die Studienteilnehmer geben z. B. im Fragebogen an, die Schwangerschaft sei nicht intendiert, sei aber freudig begrüßt worden bzw. die Schwangerschaft sei trotz Verhütung beabsichtigt gewesen (Trussell et al. 1999). Helfferich & Kandt (1996: 72) sprechen hier von „Inkonsistenzen zwischen Planungsverhalten und Verhütungsverhalten.“ Folgende Schlüsse wurden daraus gezogen: Im Umfeld der Familiensoziologie kritisieren z. B. Feldhaus & Boehnke (2008: 1690) retrospektive Designs, da sie post-hoc-Rationalisierungen und damit „verfälschte“ Aussagen zur Schwangerschaftsplanung produzieren.[5] In der Demografie wird u. a. die begriffliche Operationalisierung der Fertilitätsintention in den Fragebögen als zu uneinheitlich (als Wunsch, Erwartung, Plan oder Absicht) moniert, da die Befragten die Konzepte nicht unterscheiden können (vgl. Philipov & Bernardi 2011). Im Rahmen der Reproductive-Health-Studies fragt Helfferich (2003), ob die Planbarkeit von Schwangerschaften einem „Mythos“ aufliegt, weil Schwangerschaften möglicherweise vom modernen Anspruch einer rationalen Lebensplanung gar nicht so sehr betroffen seien, sondern eher in der Vorstellung von Familie als „Gegenwelt“ (Helfferich 2003: 199) zu verorten sind. Auch die Einteilung von Schwangerschaften (intended, mistimed, unwanted) wird als zu eng kritisiert, weil sie die Fertilitätsentscheidung zu sehr vereinfache. Intentionen müssten „multidimensional“ begriffen werden (vgl. Santelli et al. 2009). Quantitativ ausgerichtete Studien versuchen das Intentionskonzept entsprechend zu dimensionieren und nicht nur kognitive, sondern auch affektive und kulturelle Aspekte zu operationalisieren und zu messen. Ziel sei es, „to resolve inconsistencies between intentions and contraceptive use.“ (Santelli et al. 2009: 97) Qualitative Studien arbeiten mit Typenbildung: Helfferich et al. (2014) fächern das Item „ungewollt“ in vier Typen auf, Earle (2004) filtert aus den Narrationen „Planungstypen“ heraus, wobei schwer festzulegen sei, wann eine Schwangerschaft eindeutig ungeplant ist. Inkonsistenzen zwischen Fertilitätsintention und -verhalten haben aber auch Ambivalenzkonzepte angeregt: Bernardi et al. (2015) bildeten auf Basis einer Inhaltsanalyse ihrer Interviews eine sechsstufige Klassifikation von Intentionen. Frauen, die kein klares Ja oder Nein zur Kinderfrage äußerten, fielen in die Kategorien „Indifferenz“, „Kontingenz“ oder „Ambivalenz“. Pinquart et al. (2010: 85, vgl. 98) definieren Ambivalenz als „Annäherungs-Vermeidungskonflikt“, der rationales Abwägen behindere. Festzustellen sei ein Zusammenhang zwischen Neurotizismus und Ambivalenz, da in beiden Fällen Probleme der Emotionsregulation erkennbar seien.

Eine weitere Herausforderung der Fertilitätsforschung ist es zu begreifen, wie Fertilitätsentscheidungen in ihrer Partnerabhängigkeit getroffen werden, sie also stärker auf der Ebene des Paares zu verorten. Untersucht wird z. B. der Übereinstimmungsgrad der Partner: Die Paare werden instruiert, den Fragebogen zeitgleich und getrennt voneinander auszufüllen, um einer gegenseitigen Einflussnahme vorzubeugen (Stöbel-Richter et al. 2006: 49). Im PAIRFAM-Panel legen Feldhaus & Huinink der Paarentscheidung das Modell „dyadischer Interdependenz subjektiv-situationaler Motivstrukturen“ zugrunde, das besagt, „dass zwei Akteure sich in ihren Handlungen gegenseitig als Teil der Handlungssituation darstellen“.[6] Ähnlich wird dyadisches Entscheiden in der Demografie konzipiert: Philipov et al. (2015) fragen in Anlehnung an die Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen 1991) nach der (angenommenen) Einstellung der Partner, ausgehend davon, dass diese den Befragten als normative Referenz dient. Neben Arbeiten, die von einem Paarkonsens ausgehen (u. a. Kuhnt 2013), setzen andere Autoren divergente Absichten voraus und widmen sich den Aushandlungsmodi. Bauer & Kneip (2013) kommen etwa zum Ergebnis, dass der Partner, der Kosten durch Kinder befürchtet, ein wirksames Veto gegen den Wunsch des anderen einlegen kann.

Bleibt zum Schluss noch, auf vereinzelte qualitative Studien hinzuweisen: Borchart & Stöbel-Richter (2004) führten Einzelinterviews mit den Partnern, um deren subjektive Sichtweisen interpretativ zu rekonstruieren. Die Interviews wurden anschließend von den Forscherinnen zu „Fallgeschichten“ synthetisiert, wobei dem Leser jegliches Datenmaterial vorenthalten bleibt. Rille-Pfeiffer (2010) führt Paarinterviews vor dem Hintergrund der Frage, wer von beiden Partnern den Ausschlag in der Kinderfrage gibt. Sie geht ebenfalls von der Prämisse aus, dass der dyadischen Entscheidung zwei (divergente) individuelle vorausgehen. Rijken & Knijn (2009) sprechen mit Paaren und finden heraus, dass die Entscheidung meist ohne langes Nachdenken erfolgt und der Wunsch häufig zusammen mit dem richtigen Partner emergiere.

1.2 Normativer Rationalismus als Problem

Trotz Reduzierung der stärksten Annahmen rationaler Wahl wohnt der Forschung zur Fertilität disziplinübergreifend ein konzeptionelles Denken inne, das wir mit dem Begriff des normativen Rationalismus fassen wollen: Die entscheidungstheoretische Hintergrundfolie, vor der das Kinderkriegen im Rahmen der beschriebenen Modelle betrachtet wird, führt implizite Normativismen mit, die den Blick auf die soziale Dynamik des Phänomens verstellen. Seine soziologische Entdeckung jenseits gesellschaftlich-normativer Engführungen wird verhindert, weil die Forschung unhinterfragt Erwartungsschablonen folgt, die primär gesellschaftliche Imperative, etwa zur „verantworteten Elternschaft“ (Kaufmann 1990) oder zum „geschützten“ Geschlechtsverkehr, wiederspiegeln. Schwangerschaften werden binär vorcodiert: Geplante und deshalb als erwünscht vorausgesetzte gelten als Normalfall, ungeplante sind zu vermeiden. Wie sehr sich die Forschung an gesellschaftlichen Erwartungen orientiert, spiegelt sich z. B. in der Frage, wie in der BRD „in Zeiten sicherer Verhütungsmittel“ ein so hoher Anteil (bis zu 40 %) ungeplanter Schwangerschaften erklärbar sei (Feldhaus & Boehnke 2008: 1682; vgl. Helfferich et al. 2013: 7), oder in beobachtungsleitenden Aussagen wie „Verhütung ist notwendig und vernünftig, wenn ein Paar Geschlechtsverkehr hat, aber kein Kind möchte.“ (Helfferich et al. 2005: 153) Zeigt sich die erwartete Handlungsrationalität in den Daten nicht, ist von „Verwerfungen in der Rationalität der Planung“ (Helfferich et al. 2005: 204) auszugehen und es gilt herauszufinden, warum Frauen ohne Kinderwunsch „nicht sorgfältig“ verhüten (Helfferich & Kandt 1996: 73).[7]

Mit ihrer normativ-rationalen Hintergrundfolie bewegen sich die Fertilitätsstudien nicht zuletzt nahe an politischen Belangen: Die historische Entwicklung des Geburtenrückgangs wurde in vielen sozial- und bevölkerungswissenschaftlichen Publikationen zum zentralen gesellschaftlichen Problem erklärt (vgl. Correll 2010: 25 f.). Die Demografie misst die biologische Reproduktion der Gesellschaft und orientiert sich implizit am normativen Ideal einer biologischen „Ausgleichsrate“, die 2,08 Kinder pro Frau für eine „konstante Reproduktion“ vorsieht (Bujard & Diabaté 2016: 395).[8] Die Politik gründet ihre familienpolitischen Maßnahmen auf solche Zahlen, während etwa die Familiensoziologie untersucht, welche Bedeutung diese Maßnahmen für Paare bei ihrer Entscheidung zur Familiengründung und -erweiterung haben (vgl. Buhr & Huinink 2012). Aus ihren Forschungsergebnissen werden wiederum Schlussfolgerungen zur Schaffung möglicher Anreize für mehr Schwangerschaften abgeleitet (vgl. Buhr & Huinink 2012: 338). Zu den Adressatinnen gehören vor allem gut ausgebildete Akademikerinnen, die tendenziell zu spät, zu wenige oder gar keine Kinder bekommen (vgl. Bauer & Jakob 2010: 43).

Die Fertilitätsforschung wirkt so, als folge sie einer prokreativen Agenda, indem sie sich implizit das Lamento stagnierender Geburtenzahlen (vgl. Bujard 2015) zu eigen macht. Analog dazu ist der Forschung im Rahmen der Reproductive-Health-Studies auch ein Interesse an Reproduktionskontrolle eingeschrieben, das einem Streben nach Lebensschutz entspricht. Zu viele Abtreibungen trotz Zugang zu sicherer Verhütung bilden ein gesundheitspolitisches Problem, das bessere Sexualaufklärung und Beratung zur Familienplanung notwendig erscheinen lässt.[9] In einer wissenssoziologischen Perspektive ist man durchaus an Foucaults Analyse der Biomacht erinnert (vgl. Foucault 1977; Gehring 2006): Die Fertilitätsforschung erscheint als neue „Scientia sexualis“ (Foucault 1977: 55), die Wissen generiert, an das eine „Biopolitik der Bevölkerung“ anknüpfen kann, deren Ziel die Regulierung des „Gattungskörpers“ (Foucault 1977: 135) ist. Die dazugehörige Größe ist die Sexualität, der Angriffspunkt das Fortpflanzungsverhalten des familienplanenden Paares, das es entsprechend zu regulieren gilt.

Auf der Mikroebene kommt der normative Rationalismus insofern zum Tragen, als mit dem RC-Ansatz und der Theorie des geplanten Verhaltens Kinderkriegen als Entscheidungshandeln bzw. intendiertes Verhalten vorausgesetzt wird. Die damit einhergehende Komplexitätsreduktion erhält ihre Funktionalität im Rahmen eines Mehrebenendesigns (vgl. Coleman 1990), das eine klare Rückbindung von Fertilitätsereignissen (z. B. einer Schwangerschaft) an Akteure und deren Einstellungen bzw. Handlungsintentionen verlangt. Die Mikroanalyse ist dann Mittel zum Zweck für eine konsistente Aggregation von Fertilitätsentscheidungen auf der Makroebene (z. B. die Geburtenrate). Der Anspruch dieses Vorgehens ist also kein soziologisch durchdringendes Verständnis des Kinderkriegens, sondern lediglich die Konstruktion eines vereinfachten, im Rahmen der methodischen Erfordernisse funktionierenden, operationalisierbaren und empirisch möglichst konsistenten Modells. Dies hinterlässt das Desiderat, dass derzeit kein Forschungsprogramm existiert, das sich dem Kinderkriegen mikroanalytisch als sozialem und soziologisch zu verstehendem Phänomen sui generis widmet, ohne auf entscheidungs- bzw. verhaltenstheoretische Ansätze zu rekurrieren. Zudem ist höchst fraglich, ob die in den Modellen enthaltenen Prämissen dem Gegenstand überhaupt qualitativ angemessen sind, um ihn in seiner Spezifik erfassen zu können:

(1) Kinderkriegen wird auf eine deduktive Formel gebracht: Die Fertilitätsentscheidung bzw. -intention (Kind ja/nein) determiniert das Fertilitätsverhalten (Verhütung ja/nein), das dann zur Geburt eines Kindes führt oder sie verhindert. Komplexität wird einseitig in der Fertilitätsentscheidung bzw. -intention verortet und Kinderkriegen dadurch mentalistisch verkürzt. Kinderwünsche bzw. Fertilitätsintentionen werden präsozial und beziehungsunabhängig via Kognitionspsychologie in den Köpfen von Individuen lokalisiert oder gar biologistisch in ihre Gehirne eingenistet (vgl. Miller & Pasta 1993). Der damit verbundene methodologische Individualismus verfehlt die soziale Dimension des Gegenstands, weil er die in Paarbeziehungen stattfindenden kommunikativen Konstruktionsprozesse empirisch gar nicht erfasst. Problematisch ist, dass die Fertilitätsforschung mit dieser Konzeption implizit jene Ansprüche, die sie an ihre theoretischen Modelle stellt (Einfachheit, Linearität, Konsistenz, Zurechenbarkeit etc.) auf das Phänomen selbst projiziert: Kinderkriegen wird zu einem vernunftgeleiteten (rationalen) Entscheidungsverhalten gemacht. Dies geht Hand in Hand mit einem Denkstil, der Kinder unter individualisierungstheoretischen Annahmen als „Kopfgeburten“ (Beck-Gernsheim 1988: 163) diagnostiziert. Zweifellos haben mit der Modernisierung in vielen Bereichen voluntative Entscheidungen zugenommen, doch die empirischen Indizien sprechen dafür, dass sich das Kinderkriegen nicht vollständig in diese Linien einfügt. Wenn das Phänomen jedoch so stark mit Entscheidungshandeln assoziiert wird, tangiert man den Gegenstand nur an seinen deduzierbaren Rändern und verfehlt seine Vielgestaltigkeit und seinen entscheidungsaversiven „Eigensinn“.

(2) Das entscheidungstheoretische Vokabular beherrscht die Forschung wie ein „Denkzwang“ (Fleck 1980: 131), der auch gegen eigene, widersprechende Befunde axiomatisch aufrechterhalten wird, statt die Gegenstandsangemessenheit des wissenschaftlichen ‚Sehapparats‘ infrage zu stellen. Der den Modellen inhärente normative Erwartungsstil bedingt, dass die Forschung selbst im Enttäuschungsfall an ihren Erwartungen festhält und sich so der Möglichkeit verschließt, Enttäuschungen zu nutzen, um vom Gegenstand zu lernen und ihn in seiner Eigenlogik zu durchdringen (vgl. Luhmann 1990: 138).[10]

(3) Mit dem Fokus auf Entscheidungshandeln entgeht der Forschung auch die körpersoziologische Relevanz (vgl. Gugutzer 2004) des Gegenstands. Kinderkriegen wird auf einen seltsam körperlosen Vorgang reduziert bzw. wird implizit unterstellt, dass die Befragten einen instrumentellen Umgang mit dem Körper pflegen, der die Sexualität der Zeugungsabsicht bzw. ihrer kontrazeptiven Kontrolle unterordnet. Mit diesem Rückzug auf mentale Prozesse wird die lebensweltliche Praxis des Kinderkriegens systematisch verfehlt, indem sie forschungsmethodisch entzweit wird: Einer geistigen Sphäre (Ratio), die zum Analysegegenstand gemacht wird, wird eine körperlich-sexuale entgegengesetzt und untergeordnet, da sie als biologische Basis unter kognitiver Regie begriffen wird.

Methodisch stellt sich die Frage, inwiefern die körperliche Dimension der Paarbeziehung im Zusammenspiel aus Sexualität und Zeugung über standardisierte Fragebögen empirisch überhaupt erreichbar ist. Schauen wir uns im Folgenden die Fragenbögen in der Praxis an. Zu ihren Prämissen zählt, dass Akteure prinzipiell in der Lage sind, jederzeit Auskunft darüber zu geben, was sie (tun) wollen. Dies wird reifiziert, indem Fragebatterien entsprechende (Willens-)Entscheidungen abverlangen (die Befragten müssen aus einer Liste von Antworten wählen). Wenn nun aber den Fragen der theoretische Impetus eingeschrieben ist, dass Elternschaft auf Entscheidungen beruht, verlangt der Imperativ, sich für eine oder mehrere Antworten zu entscheiden, zugleich, sich Entscheidungen zuzuschreiben, d. h. sich zu entscheiden, wie man (damals) entschieden hat oder sich (in Zukunft) entscheiden wird.

Die Annahme eines rational reflektierenden Umgangs mit Lebensfragen zeigt sich paradigmatisch im Leipziger Fragebogen zur Kinderwunschmotivation (Brähler et al. 2001: 98): „Jeder Mensch hat schon einmal über seinen persönlichen Kinderwunsch nachgedacht.“ Dies unterstellt einen vom Messapparat unbeeinflussten Gegenstand und ignoriert, dass der Fragebogen etwas mit seinen Informanten „macht“: Er triggert mitunter Entscheidungen, die der Befragte morgen vielleicht nie getroffen haben würde, hätte er sich heute nicht dafür entschieden, sie morgen zu treffen, eben weil ihm der Fragebogen anbot, sich heute zu entscheiden, die Entscheidung morgen treffen zu werden. Dieser Entscheidungsimperativ zeigt sich auch bei PAIRFAM (www.pairfam.de, Fragebögen: Ankerperson, Welle 6, 2013/14: 207–215): „Wenn Sie nun einmal alle Hindernisse außer Acht lassen, wie viele Kinder würden Sie im Idealfall insgesamt gerne haben?“, „Haben Sie vor, in den nächsten zwei Jahren ein (weiteres) Kind zu bekommen?“, „Wenn Sie einmal realistisch über eigene (weitere) Kinder nachdenken, in welchem Alter denken Sie, werden Sie Ihr erstes bzw. Ihr nächstes Kind bekommen?“, „Haben Sie oder Ihr Partner seit der letzten Befragung versucht, ein Kind zu zeugen/schwanger zu werden?“. Gleicht dies nicht eher einer Art ‚Kinderwunschimplantation‘, die den Akteuren zu Forschungszwecken verschrieben wird? Für kinderlose Paare in entsprechendem Alter dürfte es dem Inbegriff eines Aktes „sozialer Schwängerung“ (Hirschauer et al. 2014: 59) entsprechen. Umgekehrt bei der Frage nach Unfruchtbarkeit im PAIRFAM-Bogen (Ankerperson, Welle 6, 2013/14: 206): „Manche Menschen sind körperlich nicht in der Lage, auf natürlichem Wege Kinder zu bekommen bzw. zu zeugen. Soweit Sie es wissen, wäre es für Sie rein körperlich möglich, Kinder zu bekommen bzw. zu zeugen?“ Diese Frage erklärt die Adressaten für potentiell impotent und enthält eine latente Ermahnung, darüber doch etwas in Erfahrung bringen zu können.

Im PAIRFAM-Modul „Sexualität und Verhütung“ (Ankerperson, Welle 6, 2013/14: 202 ff.) werden die Befragten aufgefordert zu berichten, wie oft sie in den letzten drei Monaten Geschlechtsverkehr hatten, wie zufrieden sie mit ihrem Sexualleben sind (auf einer Skala von 0 bis 10), ob sie verhüten oder nicht, und wenn ja, wie und wie konsequent. Sie werden gefragt, ob, wie lange und mit welchen Maßnahmen sie versuchen, ein Kind zu zeugen bzw. eine Schwangerschaft herbeizuführen. Schon scheinbar objektive Daten, wie die durchschnittliche Frequenz des Verkehrs, dürften nicht problemlos abfragbar sein. Fragen nach der Zufriedenheit mit dem Sexualleben unterstellen zum einen, dass dieses von der „übrigen“ Beziehung isoliert ist und sich Sex, Zeugung und Paarbeziehung getrennt und unabhängig voneinander messen lassen.[11] Zum anderen verlangen sie von den Befragten eine hinreichend klare und reflektierte Vorstellung von „guter“ Sexualität. Die Fragen dürften außerdem (z. B. generationenbedingt) auf ganz unterschiedliche Selbstverhältnisse zur Sexualität treffen. Sie mögen dem Sex mancher Paare entsprechen, den von anderen jedoch weit verfehlen.

Wir fassen unsere Kritik zusammen: Die Fertilitätsforschung möchte ursächlich erklären, wann und warum Menschen/Paare (keine) Kinder kriegen, um Aussagen zur Fertilitätsentwicklung auf gesellschaftlicher Ebene machen zu können. Sie behandelt werdende Elternschaft primär im Lichte ihrer äußeren Bedingungen und normativen Umstände (materielle Ressourcen, Paarzufriedenheit, Bildungsgrad, Religionszugehörigkeit usw.), unter denen ein Kind (nicht) gewünscht wird, bzw. unter denen der Wunsch bzw. die Intention (nicht) in die Tat umgesetzt wird. Das Kinderkriegen wird also als eine von sozialen Bedingungen abhängige Variable behandelt, nicht aber als etwas Soziales an sich begriffen. Die auf Entscheidungshandeln ausgerichteten Modelle bieten nur einen eng gesteckten Rahmen, der verhindert, den Gegenstand des Kinderkriegens unter der Prämisse des zu entdeckenden Unbekannten zu betrachten.[12]

2 Die Praxis des Kinderkriegens: eine Fallanalyse

Anhand der folgenden Fallstudie wollen wir die Forschungsdiskussion zur Fertilität mit einer detaillierten Mikroanalyse der interaktiven und kommunikativen Dynamik eines Paares auf dem Weg in die Schwangerschaft konfrontieren. Dazu begeben wir uns in den „Hot Spot“ des Paargeschehens, um dessen soziale Mikrologik zu entfalten.

2.1 Theoretischer Hintergrund und Forschungsstrategie

Anstelle eines modellgeleiteten Blicks auf das Datenmaterial setzen wir auf induktive Begriffsbildung und schlagen dazu eine praxeologisch orientierte Perspektive vor: Während sich Handlungstheorien um das atomistische Individuum zentrieren, das Motive generiert und in Handlungen überführt, setzt die aus der Kulturtheorie stammende Praxistheorie „tiefer“ an, nämlich bei der situierten Seite des Verhaltens. Mit Praxis wird auf den körperlichen Vollzug sozialer Phänomene rekurriert, während Praktiken spezifische Formen dieses Vollzugs darstellen („ways of doing“). Sie haben keine Urheber, sondern Träger bzw. Teilnehmer. Diese sozialtheoretische Neuausrichtung geht mit der Abkehr von intentionalistischen und rationalistischen Idealisierungen einher (Hirschauer 2016; Reckwitz 2003). Der Blick verschiebt sich von inneren und äußeren Aufforderungen (Motiven/Intentionen bzw. gesellschaftlichen Normen) zu situativen Gelegenheiten, die uns etwas tun lassen, oder die uns nahelegen, etwas geschehen zu lassen. Im Fokus ist die Interaktion verstanden als sozial verteilte „Koaktivität“, in deren Verlauf erst Sinn entsteht, und die sich in ein Kontinuum von Aktivitätsniveaus auffächern lässt (vgl. Hirschauer 2016: 49). Damit korrespondiert eine Akteursdezentrierung, die die Berücksichtigung von Körpern und Artefakten als materielle „Partizipanden“ der Praxis eröffnet (vgl. Hirschauer 2004). Um ihren Beitrag angemessen analysieren zu können, wird die Alleinzuständigkeit des Akteurs suspendiert und durch die Distribution von „Agency“ über die heterogenen Träger einer Praxis ersetzt.[13]

Mit dieser praxeologischen Denkfigur lässt sich dann fragen: Wie ‚geht‘ Kinderkriegen? Wie gehen aus Paaren Kinder bzw. Elternpaare hervor? Unser Forschungsinteresse ist dem Gestus ethnografischer Neugier verhaftet. Das Potential und die Herausforderung der ‚indigenen‘ Ethnografie liegen darin, die Vertrautheit mit der eigenen Kultur aufzubrechen. Phänomene, die wir bestens zu kennen glauben, werden methodisch befremdet, d. h. zum „frag-würdigen“ Gegenstand gemacht (vgl. Amann & Hirschauer 1997: 12). Je vertrauter sie sind, desto stärker müssen sie in Form einer mikroskopischen Feinanalyse auf Distanz zum Betrachter gebracht werden. Ziel einer ethnografisch inspirierten praxeologischen Analyse ist es nicht, Phänomene (ursächlich) zu erklären, sondern sie zu explizieren (vgl. Amann & Hirschauer 1997: 13).[14]

Das Rückgrat unserer gegenstandsorientierten Analyse der lebensweltlichen Praxis des Kinderkriegens bildet unsere Soziologie der Schwangerschaft (vgl. Hirschauer et al. 2014). Wir fassen Schwangerschaften nicht ontisch als primär biologische und ‚weibliche‘ Körpervorgänge auf, die von sozialen Prozessen nur flankiert werden. Diese Brechung mit alltagsweltlichen und biomedizinischen Prämissen ermöglicht es, die Schwangerschaft als genuin soziales Geschehen zu beobachten und auf soziologisch informierte Weise zu fragen, wie Körper und Artefakte an ihr beteiligt sind. So zeigt sich z. B., dass körperliche Veränderungen erst in Verbindung mit eng an sozialen Beziehungen geknüpften Erwartungen zu Schwangerschaftszeichen werden, die sich dann kommunikativ zur Tatsache verdichten (vgl. Hirschauer et al. 2014: 41 ff.).

Zum Forschungsprocedere: Gemessen an einem Methodenverständnis, das auf klare Verfahrensregeln setzt, die es dogmatisch und „sauber“ anzuwenden gilt, ist die Ethnografie keine „Methode“, sondern versteht sich als „Forschungsstrategie, sich einem sozialen Phänomen empirisch so zu nähern, dass es sich dem Beobachter in seiner Vielfältigkeit, Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit zeigen kann.“ (Breidenstein et al. 2013: 8 f.) Um dieses Ziel zu erreichen, führten wir offene Interviewgespräche, die zur „Entfaltung ‚innerer Erlebniswelten‘ einladen“ (Hirschauer et al. 2014: 15). Je nach Eloquenz, Motivation und Reflexivität unserer Gesprächspartner ließ sich dies mehr oder weniger interventionsfrei und dialoggesteuert erreichen. Aus den transkribierten Interviews haben wir dichte Einzelfallbeschreibungen erarbeitet, die wir kontrastiven Analysen unterzogen haben. Entlang der Forschungshaltung der Grounded Theory (Glaser & Strauss 1967) haben wir aus den Erzählungen signifikante Themen identifiziert und Schlüsselszenarien rekonstruiert (z. B. anekdotische Schilderungen, die Skizzierung des Ablaufs bestimmter Situationen, die Reinszenierung von Diskussionen im Paar usw.). Wir verwendeten das (Paar-)Interview aber nicht nur, um Auskünfte über Ereignisse zu erhalten, sondern auch als Gelegenheit zur „teilnehmenden Beobachtung“ (Hirschauer et al. 2015): die Äußerungen unserer InformantInnen verstehen wir immer auch als Interaktionszüge. Das Paar erzählt uns nicht nur über sein Privatleben, es lässt seine Paarbeziehung „auch – inszeniert oder unkontrolliert – im Interview stattfinden“ (Hirschauer et al. 2015: 3).

Der folgende Fall ist einem Sample von 30 Elternwerdungsnarrativen entnommen, die aus zwei Forschungsprojekten mit insgesamt 120 Fällen stammen.[15] Qualitative Daten sind schwer platzsparend zu synthetisieren, besonders im enggesteckten Rahmen eines Zeitschriftenaufsatzes. Weil wir die Falltiefe maximieren und deren Komplexität analytisch durchdringen wollen, haben wir uns für die Darstellung eines Falles entschieden, zu dem drei Interviews vorliegen. Für die Auswahl entscheidend war nicht nur der forschungsstrategische Wert des Falles, sondern auch die Datenqualität, die vom Rapport, dem Interaktionsgeschick der Interviewerin und dem Reflexions- und Erzähltalent der InformantInnen bestimmt wird. Vor dem Hintergrund außer- und ungewöhnlicher Prozesse des Elternwerdens, die eine Vielzahl unserer Fälle auszeichnen (vgl. Hirschauer et al. 2014) und auf deren Darstellung wir hier aus Platzgründen verzichten müssen, ist die Elternwerdung von Uwe & Eva (Aliasnamen) in ihren Grundparametern am ehesten exemplarisch für einen ‚durchschnittlichen‘ Verlauf. Der Fall stellt keine spektakuläre Ausnahme dar, sondern steht vor allem durch die ausgeprägten reflexiven Verhandlungen, die das Paar in der Interviewsituation führt, auf den ersten Blick in weniger starkem Kontrast zu Rational-Choice-Prämissen als andere Fälle. Vor allem aber eignet sich die Geschichte von Eva und Uwe gut, um aus der Tiefe des Falles heraus über den Fall hinausweisende Charakteristika des Phänomens zu beschreiben bzw. zu illustrieren.[16]

Eva (29, Juristin) und Uwe (34, Sozialarbeiter) sind seit 15 Jahren ein Paar. Zum Zeitpunkt der Einzelinterviews ist Eva in der 20. Woche schwanger, das Paarinterview findet drei Monate nach der Geburt des Kindes statt. Die Serie offener Interviews gibt uns einen tiefen Einblick in den dynamischen interaktiven Verlauf der (sozialen) Schwängerung und Elternwerdung des Paares.[17]

2.2 Wie kommt der Kinderwunsch in die Paarbeziehung?

Eva beschreibt zu Beginn des Interviews ihren biografisch geprägten Familiensinn:

E(E): Ich komm aus einer sehr funktionierenden Familie, ich hab immer mitbekommen, dass Familie immer füreinander da ist. Von daher war für mich eigentlich immer selbstverständlich, dass Familie irgendwie dazu gehört.

Konkreter stellte sich die Kinderfrage jedoch erst allmählich im Rahmen der langjährigen Beziehung. Es zeigen sich erste Ungleichzeitigkeiten:

U(E): Das Kind ist halt immer wieder Thema gewesen, nachdem das keine Entscheidung nur für einen von beiden ist und auch eine sehr langfristige oder grundsätzliche Entscheidung. (…) Das hat sich dann immer wieder mal verändert. Wenn klar ist, wie die Zukunft ablaufen kann, dann wirkt alles irgendwie sicherer, dann kann man sich das eher vorstellen. Wenn die Jobaussichten schlechter waren, dann war auch das Kinderthema wieder in weiterer Ferne. (…) Eva hat eher darauf gewartet, wie ich grad zum Thema stehe, sie wollte einfach Kinder und bei mir hat es ja gewechselt. Wenn sie mich jetzt jeden zweiten Tag drauf angesprochen hätte, ist das sicherlich keine geschickte Strategie, um einen Meinungswandel hervorzurufen, sondern führt wahrscheinlich zur Gegenreaktion, dass man sagt: ‚wenn du jetzt noch zehn Mal frägst, dann erst recht nicht!‘ Von daher war sie da sehr geschickt (schmunzelt) in der Taktung und in der Taktik, dass sie mir da den Raum lässt, mich zu entscheiden und mich damit anzufreunden mit dem Gedanken.

Uwes Äußerung zeugt von der wechselseitigen Abhängigkeit, die den Kinderwunsch zu einer relationalen Angelegenheit macht. Er besitzt eine soziale Form, da er in der Regel an jemand bestimmtes (den Partner, die Partnerin, den Reproduktionsmediziner, oder aber auch an den eigenen Körper) gerichtet werden muss und in dieser Relationalität eine Dynamik entfaltet, die laufend auf die Akteure zurückwirkt.

Auch Eva beschreibt, wie das Thema allmählich im Zuge der Paarkommunikation Fahrt aufnimmt und oszilliert:

E(E): Er hatte eine Phase, wo er gesagt hat, ‚nee Kinder irgendwie gar nicht, wenn dann adoptieren‘. Und dann war‘s plötzlich wieder ‚ja, also eigene Kinder doch‘. (…) Aber für mich kam eigentlich nie der Gedanke auf, dass Kinder gar nicht in Frage kommen. (…) Klar war, wir studieren jetzt erst mal fertig. Er ist Sozialarbeiter, er musste einen Job bekommen. Und ich wollte auch erst mal meinen beruflichen Weg so ein bisschen sortieren. (…) Und nachdem wir schon so lange zusammen sind, war das immer so ein (lacht) Auf und Ab.

Kinderwunschäußerungen in Paarbeziehungen lassen sich mit Austin (1962) als performative Sprechakte verstehen, mit denen die Akteure etwas „tun“, nämlich den Partner potentiell zu „eltern“.[18] Soziologisch ist der Kinderwunsch keine bestandsförmige oder gar konstante ‚Einstellung‘ in den Köpfen von Individuen, sondern als kommunikative Form zu verstehen. Erst die Äußerung macht ihn sozial existent. Dies geschieht meist auf ganz unterschiedliche Weise und auch in verschiedenen Kontexten: von privaten Zukunftsfantasien, Gesprächen im Rahmen der Paarkommunikation oder unter Freunden, über anspielende Erwartungen potentieller Großeltern, als Behandlungsbedingung im Kinderwunschzentrum, bis hin zu Fragebögen oder Interviews, in denen nach „dem Kinderwunsch“ gefragt wird.

Die Kinderwunschkommunikation kann sich (wie hier) aus verschiedenen Gesprächen zusammensetzen, die sich etwa auf das Beenden des Studiums und die berufliche Zukunft beziehen.[19] Sie besteht aber vor allem auch aus Phasen der Nichtthematisierung, um das Gewicht, das in diesem Thema steckt, nicht zu sehr auf die Beziehung drücken zu lassen. Damit sich ein Paar gemeinsam aufs Kinderkriegen einstellen kann, kommt es also weniger auf das „Kinderwünschen“ an, sondern auch darauf, es kommunikativ geschickt einzuführen und zu dosieren, eben weil es etwas genuin Triadisches konstituiert: Mit dem Kind wünscht man sich meist auch den Partner als Vater bzw. Mutter. Diese Kommunikation besitzt aber nicht nur Vereinigungs-, sondern auch jede Menge Spaltungspotential – immerhin können Beziehungen auch am Kinderwunsch zugrunde gehen. Soll ein Kind als gemeinsame Zukunftsperspektive in der Beziehung wachsen, darf es also in vielen Momenten gerade nicht kommuniziert werden. Sonst ist es so, wie mit vielen Pflanzen, die eingehen, weil sie zu viel gegossen wurden.

2.3 Die schwierige Synthetisierung von Erwartungen

Während bei Eva das Durchspielen der beruflichen Zukunft die Option Kind konstant hält, wird sie von Uwe immer wieder verworfen. Das irritiert Eva zwar kurzfristig, doch sie wiegt sich in Sicherheit, indem sie das Schwanken ihres Partners wohlwollend aussitzt und auf die Zeit vertraut, die die Kinderfrage schon zu ihren Gunsten regeln wird. Als Uwe dann schließlich grünes Licht fürs Schwangerwerden gibt, stellt Eva die Ampel auf Gelb zurück:

E(E): Als wir dann beide im Beruf waren, ging‘s dann mehr von ihm aus interessanterweise. Er hat relativ schnell gesagt: ‚Worauf warten wir jetzt eigentlich noch?‘ Und ich hätte tatsächlich noch ein bisschen Zeit gebraucht. (…) Man hat ja immer so Ausreden, so ‚jetzt lass uns doch noch den Urlaub machen und dieses und jenes‘, also immer so ‚ja danach dann‘. Und er immer: ‚ja warum denn?!‘ und ich so: ‚nee nee, jetzt cool down!‘. (…) Dann haben wir aber noch eine Reise gemacht und >dann hab ich einfach die Pille abgesetzt< (schnell hinterhergeschoben), weil ich die auch nicht mehr nehmen wollte. Also ich weiß nicht, ob das irgendwie ein innerlicher Instinkt ist, der einem irgendwann sagt ‚hör mal mit den Hormonen auf, die du seit 15 Jahren in dich rein schaufelst‘ oder ob das wirklich diese innere Uhr ist, die irgendwann sagt ‚jetzt ist mal Schluss‘.

Die Ungleichzeitigkeit des Erwartungsaufbaus mündet in eine Situation, in der er nun doch will und sie daraufhin dann doch noch nicht will. Der Pillenstopp ist weder eine direkte Reaktion auf Uwes Drängen, noch wohnt ihm eine klare Fertilitätsintention vonseiten Evas inne, noch geht ihm eine gemeinsame (oder gar rationale) Entscheidung voraus. Eine solche Interpretation würde hermeneutisch vereindeutigen und methodisch verhindern, genau jene Kontingenzen und Ambivalenzen zu beobachten, an denen sich die Teilnehmer hier abarbeiten (Nassehi & Saake 2002; Hirschauer & Bergmann 2002). Eva beschreibt das Absetzen der Pille als ad-hoc-Aktion, deren Sinnstiftung in erster Linie der Interviewsituation geschuldet ist. Sie fällt ihr nachträglich offensichtlich selbst schwer, da sie sie auch nicht mit einer klaren Absicht unterlegen kann (z. B. nun schwanger werden zu wollen). Eine mögliche Schwangerschaft konfrontiert Eva mit einer unsicheren Zukunft, die ihr in mehreren Hinsichten Angst macht:

E(E): Ich wusste ja nicht, wie das ist, schwanger zu sein. Krieg ich gleich Megablutungen oder Ausschlag? Ich wollte das einfach noch so weit wie möglich rausschieben, weil es ist schon ein bisschen Angst. Wir sind beides Menschen, die eigentlich ziemlich viel unternehmen, und da wusste ich nicht, wie angebunden bin ich dann?

Es sind drei Erwartungsebenen, auf die sich Eva bezieht: Sie weiß nicht, (1) wie sie körperlich auf eine Schwangerschaft reagieren wird, (2) was diese mit ihrer Paarbeziehung macht, und auch nicht, wie sie (3) als Person mit den neuen Bindungen umgehen können wird, die einerseits ihren Partner und andererseits die gemeinsame Zuständigkeit für eine künftige Person betreffen. Sie antizipiert aber, dass ihr Körper, die Paarbeziehung und auch sie selbst nach dem Eintritt in eine Schwangerschaft bzw. dem Prozess, der damit angestoßen wird, nicht mehr dieselben sein werden. Es ist wie der Gang durch ein magisches Tor, das kein Zurück bietet. Nicht erst die Elternschaft, schon die antizipierte Elternwerdung ist subjekttransformativ – die daran beteiligten Akteure bleiben nicht die Gleichen.

Eva muss aber nicht nur ihre eigenen Erwartungen managen, sie muss sich in der Kommunikation auch ständig zu den Erwartungen ihres Partners verhalten, die wiederum mit ihren eigenen wechselwirken. Dazu kommen gespiegelte gesellschaftliche Erwartungen aus ihrem sozialen Umfeld (u. a. Anspielungen von Geschwistern), dass es doch nun langsam mal an der Zeit wäre. Evas Ambivalenz besteht darin, dass sie einerseits den Erwartungen (noch) nicht gerecht werden will bzw. diese sich (noch) nicht zu eigen machen möchte, andererseits will sie sie aber auch vor sich selbst nicht enttäuschen.

Auf den ersten Blick scheint es vielleicht so, als löse Eva diese konfligierenden Erwartungen einfach in einer Handlungsentscheidung auf.[20] Bei genauerem Hinsehen offenbart sich das Weglassen der Pille jedoch als eine Art „Delegation“ (vgl. Latour 2008), die einen Reflexionsprozess vielmehr umgeht und die ihm inhärente Unsicherheit nur verlagert: Die Frage der Schwangerschaftsvermeidung wird nun stärker in die Paarinteraktion verschoben (Kondom oder nicht) und zugleich dem Körper übergeben. Es ist für Eva nämlich keineswegs klar, ob er überhaupt schwanger werden kann:

E: Ich hab die Pille ja genommen seit ich 16 war, also über einen unfassbar langen Zeitraum und ununterbrochen. Im Normalfall ist es sehr berechenbar alles, also der Zyklus. Das war alles so planbar und sicher und man gewöhnt sich so dran. Und dann konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass man überhaupt schwanger werden kann, weil dieses Pille-Nehmen geht so über in den Alltag, dass man gar nicht mehr merkt, dass man da irgendwas verwendet. Also ich hatte da eher Angst, dass ich keine Kinder mehr kriegen kann, wenn man das so lang nimmt.

Der Pillenstopp ist für Eva eine mit großer Unsicherheit verbundene Unterbrechung einer jahrelang aufrechterhaltenen Körperroutine, die ihr als „Verhütung“ gar nicht mehr bewusst war. Die große Unbekannte ist also nicht nur die mögliche Schwangerschaft bzw. das Leben mit Kind, sondern auch der ihr nun fremd gewordene Körper, dem sie sich ausgeliefert sieht und den sie in seiner Eigentätigkeit erst wieder kennenlernen muss: Was tut er ohne Pille mit mir? Wird er womöglich (so) schnell schwanger, dass ich gar nicht mithalten kann? Kann er überhaupt noch schwanger werden? Evas Sorge, dass aufgrund der langen Hormonzufuhr vielleicht gar nichts passiert, kann nur vor dem Hintergrund entstehen, dass es passieren soll. Weil es aber nicht gleich passieren soll, lockert sie nur die Zügel, statt sie aus der Hand zu geben („ich muss jetzt nicht mehr die Pille nehmen, aber wir müssen so irgendwie aufpassen“). Das Absetzen der Pille ist damit nur ein Anfangen mit dem Aufhören der Verhütung. Der Körper bekommt insofern Handlungsträgerschaft („Agency“ im Sinne von Latour 2006) zugesprochen, als er sich selbst regulieren und seine reproduktive Funktion unter Beweis stellen soll, zum Zuge kommen soll er jedoch noch nicht.

Die andere große Unsicherheit betrifft die Zukunft der Paarbeziehung. Für Uwe soll die triadische Erweiterung eine drohende Langeweile zu zweit verhindern:

U(E): Dass Kinder dazugehören, kam letztlich auch aus dem Gefühl heraus, dass nichts Bedeutendes sonst mehr kommen würde, dass das dann in das ewig Gleiche mündet. Also noch ein Urlaub in Asien und noch ein Surfkurs, was letzten Endes nicht zu einem glücklicheren oder befriedigenderen Leben führen würde. Das ist, glaub ich, ein Stück weit der Versuch, Bedeutung zu schaffen.

Eva dagegen antizipiert den „Dritten“ zu diesem Zeitpunkt als triadische Schließung. Er erscheint ihr (noch) nicht als willkommener neuer Horizont der Beziehung, sondern ist eher mit Einengung, Fremdbestimmung und den Verlust ihrer Freiheiten assoziiert:

E(E): Als ich die Pille abgesetzt hab, war das wie ein Schalter, der umgelegt wurde, weil ich mir dachte ‚oh jetzt wird‘s ernst‘. Das hat dazu geführt, dass ich mehr mit Freundinnen abends zum Tanzen bin, um irgendwie diese Freiheit noch ein bisschen zu genießen. Und das hat Uwe wiederum irritiert und schockiert (lacht).

Es fällt auf, dass Eva die Angst vor Unfruchtbarkeit nur im Paarinterview anspricht, während im Einzelinterview die Sorge vor dem Leben mit Kind dominiert. Möglicherweise ist erstere gegenüber Uwe besser legitimierbar, als die vor dem Freiheitsverlust. Diese Ängste betreffen ja das „elterliche Projekt“ (Boltanski 2007) und stehen für den Konflikt der beiden (‚ich habe Angst vor der Familie, die ein Kind aus uns machen wird‘). Die Sorge vor dem Reproduktionsversagen „bauchpinselt“ dagegen Uwes Position. Der Konflikt lässt sich in der Paarbeziehung aber nicht dauerhaft latent halten. Die mögliche Schwangerschaft, die Eva mit dem Pillenstopp droht, treibt sie in die Flucht, was Uwe wiederum dazu bringt, sie mit dem moralischen „Lasso“ einzufangen:

E(E): Es gab sogar mal einen ganz bösen, bösen Vorwurf, den er mir gemacht hat. Ich hab gesagt: ‚Du, ich brauch doch noch ein paar Monate oder vielleicht sogar ein Jahr‘. Und dann hat er gemeint, in seinem Ärger, ob es mir denn lieber ist, jetzt hier meinen Spaß zu haben und dafür vielleicht ein nicht gesundes Kind zu riskieren. Weil es heißt ja, je älter, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwas ist. Und da (lacht) hab ich echt geschluckt.

Im größeren Zeitmaßstab betrachtet hat Uwe mit seiner Entschlossenheit Eva (zu) plötzlich überholt. In den Jahren zuvor war sie es, die sich in der Kinderfrage sicher war und seine Mal-so-mal-so-Haltung ‚wohlwollend beobachtet‘ hatte. Für ihr jetziges Zögern, das durch seinen Vorstoß ausgelöst wurde, zeigt er darum auch wenig Verständnis.

2.4 „Distributed Action“ – Die Partizipation von Körpern und Artefakten

Nachdem Eva die Pille abgesetzt und ihren Körper damit sich selbst überlassen hat, beginnt sie ihren Zyklus zu beobachten, um die mit dem Kontrollverlust verbundene Unsicherheit abzufedern. Sie geht davon aus, ihren Körper für ihren Wunsch nach Aufschub als Komplizen auf ihrer Seite zu haben, doch der spielt nicht ihr sondern Uwe zu:

E(E): Uwe sagte immer nach jedem Mal: ‚Und jetzt bist du schwanger!‘ (lacht) und ich: ‚Nee, das geht nicht so schnell‘. Eigentlich hab ich ja versucht aufzupassen mit Temperaturmessen und so. (…) Also ich hab nicht damit gerechnet, dass es dann so schnell passiert. Ich dachte, irgendwie pendelt sich alles erst mal ein Jahr lang ein, bis da überhaupt was passiert. Das hat zwei Monate funktioniert und dann (lacht) war ich schwanger (lacht).

Typisch für Schwangerschaftsnarrative ist, dass Paare mit dem Verzicht auf Verhütung die Agency im Sinne eines „Geschehenlassens“ – „wenn’s passiert, dann passiert’s“ – an ihre Körper delegieren (vgl. Hirschauer et al. 2014: 39). Will man die Familiengründung in die Hand nehmen, ist es erforderlich, sie aus der Hand zu geben. Für die Erwartung, wie lange es dauert, um schwanger zu werden, halten Paare unterschiedliche Teilnehmertheorien parat: Zum einen gehen sie ganz selbstverständlich davon aus, dass ihre Körper grundsätzlich funktionieren. Zum anderen nehmen sie (wie auch Eva) häufig an, dass sich der Körper erst von den zugeführten Hormonen erholt haben muss, um überhaupt schwanger werden zu können. Gerade beim ersten Kind, wenn noch keine Erfahrung vorliegt, rechnen Paare nicht damit, dass es „so schnell geht“. Orientierung bieten etwa Fälle aus dem Bekanntenkreis, wo lange „geübt“ werden musste, bis es dann „endlich mal geklappt hat“. Mit dieser Konstruktion schützen sie sich einerseits vor Enttäuschung (wenn es tatsächlich lange dauert), andererseits lässt sich die Enttäuschung dieser Erwartung (wenn es dann doch schneller geht) umso mehr als Überraschung feiern.

Eine Schwangerschaft fällt mehr in die Autorschaft des einen oder anderen Partners, je nachdem, wer von beiden den Wunsch nach ihr stärker äußert (wie hier Uwe). Eva, die nicht (so schnell) mit ihr gerechnet hat, ist die Schwangerschaft vielmehr als ein nicht forciertes Ereignis zugestoßen. Evas Festklammern an der Pille und das Auskosten der Freizeitaktivitäten nach dem Absetzen zeigen aber, dass sie dennoch wusste, möglicherweise schnell schwanger werden zu können. Beides spiegelt die Hoffnung, dass das zu Erwartende eben nicht sofort zu erwarten ist („ich hab nicht damit gerechnet, dass es dann so schnell passiert“). Dieses Verhalten enthält eine genuine Form von Ambivalenz, die gerade nicht darin besteht, ‚im einen Moment das eine und im nächsten Moment das andere zu wollen‘[21], sondern im bivalenten Nebeneinander und in der Gleichzeitigkeit gegensätzlicher Wünsche und Sehnsüchte, die sich auf eine unsichere Zukunft richten: auf eine unkalkulierbare Veränderung von Körper, Paarbeziehung und deren Akteuren.

Das Paarinterview ist durch einen regen Verantwortungsdiskurs gekennzeichnet, der zwischen Uwe und Eva in der Interviewsituation vielleicht zum ersten Mal explizit stattfindet und uns Einblicke in die distribuierte Entstehungslogik der Schwangerschaft verschafft. Schauen wir uns die Interaktion, an der uns das Paar teilhaben lässt, nun genauer an:

E: Ich hatte ja für mich nochmal diesen Rückwärtsgang eingelegt. Ich hab zwar die Pille abgesetzt, aber für mich war klar, jetzt doch noch nicht, bitte (lacht). Ich hab mir gedacht, es kann jetzt ein Jahr dauern, dass irgendwas passiert, aber mir war schon bewusst, es kann auch relativ schnell passieren. Und einfach das Wissen, dass man bald zu dritt sein könnte und dass sich das komplette Leben umstellt, davor hatte ich Angst. Deswegen hab ich mir gedacht, >vielleicht noch ein bisschen warten< (verstohlen, lächelt Uwe an).

U: Ja, kann ich nichts zu sagen. Das hatte ich nicht in der Hand (lacht).

E: (lacht) >Hmm< (ironisch).

Evas Äußerung wirkt ein wenig schuldbewusst, wie ein (peinliches) Geständnis, dem sie entflieht, indem sie hofft, Uwe möge das Wort ergreifen und ihr nachträglich Absolution für ihr Zögern erteilen. Er entzieht sich jedoch. Die Interviewerin fragt ihn dann explizit, wie er Evas Aufschub empfunden hat:

U: Irrational, also von außen so nicht nachvollziehbar. Was vor allem für mich persönlich schwierig war, dass ich mich – also nach langem Prozess und vielen Auf und Ab’s – dazu entschieden hatte, doch Kinder haben zu wollen, und dann aber dabei zusehen zu müssen, wie der Plan, den ich mir in meinem Kopf zurechtgelegt habe, gar nicht in meinen Händen liegt. Da hab ich eigentlich erst realisiert, dass Familienplanung eben eine weibliche Angelegenheit ist, bei der der Mann konsultativ hinzugezogen wird (E: lacht), im besten Glauben und Vertrauen teilnehmen kann, aber nichts wirklich in der Hand hat. Also genauso wie du zu jedem Zeitpunkt vorher entscheiden hättest können, auch ohne mich zu fragen, ‚ich nehm die Pille einfach nicht mehr‘. Genauso war es dann deine Entscheidung zu sagen, ‚ich nehm die Pille nicht mehr, aber dafür wird anderweitig verhütet‘.

E: Aber Moment jetzt, also (lacht) Moment!

U: Nee, Moment, Stopp! Das ist gar kein Vorwurf, sondern nur die Feststellung. (…) Es war nicht die Unterstellung, dass du irgendetwas von dem gemacht hättest. Es war ja nur die Feststellung, dass es als Mann nicht in meinen Händen läge.

Evas Versuch, die Kontrolle über ihren Körper zu behalten, bedeutet für Uwe den Verlust der Kontrolle über sein Vaterwerden. Aus seiner Sicht hat ihn Eva nicht nur vom gemeinsamen, sondern vor allem von seinem Weg abgedrängt, den er erst mühsam („nach langem Prozess und vielen Auf und Ab’s“) finden musste. Sein „Ja“ hat er als Überwindung seiner Ambivalenz erlebt. Wenn er nun Evas ambivalentem Zögern folgt, dann droht er auf seine alte Ablehnung des Kinderwunsches zurückzufallen. Er sieht sich auf den Part des (ein wenig beleidigten) Zuschauers eines Geschehens zurückgeworfen, was er Eva zum Vorwurf macht. Das lässt sich an einer komplexen Zuschreibungsdynamik ablesen: Uwe attestiert die Autorschaft für das Kinderkriegen zunächst sich selbst. Als Eva sich jedoch weigert, macht er es zu ihrer Angelegenheit, indem er es resigniert zur Sache „der Frau“ erklärt. Diese Naturalisierung erlaubt ihm dann auch, Eva – als Frau – zu unterstellen, ihn jederzeit hinterrücks schwängern zu können. Uwe passiviert sich, indem er die Position des Entscheiders, der jetzt ein Kind will, aufgibt und die eines potentiellen Opfers ihrer Macht einnimmt, ihm jederzeit ein Kind unterjubeln zu können.

So hat Uwe die Zuständigkeit in Sachen Kinderkriegen zwar abgetreten, doch Eva holt ihn immer wieder zurück ins Boot:

U: Ich kann nur in einem gewissen Rahmen versuchen zu verhindern, dass du schwanger wirst.

E: (lacht) Indem du keinen Sex mit mir hast oder andersrum. Du hattest aber am richtigen Tag Sex (beide lachen).

U: Genau (lacht), aber das hängt ja wieder von dir ab. Ich kann ‚nein‘ sagen, aber ich kann nicht das ‚Ja‘ erzwingen. Ich wollte nicht keine Kinder, weil das wär ja dann einfach, ich sag einfach jeden Tag ‚nein, heute Kopfschmerzen‘. Aber andersrum geht’s ja nicht. Und ich mess die Temperatur ja nicht (schmunzelt), von daher ist das außerhalb meiner Reichweite.

Uwe, der sich vorab mit Verweis auf seine Geschlechtszugehörigkeit als Opfer eines potentiellen weiblichen Samenraubs darstellte, räumt nun (wenn überhaupt) nur eine passive Mitverantwortung für die Schwangerschaft ein. Eva dagegen stellt indirekt den Vorwurf in den Raum, sie gegen ihre Absicht geschwängert zu haben:

I: Hing die Temperaturkurve irgendwo auf?

E: Ich hatte die im Bad. Also ich dachte immer, die Kurve ist ziemlich eindeutig ablesbar. Er hat jetzt nicht nachgeschaut, wo ich jetzt bei der Kurve bin und hat dann gesagt, ‚jetzt muss ich ran‘ (lacht). Ich weiß es jedenfalls nicht (heftig lachend mit Blick zu Uwe, der grinst).

I: Haben Sie sich miteinander ausgetauscht?

U: Wenig Austausch. Du hast mich in Kenntnis gesetzt, dass du diese Methode anwendest und hast mir eine grobe Deutungshilfe an die Hand gegeben (schmunzelt). Aber ich hab mich nicht so tiefgehend dafür interessiert, weil´s ja eh nicht mein Plan war, und hab das passieren lassen. Ich war relativ ausgeklammert, aber aus eigener Entscheidung. Ich wurde da nicht ferngehalten von dem geheimen Wissen der Frau.

I: (Zu beiden) Haben Sie auch Kondome benutzt?

E: Nein, das war ja das Problem. (U: Auch). Naja, sporadisch. Da muss ich sagen, da war ich dann auch zu nachlässig. Ich dachte halt, ‚ach das eine Mal wird schon nichts passieren‘. Und du wusstest aber, es ist eine kritische Phase (schmunzelt).

U: Mir war´s eh wurscht (schmunzelt).

E: Also es lag schonauch ein bisschen mit in deiner Hand (schmunzelt). (…) Eigentlich ein bisschen gemein, weil du wusstest, dass ich den Wunsch hatte das aufzuschieben.

U: Ja, aber wenn der Wunsch ernsthaft genug gewesen wär, hättest du einfach gesagt, ‚nee, nicht ohne Kondom‘. Es ist ja auch nie so gewesen, dass ich dich vor die Wahl gestellt hatte, ‚also Eva, wenn du mich dazu zwingst, ein Kondom zu benutzen, dann gibt es keinen Sex‘. Von daher wär´s ja in deiner Hand gewesen. Das Gemeine ist natürlich, dass dabei die Verantwortung einzig undallein in deiner Hand ist, weil ich mich mit deinem Aufschiebewunsch ja nicht gemein gemacht habe. Der war mir ja egal.

E: Genau. Und wär´s dir nicht egal gewesen, hättest du einfach von vornherein halt immer eins da gehabt, ohne, dass wir groß drüber hätten reden müssen.

U: Wir haben auch nicht groß drüber geredet.

Die Temperaturkurve macht den Fruchtbarkeitsstatus von Evas Körper als objektives Wissen für beide zugänglich, wenn auch nicht unbedingt leicht interpretierbar. Sie hat sowohl eine dokumentierende als auch eine kommunikative Funktion, die in beide Richtungen nutzbar ist und den Geschlechtsverkehr konditioniert: Eva dient sie zur Verhütung. Uwe äußert zwar Desinteresse, doch das schließt nicht aus, sie zur Zeugung eingesetzt zu haben. Hat er vielleicht die Schwangerschaft insofern „passieren lassen“, indem er z. B. einen Ablesefehler ihrerseits bemerkte, aber nicht darauf hingewiesen hat? Immerhin konzediert er ganz unverblümt, weiter auf das Vorhaben Schwängerung gesetzt zu haben. Eva hält nicht für möglich, dass Uwe ihr in den Rücken gefallen sein könnte („Er hat nicht nachgeschaut und dann gesagt, ‚jetzt muss ich ran‘“), doch ihr nachgeschobener Zweifel („Ich weiß es jedenfalls nicht“) stellt diesen Verdacht geradezu in den Raum. Für ihn spricht auch Uwes Grinsen und seine süffisante Distanzierung von einem seinen Zielen zuwiderlaufenden Verhalten („du hast mich ‚in Kenntnis gesetzt‘ und mir eine ‚grobe Deutungshilfe‘ an die Hand gegeben“).

Während Eva Angst hat, zu schnell schwanger zu werden, sorgt sich Uwe, die Chance auf Vaterschaft ganz zu verlieren:

U: Du konntest ja keinen Zeithorizont bieten. Hättest du gesagt, ‚okay, jetzt nicht, sondern dafür in fünf Monaten‘, hätt ich gesagt, ‚okay, fünf Monate kann ich warten‘. Du hast gesagt, ‚nee, das machen wir nicht, vielleicht auch gar nicht, oder vielleicht auch ganz später. Ich weiß es nicht‘. Und die erarbeitete Perspektive aufzugeben, ohne eine neue zu bekommen, das fiel mir sehr schwer. (…) Es gab keinen konkreten Zeitraum.

Dass Uwe konsequent beim „Ja“ zur Schwangerschaft bleibt, ist auch der Möglichkeit geschuldet, dass ihn Eva am „ausgestrecktem Arm verhungern“ lassen könnte. Sollte sie ihre Freiheit so lieb gewinnen, dass sie sie schließlich nicht mehr opfern möchte, würde dies aus der einst schon auf das Kind geeichten Beziehung ein „kinderloses“ oder gar ein über der Kinderfrage zerbrochenes Paar machen. Es ist die triadische Öffnung, die in der Kommunikation des Kinderkriegens liegt und es sozial so komplex macht: Die Aussicht auf den „Dritten“ schreibt der Beziehung einen neuen Sinn ein und verändert sie damit nachhaltig. In der Kinderwunschkommunikation äußert sich einerseits der Wunsch nach Committment („mit dir und keinem anderen“), was freilich auch Druck ausüben kann. Wenn sich zwei nicht mehr genug sind und sich auf etwas gemeinsames Drittes einstellen, entsteht aber andererseits auch eine Lücke, die gefüllt werden muss, wenn sie nicht irreparabel offen bleiben soll.

2.5 Die Zurechnung der Kindszeugung

Paare entwickeln in ihren mehr oder weniger elaborierten Zeugungsgeschichten grundsätzlich eine Idee davon, wie es zur Schwangerschaft kam. Sie kann einem Akt der Liebe zugerechnet werden, sie kann einem Erfolg reproduktionsmedizinischer Behandlung verdankt oder dem Schicksal zugesprochen werden. Was biologisch ganz selbstverständlich als Fifty-Fifty-Vorgang[22] beschrieben wird, kann lebensweltlich explizit die Frage aufwerfen, wer wann zu welchen Anteilen an der Entstehung des Kindes beteiligt war. Gerade weil sich Uwe und Eva im Interview gemeinsam an der „Schuldfrage“ abarbeiten, kann daran die soziale Konstruktion des Zeugungsvorgangs beleuchtet werden:

E: Wahrscheinlich war es so, dass ich mich zu wenig mit der Methode der natürlichen Familienplanung beschäftigt hab, um alle möglichen Risikofaktoren auszuschließen.

U: Das ist genau der Grund, warum für mich unterschwellig klar war, dass diese Vermeidung des Schwangerwerdens nicht hundertprozentig ernst gemeint sein kann, sondern dass es ein Stück weit Sicherheit ist. Man kann sich dem Schwangerwerden annähern, ohne offensichtlich schwanger werden zu wollen. Aber wenn´s halt passiert, passiert´s.

Eva schreibt die Schwangerschaft ihrer noch unausgereiften Zyklusbeobachtung zu, weshalb ihr Uwe den impliziten Wunsch unterstellt, schwanger zu werden. Letztlich externalisiert er dann die Schwangerschaft als ein Ereignis, das die beiden mehr von außen trifft, statt es als direkte Folge eigenen Zutuns zu attribuieren. Doch damit kann Eva zuerst nicht mitgehen:

E: Wobei ich wollte tatsächlich ein paar Monate mal meinen Körper ohne Pille kennenlernen. Also wenn ich das ganz schlimm gefunden hätte, hätt ich natürlichjedes Mal ein Kondom verwendet. (…) Ich muss auch sagen, nachdem ich die Pille abgesetzt hab, war meine Libido um ein Hundertfaches gesteigert. Ich konnte auch nicht ‚nein‘ sagen (lacht), oder ich hab öfters angefangen (Uwe schaut Eva grinsend an). >Und das hat manchmal tatsächlich ein bisschen diesen Zykluskalender vergessen lassen< (leise, verlegen). Aber wie du sagst, wahrscheinlich war einfach der Wunsch, das aufzuschieben, nicht stark genug. (…) Also wir sind da nicht so aufeinander eingegangen. Wir haben miteinander geredet, was unsere Zeithorizonte betrifft, aber jeder aus seiner Perspektive. Und >wahrscheinlich ist es auch deswegen so schnell passiert< (verschmitzt), also damit war die Entscheidung getroffen (lacht) und darüber bin ich froh. Also ich sag jetzt nicht im Nachhinein, ‚oh Gott, warum hab ich jetzt nicht noch die sechs Monate bekommen‘, sondern es ist passiert, irgendwie ein Schicksalsmoment (lacht) hat dazu geführt, dass ich schwanger geworden bin und somit hat sich alles erledigt.

Eva rechnet die eingetretenen Ereignisse sich selbst zu, indem sie sie als Folge ihrer neu entfachten sexuellen Begierde interpretiert. Uwes Kindsbegehren mischt sich so mit ihrem sexuellen Begehren, was die Schwangerschaft zu einem emergenten Produkt körperlicher Hingezogenheit und romantischer Liebe macht. Letztlich lässt Eva sich dann aber von Uwes obiger Deutung, die Schwangerschaft trotz Vermeidungsabsicht gewollt zu haben, überzeugen. Am Ende des Interviews wird die Schwangerschaft jedoch weder als Resultat ihrer noch seiner Agency präsentiert – im Gegenteil: Es ist eben dieser Dissens, der die vorzeitige Zeugung bewirkt hat („wahrscheinlich ist es auch deswegen so schnell passiert“) und der mit ihr zugleich seine Auflösung findet.

Das Paar macht die Schwangerschaft zu einem Ereignis, das die beiden unverhofft, aber nicht unvorbereitet ereilt, emotional positiv besetzt ist, die Beziehung bekräftigt und auf ihre neue Zukunft verweist. Auch wenn das Paar schließlich zu einer gemeinsamen „Moral von der Geschicht“ findet, bleiben die Irritationen, die das Interview laufend zutage förderte: Wollte Eva das Kind zu diesem Zeitpunkt, oder hat Uwe sie doch gegen ihren Willen geschwängert? Im Alltag tritt die Frage hinter die Gegenwart des geborenen Kindes zurück. Würde Eva sich im Interview letztlich nicht darauf einstimmen, das Kind eigentlich auch jetzt schon gewollt zu haben, d. h. würde sie ihre Schwangerschaft nicht mit einem eigenen Willen (einer „Intention“) unterlegen, riskierte sie nicht zuletzt ihre elterliche Zuständigkeit für das Kind.

2.6 Analytisches Fazit zum Fall

Mit einer normativ-rationalistischen Verhaltenserwartung würde man fragen, wie man aufschieben wollen kann, ohne gleichzeitig sicher zu verhüten, wohl wissend, dass es dann zur Schwangerschaft kommen kann. Wie kann man zudem vor der Folie dieses Wissens annehmen, dass es dann doch nicht (gleich) dazu kommen wird? Statt nach psychologischen oder rationalen Erklärungen zu suchen, betrachten wir Evas Verhalten als eine für das Phänomen des Kinderkriegens genuine Form von Ambivalenz, die nur im Rahmen ihres paardynamischen Interaktions- und Deutungskontextes verstehbar ist.[23] Die Geschichte der Kindsentstehung fügt sich durchaus einem Willen des Paares, Eltern zu werden. Aber die Schwangerschaft folgt weder der deduktiven Logik der Kognitionspsychologie, noch ging ihr eine dezidierte Entscheidung voraus, die umstandslos „umgesetzt“ wurde, noch lässt sich die Dynamik, in der das Paar auf das Kind zusteuert, in eine Sequenz von Entscheidungen auflösen, die nur noch ein bisschen körperliche Kontingenz übrig lässt. Der Weg in die Schwangerschaft lässt sich nur an der analytischen Einheit des Paares entfalten, das sich als ein symbiotisches „Tandem“ auf das Kinderkriegen zubewegt. Die gleich- oder gegenläufigen Bewegungen beider Partner sind dabei immer wechselseitig voneinander abhängig und aufeinander verwiesen.

Das Paar ging zeitversetzt und doch gemeinsam „mit dem Kinde schwanger“. Auf dieser Basis können sich Eva und Uwe von der Ereignishaftigkeit biologischer Prozesse überholen lassen, weil bereits ein Erwartungshorizont geschaffen ist, der sie auffängt (vgl. Hirschauer et al. 2014: 39). All dies findet eher im praktischen Tun statt als in den durch das Interview zutage geförderten sprachlichen Rationalisierungen, mit denen sich Eva und Uwe ihre durchlebten Ambivalenzen auf reflektierte Weise nun selbst rational zu erklären versuchen.[24] Evas Rückzieher wird einerseits von der Paarbeziehung abgefedert, die bereits durch vorangegangene Gespräche auf ein gemeinsames Kind geeicht wurde (anders wäre es wohl, hätte Uwe Eva das Kind „aus heiterem Himmel“ angetragen). Andererseits prallt Evas Absage mit voller Wucht auf Uwes mühsam gewonnene Bereitschaft zur Vaterschaft und droht, diese wieder erodieren zu lassen. Dass er tatsächlich hart getroffen wurde, zeigt der konfliktgeladene Diskurs, der live im Interview ausgetragen wird. Er dokumentiert die Beziehungsarbeit, die nötig ist, um das Kinderkriegen zur gemeinsamen Sache zu machen. Mit ihm stellen die beiden auch einen Vergangenheitsbezug zu einem Paar her, das sie einmal gewesen sind und über das sie jetzt getrost lachen können. Es sind solche kommunikativen Praktiken, die neben dem Kind auch die Akteure des Kinderkriegens (nachträglich) hervorbringen. Das retrospektive Feilen an einem gemeinsamen Verständnis ist Teil der Herstellung einer Entstehungsgeschichte des Kindes. Weil das nur ex post möglich ist, ist sie gerade keine „verfälschte Wahrheit“, sondern sinnstiftende (Re)Interpretation.[25]

Während sich entscheidungs- und verhaltenstheoretische Modelle an der Alltagsrationalität orientieren, ihren Gegenstand also mit der Folie gesellschaftlich-normativer Erwartungen beobachten, plädieren wir für deren soziologische Kontingentsetzung, um sie dadurch zum Gegenstand der Beobachtung zu machen. Nur dann lässt sich soziologisch rekonstruieren, auf welche Weise sich Paare im Interview kommunikativ an normativen Erwartungen abarbeiten. So zeigen unsere Interviews, dass die Narrationen des Kinderkriegens einer Art Erzählzwang zum Happy-End unterliegen, eben weil der gesellschaftliche Diskurs Schwangerschaften als individuell zurechenbare Ereignisse rahmt: Einerseits gilt es als moralisches Tabu, Kinder zu bereuen (vgl. Donath 2015), andererseits sind Schwangerschaften mit der sozialen Norm behaftet, nicht einfach so passieren zu dürfen. Zu dieser Norm zählt die Erwartung von Verhütungsdisziplin, bevor man sich schließlich bewusst für eine Schwangerschaft entscheidet. Gleichzeitig werden sie alltagsweltlich als natürliche Ereignisse gesehen, deren Zauber durch zu viel technische oder gestalterische Verfügbarkeit zerstört würde. In der Reproduktionsmedizin zeigt sich dies an den Grenzen der Machbarkeit, wenn trotz medizinischer Kontrolle jedes einzelnen Zeugungsschritts der Gesamterfolg nicht vorhersehbar ist. Paare setzen diese Unsicherheit zur Wiederverzauberung des Fortpflanzungsprozesses ein, etwa indem das Kind Gott oder dem Schicksal zugeschrieben wird.

Vor dem Hintergrund dieses gesellschaftlich-normativen Diskurses präsentieren uns Paare in den Interviews Schwangerschaften weder völlig durchgeplant noch als Unfälle oder pure Zufallsprodukte: Sie externalisieren das Kinderkriegen nicht nur aus einer von Rationalitätserwartungen geprägten Gesellschaft als Ereignis, das man sich nicht ausschließlich selbst zu eigen gemacht hat („Ich hätte mich nie dafür entschieden, aber mir hätte nichts Besseres passieren können“); anders als eine Firmengründung oder ein Hausbau entzieht es sich aber auch alltagsweltlich der Zweckrationalität des Planens und Entscheidens. Kinder als „Output“ von Schwangerschaften zu sehen (wie etwa im Begriff der „Baby-take-home-Rate“ in der Reproduktionsmedizin), folgt einer statistischen Berechnungslogik, die im Kontext wissenschaftlich-technischen oder demografischen Denkens plausibel ist, den alltagsweltlichen Konstruktionen und Kontexten, in denen Kinder entstehen, aber diametral widerspricht. Die Unverfügbarkeit des Kindes als Person benötigt einen Raum, der zumindest nicht vollständig in der Hand „machender“ und „entscheidender“ Akteure liegen darf. Dadurch wird einerseits ein Kondensationskern geschaffen, aus dem heraus zukünftige Personen sich selbst als zukünftige Entscheider (und nicht als Entschiedene) ermöglichen können, andererseits werden deren Eltern ein wenig vom Verantwortungsdruck befreit, die Kinder selbst (weil eigenmächtig) in die Welt gesetzt zu haben.

Die eingeschränkte Agency der Akteure steckt bereits im Sprachgebrauch des Kinderkriegens. Auch biologische Vorgänge, wie Keimverschmelzung und Einnistung, ereignen sich im unkontrollierbaren Körperinneren und können nur ex post von Akteuren entdeckt oder festgestellt, aber nicht handelnd bewerkstelligt werden (vgl. Hirschauer et al. 2014: Kap. 2). Personale Agency und unverfügbare körperliche Befruchtungsprozesse verhalten sich also „antizyklisch“. Setzt man Körper sozialwissenschaftlich nicht nur als biologische Basis voraus, sondern nimmt sie als soziale Partizipanden ernst, lässt sich beobachten, wie sie am Prozess des Kinderkriegens beteiligt sind: Als Mit- oder Gegenspieler scheren sie sich gerade nicht um die Erwartungen, Intentionen oder Entscheidungen ihrer „Eigentümer“. Sie mögen bis zu einem gewissen Grad berechenbar sein, doch Akteure sind ihren Körpern immer auch ausgeliefert. Sie können ihnen vorauseilen und sie abhängen, wie bei Eva und Uwe. Sie können sie aber auch hängen lassen, wie bei Caroline, deren Erwartung, sofort schwanger zu werden, sobald sie nicht mehr verhütet, Monat für Monat enttäuscht wurde. Lassen wir sie einmal stellvertretend für jenen rationalen Entscheider sprechen, den die Fertilitätsforschung als Modellmenschen voraussetzt:

C: Du hast es ja so was von nicht in der Hand. Ich fühl mich so hilflos, ich kann nichts machen, ich bin echt ein Macher. Natürlich möchte ich so viel machen, wie ich kann. Es ist die einzige Möglichkeit für mich, die Situation zu ändern, indem ich zum Arzt gehe, Hormone nehme, indem ich Sex habe, indem ich gucke, ob meine Eileiter durchlässig sind oder nicht. Was anderes kann man nicht machen. Das ist so unbefriedigend, es ist so unbefriedigend. Man muss halt die Natur machen lassen, und das bin ich gar nicht gewohnt. Wenn mir meine Haare nicht gefallen, dann geh ich zum Friseur. Ich kann was anderes anziehen, wenn ich möchte, oder ich kann einen Mann wechseln. Ich kann alles ändern, aber das hat man nicht in der Hand, den Körper.

3 Schluss

In welchem Verhältnis steht unser empirischer Zugang (den wir an der Fallstudie expliziert haben) zu den Ergebnissen jahrzehntelanger Fertilitätsforschung? Letztere zielt auf Kausalzusammenhänge und nimmt das Phänomen des Kinderkriegens in seinen Bedingungsstrukturen in den Blick, klammert es aber in seinem Vollzug beständig aus, als sei dieser Kern des Kinderkriegens implizit der Biologie und/oder Medizin zuzurechnen. Sozialwissenschaft – so eine eingeübte Differenzierung – beginnt erst mit der Sozialisation, wenn Kinder bereits vorhanden sind, Zeugung und Schwangerschaft dagegen sind in erster Linie „vorsoziale“ biologische Vorgänge. Diese Arbeitsteilung muss eine körpersoziologisch informierte Soziologie des Kinderkriegens verwerfen.

Auch die Wissenschaftssoziologie beschäftigte sich lange Zeit ausschließlich mit den institutionellen Rahmenbedingungen von (Natur-)Wissenschaft, deren Sozialität sie in den herrschenden sozialen Normen (Merton 1973) oder in den Interessenlagen wissenschaftlichen Personals repräsentiert sah. Die eigentliche „Basisarbeit“ von Naturwissenschaftlern schien irrelevant, bis schließlich die Laborstudien die mikrologische Struktur wissenschaftlicher Praxis empirisch in den Blick nahmen. Damit wurde der „epistemologische Sonderstatus“ (Heintz 1993: 531) der Naturwissenschaft, der mit der Trennung von Wissens- und Wissenschaftssoziologie einherging, endgültig aufgehoben. Ähnlich orientiert sich auch die Fertilitätsforschung an einer Natur-Kultur-Unterscheidung, wenn sie Kinderkriegen sozialwissenschaftlich als Input-Output-Modell fasst: Unter welchen Bedingungen (sozialstaatliche Institutionen, Arbeitsmarktstrukturen, Beziehungszufriedenheit etc.) werden in Paarbeziehungen wie viele Kinder geboren? Wann entscheiden sich Paare für ein Kind? Unter welchen normativen Umständen wird ein Kind (nicht) gewünscht bzw. wird die Intention (nicht) umgesetzt? Was dagegen zwischen In- und Output in der intimen Paarkommunikation prozessual geschieht, also das Kinderkriegen selbst, wird implizit auf einen marginalen körperlichen Befruchtungsakt reduziert, der für die Forschung nicht von Interesse ist.

Die Analyse unseres Fallbeispiels zielte darauf, den Gegenstand sozialtheoretisch zu öffnen und sich von ihm inspirieren lassen. Dabei wird ein theoretisches Defizit unseres Faches sichtbar, das in einem Mangel an Vokabular besteht, Kinderkriegen überhaupt soziologisch aufzuschlüsseln. Die Fertilitätsforschung tritt in Bezug auf die Praxis gänzlich theorielos auf. Schon der Begriff der „Fertilität“ ist aus der Biologie übernommen und reduziert das Kinderkriegen auf einen Akt „natürlicher“ Fortpflanzung. Der gesellschaftsstrukturelle Überbau, mit dem sie sich beschäftigt, ist andererseits gesättigt mit theoretischen Annahmen, die jedoch offenbar fern der sozialen Praxis des Kinderkriegens erdacht wurden. Diese enthält durchaus Entscheidungsanteile, zieht man sich aber ganz auf mentale Prozesse zurück und begegnet ihnen mit der Erwartung, sie seien rationalitätsgesteuert, verfehlt man jene konstitutiven Elemente des Phänomens, die es lebensweltlich zu einem rationalitätswidrigen, kontingenten Geschehen machen. Der fundamentale Mismatch zwischen der entscheidungstheoretischen Konzeptualisierung des Gegenstandes und der empirisch zugänglichen sozialen Praxis ist vergleichbar mit dem Versuch, Naturkatastrophen handlungstheoretisch zu verstehen, Paarbeziehungen organisationssoziologisch oder kognitive Prozesse interaktionstheoretisch. In diesem Sinne halten wir die bereits erwähnte, knapp zwanzig Jahre alte, aber wenig weiterentwickelte Kritik Burkarts für dringend erneuerungs- und radikalisierungsbedürftig. Die Soziologie menschlicher Fortpflanzung erfordert eine Abkehr vom methodologischen Individualismus sowie eine sozialtheoretische Berücksichtigung des Körpers und seiner Beteiligung am sozialen Geschehen. Der praxeologische Ansatz leistet dies, indem er die Situation und Interaktion ins Zentrum stellt und Verhalten als materielle Praktik beobachtet (vgl. Hirschauer 2016). So lässt sich zeigen, dass das Agens des Kinderkriegens nicht separate Absichten zweier Individuen sind, sondern eine Paardynamik, die sich mit standardisierten Umfragen kaum erfassen lässt. An den komplexen Zuschreibungspraktiken im Fallbeispiel zeigte sich, dass selbst die „Laienteilnehmer“ des Gesprächs in ihrem eigenen Räsonieren über das Kinderkriegen der Fertilitätsforschung und deren holzschnittartiger Einteilung des Geschehens in Wunsch, Intention, Entscheidung und Verhalten überlegen sind. Oder in Uwes Worten: „Man kann sich dem Schwangerwerden annähern, ohne offensichtlich schwanger werden zu wollen und ohne den Druck haben zu müssen. Aber wenn´s halt passiert, passiert´s“. Was Kinderkriegen tatsächlich komplex macht und eine handlungs- und entscheidungstheoretische Modellbildung überfordert, ist seine dem Geschehen inhärente „Mikrologik“: die Verstrickung interaktiv generierter und wechselseitig changierender Erwartungserwartungen der Akteure mit der Kontingenz und Unberechenbarkeit ihrer Körper.

Über die Autoren

Birgit Heimerl

Birgit Heimerl, geb. 1967 in Schongau. Studium der Soziologie in München. Promotion in Mainz. Von 2006–2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Mainz; von 2014–2015 wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut e. V. München; 01/2016–07/2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Augsburg. Seit 10/2016 Mitarbeiterin am Berufsbildungszentrum Augsburg.

Forschungsschwerpunkte: Soziologie der Schwangerschaft, Körper-, Medizin- und Techniksoziologie, Praxistheorien, Qualitative Methoden.

Wichtigste Publikationen: Soziologie der Schwangerschaft. Explorationen pränataler Sozialität (mit S. Hirschauer, P. Hofmann, A. Hoffmann), Stuttgart 2014; Die Ultraschallsprechstunde. Eine Ethnografie pränataldiagnostischer Situationen, Bielefeld 2013; Choreographie der Entblößung: Geschlechterdifferenz und Personalität in der klinischen Praxis, ZfS 35, 2006: 372–391.

Peter Hofmann

Peter Hofmann, geb. 1979 in München. Studium der Soziologie in München. Seit 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz.

Forschungsschwerpunkte: Pränatale Sozialität, Wissenschafts- und Technikforschung, Medizinsoziologie, Praxistheorien, Qualitative Methoden.

Wichtigste Publikationen: Soziologie der Schwangerschaft. Explorationen pränataler Sozialität (mit S. Hirschauer, B. Heimerl, A. Hoffmann), Stuttgart 2014; Schwangerschaftstagebücher. Produktionsbedingungen und Nutzungschancen eines Datentyps (mit S. Hirschauer), in: H.-G. Soeffner (Hrsg.), Transnationale Vergesellschaftungen. Der 35. Kongress der DGS, Wiesbaden 2013.

Danksagung:

Wir danken Stefan Hirschauer sowie den GutachterInnen und HerausgeberInnen der ZfS für die wertvollen Hinweise und Kommentare, von denen dieser Beitrag profitiert hat. Unseren Informant/innen danken wir für das Vertrauen und ihre Offenheit, ohne die unsere Forschung nicht möglich wäre.

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Online erschienen: 2016-12-1
Erschienen im Druck: 2016-12-1

© 2016 by De Gruyter

Downloaded on 1.6.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfsoz-2015-1024/html
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