Rauchen tötet. Weltweit stirbt alle sechs Sekunden ein Mensch durch Tabakkonsum. Warnende Studien und Tabakrichtlinien setzen Konzerne unter Druck und lassen Lobbygruppen aktiv werden. Von ihnen lässt sich einiges lernen, meint Springer-Autor Dietmar Jazbinsek.
Wenn Altkanzler Helmut Schmidt zur Zigarette greift, dann ist alles wieder gut. Zwar soll der 97-Jährige während seines Krankenhausaufenthaltes im September ganze zehn Tage auf den blauen Dunst verzichtet haben, doch jetzt raucht er wieder und durch die Medien huscht frei nach Wilhelm Busch ein beruhigtes "Gottseidank".
Schmidts öffentlicher Dauergenuss von Mentholzigaretten hat vielerlei Hinsicht Symbolcharakter. Schon vor Jahren musste der Altkanzler sich aus den eigenen Reihen die Kritik gefallen lassen, dass er als werbewirksame "Raucherikone" der Tabaklobby durchaus einen Gefallen erweise.
Vom Qualm umnebelte Politik
Die Tabaklobby weicht der Politik ohnehin kaum von der Seite. So berichtete Abgeordnetenwatch vor einem Jahr über die Einflussnahme von Philipp Morris auf "tabakfreundliche" EU-Abgeordnete. Ziel der langjährigen Umtriebe war, Änderungen an der 2014 in Kraft getretenen Tabakrichtlinie zu erreichen.
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Lobbying finde traditionell im Hinterstübchen statt, meint Springer-Autor Frank Marcinkowski in seinen Beitrag "Die Medialisierung der Politik". Die Einflussnahme gelte als "umso professioneller, je besser sie sich der externen Beobachtung entzieht und je weniger nachvollziehbare Spuren sie hinterlässt" (Seite 89). Mit dem Label "diskret" lassen sich die Umtriebe der Tabaklobby unterdessen kaum etikettieren.
Anwälte der Tabakindustrie
Während über die Interessenvertretung anderer Wirtschaftsbereiche Informationen bestenfalls tröpfchenweise durchsickern, lieferten Lobbykampagnen der Tabakindustrie im Internet rund 85 Millionen frei abrufbare Textseiten, weiß Springer-Autor Dietmar Jazbinsek. In die hervorragende Beweislage fügt sich ein Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) über Recherchen der New York Times. Diese belegen, wie die US Handelskammer Chamber of Commercein einer groß angelegten Anti-Nichtraucher-Kampagne Briefe an Regierungen weltweit verschickte. In dem von der Times auszugsweise veröffentlichten Schreiben präsentierte sich die Handelskammer als Anwalt der Tabakindustrie. Einer, der gleichzeitig "Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen sehr großzügig auslegt", so die SZ.
Profiteure der Sucht
Jährlich sterben dem aktuellen Welt-Tabak-Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sechs Millionen Menschen durch Tabakkonsum. Die Organisation spricht von einer "Tabakepidemie" und klagt an: "The tobacco industry will do whatever it can to keep texes low". Laut Dietmar Jazbinsek liefern die Tabakkonzerne und ihre Interessenvertreter unterdessen ein Fallbeispiel dafür, wie Unternehmen und Verbände politische Entscheidungen beeinflussen, wie sie "auf das Bekanntwerden skandalöser Fakten reagieren und wie sie es bewerkstelligen, wieder als seriöse Gesprächspartner wahrgenommen zu werden" (Seite 345). Im Beitrag "Totgesagte leben länger" zeigt er die Mechanismen, mit denen die Profiteure des Krankmachers Zigarette auf gesellschaftliche Vertreter einwirken. Dazu zählen:
Mechanismen der Einflussnahme durch Lobbying
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