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04.02.2014 | Management + Führung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie Berufswechsler den Fachkräftemangel lindern können

4:30 Min. Lesedauer

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Die Personalchefs der Unternehmen sollten gegenüber den 1,2 Millionen potenziellen Berufswechslern offener sein. Wir könnten so ein Klima des Querdenkens schaffen, schreibt Springer-Autorin Sylvia Knecht in einem Gastbeitrag.

Angela Merkel hat es getan. Franz Beckenbauer auch. Sie haben einfach einen anderen Job gemacht, als den, den sie erlernt haben. Damit waren und sind sie erfolgreich.

Prima, denkt man sich. Was so alles möglich ist bei uns Deutschland.

Doch auch diese beiden sind nur das geworden, was sie heute sind, weil Sie Freunde und Förderer an ihrer Seite hatten. Die ihnen das, was sie tun wollten, auch zugetraut und sie gefördert haben. Denn auch Angela Merkel war ‚nur‘ eine unbekannten Physikerin, die sich mit n-dimensionalen Matrizen und unendlichen Integralen beschäftigte. Dass sie 15 Jahre später eine der mächtigsten Frauen der Welt wurde, hat sie einem Mann zu verdanken, der ihr einen politischen Job als Newcomerin zugetraut hat.

Kleinkarierte Stellenausschreibungen

Damit wurde sie eine der rund drei Prozent Berufswechsler von rund 40 Millionen Beschäftigten in Deutschland, die die Chance bekommen hat, sich in einem bis dato für sie völlig unbekannten Terrain, der Politik, behaupten und beweisen zu dürfen. Und Franz Beckenbauer hatte gar keine Trainerausbildung. Durfte aber trotzdem trainieren, weil man ihm diesen Job zugetraut hat.

So zeigt sich an zwei prominenten Beispielen, dass Deutschland in der Politik und im Sport Quereinsteigern gerne eine Chance gibt. Aber in konventionellen Berufen? Kann aus einem Konditor ein Automobilfachmann werden? Die beiden prominenten Beispiele stehen exemplarisch dafür, dass wir endlich in unserem Land weg kommen müssen von der Stellenausschreibung, die der Suche nach dem sprichwörtlichen „kleinkarierten Maiglöckchen“ erstaunlich nahe kommt. Deutschlands Headhunter und Arbeitsagenturen wissen ein Lied davon zu singen.

Wir könnten in Deutschland sehr wohl viele offene Stellen besetzen, wenn wir den 1,2 Millionen Wechselbereiten so offen gegenüberstehen und ihnen tatkräftig helfen würden, wie wir dies bei Politikern und Fußballern gerne zu tun bereit sind.  

Wer nicht in das klassische Bewerberbild passt

Es gibt bereits heute in Teilbereichen der Industrie bereits Engpässe an Bewerbern, wie z.B. bei Hotel- und Gaststättenberufen, im Handwerk und natürlich in technischen Berufen.

Dennoch ist es kaum zu glauben, dass auch in diesen Branchen Bewerbern mit unkonventionellen Erwerbsbiografien kaum jemand eine Chance gibt – egal, ob Berufswechsler, ausländische Fachkräfte oder Berufsrückkehrer –, nur weil sie nicht ins „klassische Bewerberbild“ passen.

Denn leider fehlt in Deutschland immer noch der Mut, Wissen und Können endlich von erworbenen Leistungsnachweisen zu trennen. Gehälter sind an möglichst langjährige Berufserfahrung, Aufstiegs- und Einstiegschancen immer noch grundlegend an Leistungsnachweise gekoppelt. Das starre System der Abschottung, in das viele Berufe in Deutschland immer noch gepresst sind, bekommen vor allen Dingen die Absolventen dualer Ausbildung häufiger als je zuvor zu spüren.

Woran liegt es, dass Unternehmen sich neuen Möglichkeiten so verschließen und gute Kandidaten immer längere Bewerbungszeiten einplanen müssen? Man könnte meinen, die Risikofreudigkeit deutscher Unternehmer hört an der Tür der Forschungs- und Entwicklungsabteilung auf. Zumindest ist die Experimentierfreude, die wir sonst in Deutschland kennen und die uns einzigartig mit „Made in Germany“ gemacht hat, in den Personalabteilungen noch nicht flächendeckend angekommen. Denn sonst würden sich die Unternehmen aufmerksamer Kandidaten zuwenden – und vielleicht auch entdecken, dass ihnen eine Lösung jenseits starrer Denkmuster viel schneller und kostengünstiger weiterhelfen könnte.

Jeder ehrbare Kaufmann in dieser Republik pflegt im Tagesgeschäft nach der Buddenbrock’schen Maxime „des Tags nur solche Geschäfte zu machen, die ihn des Nachts gut schlafen lassen“. Das betrifft aber leider nur die finanziellen und vertraglichen Themen. Was ist denn mit der anderen Seite – der Verantwortung gegenüber Bewerbern, die vielleicht nicht auf den ersten Blick als potenzielle Kandidaten in Frage kommen?

Eine Chance für 1,2 Millionen Berufswechsler

Es ist schon spannend zu sehen, wie viele Unternehmen an potentiellen Kandidaten vorbeilaufen, nur weil sie nicht zu 100 Prozent die Kriterien erfüllen, die die Stellenausschreibung fordert. Hier sind die Unternehmen Sieger, die sich auf einen interdisziplinären Denkansatz einlassen. Denn die Quereinsteiger bringen außer ihrem Wissen auch noch eine andere qualitativ hochwertige Eigenschaft mit ins Unternehmen: Beständigkeit. Sie haben oft genug Erfahrung am Arbeitsmarkt gesammelt, um zu wissen, dass Abwerbeangebote sie letztlich doch nicht immer weiterbringen. Sie haben oft Familie und wünschen sich keine weiteren Standortwechsel oder eine Pendlerbeziehung. Sie möchten einfach einen guten Job machen in einem Unternehmen, in dem sie sich wohl fühlen und einbringen können.

Deutsche Unternehmen sind stolz auf ihre Unternehmenskultur. Schön wäre, wenn sie diese auch zu experimentellen Ansätzen in der Personalbesetzung nutzen würden.

Wenn wir nicht wollen, dass die Innovation in Deutschland ausgebremst wird, müssen wir endlich in den Köpfen der Unternehmer und Personaler ein Klima des Querdenkens und Umdenkens schaffen: eine Chance für 1,2 Millionen Berufswechsler. Eine Chance vor allem aber für die Unternehmen.

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