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24.06.2013 | Automobil + Motoren | Nachricht | Online-Artikel

Renault Sport F1 präsentiert neues Triebwerk für 2014

verfasst von: Katrin Pudenz

7 Min. Lesedauer

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Für die Saison 2014 tritt in der Formel 1 ein neues Motorenreglement in Kraft, das den Einsatz von energieeffizienten 1,6-l-Aggregaten mit Turboaufladung und umfangreicher Energierückgewinnung vorschreibt. Renault hat nun sein neues F1-Antriebssystem für die kommende Saison vorgestellt, für Außenstehende einen Blick in das neue F1-Reglement geworfen und dessen Auswirkungen erklärt. Es trägt den Namen "Energy F1-2014".

Herz ist ein neu entwickelter 1,6-l-V6-Turbomotor mit etwa 440 kW (600 PS) Leistung. Weitere 120 kW (160 PS) Leistung können von Energierückgewinnungssystemen bereitgestellt werden, wie die französischen Motorenexperten berichten. In der Gesamtsystemleistung ist die neue Antriebseinheit stärker als die aktuellen 2,4-l-V8-Saugmotoren, während gleichzeitig der Kraftstoffverbrauch um 35 Prozent sinkt. "Da in der kommenden Formel-1-Fahrzeuggeneration ein rund 600 PS starker Verbrennungsmotor und ein 160 PS starkes Energierückgewinnungssystem zusammenarbeiten, ist es beim Energy F1-2014 sinnvoller, von einem Antriebssystem statt nur von einem Motor zu sprechen", erklärt Rob White, Technischer Direktor von Renault Sport F1.

Vorgaben für die Entwicklung

Folgendes schreibt das neue Reglement unter anderem vor: einen V6-Motor mit maximal 1,6 Liter Hubraum, Aufladung per Single-Turbolader, Unterstützung des Antriebs durch kraftvolle Systeme zur Energierückgewinnung (ERS = Energy Recovery System), eine Kraftstoffdurchflussbegrenzung auf 100 Kilogramm pro Stunde (bisher kein Limit), eine Kraftstoffmengenbegrenzung auf 100 Kilogramm pro Rennen (bisher unbegrenzt), maximal fünf Motoren pro Fahrer in der Saison 2014 und vier Triebwerke in den Folgejahren. Neben Hubraum und Turboaufladung hat die Fédération Internationale de l'Automobile (Abkürzung: FIA) unter anderem auch Zylinderwinkel, Bohrung-Hub-Verhältnis und die Zahl der Ventile verbindlich festgelegt. Für die Höchstdrehzahl gilt die Obergrenze von 15.000/min (bisher: 18.000/min). Weitere Vorgaben sind Vierventiltechnik und Benzin-Direkteinspritzung.

Elektro-Boost durch ERS

Anstelle des bisherigen KERS-Systems (Kinetic Energy Recovery System), das ausschließlich die Bewegungsenergie (kinetische Energie) des Autos speichert und wieder für den Antrieb nutzt, soll nun ein komplexeres System zur Rückgewinnung von Energie den Verbrennungsmotor vom Jahr 2014 an unterstützen. Mit rund 120 kW/160 PS liefert das neue ERS (Energy Recovery System) die doppelte Leistung des bekannten KERS (60 kW/82 PS). ERS besteht aus zwei Bausteinen: aus dem ERS-K (Energy Recovery System - Kinetic) und aus dem ERS-H (Energy Recovery System - Heat).

Das ERS-K ist mit dem bisherigen KERS vergleichbar, wie die Renault-Experten erklären. Seine Funktion beschreiben sie Folgendermaßen: Kernelement ist ein Generator (Motor Generator Unit - Kinetic = MGU-K). Er wandelt die kinetische Energie, die beim Bremsen in Form von Reibungswärme entsteht, in elektrische Energie um. Die MGU-K-Einheit ist an die Kurbelwelle angeflanscht und funktioniert beim Beschleunigen als zusätzlicher Elektromotor. Pro Rennrunde darf die Motor-Generator-Einheit vier Megajoule (MJ) Energie aus den Batterien abrufen, zehnmal so viel wie beim aktuellen KERS, berichten die Konstrukteure weiter.

Motor-Generator-Einheit am Turbolader

Bei dem zweiten Rekuperationssystem ERS-H handelt es sich um eine Neuentwicklung. Es transformiert einen Großteil der Abwärme des Turboladers in elektrische Energie, erläutern die Ingenieure und fügen hinzu: Dabei treibt die Welle des Turboladers auch die Motor Generator Unit - Heat (MGU-H) an, die für die Energieumwandlung sorgt. Der so erzeugte Strom wird in Akkus gespeichert und kann situationsabhängig auf zwei Arten genutzt werden: Er wird an die MGU-K abgegeben, oder er wird - beispielsweise beim Beschleunigen aus niedrigen Drehzahlen - wieder zur MGU-H geleitet, die jetzt nicht mehr als Generator, sondern als Elektromotor arbeitet und die Turboladerwelle antreibt. Vorteilhaft sei, dass die Ansprechzeit des Turboladers verkürzt werde, sofort genug Ladedruck zur Verfügung stehe und das "Turboloch" ausbleibe.

Lesen Sie mehr über das neue F1-Motor- Antriebssystem und die Strategie auf Seite 2.

Vernetzung der Motor-Generator-Einheiten

Beide Motor-Generator-Einheiten sind eng vernetzt. Ruft der Fahrer Drehmoment ab, so entscheidet die elektronische Steuerung je nach Situation, ob hierfür der Motor allein ausreicht, ob die MGU-K zusätzliche Energie bereitstellt oder ob die MGU-H schnell und verzögerungsfrei die Rotationsgeschwindigkeit des Turbinenrads und damit den Ladedruck erhöht, so die Experten.

Die Kraftstoffeinteilung

Neben der maximalen Energie, die aus den Batterien abgerufen werden darf, beinhaltet das neue Formel-1-Reglement als weiteren effizienzsteigernden Faktor die Beschränkung der Kraftstoffmenge. Pro Stunde dürfen maximal 100 Kilogramm Super Plus in den Motor fließen. Hierbei handelt es sich allerdings um einen theoretischen Wert, denn gleichzeitig ist auch die Spritmenge pro Fahrzeug und Rennen auf 100 Kilogramm beschränkt. Bei einer durchschnittlichen Renndauer von eineinhalb Stunden wird daher die Kraftstoffeinteilung zum zentralen Bestandteil der Rennstrategie.

"Keine Rennstrecke erlaubt es den Teams, die ganze Zeit Vollgas zu fahren, auf allen Kursen wird die Spritmenge bei normalem Formel-1-Tempo über die gesamte Renndistanz im Bereich der erlaubten 100 Kilogramm liegen, auf manchen etwas darunter, auf manchen etwas darüber. Dann müssen sich Fahrer und Teams entscheiden, wie sie den Kraftstoff einteilen. Insgesamt wird die Performance auf dem Niveau der Autos von 2013 liegen", sagt Naoki Tokunaga, Technischer Direktor für die neuen Antriebseinheiten.

Energiemanagement

Genauso wichtig wie das Kraftstoffmanagement ist das Energiemanagement. Während die Teams KERS bislang nur an wenigen Stellen einer Rennrunde einsetzen konnten, müssen sie 2014 genau überlegen, an welchen Punkten der Rennstrecke sie eher mit dem früh einsetzenden Ladedruck oder mit dem direkten Elektro-Boost Zeit gewinnen oder sich im Zweikampf Vorteile sichern. Außerdem kann es sinnvoller sein, Energie für bestimmte Beschleunigungsphasen zu sparen.

Zusätzlich zum begrenzten Benzindurchfluss gibt es als weiteren limitierenden Faktor die maximale Energie, welche die Fahrer aus den Batterien abrufen können. Die Akkus dürfen wie bei einem Hybrid-Pkw nur bis zu einem bestimmten Punkt entladen werden. Das heißt: Die Rennställe müssen auch auf diesen Faktor achten.

Um die Kosten weiter zu beschränken, dürfen die Teams 2014 pro Saison und Fahrer nur noch fünf statt aktuell acht Motoren einsetzen. Später wird die Zahl auf vier verringert. Weitere wichtige Entwicklungsziele für Renault Sport F1 waren deshalb Zuverlässigkeit und Robustheit.

Zweijährige Entwicklungszeit

Die Arbeiten an dem neuen Formel 1-Triebwerk haben im Sommer 2011 begonnen. Dabei arbeitete Renault Sport F1 eng mit seinen Kundenteams zusammen. Insbesondere der Entwicklungspartner Red Bull Racing spielte dabei eine wichtige Rolle. Die neuen V6-Aggregate verlangen eine komplett neue Chassis-Integration. Während der bewährte RS27-Achtzylinder 95 Kilogramm wiegt, kommt der neue 1,6-Liter-V6-Turbo auf ein Gewicht von 145 Kilogramm. Hinzu addieren sich weitere 35 Kilogramm für die Batterie und 20 Kilogramm für Nebenaggregate wie den Ladeluftkühler.

Wegen ihres Mehrgewichts und ihrer größeren Dimensionen hat die Antriebseinheit einen weit größeren Einfluss auf das Fahrzeugdesign als bisher. Der Turbolader ragt beispielsweise über das Getriebe in einen Bereich, wo bislang die Kupplung und die Aufhängungspunkte für die Hinterräder liegen. Die größere Batterie hat wiederum Einfluss auf Kühlerposition und Tankgestaltung.

Nach sieben Monaten Entwicklungszeit absolvierte der erste Einzelzylinder im Januar 2012 einen Test auf einem Spezialprüfstand des Renault-Sport-F1-Motorenkompetenzzentrums Viry-Châtillon. Im Juni 2012 hatte der komplette Motorenprototyp seine Prüfstandpremiere, allerdings noch ohne ERS-Komponenten. Nach rund zweimonatigen Zuverlässigkeitstests wurde das Aggregat im August 2012 erstmals über den gesamten Drehzahlbereich "ausgefahren". Im Februar 2013 starteten die gemeinsamen Tests von Motor, MGU-H und MGU-K. Im Juni 2013 folgte nach zwei Jahren Entwicklung der erste statische Test einer rennfertigen "Energy-F1-2014"-Antriebseinheit.

Die Kundenteams werden ihre Triebwerkseinheiten Anfang Januar 2014 erhalten. Mitte Januar beginnen die Rennstreckentests, bevor im März 2014 der erste Grand Prix der neuen Saison startet.

Werfen Sie auf Seite 3, als zusätzliche Informationen, einen Blick auf eine Tabelle mit Daten zum aktuellen Antriebssystem, sowie auf das künftige System für 2014.

Motoren im Vergleich: Saison 2013 und 2014:

MotorRS27-2013Neuer V6-Motor-2014
Hubraum2,4 l1,6 l
Höchstdrehzahl18.000/min15.000/min
AufladungSaugnotor, Aufladung war nicht gestattetEin Turbolader, unbegrenzter Ladedruck (typischer Maximaldruck 3,5 bar auf Grund der Kraftstoffdurchfluss-Begrenzung)
Kraftstoffdurchflussbegrenzungunbegrenzt, typischerweise 170 kg(h100 kg/h (40 %)
Erlaubte Treibstoffmenge pro RennenUnbegrenzt, typischerweise 160 kg100 kg (-35%)
Bauart90° V890° V6
Anzahl Zylinder86
Max. Bohrung98 mm80 mm
Max. Hubunbegrenzt53 mm
Kurbelwellenhöhemin. 58 mm90 mm
Anzahl der Ventile4 pro Zylinder, insgesamt 324 pro Zylinder, insgesamt 24
Motorgewicht95 kg145 kg (ohne Energierückgewinnungssysteme)
GemischaufbereitungSaugrohreinspritzungDirekteinspritzung
Anzahl Motoren pro Fahrer und Saison85

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