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29.05.2015 | Automobil + Motoren | Nachricht | Online-Artikel

Wie sich die Reibung von Gummireifen besser vorhersagen lässt

verfasst von: Angelina Hofacker

3:30 Min. Lesedauer

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Rutschsicher, abriebfest und langsam im Verschleiß - das sollen Gummimischungen von Reifen leisten. Um den Kraftstoffverbrauch niedrig zu halten, darf der Rollwiderstand aber nicht zu groß sein. Wissenschaftler am Forschungszentrum Jülich haben eine Theorie verbessert, um die Reibung von Gummireifen vorherzusagen.

"Bisher berücksichtigen Reifenhersteller bei Vorhersagen zur Reifenhaftung hauptsächlich einen Aspekt: die Viskoelastizität. Das ist die Verformung des Reifens, verursacht durch Unebenheiten des Straßenbelags", erklärt Dr. Bo Persson vom Jülicher Peter Grünberg Institut, Bereich Quanten-Theorie der Materialien (PGI-1/IAS-1). Aber diese Vorhersagen spiegeln Persson zufolge nicht die Realität wider. Bereits 2013 hatten die Jülicher Forscher in Zusammenarbeit mit dem Hersteller Bridgestone die Reibung von Gummireifen auf Straßenasphalt untersucht und experimentell nachgewiesen, dass je nach Geschwindigkeit unterschiedliche Aspekte für die Reifenhaftung eine Rolle spielen. Nun bezieht Persson in sein theoretisches Modell zur Gummireibung noch einen weiteren Aspekt mit ein, die sogenannte Scherung.

Einfluss auf die Reibung

Die Scherung wirke dort, wo der Gummi direkten Kontakt mit der Oberfläche hat und beeinflusse ebenfalls die Reibung. Auf molekularer Ebene können verschiedene Prozesse zu ihr beitragen, erklärt Persson. Dazu zählen ihm zufolge Gummimoleküle, die kurzfristig an der Oberfläche haften, harte Füllstoffe in der Gummimischung - zum Beispiel Ruß oder Silikate - die über die Oberfläche schleifen, aber auch Risse und Abnutzungen im Reifenmaterial. "Wir haben zunächst die Bindung der Gummimoleküle berücksichtigt", sagt Persson, "dieser Prozess sollte aus unseren Erfahrungen den größten Einfluss bei der Scherung haben."

Erweitertes Rechenmodell im Test

Für drei Gummimischungen testeten die Forscher ihr erweitertes Rechenmodell: die typische Mischung eines Sommer-, eines Allwetter- und eines Winterreifens. Kleine Blöcke dieser Materialien zogen sie eigenen Angaben zufolge über zwei verschiedene Arten von Asphalt und Sandpapier mit einer Geschwindigkeit von maximal einem Millimeter pro Sekunde. "Durch die langsame Bewegung haben wir ausgeschlossen, dass die Reibungswärme unser Ergebnis beeinflusst", erläutert Persson. Für verschiedene Zuggeschwindigkeiten und Temperaturen beschreibt das neue Modell die experimentell beobachtete Reibung sehr gut, sagen die Jülicher Forscher. Wie Persson betont, stütze dies die Annahme der Wissenschaftler, dass die kurzzeitige Haftung der Gummimoleküle auf molekularer Ebene entscheidend zur Scherkraft beitrage. Bei Kontakt des Gummiblocks mit der Oberfläche haften die zunächst verknäulten Gummimoleküle dort, berichten die Forscher und führen weiter aus: "Wird der Gummiblock weitergezogen, dehnen sich die Moleküle ähnlich einem Gummiband, das man an einem Ende festhält - bis sie schließlich wieder abreißen, zu einem Knäuel zusammenschnurren und erneut haften können."

Dieser Mechanismus werde auch durch die Abhängigkeit der Scherung von Temperatur und Zuggeschwindigkeit bestätigt: Bei hoher Temperatur oder kleiner Zuggeschwindigkeit haften die Gummimoleküle kaum, heißt es aus Jülich. Der Scherbeitrag zur Reibung sei gering. Gleiches gelte für sehr niedrige Temperaturen oder hohe Zuggeschwindigkeit. Der Grund dafür sei die thermische Bewegung der Gummimoleküle, also ihre mikroskopische Beweglichkeit in der nach außen hin festen Gummimischung. Bei hohen Temperaturen bewegen sich die Moleküle zu stark, erläutern die Forscher, um an der Oberfläche zu haften, bei niedrigen Temperaturen bewegen sie sich zu langsam. In beiden Fällen sei die Zeit, in der sie Kontakt mit der Oberfläche haben, zu kurz, um anzuhaften.

Unter idealisierten Bedingungen

"Natürlich gelten unsere Ergebnisse zunächst für idealisierte Bedingungen, also trockene, saubere Oberflächen", sagt Persson und führt beispielhaft aus, dass bei nassen Straßen die Scherkraft nur eine geringe Rolle spielen sollte, da der Wasserfilm den Kontakt der Gummimoleküle mit der Asphaltoberfläche verhindert. Aber das Modell der Jülicher Forscher zeige den Weg, welche Faktoren bei der Vorhersage der perfekten Gummimischung eine Rolle spielen können und was auf molekularer Ebene bei der Reibung passiert.

Persson arbeitet seit gut 20 Jahren daran, das Phänomen der Reibung von Gummi theoretisch zu erklären. Im Fachmagazin "Journal of Chemical Physics" berichten er und seine Kollegen im Artikel Rubber friction on Road Surfaces über ihre jüngsten Erkenntnisse.

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Quelle:
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