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24.07.2013 | Social Media | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie der Online-Wahlkampf in Deutschland entbrennt

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

3:30 Min. Lesedauer

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Drei von vier Staatsoberhäuptern twittern. Die meisten Follower hat Barack Obama. Das zeigt eine Studie des Digital Policy Council. Doch was bringt die politische Präsenz im Social Web? Kann man damit wirklich Wahlen gewinnen?

Das Internet als Wahlkampfplattform hat im Vergleich zu den klassischen Medien unschlagbare Vorteile aufzuweisen. Via Social Networking können Parteien ungefiltert mit Wählern in Kontakt treten. Online-Kampagnen sind kostengünstig und Raum für Texte, Bilder, Videos stellt das Netz rund um die Uhr nach Bedarf zur Verfügung. "Dem Kampagnenträger sind grundsätzlich keine inhaltlichen Grenzen gesetzt“, schreibt dazu Simone Unger in ihrem Buchkapitel "E-Campaigning als Teil des politischen Kommunikationsmanagements“. Und dass mit Twitter, Facebook oder YouTube strategisch geplante Wahlkämpfe erfolgreich sein können, wurde von Barack Obama im Präsidentschaftswahlkampf 2008 eindrucksvoll bewiesen. 37 Prozent der Bundesbürger sind vielleicht auch deswegen einer repräsentativen BITKOM-Studie zufolge davon überzeugt, dass das Internet für den Wahlerfolg relevant ist.

US-Strategien keine Blaupause für deutsche Parteien

Aber liefern Wahlkämpfe in den USA, in denen es neben Wählerstimmen vor allem um Fundraising zur Wahlfinanzierung geht, eine geeignete Blaupause für Wahlen in Deutschland? Im Rückblick auf das Superwahljahr 2009 ist jedenfalls feststellbar, dass der Siegeszug Obamas hierzulande einen regelrechten Online-Hype auslöste. Mobilisierung, Aktivierung und Rekrutierung waren die mächtigen Schlagworte der elektronischen Kampagnen. Chancenlos der, dem es nicht gelingen sollte seine Botschaften ins Netz und vor allem die Sozialen Netzwerke zu tragen. Aber Wahlkämpfe sind auch ein ergiebiges Forschungsfeld und Ernüchterung macht sich breit, wenn eine Vielzahl an Studien zum gleichen Ergebnis kommt. "Wenn es Ziel der Parteien war, durch ihr Web 2.0-Engagement Modernität zu symbolisieren, so ist das nicht gelungen. Auch die direkte Kommunikation mit dem Wähler ist hier nur ansatzweise realisiert worden“, bilanziert beispielsweise Reimar Zeh in "Wie viele Fans hat Angela Merkel? Wahlkampf in Social Network Sites“.

Präsent im Netz sind die Favoriten

Julia Metag und Frank Marcinowski halten es in der aktuellen Ausgabe von Publizistik ebenfalls für fraglich, dass Wahlkampf im Internet zum Wahlsieg führt. In ihren Untersuchungen zu den Wahlen des Jahres 2009 konnten die Autoren keinen positiven Zusammenhang zwischen Web 2.0-Applikationen und Stimmgewinnen der jeweiligen Kandidaten nachweisen. "Online-Wahlkampf wird in Deutschland verstärkt von denjenigen Kandidaten betrieben, die von der Kampagne am wenigsten profitieren, weil sie ohnehin als Favoriten ins Rennen gehen“. Adressat von politischen Online-Medien scheint ihnen der professionelle Journalist, nicht der unentschlossene Wähler zu sein. Und Internet-Wahlkampf werde in Deutschland unidirektional zur Verbreitung von Wahlkampfbotschaften genutzt, nicht aber für den interaktiven Dialog mit dem Wähler. Ein Fehler, wenn man bedenkt, dass besonders junge Wähler mit einem starren, einseitigen Informationsangebot nur schwer zu gewinnen sind.

Angst vor Kontrollverlust durch Interaktivität

Es scheint, als schreckten deutsche Politiker im Gegensatz zu ihren US-Kollegen vor den Potentialen des Web 2.0 als dynamisches Debattiermedium zurück und vernachlässigten deshalb interaktive Elemente wie Diskussionsforen oder Gästebücher. Fehlt allerdings der Wille zur Debatte, verfehlen auch die Eigenschaften des Web 2.0-Wahlkampfes ihre Tugenden. Dazu meinen Dietrich Boelter und Hans Hütt in "Perspektiven für die Bürgergesellschaft – Politische Kommunikation im Web 2.0“: "Wahlkampf im Internet erfordert die Bereitschaft zu einem partiellen Kontrollverlust, mit dem auch Risiken verbunden sind“.

Wer Webkampagnen also nur als "symbolische Darstellung von Partizipation und Unterstützung“ (A. Jungherr und H. Schoen in "Das Internet in den Wahlkämpfen") auffasst, genügt dem modernen Internetnutzer nicht länger. Er will durch langfristige Betreuung an sein Netzwerk gebunden werden. Deshalb gilt im Internet: Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf. "Manches ist vielleicht mit mangelnden Zeit- oder Personalressourcen nach einer Wahl zu entschuldigen, doch bringt es die Parteien langfristig nicht weiter, Unterstützer zunächst zu sammeln, sie aber nach der Bundestagswahl vollkommen zu vernachlässigen“, folgert Simone Unger in "Die Präsenz von Parteien und Politikern in sozialen Netzwerken".

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