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19.08.2015 | Multikanal-Banking | Schwerpunkt | Online-Artikel

"Von kostengünstiger Kunden-Bank-Interaktion träumen alle Kreditinstitute"

verfasst von: Eva-Susanne Krah

5:30 Min. Lesedauer

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Die digitalen Veränderungen im Bankvertrieb fordern Banken und Sparkassen viel Innovationskraft und eine strategische Neuausrichtung ab. Springer-Autor Harald Brock erklärt im Interview mit Springer für Professionals, welche Chancen das Multichannel- und Omnichannelmanagement Geldhäusern bietet.

Herr Brock, Banken und Sparkassen sind fieberhaft auf der Suche nach neuen Ertragsquellen, seit die Digitalisierungswelle nicht nur alte Erlösmodelle infrage stellt, sondern auch neue Wettbewerber massiv in den Bankenmarkt drücken. Warum tun sich manche Kreditinstitute eigentlich noch schwer mit der digitalen Revolution und was sollten sie unternehmen, um das Thema voranzutreiben?

Harald Brock: Alle Bereiche eines Kreditinstitutes müssen zunächst die Digitalisierung der Finanzwelt akzeptieren, um Erlös- und Kostensenkungspotenziale zu heben. Manche Geldhäuser haben jedoch noch immer Angst vor einem Bedeutungsverlust der Filiale – ein monolithischer Wettbewerbsvorteil früherer Tage! Anderen fehlt das Bewusstsein und Wissen in Verbindung mit geeigneten Organisationsstrukturen und Budgets zur Ausgestaltung verzahnter Kanäle. Nur die Entwicklung von Mono- zu Multi- und Omnikanal-Strategien führt aus meiner Sicht zum Erfolg.

Wie können Banken das am besten umsetzen?

Die notwendige strategische Ausrichtung hängt ganz entscheidend von der jeweiligen Institutsgruppe und -größe ab. Klassische Filialisten wie Sparkassen oder Genossenschaftsbanken müssen beispielsweise die Stärken des traditionellen Geschäftsmodells, wie Regionalität und persönliche Kunden-Bank-Beziehungen in die digitale Welt transformieren. Hierbei sind Kundenorientierung und Kundenzentrierung wichtiger denn je. Dabei ist eine persodigitale Ausrichtung notwendig.

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Was bedeutet das?

Persodigital setzt sich zusammen aus den Begriffen: Persönlich, das heißt die menschliche und vertrauensvolle Komponente in der Kunden-Bank Beziehung beziehungsweise Interaktion. Sie ist entscheidend für den Erfolg von Kreditinstituten und muss sich auch im digitalen Zeitalter in allen zur Verfügung stehenden Vertriebs- und Kommunikationskanälen wiederfinden. Personalisiert bedeutet, die Bank muss sich in allen Kanälen auf den konkreten Kunden ausrichten – mit einer personalisierten Ansprache und passgenauen, kontextbezogenen Angeboten durch die Nutzung von Big Data). Digital heißt, alles, was digitalisiert werden kann, muss mit einer nie da gewesenen Geschwindigkeit und Innovationskraft digitalisiert werden.

In Ihrem Buch werden unter anderem Direktbanken wie die ING-Diba als Vorzeigebank für das digitale Thema in Deutschland genannt. Was machen sie und ähnlich agierende (Online-)Geldhäuser denn richtig?

Ganz einfach: Trivialität! Die bereitgestellten Produktangebote sind verständlich und für Online-Kunden leicht zu finden. Bei der Prozessgestaltung und der Benutzeroberfläche wurde darauf geachtet, dass sie wenig komplex sind. Services und die Problemlösungskompetenzen, beispielsweise durch das Customer Service Center, sind extrem kundenorientiert und damit einfach zu erreichen. Medienbrüche werden zum Beispiel durch moderne Identifikationsverfahren vermieden. Diese Vorgehensweise ist im Übrigen auch der Antrieb der meisten Fintechs. Es ist nicht verwunderlich, dass die Bank innerhalb der ersten digitalen Revolution in der Bankenwelt ohne Filialnetz zwischen 2002 und 2013 ihre Kundenzahl um den Faktor acht auf heute mehr als acht Millionen steigern konnte. Über ähnliche Erfolgsgeschichten werden wir vermutlich in wenigen Jahren auch aus dem Lager der Fintechs berichten können.

Sie fordern in Ihrem Buch die Integration der Bankfiliale und ihrer Mitarbeiter in das digitale Leben der Bankkunden. Welche Rolle spielt dabei das Multi- beziehungsweise Omnichannel-Management?

Heute funktioniert die Filiale nicht mehr als singuläre, abgeschottete Einheit. Der stationäre Vertrieb muss in ein professionelles Multi- beziehungsweise Omnichannel-Management integriert werden, um seine Potenziale insbesondere bei erklärungsbedürftigen Finanzdienstleistungen auszuschöpfen. Ich plädiere im Buch bei Geschäftsmodellen, die einen besonderen Wert auf eine persönliche und vertrauensvolle Kunden-Bank-Beziehung legen, dafür, die Filiale und die Mitarbeiter in das digitale Leben der Kunden einzubinden. Das Multi- beziehungsweise Omnichannel-Management übernimmt dabei die Rolle eines Wandlers zwischen analogem und digitalem Kanal.

Die Anzahl der Kontaktkanäle und ihre Funktion im Beratungsprozess von Bankkunden haben sich grundlegend verändert und sind deutlich komplexer geworden. Schließlich sind auch die Kunden selbst informierter und ihre Ansprüche sind gestiegen. Welche Bedeutung kommt dabei dem Customer Service Center als direktem Kontaktkanal zu?

Angebot und Nachfrage von Finanzdienstleistungen verlagern sich immer mehr von der Filiale in alternative Kanäle, dies dürfte allen Kreditinstituten bewusst sein. Innerhalb dieser Entwicklung werden Bankkunden verstärkt zum Prosumer, das heißt zum simultanen Produzenten und Konsumenten. Kunden informieren sich mittlerweile oftmals völlig autonom oder Peer-to-Peer, wie das Beispiel der Fidorbank zeigt. Zudem sind sie immer häufiger bereit, völlig selbstständig Berechnungen und Eingaben vorzunehmen. Ermöglicht wird dies durch immer bessere Informationen und einfachere Anwendungen und Prozesse.

Ein Customer Service Center kommt bei komplexen Frage- und Problemstellungen ins Spiel. Unbeachtet darf auch nicht die Bereitstellung von Service- und Vertriebsleistungen für Offlinekunden bleiben. Diese verlangen trotz abnehmender Filialdichte und restriktiver Öffnungszeiten die uneingeschränkte Problemlösungskompetenz eines Kreditinstitutes. Dann kommt ebenfalls das Customer Service Center zum Tragen.

Welche Möglichkeiten bieten sich Finanzinstituten, die die Kunde-Bank-Interaktion in ein Multikanalkonzept online und offline einbinden möchten, sich entsprechend auf ihre Zielgruppen und Kundenströme einzustellen?

Von einer regelmäßigen qualitativ hochwertigen und kostengünstigen Kunde-Bank-Interaktion träumen alle Kreditinstitute. Sie ist die Basis für einen erfolgreichen Vertrieb und eine lange Kundenbindung. Die Einbindung des Internets in die reale Welt, die als "Internet of Things" (IoT) bezeichnet wird, kann Kreditinstituten dabei helfen, diesen Traum zu verwirklichen. Orts- und kontextbezogene Informationen, so genannte Location Based Services (LBS) in Verbindung mit mobilen Endgeräten und Apps, können Kreditinstituten helfen, die Kommunikation zu verbessern und neue Produkte und Märkte zu erschließen. Ein Weg ist die iBeacon-Technologie. Damit haben Kreditinstitute die Chance, ihren Kunden Angebote, Leistungen und Informationen ortsbezogen und mit direkter Kundenansprache in der Filiale oder an jedem beliebigen Point of Interest näher zu bringen. Dies können beispielsweise Flughägen oder Bahnhöfe sein – aber auch ein Skilift in den Alpen. Durch die Nutzung des Dreiecks aus Ort, Situation und Kanalmix gewinnen neue Produkte on demand an Bedeutung. Sie unterscheiden sich von klassischen Finanzdienstleistungen, weil sie über flexiblere Leistungseigenschaften verfügen und kontextbezogen beziehungsweise personalisiert angeboten werden können.

Zur Person
Harald Brock ist Multi- und Omnichannelexperte im Bankenumfeld. Er verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in unterschiedlichen Bereichen der Kreditwirtschaft.
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