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06.10.2014 | Medien | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wen der Presserat rügt

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

2:30 Min. Lesedauer

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Nicht alles, was in der Zeitung steht, muss der Leser sich gefallen lassen. Bei Verstößen gegen den Pressekodex rügt der Deutsche Presserat. Die Top Ten der größten Pressesünder führt die Bild-Zeitung an.

„Darf der Journalist alles schreiben, was er weiß oder zu wissen glaubt?“ fragt Springer-Autor Horst Schilling in „Wenn die Presse Ängste schürt oder Hoffnungen weckt. Erfahrungen des Deutschen Presserates mit dem Gesundheitsjournalismus“ und schiebt ein klares „Nein!“ hinterher (Seite 349). Diskriminierung, Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte, Sensationsberichterstattung und und und. Die Liste möglicher journalistischer Fehlleistungen ist lang.

"Bild" uneinholbar an der Spitze

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Im Pressekodex des Deutschen Presserates – Organ publizistischer Selbstverpflichtung – regeln 16 Richtlinien seit 1973 journalistisches Verhalten und die Spielräume der Berichterstattung. Bei Verstößen, die jeder Mediennutzer melden kann, werden schlimmstenfalls öffentliche Rügen ausgesprochen, die im betroffenen Medium veröffentlicht werden müssen. Das NDR Medienmagazin "Zapp" erstellte im August ein Ranking mit den 10 größten Pressesündern der vergangenen 28 Jahre. Platz 1 überrascht kaum, der Vorsprung auf den nächsten Platz lässt unterdessen staunen.

Nicht jede Spitzenposition ist von Ruhm bekleckert. Geht es um die 624 Rügen, die der Presserat seit 1986 ausgesprochen hat, besetzt die Bild-Zeitung eine solche mit sage und schreibe 160 kassierten Rügen. Weit abgeschlagen folgt ihr, 140 Rügen zurück liegend, die B.Z. (20 Rügen). Jede vierte Rüge ist demnach in einem „Bild“-Medium nachzulesen. Doch wer lässt sich zur Verantwortung ziehen und wer zieht die Konsequenzen, wenn das Vertrauen des Lesers in Misstrauen umschlägt?

Die Redaktion als eigenständige Institution,

„Redaktionen als Organisationen werden von der Öffentlichkeit als schuldfähige und damit auch ethisch verantwortliche Akteure aufgefasst und auch belangt“ schreibt Springer-Autor Klaus Meier in seinem Buchkapitel über die „Redaktion“ (Seite 151). Er fordert dazu auf, Redaktionen aus der allgemeinen Unternehmensethik auszugliedern und als eigenständige Institution der Medienethik in die Verantwortung zu nehmen (Seite 150).

Print, TV, Radio und Internet verlieren ihren Wert, sobald Rezipienten ihnen nicht mehr vertrauen und glauben können. Dieser Vorschuss an Glaubwürdigkeit, so meint Meier sein ein redaktionelles Gut, kein individuelles (Seite 151). Demnach muss die Spannung zwischen der individuellen Verantwortung des Journalisten und der korporativen Verantwortung innerhalb der Redaktionen geklärt werden. Dass diese transparent handeln, Fehler korrigieren und auch bereit sind sich neu zu strukturieren, ist für Meier eine einforderbare Reaktion auf Presseskandale.

Die vier Schritte der Potter-Box

Springer-Autor Thomas Becker betont in „Medien, Journalismus und öffentliche Meinung“ zusätzlich die Folgen individuellen Fehlverhaltens im Sinne einer Verantwortungsethik. Als Entscheidungshilfe und Lösungsansatz bei ethisch kontroversen Fragen im Alltag wie auch in der journalistischen Praxis rät er, gedanklich die vier Prozessschritte der sogenannten Potter-Box zu durchlaufen (Seite 340).

definition:

faktenorientierte und objektive Beschreibung der konkreten Situation

values:

Bestimmung der betroffenen und gegenläufigen Werte

principles:

Benennung grundsätzlicher Prinzipien, die man auf die ermittelten Werte anwenden kann

loyalties:

Bewertung der Abhängigkeiten, unter denen der Entscheider entscheiden muss

Die Hintergründe zu diesem Inhalt