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21.07.2014 | Erneuerbare Energien | Interview | Online-Artikel

Solarkollektoren unter extremen Bedingungen

verfasst von: Günter Knackfuß

5 Min. Lesedauer

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Sonnenkollektoren sind die am stärksten belasteten Komponenten in solarthermischen Anlagen. Im Interview berichtet Karl-Anders Weiß über die Entwicklung der erforderlichen Tests am Fraunhofer ISE.

Sonnenkollektoren sind sehr hohen Temperaturen und je nach Standort wechselnden, extremen klimatischen Bedingungen ausgesetzt. Dafür entwickeln Wissenschaftler des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE die erforderlichen Tests.

Springer für Professionals: Das wissenschaftliche Projekt "SpeedColl" hat jetzt erste Ergebnisse vorgestellt. Welche sind das?

Karl-Anders Weiß: Die Ergebnisse des Projekts, die in den ersten beiden Jahren erarbeitet wurden, sind sehr vielfältig. Einerseits zeigen die Messdaten aus der Freibewitterung der Kollektoren und der Komponenten (Absorber, Spiegel, Gläser), dass die Prüflinge an den verschiedenen Standorten sehr unterschiedlichen und zum Teil extremen Belastungen ausgesetzt sind. In Israel und auf Gran Canaria sind dies beispielweise hohe UV- und Temperaturbelastungen, während auf der Zugspitze sowohl sehr hohe Einstrahlungswerte als auch naturgemäß sehr hohe mechanische Belastungen durch Schnee auftreten. Die parallel verlaufende Studie zur Bestimmung der Korrosivität der Atmosphäre verdeutlicht zudem die besonderen Belastungen am Standort Gran Canaria durch die salzhaltige Luft. An allen Standorten erweisen sich die Prüflinge jedoch als sehr stabil und erste Nachmessungen der Kollektoren zeigen keine signifikanten Veränderungen.

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Andererseits verdeutlichen die beschleunigten Alterungsprüfungen der Komponenten im Labor eine sehr gute Homogenität der Materialien, was auf das hervorragende Niveau der Hersteller und auf eine sehr gute Stabilität gegenüber den Prüfungen in etablierten Verfahren schließen lässt. Die Arbeiten in diesem Themenfeld beschäftigen sich vorrangig mit Themen, die im Rahmen einer Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) als besonders wichtig identifiziert wurden. Aktuell werden hierzu auf Basis der Erfahrungen und Messwerte der Freibewitterung neue Prüfverfahren und -sequenzen entwickelt, die die Belastungsfaktoren Temperatur, Feuchtigkeit und UV-Strahlung realitätsnah integrieren und somit eine Abschätzung der Gebrauchsdauer ermöglichen.

Die Forscher ermitteln reale Belastungsdaten für Kollektoren und Komponenten. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus?

Im Rahmen des Projekts messen wir reale Belastungsdaten an verschiedenen Komponenten der exponierten Kollektoren. Diese dienen hauptsächlich dazu, zu ermitteln, in welcher Intensität und Kombination die Belastungsfaktoren Temperatur, Feuchtigkeit und UV-Strahlung an den verschiedenen Standorten auftreten, um daraus angepasste Prüfungen entwickeln zu können. Besonders wichtig ist uns dabei die Bestimmung des sogenannten Mikro-Klimas, also der Bedingungen, die direkt an den Materialien auftreten, da dieses für ablaufende Alterungseffekte relevant ist. Weiterhin nutzen wir die Daten, um mit Hilfe von Geographischen Informationssystemen (GIS) weltweit Regionen zu identifizieren, die ähnliche Lastkollektive aufweisen, und ordnen unsere Standorte diesen Regionen zu. Hier sehen wir an den verschiedenen Standorten beispielsweise unterschiedliche Korrelationen zwischen Absorbertemperaturen und Umgebungstemperaturen und Einstrahlung, was besonders auf den Einfluss des Windes zurückzuführen ist.

An welchen Standorten werden die Testwerte gemessen?

Im Rahmen des Projekts "SpeedColl" betreiben wir vier Teststände in Regionen mit Extremklimaten sowie zwei Teststände an Referenzstandorten mit gemäßigtem Klima:

Gemäßigte Standorte

Alpiner Standort

Maritimer Standort

Arider Standort

Tropischer Standort

  • Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg, Deutschland (Betrieb ISE)
  • Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW), Universität Stuttgart, Stuttgart, Deutschland (Betrieb: ITW)
Testfeld an der Umweltforschungsstation Schneeferner Haus auf der Zugspitze, Deutschland (Betrieb: ISE)Testfeld auf dem Gelände des Instituto Tecnológico de Canarias (ITC) in Pozo Izquierdo, Gran Canaria, Spanien (Betrieb: ISE)Testfeld auf dem Gelände der Fakultät für Wüstenforschung der Ben-Gurion University of the Negev in Sede Boqer, Israel (Betrieb: ISE)Testfeld auf dem Gelände der Rajagiri School of Engineering & Technology in Kochi, Indien (Betrieb: ITW)

Warum ist ihnen die Testreihe auf Gran Canaria so wichtig?

Der Freibewitterungsstandort auf Gran Canaria repräsentiert durch seine küstennahe Lage in einer sehr sonnenreichen Gegend Standorte, die für die Anwendung der Solarthermie sehr wichtig sind. Diese Gegenden sind weltweit sehr dicht besiedelt und weisen eine hohe jährliche Einstrahlung auf, also ideale Voraussetzungen für eine effiziente Nutzung der Sonnenenergie. Allerdings bringen diese Standortfaktoren auch entsprechend hohe Belastungen für die Komponenten und Materialien mit sich. Neben der Salzbelastung sind hier vor allem hohe Temperaturen, hohe UV-Belastung und teilweise mechanische Belastungen durch Wind zu nennen.

Mit den Ergebnissen der Prüfungen auf Gran Canaria wollen wir Tests entwickeln, die der Industrie helfen, ihre Produkte auch an diese Bedingungen anzupassen und deren Qualität nachzuweisen, was besonders den Export in sonnenreiche Regionen stärken soll.

Mit welchen Partnern erfolgen die Untersuchungen?

Neben dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE ist noch das Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart als Forschungsinstitut am Projekt "SpeedColl" beteiligt.

Zusätzlich arbeiten Vertreter von zahlreichen Industrieunternehmen am Projekt aktiv mit und unterstützen es finanziell. Zu nennen sind die Kollektorhersteller Bosch Thermotechnik GmbH, Vaillant GmbH, Viessmann Werke GmbH & Co. KG, sowie die Material- und Komponentenhersteller ALANOD GmbH & Co. KG, Almeco-TiNOX GmbH, DSM Advanced Surfaces B.V., Kömmerling Chemische Fabrik GmbH, Hermann OTTO GmbH, Interfloat Corporation, Braas Monier Building Group Services GmbH, Ritter Gruppe, Sonnenkraft Deutschland GmbH, Wagner & Co Solartechnik GmbH, Ritter Energie- und Umwelttechnik GmbH & Co. KG und Deutsches Kupferinstitut Berufsverband e.V..

Die weitere Finanzierung erfolgte durch Fördermittel des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB).

Die Ergebnisse sollen u.a. auch als Grundlage für die Normung dienen. Wie geschieht das?

Vertreter der beiden Forschungsinstitute sowie einige der Industriepartner arbeiten aktiv in verschiedenen Normungsgremien auf nationaler und internationaler Ebene und im Solar Heating and Cooling Programme der Internationalen Energieagentur mit. Über diese Kollegen werden Ergebnisse des Projekts in die entsprechenden Gremien eingebracht, um bestehende Normen zu verbessern oder ggf. neue Themen anzustoßen, wenn die Ergebnisse dies erfordern.

Das Interview führte Günter Knackfuß, freier Autor, für Springer für Professionals.

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