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12.03.2013 | Automobilelektronik + Software | Schwerpunkt | Online-Artikel

Notfallsystem E-Call: Herausforderung Datenschutz

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

4 Min. Lesedauer

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In zwei Jahren sollen sämtliche Neuwagen mit dem automatischen Notrufsystem E-Call ausgerüstet sein. Mit dem System ließen sich mehrere hundert Leben pro Jahr retten. Jedoch könnte aber die Datensicherheit zum Problem werden.

Ab 2015 sollen alle Neuwagen in der EU verpflichtend mit E-Call ausgestattet sein. Das bordeigene System löst automatisch oder manuell bei Unfall oder Panne einen Notruf an die Notrufnummer 112 aus. Via Mobilfunknetz übermittelt das System Daten an die nächste Rettungsleitstelle. Außerdem wird automatisch eine Tonverbindung hergestellt, um eine Kommunikation zwischen Rettungsleitstelle und Insassen zu ermöglichen. Um bis zu 2500 Unfalltote weniger pro Jahr erhofft sich die EU-Kommission mit dem Notfallsystem.

Datenkontrolle ist wichtig

Doch in der Datenerfassung und -übertragung steckt Brisanz. Auf einer Diskussionsveranstaltung des Goslar-Instituts zur Akzeptanz von E-Call, die Ende Januar am Rande des 51. Deutschen Verkehrsgerichtstages stattfand, betonte der ADAC-Experte Thomas Strobl, dass der Datenschutz von zentraler Bedeutung sei. Es sei wichtig, dass "der Konsument geschützt wird und Datenschutz sichergestellt ist". Für den EU-E-Call sei die Datenschutzfrage weitestgehend geklärt. Das Fahrzeug übermittle nur im Notfall die notwendigsten Daten. Für Mehrwertdienste gebe es aber derzeit keine spezielle Regelung. Es gelten jedoch die vorhandenen Datenschutzstandards. Der ADAC habe eine Studie erstellen lassen, die nochmals klarstelle, dass die Fahrzeugdaten in der Hoheit des Fahrzeugbesitzers beziehungsweise -nutzers liegen und keinesfalls etwa beim Fahrzeughersteller. Horst Müller-Peters, Professor für Marketing, Marktforschung und Kundenverhalten am Institut für Versicherungswesen (IVW) und Direktor der Forschungsstelle Versicherungsmarkt der Fachhochschule Köln, fordert, dass der Gesetzgeber klar trennen sollte. E-Call solle möglichst bald eingeführt werden, Mehrwertdienste bedingt und dann "frei und datengeschützt".

Frank Brennecke, Oecon GmbH, ergänzt, die EU sehe vor, dass "E-Call-Systeme sich in einem Schlafzustand befinden müssen, wenn sie nicht benutzt werden". Sie sollten nach einem Unfall maximal eine Stunde aktiv bleiben. Dem gegenüber stünden aber die Interessen der Mehrwertdienste-Anbieter und auch der Sicherheitsbehörden, die beide wünschten, dass das Fahrzeug dauerhaft oder wenigstens auf Abruf online sei – ansonsten würden die Mehrwertdienste nicht funktionieren. Da aber bisher noch keine EU-Richtlinie vorliege, stehe "bisher recht wenig" zu diesem Thema fest.

Der Verkehrsrechtler Dr. Thomas Funke betonte, dass das "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" auch im Auto gelte. Bei den Telematikdiensten des Herstellers sei "das ausdrückliche Einverständnis des Fahrers nötig", das dieser auch jederzeit widerrufen könne. Daten seien "das Gold des Internetzeitalters". Nach einer Studie soll der europäische Telematik-Markt schon 2019 über fünf Milliarden Euro wert sein, erläutert Funke. Das sei nicht nur ein Datenschutz-, sondern auch ein Wettbewerbsthema.

Zudem besteht das Risiko terroristischer Eingriffe. Viele der Funktionen des Fahrzeugs werden per Telematik beeinflusst. Damit bieten sich Möglichkeiten für kriminelle Organisationen, zum Beispiel Bremsen außer Betrieb zu setzen. Zudem müssen sicherheitsrelevante Applikationen wie E-Call auch im Falle sehr schwerer Unfälle immer funktionstüchtig sein.

Organisatorische Herausforderungen

Neben technischen Problemen müssen auch noch organisatorische Herausforderungen gemeistert werden. So arbeiten die bis zu 250 Rettungsleitstellen allein in Deutschland mit sehr unterschiedlichen technischen Infrastrukturen. Brennecke erläutert, dass das System E-Call aus "rein technischer Sicht bereits heute einsatzbereit" sei. Allerdings dauere die Umrüstung der deutschen Rettungsleitstellen wohl noch bis 2016. In dem EU-Forschungsprojekt HeERO (Harmonized E-Call European Pilot) arbeiteten derzeit 15 Mitgliedsstaaten daran, ihre Leitstellen für E-Call aufzurüsten. Für Deutschland sei ein Konzept entwickelt worden, allerdings sei aufgrund der föderalen Verantwortlichkeiten noch keine Entscheidung zugunsten einer bestimmten Aufrüstungsstrategie gefallen, sagte Brennecke. Zudem kritisierte Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstandsmitglied der Huk-Coburg, dass bis jetzt eine "rechtlich verbindliche Vorgabe der EU-Kommission für eine Aufrüstung" fehle.

Der Kampf um die Daten ist im Gange. Fahrzeughersteller, die die Technik in die Fahrzeuge einbauen, könnten sich mit dem System leicht ein Datenmonopol verschaffen. Wichtig ist eine offene Schnittstelle für den Zugriff auf die Informationen. Daher muss für Fahrzeughersteller und unabhängige Marktbeteiligte gewährleistet sein, dass sie den gleichen Zugang zu den gleichen Informationen zur gleichen Zeit haben.

Die Datenerfassung und -übertragung ist von zentraler Bedeutung. Herausforderungen werden sein, Daten vor kriminellen Dritten zu schützen und den Kunden über die Zusatzdienste zu informieren, die durch die Technik hinter E-Call möglich werden, wie zum Beispiel die Analyse des Fahrverhaltens, Bewegungsprofile oder personalisierte Werbung. Der Verbraucher muss entscheiden können, wer seine Daten erhält und wie diese gespeichert oder genutzt werden sollen.

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