Marketing ist ein sinkender Stern. Das macht eine neue Markenführung notwendig, so Springer-Autor Peter Haller im Interview. Der Serviceplan-Geschäftsführer empfiehlt, auf emotionale Markenwerte und einen markenindividuellen Mediaplan zu setzen.
Springer für Professionals: Sie haben in Ihrem Buch „Die Zukunft der Marke“ die größten Flops und Tops von über 1.000 Marken ermittelt. Was ist demnach der größte Markenerfolg und was das größte Markendebakel?
Peter Haller: Der größte Flop kommt jedes Jahr in schöner Regelmäßigkeit wieder: Über 70 Prozent der neu eingeführten Produkte gibt es bereits nach zwölf Monaten nicht mehr auf dem Markt. Das sind allein Launchkosten in einer Größenordnung von über zehn Milliarden Euro.
Der größte Markenerfolg ist wohl weltweit Apple mit seinen i-Produkten, die nicht mehr können als andere, sondern nur eben besser designt und einfacher zu bedienen sind, und nach dem Prinzip der künstlichen Verknappung verkauft werden. Apple ist mit einem Börsenwert von über 600 Milliarden das höchstbewertete Unternehmen – dank exzellenten Marketings. Das Geheimnis des Markenerfolges ist längst keines mehr: Man sollte nicht immer alles neu erfinden wollen, man muss nur erkennbar besser sein als das Vorhandene. Wir wissen empirisch, dass es nicht die geringfügigen, aber auch nicht die pionierhaften Innovationen sind, die die größten Erfolge erzielen, sondern schlichtweg Produkte, die Neues aus Vorhandenem machen.
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Die klassischen Marketinginstrumente werden stumpf, schreiben Sie. Wieso ist das so?
Die klassischen Marketinginstrumente sind stumpf geworden, weil sie rational und in der Hauptsache kurzfristig wirken. Dennoch spielen sie in den meisten Unternehmen nach wie vor die Hauptrolle: Preispromotions, höhere Budgets, erweiterte Distribution, größere Sortimente und das Pochen auf einen Produkt-USP. Es ist noch nicht lange her, da standen diese Tools für 60 bis 70 Prozent des Erfolges, heute sind es empirisch gemessen nur noch 30 Prozent. Der Grund: Was alle tun, hilft am Ende niemandem weiter.
Und welche Rolle spielen emotionale Markenwerte und das Sozialkapital Reputation und Vertrauen?
Die Black Box der Marke sind die emotionalen, langfristig wirkenden Erfolgsfaktoren, das sind die Markenwerte. Wir haben empirisch festgestellt, dass es 20 verschiedene Werte gibt, die in unterschiedlicher Ausprägung, ja nach Produktgruppe und Marke, die entscheidenden Erfolgsfaktoren sind. Zusammengefasst sind dies vier Dimensionen: Selbstinszenierung, die Vermittlung von Lebensfreunde, Geborgenheit und Nachhaltigkeit. Erfolgreicher als andere ist man dann, wenn der Werte-Fit stimmt, das heißt, wenn die Werte der Marke mit den Käufererwartungen korrespondieren, die Kampagne diese Werte konsequent ausdrückt und – wichtig und neu – diese Werte genau in den Medienumfeldern dargestellt werden, die mit den emotionalen Anmutungen der Kampagne übereinstimmen.
Eine These Ihres Buches lautet: Marketer verschwenden mit soziodemografischer Zielgruppenplanung Milliarden. Was heißt das konkret?
Die größte Verschwendung von Mediabudgets geschieht dann, wenn man genau die gleichen Medien und die gleichen Umfelder belegt wie seine Wettbewerber. Dies ist zwangsläufig dann der Fall, wenn man seine Zielgruppen genauso definiert wie die Konkurrenz, nämlich in den Altersgruppen 20 bis 49 Jahre oder 20 bis 59 Jahre. Auf Knopfdruck kommt die Mediaagentur bei diesen Briefingvorgaben ganz zwangsläufig zu identischen Lösungen für alle ihr anvertrauten Marken. So geschieht es, dass in einem Block, in einem Sender drei Joghurts beworben werden und vier Autos.
Es gibt längst ein methodisch einwandfreies Planungsmodell, nämlich Mediaplanung auf Basis der Käufer einer Marke. Dies ist möglich durch die Ermittlung der Käufer aufgrund von Paneldaten und die Übertragung der Merkmale dieser Käufer, z. B. im TV-Bereich auf die Ergebnisse der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF). Nur bei diesem Verfahren bekommt man endlich einen markenindividuellen Mediaplan mit einem anderen Sender-Mix, anderen Umfeldern und geringstmöglichen Überschneidungen mit seinen Wettwerbern – übrigens auch bei Print und Funk. Die gemessenen Ergebnisse einer Käuferplanung sind im zweistelligen Bereich effizienter als bei Mediaplanung mit soziodemografischen Daten und haben in allen bisher praktizierten Fällen deutlich merkbare Umsatzsteigerungen bereits im ersten Jahr bewirkt.
Zur Person |
Dr. Peter Haller ist Gründer der Serviceplan Gruppe, Geschäftsführer in der Serviceplan Holding und seit Jahrzehnten Autor von zahlreichen Büchern und Beiträgen zur Markenführung. |