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02.03.2015 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Quant auf dem Prüfstand

verfasst von: Christiane Brünglinghaus, Andreas Burkert

7 Min. Lesedauer

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Das Liechtensteiner Unternehmen Nanoflowcell wirbt überschwänglich für seinen modifizierten Flusszellenantrieb. Dieser Antrieb soll im Quant faszinierende Leistungswerte liefern. Doch die genannten Fakten überraschen Forscher, die seit Jahren an dem Thema arbeiten. Eine Analyse.

Die Elektromobilität kämpft noch mit etlichen Problemen: mit der geringen Reichweite, mit langen Ladezeiten, mit hohen Kosten. Dann kommt ein rund ein Jahr altes Unternehmen namens Nanoflowcell aus Liechtenstein und scheint sämtliche Probleme der Elektromobilität gelöst zu haben. Das sollte skeptisch machen. Viele Medien berichten, teils euphorisch, über das Elektromobil Quant F, die Weiterentwicklung des elektrischen Sportwagens Quant E mit Flusszellenantrieb aus dem Jahr 2014. Auch Springer für Professionals berichtete über die Fahrzeuge und die Arbeiten von Nanoflowcell - und hätte die Nanoflowcell-Meldungen kritischer einordnen sollen. Das wollen wir jetzt nachholen.

Rund 802 kW Leistung und 800 Kilometer Reichweite - der Quant F hört sich nach einem Traumauto an. Schon der Quant E sollte 680 kW leisten, mit seiner Flusszelle an Bord eine beachtliche Energiedichte erzeugen und auf eine Reichweite von 600 Kilometer kommen. Und in 2,8 Sekunden mit einem Gewicht von 2,3 Tonnen von Null auf 100 km/h beschleunigen. Diese fantastischen Werte erklärt das Unternehmen mit dem Einsatz einer speziellen Batterie mit hoher Energiedichte in Kombination mit Supercaps.

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Laut den technischen Angaben des Unternehmens soll die gravimetrische Energiedichte ihres weiterentwickelten Redox-Flow-Akkumulators im Quant E 600 Wh/kg betragen. Wobei sich die Angaben von Nanoflowcell in der Pressemeldung widersprechen: An einer Stelle wird eine spezifische Energie von 600 Wh/kg genannt, an anderer Stelle heißt es dann, die Energiedichte würde 600 Wh/L betragen. Hier scheint das Unternehmen zwischen volumetrischer und gravimetrischer Energiedichte nicht unterscheiden zu können, gemeint ist wohl aber die gravimetrische Angabe von 600 Wh/kg. Zur Energiedichte des neuen Quant F ist im aktuellen Pressematerial dann gar nichts mehr zu lesen. Zum Vergleich: Lithium-Ionen-Akkus können auf eine volumetrische Energiedichte von rund 350 Wh/L kommen, gravimetrisch ausgedrückt: rund 140 Wh/kg.

Der Trick mit dem flüssigen Elektrolyten

Zunächst einmal zum genannten elektrischen Speicher, der Redox-Flow-Batterie. Diese Batterien speichern Energie in einem flüssigen Elektrolyten. Die gespeicherte Energie wird in externen Tanks gelagert und kann bei Bedarf in der Wandlereinheit umgesetzt werden. Der Vorteil der Redox-flow-Batterien ist, dass Energiekapazität und Leistungsfähigkeit unabhängig voneinander skaliert werden können, erläutern Professor Dirk Uwe Sauer und die Ingenieurin Julia Kowal von der RWTH Aachen im Artikel "Batterietechnik - Grundlagen und Übersicht" (Seite 1005) aus der MTZ 12-2012. Weiterer Vorteil dieser Akkus: Sind sie leer, könnte man an der Tankstelle einfach die entladene Elektrolytflüssigkeit gegen frisch geladene austauschen - was nicht länger dauern würde, als Benzin zu tanken. Lithium-Ionen-Akkus zu laden, dauert hingegen Stunden. Bisher haben die Redox-Flow-Batterien jedoch einen Nachteil: Sie speichern deutlich weniger Energie als Lithium-Ionen-Akkus.

Und nun zum Unternehmen Nanoflowcell, das aktuell nicht von einer Redox-flow-Batterie spricht, sondern von der sogenannten Nanoflowcell-Batterie. Die Nanoflowcell sei eine "revolutionäre Weiterentwicklung", die ähnlich dem Redox-Prinzip funktioniere. Es sei aber ein eigenes System, teilt das Unternehmen mit. Wie genau aber das angeblich verbesserte Verfahren in den Quant-Fahrzeugen funktionieren soll, bleibt unklar. Nur so viel teilt Nanoflowcell mit: Durch die Veränderung der Nanostruktur in der ionischen Flüssigkeit sei es gelungen, die Energieeffizienz der Flusszellen-Technologie maßgeblich zu steigern.

Wie realistisch sind die Werte für die Energiedichte?

Doch gerade der Elektrolyt ist der Knackpunkt. Generell hängt die Energiedichte einer Redox-Flow-Batterie von der Löslichkeit der Redoxpaare in dem Elektrolyt ab. Und zum Elektrolyt erfährt man vom Unternehmen nicht viel. Mithilfe des Molekular-Engineerings sei es im eigenen Forschungszentrum in Zürich gelungen, eine ionische Flüssigkeit zu entwickeln, die diese "außergewöhnlichen Performancewerte" erreiche, so Nanoflowcell. Entwickelt habe den Elektrolyt Nunzio La Vecchia, technischer Leiter bei NanoFlowcell. Das Unternehmen stelle es aktuell noch in Eigenproduktion her.

Fragt man hingegen Dr. Peter Fischer, Gruppenleiter Redox-Flow-Batterie am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT), erfährt man Folgendes: "Konventionelle Flow-Batterien auf Vanadiumsulfat-Basis erreichen derzeit theoretische Energiedichten von maximal 19 bis 38 Wh/L bezogen auf die reine Elektrolytlösung", erklärt der Wissenschaftler. Mit Beimengungen von Salzsäure könne die Energiedichte der Elektrolytlösung in etwa auf das 1,5-fache gesteigert werden. Bisher sei mit einer reinen Vanadium-Redox-Flow-Batterie ein Golf-Car betrieben, in dem der Hauptteil des Fahrgastraums für die Batterie reserviert war. Für ein Serienfahrzeug reiche die Energiedichte eines All-Vanadium-Systems nicht aus. Professor Sauer und Julia Kowal bestätigen: Das Konzept der Vanadium-Redox-flow-Batterie sei aktuell keine realistische Alternative zu beispielsweise Lithium-Ionen-Batterien in Elektrofahrzeugen.

Redox-flow-Batterie für mobilen Einsatz lange Zeit utopisch

Für Brom-basierte Systeme werden theoretische Energiedichten von 570 Wh/kg (zum Beispiel Zink-Brom) angegeben, ergänzt Peter Fischer. Die tatsächliche Energiedichte sei aber wesentlich geringer - vielleicht 70 Wh/kg, so der Wissenschaftler. Zudem sei die Zink-Brom-Batterie keine "echte" Flow-Batterie und hätte gegenüber einer klassischen Lithium-Ionen-Batterie keine Vorteile wie zum Beispiel die Betankbarkeit.

Eine interessante Option für Peter Fischer sind Metall-Ionen-Luft-Systeme, wie zum Beispiel die Vanadium-Luft-Zelle. Theoretisch könnten hier Energiedichten bis 150Wh/L oder mehr erreicht werden. Die bisher aufgebauten Systeme würden aber noch zu niedrige Leistungs- und Energiedichten besitzen. In diesem Bereich könnte aber Forschung zu neuen mobilen Lösungen kommen. Jedoch müssten hier noch einige Hürden in der Stabilisierung hochkonzentrierter Lösungen erreicht werden. Das Fraunhofer ICT forscht seit mehr als vier Jahren auf diesem Gebiet. Peter Fischer schätzt, dass es kommerzielle Lösungen im Bereich des mobilen Einsatzes von Redox-flow-Batterien nicht in naher Zukunft geben wird.

Details zur Technik nennt Nanoflowcell nicht

Dahingegen scheinen die Daten hinsichtlich der Energiedichte von Nanoflowcell sehr hochgegriffen - sofern das Unternehmen denn Daten nennt. Unabhängige Quellen und Messungen, die die technischen Angaben zu Fahrzeug und insbesondere zur Batterie bestätigen könnten, liefert Nanoflowcell nicht. Zahlreiche Tests, Simulationen, Analysen und Auswertungen würden zwar vorliegen, seien aber im Moment noch vertraulich und nur dem Nanoflowcell-Entwicklungsteam zugänglich.

Mehr zur Flusszelle weiß auch Bosch Engineering nicht. Die hundertprozentige Bosch-Tochter kooperiert mit Nanoflowcell. Als Entwicklungsdienstleister ist sie mit einzelnen Teilaufgaben der Entwicklung der Quant-E- und Quant-F-Sportlimousinen beauftragt. So entwickelt Bosch Engineering die Elektroniksysteme sowie die Systemauslegung des Antriebsstrangs. Zudem zählt das Bordnetz zu den Entwicklungsaufgaben.

Detaillierte Informationen zur Flusszelle liegen Bosch Engineering hingegen nicht vor: "Über Beschaffenheit und Leistungswerte der Nanoflowcell-Antriebstechnologie könne man keine Aussagen machen", so Annett Fischer, Sprecherin bei Bosch Engineering. "Wir können die Informationen zur Nanoflowcell-Antriebstechnologie weder bestätigen noch dementieren." Zum neuen Kleinelektrowagen Quantino, den Nanoflowcell wie den Quant F auf dem Genfer Autosalon präsentieren will, liege keine Beauftragung seitens Nanoflowcell vor, so die Sprecherin.

Aufklärung auf dem Genfer Autosalon?

Wie sind aber die Quant-Fahrzeuge nun zu bewerten? Die von dem Liechtensteiner Unternehmen gemachten Angaben hinsichtlich der Beschleunigungswerte und der Maximalgeschwindigkeit halten zwar einer ersten groben Überschlagrechnung stand. So würden beispielsweise mehrere hundert in Reihe geschaltete Supercaps kurzfristig die erforderliche Energie liefern können. Die Kondensatoren sind neben den mehreren Hundert Liter Elektrolyt (Tankinhalt Quant E: 2 x 200 l; Quant F: 2 x 250 l) vermutlich der zweite große Posten, der das Gewicht des Fahrzeugs bestimmt und zudem viel Bauraum beansprucht.

Solange aber Nunzio La Vecchia keine weitere Leistungsdaten (Drehmomentverlauf, Kapazitätswerte der Supercaps etc.) nennt und vor allem Angaben etwa hinsichtlich der Energiedichte der Batterie und damit der Reichweite des Fahrzeugs von unabhängiger Seite bestätigt werden, wird das Unternehmen immer tiefer in eine Glaubwürdigkeitskrise geraten.

Ob sich der Nanoflowcell-Antrieb in der Praxis bewährt, wird man vielleicht noch in diesem Jahr sehen: "Wir werden in 2015 mit dem Quantino fahren", hat La Vecchia im Vorfeld des Genfer Autosalons angekündigt. Denn auch der Quantino macht sich das Prinzip der Flusszelle - kombiniert mit einem Niedervoltsystem - zu eigen. Dann wird sich vielleicht zeigen, was in den Ankündigungen der letzten Monate steckt. Bis dahin sollten die Meldungen von Nanoflowcell skeptisch betrachtet werden.

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