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15.10.2015 | Marketing + Vertrieb | Schwerpunkt | Online-Artikel

Marketing ist kein Selbstzweck!

3:30 Min. Lesedauer

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Wenn sich Marketeers jährlich auf roten Teppichen mit selbstverliehenen Goldelsen wieder unendlich selbst feiern, entsteht leicht ein falscher Eindruck – gerade beim Nachwuchs. Springer-Autor Heino Hilbig plädiert deshalb für ein bisschen mehr Bescheidenheit und Selbstkritik.   

Alljährlich im Herbst ist es soweit: Die Bewerbungsfrist für die ADC Preise wird eröffnet. Am Ende dieser und ähnlicher Veranstaltungen stehen dann wieder viele Marketingleiter, Kreative und sonstige wichtige Menschen auf roten Teppichen und Bühnen und feiern – zuerst einmal sich selbst. Denn ob die prämierten Anzeigen und Spots überhaupt relevant zum Umsatzergebnis des Kunden beigetragen haben, ist in aller Regel nicht messbar und deshalb auch, wenig überraschend, kein ein Kriterium für die Prämierung. Nur: Eine Aktion ohne einen irgendwie messbaren Ausschlag hat im Marketing und Vertrieb eben den gleichen Wert wie eine Aktion, die gar nicht stattgefunden hat.

Ziele des Marketings

Als ich deshalb im vergangenen Jahr in einem Artikel für das Magazin Brand Eins darauf hinwies, dass am Ende jede Maßnahme im Marketing sich daran messen lassen müsse, wie weit sie zu den Unternehmenszielen Umsatz und Gewinn beitragen würde, erhielt ich engagiert-erboste Briefe einer Gruppe Marketing-Studenten. Der Tenor: Marketing hätte schließlich auch noch ganz andere Ziele zu erreichen – Markenbekanntheit, Markentreue, Aufbau nachhaltiger, vertrauensvoller Kundenbeziehungen etc., um nur einige zu nennen.

Rendite als primäres Unternehmensziel

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Aber fragen wir uns doch einmal kritisch selbst: Woher wissen wir eigentlich, dass zum Beispiel der Aufbau nachhaltiger, vertrauensvoller Beziehungen ein relevantes, allgemeingültiges Marketingziel ist? Gibt es dazu wirklich belastbares statistisches Material, Analysen und Studien? Oder ist das doch nur eine scheinbare „Selbstverständlichkeit“, die sich am Anfang jeder Pitch-Präsentation einfach gut anhört? Ist dies ein Fakt oder doch nur einfach ein nicht diskutierbares, selbst geschaffenes Axiom der Marketinggilde?

Dabei ist die Sache doch eigentlich einfach: Unternehmen haben, auf das Wesentliche reduziert, nur einen einzigen Zweck: Mit der Geschäftstätigkeit Geld zu verdienen, um Gehälter und Kapitalerträge zu bezahlen. Das klingt hart, ist aber nach kurzem Nachdenken eine radikal-reale Sicht: Wer anderes bezweckt, gründet keine GmbH, sondern wählt als Rechtsform einen Verein, eine Stiftung oder eine Bürgerinitiative.

Marketingziele sind Teilziele

Auch die gerne auf Webseiten veröffentlichten Unternehmensziele und -zwecke, die Selbstverpflichtungen zur Mitarbeitermotivation, Nachhaltigkeit und alle weiteren Mission- und Vision-Statements sind eindeutig Sekundärziele, die in dem Moment irrelevant werden, wenn das Primärziel Umsatz und Gewinn längere Zeit nicht erreicht wird: Dann nämlich endet die Existenz des Unternehmens durch Insolvenz. Insofern sind so genannte Markenziele nichts anderes als Etappenziele auf dem Weg zum eigentlichen Unternehmensziel. Es sind heruntergebrochene Teilziele für die Marketingabteilung, so wie es ein effektives Cashflow-Management für Finance & Accounting oder eine niedrige Reklamationsrate für die Serviceabteilung sind. Nur dass andere Unternehmensdisziplinen ihre Teilziele als das verstehen, was es sind: Werkzeuge auf dem Weg zum Gesamterfolg. Nicht mehr und nicht weniger!

Ansehen von Marketeers sinkt weiter 

Nur wir Marketeers – auf allen Seiten – neigen dazu, unsere Teilziele absolut zu sehen und zu überhöhen. Für ein Unternehmen in der Spionageindustrie (ja, auch die gibt es!) sind zum Beispiel Markenbekanntheit und positive Imagewerte keinesfalls Marketingziele – ebenso wie nachhaltige Kundenbeziehungen und Kundenbindung für ein Bestattungsinstitut wenig Sinn machen.

Diese Diskussion mit den Studenten hat mich ein Stück weit betroffen gemacht: Wenn den zukünftigen Marketingmanagern schon in der Ausbildung das Verständnis dafür fehlt, dass der Markenaufbau nur als integrale Funktion im engen Zusammenspiel mit – und bestenfalls gleichwertig  zu – allen anderen Unternehmensfunktionen Ergebnisse bringen kann, dann wird das die Akzeptanz des Marketing in den Unternehmen und der Gesellschaft an sich nicht verbessern. Schon heute ist das Ansehen der Marketeers (Werber) der jährlichen Forsa-Umfrage zufolge das zweitniedrigste aller Berufsgruppen – einen Platz vor den Versicherungsvertretern  – Tendenz weiter fallend.

Ob das nicht auch ein wenig daran liegt, dass Marketeers sich selbst zu wichtig nehmen, wenn sie die eigene Arbeit mit goldenem Allerlei in Hollywood-ähnlichen Zeremonien feiern? Ein wenig mehr Bescheidenheit und Wirklichkeitsnähe täte uns allen bestimmt gut. 

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