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04.05.2015 | Kommunikation | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wenn ein "Neger"-Logo auf politische Korrektheit trifft

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

3:30 Min. Lesedauer

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Geht Political Correctness vor Traditionsbewusstsein? In Mainz wird diese Frage derzeit am Beispiel eines Logos entschieden. Müssen Marken mitziehen, wenn Wertesysteme sich ändern?

Es ist Tradition sagen die einen. Es ist alltagsrassistisch, kontern die anderen. In Mainz ist ein Logo-Streit entfacht, der mittlerweile die Medienlandschaft bis hin zur Washington Post beschäftigt, die nachfragt "Is this german company's logo racist?". Erdacht hat das umstrittene Logo vor rund 60 Jahren der "singende Dachdecker" Ernst Neger. Sein Nachkriegslied "Heile, heile Gänsje" rührte über die Mainzer Fastnachtsbütt heraus die Menschen zu Tränen. Den Mainzern ist der Dachdeckermeister heilig und Enkel Thomas, der als Geschäftsführer, wie als Fastnachtssänger in die Fußstapfen des Opas getreten ist, steht in der Posse um das "Neger-Logo" ebenfalls unter besonderem Schutz. Doch um was geht es eigentlich?

Kolonialistische Klischees befeuern Debatte

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Packt man den Streit an den Wurzeln, ist Ernst Neger zunächst einmal einem Missverständnis aufgesessen. Sein Nachname hat nämlich mit Menschen afrikanischer Herkunft nichts zu tun, wie Namenforscher Jürgen Udolph in "Die Welt" aufklärt, sondern bezieht sich auf eine mundartliche Variation des Berufsnamens "Näher". Das konnte der Firmengründer nicht wissen und entschied sich dem Irrtum folgend für eine recht plakative Übersetzung seines Namens in ein klischeebeladenes Firmenlogo. Das zeigt bis heute einen hammerschwingenden farbigen Menschen mit wulstigen Lippen, Glatze und riesigen Ohrringen. Ist das politisch korrekt?

Diskriminierung und Hasskommentare

Die Frage schwelt schon seit einigen Jahren in Mainz, zum Flächenbrand entfacht hat sie die Kampagne "Das Logo muss weg" von Studierenden des Mainzer Instituts für Ethologie und Afrikastudien. Sie verurteilen die kolonial geprägte Stilisierung als rassistisch und diskriminierend. In den sozialen Netzwerken tobt der Streit. Logo-Gegner wie Befürworter lassen sich in den Kommentarspalten zu derben verbalen Entgleisungen hinreisen. Das Problem ist mittlerweile weniger das Logo selbst, als der Stil, in dem darum gezankt und gezetert wird. Unter dem Deckmantel von "Was-will-man-uns-denn-noch-verbieten" fallen unverhohlen rassistische Äußerungen und immer wieder die Frage, ab wann ein Mensch sich diskriminiert fühlen darf. Thomas Neger hat mittlerweile eingelenkt. In einem Interview in der Mainzer "Allgemeinen Zeitung" sagte er, dass er sich einer zeitgemäßeren Logo-Variante nicht verschließen wolle.

Wann Zeichen sich ändern lassen

Aber lässt sich ein im allgemeinen Bewusstsein etabliertes und von der Gesellschaft gelerntes Firmensignet überhaupt ändern? "Marken können ihren symbolischen Wert einbüßen, weil sich beispielsweise das Wertesystem einer Gesellschaft verändert und die Marke diese Bewegung nicht mitvollzieht", schreibt Springer-Autorin Jana Magdanz in "Mythen in der Werbung" (Seite 298). Der "Sarotti-Mohr" ist seit 2004 verschwunden und auch der Nahrungsmittelkonzern "Procter & Gamble" änderte sein Bildzeichen in einen schnörkellosen Schriftzug, als Gerüchte aufkamen, dass das Zeichen satanistischen Ursprungs sei.

Springer-Autor Nicholas Adjouri zitiert das Beispiel in "Wahrnehmbare Bausteine des Marken-Dachs" (Seite 60) mit der Feststellung "Die identitätsstiftende Kraft von Zeichen wird immer wieder unterschätzt (...) Daher sollten Marken-Verantwortliche bei der Entwicklung einer Wort-Bild-Markierung auch darauf beharren ein Logo zu gestalten, das positive Botschaften vermittelt".

Unternehmen müssen gesamtgesellschaftlich akzeptiert sein

Eine Meinung, die Springer-Autorin Andrea Haug unbedingt teilt. "Unternehmen sind auf die Akzeptanz durch die Gesellschaft angewiesen, um ungestört ihren Tätigkeiten nachzukommen" , schreibt sie in "Unternehmen als Marke - Corporate Identity und identitätsorientierte Markenführung" (Seite 129). Diese Identität werde mit der Gesellschaft ausgehandelt und entstehe erst über die gegenseitige Wahrnehmung.

Im Buchkapitel "Sinnvolle Unternehmenskommunikation: Wie inszeniert man einzelne Kommunikationsinstrumente?" führt sie fort, bei der Gestaltung von Logos sei darauf zu achten, das es "positive Assoziationsketten" beim Menschen auslöse. Auch sei eine Modifikationen im Laufe der Zeit möglich "allerdings sind diese nur langsam und Schritt für Schritt umzusetzen, damit die Menschen das ursprüngliche "Bild" des Unternehmens noch im Kopf behalten" (Seite 156).

Fazit: Im Mainzer Streit wird der singende Vorfahr als Denkmal gehandelt und ist deshalb als Persönlichkeit ein starker Markenbotschafter. Es sollte also ein leichtes sein, sich von dem durch die öffentliche Debatte geschwächten Firmenzeichen zu verabschieden.

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