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Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 1/2021

Open Access 01.12.2020 | Schwerpunkt

5G als Schlüsseltechnologie für mehr Nachhaltigkeit in der Logistik?

Ein Anwendungsfall zur Prozessinnovation im Kombinierten Verkehr

verfasst von: Patrick Ruess, Rebecca Litauer

Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Ausgabe 1/2021

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Zusammenfassung

Im vorliegenden Beitrag wird aufgezeigt, wie der Mobilfunkstandard 5G zur ökologischen Nachhaltigkeit im Kombinierten Verkehr beitragen kann. Als Anwendungsbeispiel dient der Einsatz von 5G zur Umsetzung des automatisierten Rangierens auf einem Umschlagsbahnhof im Großraum Ulm. Dem Beitrag liegt die Prämisse zu Grunde, dass Treibhausgasemissionen im schienengebundenen Güterverkehr deutlich geringer ausfallen, als auf dem Verkehrsträger Straße und demnach Rahmenbedingungen geschaffen werden sollten, die eine entsprechende Verlagerung möglich machen. Aus einer quantitativen Datenanalyse des Straßengüterverkehrs auf Basis der Quell-Ziel-Verkehre im Großraum Ulm werden eine mögliche Verkehrsreduktion und CO2-Einsparungen abgeleitet und diskutiert. Zudem werden mögliche Wechselwirkungen durch den Aufbau und den Betrieb der zusätzlichen 5G-Infrastruktur beleuchtet. Um das Verlagerungspotential und die systemischen Effekte des automatisierten Rangierens darzulegen, werden diese entlang von drei What-If-Szenarien beschrieben. Hierbei wird deutlich, dass die relevante Straßengüterverkehrsmenge bereits vollständig durch die geschaffenen Kapazitäten in Szenario 1 abgedeckt werden kann. Mit den weiteren Szenarien wird ein zusätzliches Verlagerungspotential geschaffen. Digitalisierung und Automatisierung nehmen somit die Rolle als „Ermöglicher“ für einen Wechsel auf die Schiene als deutlich emissionsärmeren Verkehrsträger ein. Der Artikel veranschaulicht, dass sich größere Hebeleffekte erzielen lassen, wenn IT nicht allein zur Effizienzsteigerung, sondern zu einem weitreichenderen Systemwechsel eingesetzt wird. Somit wird verhindert, dass positive Effekte schnell wieder von Rebound-Effekten „aufgefressen“ werden.

1 Einleitung

Die Einführung des Mobilfunks der fünften Generation in Deutschland ist mehr als eine weitere Fortentwicklung der bisherigen mobilen Kommunikation. Zukünftig kommunizieren weltweit Milliarden Gegenstände, Sensoren oder Maschinen miteinander und das Konsumenten-Internet erweitert sich zunehmend zum Industrie-Internet. Der Mobilfunkstandard 5G stellt somit einen zentralen Baustein zur Realisierung der digitalen Transformation dar (Li et al. 2018). Durch technologischen Fortschritt ergeben sich einmal mehr neue Möglichkeiten der Wertschöpfung und ein erweiterter Gestaltungsspielraum für bestehende Geschäftsmodelle. Gleichermaßen entstehen aber auch neue Herausforderungen, wenn es darum geht, diesen Spielraum mit den wachsenden Ansprüchen und Anforderungen an nachhaltigen Unternehmenspraktiken zu verknüpfen.
In diesem Beitrag werden die Potenziale aus technologischer Innovation und dem Einsatz und Betrieb einer neuen Technologie aus der Perspektive der ökologischen Nachhaltigkeit und anhand von Anwendungsszenarien betrachtet. Als Beispiel dient der Einsatz von 5G zur Umsetzung des automatisierten Rangierens auf einem Umschlagsbahnhof. Die dadurch herbeigeführte Effizienzsteigerung ermöglicht eine Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf den umweltschonenderen Verkehrsträger Schiene. Der Beitrag behandelt, wie sich dabei eine technische Implementierung des automatisierten Rangierens als wesentlicher Einflussfaktor positiv auswirken kann und inwieweit der Betrieb zusätzlicher (digitaler) Infrastruktur die Einsparung von CO2-Emissionen relativiert. Der Artikel betrachtet den beschriebenen Anwendungsfall als Prozessinnovation im Kombinierten Verkehr. Der Kombinierte Verkehr, der als Verknüpfung von verschiedenen Verkehrsmitteln (Bahn, Schiff, LKW) und den damit verbundenen Wechsel von Ladeeinheiten im Güterverkehr definiert ist, gewinnt in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung. Es wird bis zum Jahr 2030 von einer Zunahme im Transportaufkommen von 79 % im Vergleich zum Jahr 2010 ausgegangen. (Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg 2020).
In Kap. 2 wird die Rolle beschrieben, die 5G in der Logistik und damit auch im Kombinierten Verkehr einnehmen kann. Ebenso wird die Relevanz des Güterverkehrs-Sektors für eine nachhaltigere Wirtschaft aufgegriffen. In Kap. 3 erfolgt die Einführung, Beschreibung und Einordnung des Anwendungsfalls zum automatisierten Rangieren, die Herleitung wesentlicher Wirkzusammenhänge und die Darstellung der unterschiedlichen Szenarien anhand wesentlicher Einflussfaktoren. Kap. 4 beschreibt die Erkenntnisse aus der Datenanalyse und der Szenariobetrachtung mit Blick auf das Verkehrsaufkommen im Untersuchungsraum sowie mögliche CO2-Einsparungen. Im abschließenden fünften Kapitel werden Schlussfolgerungen aus den Erkenntnissen abgeleitet, resultierende Handlungsempfehlungen beschrieben und Limitationen der Vorgehensweise aufgezeigt.

2 Transformation in der Logistik und dem Kombinierten Verkehr

2.1 5G in der Logistik und dem Kombinierten Verkehr

Der Mobilfunkstandard 5G erlaubt eine individuelle und funktionale Anpassung der Telekommunikationsinfrastruktur an die jeweiligen Bedürfnisse des Anwendungsfalls. Hierfür werden von 5G mehrere Profile unterstützt. So lassen sich je nach Konfiguration sehr hohe Datenraten von bis zu 10 Gbit/s realisieren (Enhanced Mobile Broadband), Dienste ausführen, die von sehr schnellen Reaktionszeiten abhängen (Ultra Reliable Low Latency Communications) oder bei Bedarf auch sehr viele Geräte in ein Netz integrieren (Massive Machine-Type Communications). Der Mehrwert von 5G liegt somit nicht nur in der Verfügbarkeit von höheren Bandbreiten, sondern auch in der Adressierung spezifischer Anforderungen für industrielle Anwendungen in Bezug auf Robustheit und Servicequalität (Li et al. 2018).
Aus diesem Funktionsspektum ergeben sich auch neue Innovationspotenziale für die Logistik, die auf einem hohen Datendurchsatz, einer zuverlässigen Kommunikation mit geringer Latenz sowie einer präzisen Positionsbestimmung aufsetzen. 5G gewährleistet beispielsweise die datenintensive, zeit- und ausfallkritische Kommunikation mit- bzw. zwischen autonomen und hochautomatisierten Fahrzeugen und Maschinen, so dass sich Betriebsabläufe wie Rangier- und Verladevorgänge an den Umschlagpunkten des Kombinierten Verkehrs effizienter gestalten lassen. Zudem ist 5G eine Schlüsseltechnologie für die Vernetzung und Integration sehr großer Sensornetzwerke mit zahlreichen Knoten. Über diese lassen sich in der Intra- und Produktionslogistik die Überwachung und Steuerung komplexer Fertigungsprozesse in firmeneigenen Campusnetzen realisieren. Effizienzgewinne und Wertschöpfungszuwächse ergeben sich in diesem Zusammenhang auch aus einer individualisierten und modularen Produktion in Losgröße 1 sowie einer No-Touch Lieferung, die eine zusätzliche Netzintegration von zahlreichen intelligenten Ladungsträgern und autonomen Beförderungsfahrzeugen erfordert.
Ebenso können durch 5G Wartungsprozesse und Reparaturen entlang der Supply Chain vorgenommen werden, die durch Augmented Reality unterstützt werden. Insgesamt bietet die Nutzung von 5G-Diensten daher für die Logistikbranche die Chancen, Zeit durch die Minimierung von Standzeiten einzusparen, Fehler zu reduzieren, die Beschäftigen zu unterstützen und damit insgesamt eine bessere Servicequalität zu bieten.

2.2 Ökologische Nachhaltigkeit in der Logistik

Im Kontext einer nachhaltigeren Entwicklung des Wirtschaftssystems zeigt sich auch ein Transformationsbedarf in der Logistik, der den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegenübersteht. Denn eine unternehmerische Weiterentwicklung von logistikbezogenen Prozessen und Aufgaben lässt sich oftmals nicht mit politischen und gesellschaftlichen Anforderungen an ökologisch nachhaltigere Geschäftspraktiken vereinbaren (Krumme 2015). Die insgesamte Zunahme im deutschen Logistik- und Güterverkehr sorgt, ungeachtet von Effizienzsteigerungen durch umweltschonendere Antriebstechnologien, für einen in den vergangenen Jahren gestiegenen CO2-Ausstoß (Umweltbundesamt 2020b). Ebenso stehen die hohen Kosten für alternative Antriebsformen und nachhaltigere Stromlieferverträge („Ökostrom-Tarife“) dem Preisdruck im wettbewerbsintensiven Transportsektor gegenüber.
Mit einer immer weiter zunehmenden Akzeptanz und einer gestiegenen Nachfrage für grüne Produkte sowie Dienstleistungen in der Gesellschaft muss sich auch die Logistik-Branche dieser Thematik stellen. Dies hängt auch damit zusammen, dass sich dieser Konsens in der öffentlichen Debatte auch in konkreten umwelt-, verkehrs- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen zeigt, wie in der nationalen CO2-Bepreisung und dem Emissionshandelssystem (nEHS) ab 2021. Ausbleibendes oder zögerndes Handeln und die unzureichende Verankerung von Nachhaltigkeitsbestrebungen in eine längerfristige strategische Ausrichtung der Logistik-Unternehmen kann folglich zu bleibenden Kosten- und Wettbewerbsnachteilen führen.
Auch weitere förderpolitische Maßnahmen zielen auf die Vermeidung externer Kosten im Straßengüterverkehr ab. Dementsprechend wird eine Lenkungswirkung hin zum Transport auf der Schiene sowie auf Wasserstraßen angestrebt. Als Berechnungsgrundlage kann auf europäischer Ebene das Handbook on External Costs of Transport herangezogen werden, nach dem sich die externen Kosten für den Straßengüterverkehr auf 0,035 € je Tonnenkilometer (tkm) belaufen, für Schiene und Wasserstraße jedoch lediglich 0,015 bzw. 0,010 €/tkm (Korzhenevych et al. 2014). Diese signifikanten Unterschiede zeigen sich auch in den Treibhausgasemissionen der jeweiligen Verkehrsträger, die auch diesem Beitrag als Prämisse zu Grunde liegen. Denn im schienengebundenen Güterverkehr fallen die CO2-Emissionen mit 18 g/tkm deutlich geringer aus als bei einer Beförderung auf der Straße (112 g/tkm) (Allekotte et al. 2020).
Technologische Innovationen wie 5G eröffnen neue Möglichkeiten den Transportsektor effizienter, kundenorientierter und leistungsfähiger zu gestalten. Inzwischen hat sich allerdings auch eine gesellschaftliche und politische Erwartungshaltung etabliert, die ein rein ökonomisches Fortschrittsstreben nicht mehr ohne weiteres zulässt, sondern einen ökologisch verträglichen Einsatz von neuen Technologien voraussetzt.

3 Szenarien für den Einsatz von 5G-gestützten Rangierfahrzeugen im Kombinierten Verkehr

In der folgenden Szenariobetrachtung wird der 5G-Anwendungsfall des automatisierten Rangierens betrachtet. Denn dieser trägt, wie zuvor beschreiben, zur Effizienzsteigerung im logistischen System bei, kann aber auch einen Beitrag zur erhöhten Wettbewerbsfähigkeit des Kombinierten Verkehrs leisten und damit auch zu einer vermehrten Nutzung des nachhaltigeren Schienenverkehrs. Um das Verlagerungspotential und die systemischen Effekte des automatisierten Rangierens darzulegen, werden diese entlang von drei What-If-Szenarien beschrieben. Diese zeigen auf, wie sich bestimmte Ereignisse in näherer Zukunft auf eine Entwicklung auswirken können. Ereignisse können hierbei auch interne Entscheidungen darstellen, die zu unterschiedlichen Entwicklungspfaden führen. Die jeweiligen Szenarien sind als gleich wahrscheinlich zu bewerten. Der Schwerpunkt liegt darauf, die Folgen eines eingeschlagenen Weges nachvollziehen zu können.

3.1 Beschreibung des Anwendungsfalls

Als Grundlage für die Szenarien-Entwicklung dient ein Anwendungsfall aus einem Konzept der „5 × 5G“-Strategie1. „5 × 5G“ war ein vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVi) ausgerufener Innovationswettbewerb, in dem zunächst 67 Gebietskörperschaften ausgewählt und zur Konzepterstellung über die Erprobung von 5G-basierten Anwendungen aufgefordert wurden. Ausgewählte Konzepte erhalten ab 2021eine mehrjährige Förderung für die Umsetzung. Der vorliegende Anwendungsfall stammt aus dem Konzept des Schwabenbund e. V., welches vom Fraunhofer IAO wissenschaftlich begleitet wurde und die Rolle der 5G-Technologie in mehreren Logistik-Praxisbeispielen im Großraum Ulm/Neu-Ulm untersucht.
Im ausgewählten Anwendungsfall wird ein 5G-Modul in elektrisch betriebene 2‑Wege Rangierfahrzeuge integriert, welche sowohl auf der Schiene als auch auf dem Rangiergelände fahren können, sowie einem Kontrollsystem, das über Funk auf die Fahrzeuge wirkt. Darüber hinaus wird auch die Anbindung der Weichen- und Bahnübergangssteuerung über 5G realisiert, um eine vollständige Automatisierung der Rangier- und Verladevorgänge zu ermöglichen. Durch das automatisierte Rangieren an einem Umschlagpunkt der Supply Chain wird das Ziel verfolgt, mittels geringer Latenz und mit Hilfe von Positionierungssystemen ein automatisiertes Rangierfahrzeug zentimetergenau zu steuern, um Güterwagons an ihren vorgesehenen Platz zu bewegen.

3.2 Szenarien-Entwicklung

Die Informationsgrundlage für die Szenarien wird in drei Schritten erschlossen. Zunächst wird der Untersuchungsraum eingegrenzt und beschrieben. Im Abschn. 3.2.2 wird dann auf Basis wesentlicher literaturgestützte Prämissen die quantitative Datengrundlage hergeleitet, die den Quell-Ziel-Verkehr des Straßengüterverkehrs innerhalb der zuvor definierten geografischen Grenzen abbildet. Abschließend wird eine qualitative und 5G-spezifische Betrachtung von Einflussfaktoren durchgeführt, die den positiven ökologischen Verlagerungseffekten entgegenwirken und aus denen sich Berechnungsgrößen für den Energieverbrauch und den damit verbundenen Emissionsaustoß ableiten lassen zur weiteren Verwendung in den Szenarien ableiten lassen.

3.2.1 Räumliche Einordnung

Aus dem Projektkontext stehen Daten aus dem Großraum Ulm/Neu Ulm zur Verfügung, die für eine eingehende Analyse herangezogen wurden. Die Region ist geprägt durch international aufgestellte Konzerne sowie mittelständische Familienunternehmen aus der Automobil-Zulieferindustrie, der Metallindustrie und der Elektrotechnik. Die hohe Industriedichte mit diversifizierter Branchenstruktur erzeugt eine stabile Logistiknachfrage. Zudem bestehen zahlreiche überregionale Verflechtungen, die durch die Autobahnanbindung an die benachbarten Ballungsräume Stuttgart und München sowie die Schienenverbindung verstärkt werden. Das Güterverkehrs-Terminal wird mit der Anbindung an sowohl die Rhein-Ruhr-Region, die Häfen Bremerhaven und Hamburg als auch Italien hauptsächlich zur Zentraldistribution genutzt. Die Nord-Süd-Relation ist dabei zu einem „europäischen Vorrangkorridor“ erklärt worden, was zur Folge hat, dass internationale Güterzüge in festgelegten Zeitfenstern Priorität vor dem Personenverkehr haben (IHK Schwaben 2012).

3.2.2 Datengrundlage zur Abschätzung der Emissionseinsparung

Für die Herleitung und Berechnung der Energieverbräuche beim Schienen- und Lkw-Transport im Untersuchungsraum wurde sowohl auf frei zugängliche als auch auf kommerzielle Daten zurückgegriffen. Als Datengrundlage für die Analyse des Straßengüterverkehrs wurden Quell-Ziel-Matrizen des Verkehrsdaten-Anbieters INRIX 2 (INRIX Trips Report 2019) aus dem Jahr 2019 untersucht. INRIX ist ein weltweiter Anbieter von Echtzeit-Verkehrsdaten, welcher kommerziell GPS-Verkehrsdaten für weiterführende quantitative Analysen und zur Ermittlung von Verkehrsmustern bereitstellt. Bei der zugrundeliegenden Analyse werden ausschließlich Fahrten von mittelschweren Lkw (7,5–12 Tonner) und schweren Lkw (12–40 Tonner) betrachtet2. Die Wirtschaftlichkeitsschwelle für einen Transport auf der Schiene beginnt in etwa ab 300 Kilometern. Ab diesem Schwellenwert weisen intermodale Transporte ökonomische und ökologische Vorteile gegenüber dem Langstreckenstraßengüterverkehr auf (Lobig et al. 2016). Daher werden zunächst die Trips ab einer Distanz von 300 Kilometern in den Szenarien berücksichtigt, was lediglich auf 3,7 % aller analysierten Trips zutrifft. Ob diese 300-Kilometer-Grenze auch zukünftig Bestand haben wird, ist offen, da unter gewissen Voraussetzungen Lkw-Fahrten bereits ab einer Streckenlänge von 100 Kilometern ein Verlagerungspotenzial mit möglichen CO2-Einsparungen aufweisen (Fraunhofer IML und TU Hamburg-Harburg – VPL 2019). Darüber hinaus werden diese und weitere Potenziale im Kombinierten Verkehr zunehmend auf politischer Ebene thematisiert und Auswirkungen auf Verkehr und Mobilität analysiert (z. B. Studie im Auftrag des BMVI: Lobig et al. 2016).
Während die Tripdaten zahlreiche relevante Merkmale umfassen (Start‑/Ziel-Koordinaten, Wegpunkte, Streckenlänge), konnten keine Messergebnisse zu Kraftstoffart und -verbrauch sowie zum tatsächlichen Ladungsgewichts eines jeden Trips einbezogen werden. Um dennoch eine Abschätzung des Potenzials der Transportverlagerung und CO2-Einsparung zu erhalten, wurde auf verlässliche Datenquellen für Default- und Norm-Werte im Bereich der Lkw- und Schienengüter-Verkehre zurückgegriffen (Schmied und Knörr 2013; Umweltbundesamt 2020b; Keller et al. 2017). Dazu gehört der DIN EN 16258 Berechnungsstandard, welcher sich auch auf typische Lastkraftwagen bezieht, die in Europa und Deutschland eingesetzt werden. Mithilfe des Berechnungsstandards können Energieverbräuche und Treibhausgasemissionen bei Transportdienstleistungen ermittelt werden3.
Für die Abschätzung der CO2-Emissionen wurde folgende Formel, die bei allen bekannten Energieverbrauchberechnung gilt, angewendet:
$$\mathbf{EMCO}\mathbf{2}=\mathbf{FCO}\mathbf{2}\times \textbf{EVspez}\times \mathbf{m}\times \mathbf{D}$$
EMCO2
Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2) in kg
FCO2
CO2-Umrechnungsfkator in kg CO2 je Liter Kraftstoff
EVspez
Spezifischer Energieverbrauch in Liter Diesel je Tonnenkilometer
m
Ladungsgewicht der betrachteten Sendung in Tonnen
D
Transportdistanz der betrachteten Sendung in Kilometer
Basierend auf den Durchschnittswerten und Kennzahlen für die jeweiligen Gewichtsklassen, Energieverbräuche, Ladungsgewichte und transportierten Entfernungseinheiten konnten Emissions-Abschätzungen durchgeführt werden. Bezüglich der Umrechnungsfaktoren von Energieverbrauchsdaten wurde der Vereinfachung halber von 100 % Diesel-Fahrzeugen ausgegangen, da laut einer Berechnung des Europäischen Automobilherstellerverband ACEA im Jahre 2019, 99,5 % der schweren und 93,3 % der leichten Lkw in der EU mit Diesel angetrieben werden. Entscheidend für die CO2-Emissionen je Tonnenkilometer ist die Gewichtsauslastung des Lastkraftwagens (European Automobile Manufacturers Association 2019). Basierend auf den Richtwerten aus der Literatur und empirischen Studien konnten die Anteile an Komplettladungen und Leerfahrten im Analysemodell berücksichtigt werden. Die Abschätzung der Emissionsbelastung im Straßengüterverkehr ergibt sich somit aus den ausgewerteten Tripdaten und aus bestätigten Angaben aus weiterer Literatur.
Für die Abschätzung der CO2-Emissionen für den Transport des identifizierten Güteraufkommens mittels Güterzügen wurde auf das zu verladende Gewicht und auf die Transportdistanzen der Lieferverkehrsdaten zurückgegriffen. Hier wurde nach dem gleichen, zuvor eingeführten, Berechnungsstandard vorgegangen, mit der Unterscheidung, dass auf Werte des aktuellen Bahnstrommix für den spezifischen Verbrauch zurückgegriffen wurde.

3.2.3 Mögliche Wechselwirkungen durch den Aufbau und Betrieb von 5G-Infrastruktur

Es besteht derzeit in Deutschland noch keine breite empirische Grundlage zur Bewertung von Energiebedarfen durch die Einführung des 5G-Standards, die beispielsweise den Bedarf für einen möglichen Mehrbedarf für Rechenzentren prognostizieren (Höfer et al. 2020). Insgesamt jedoch gilt 5G als deutlich energieeffizienter als vorangegangene Standards (Li et al. 2018).
Der genaue Energiebedarf für eine 5G-Anwendung ist stark einzelfallabhängig. Je nach Einsatzszenario und den definierten Systemgrenzen existieren unterschiedliche Angaben über Verbrauchswerte. Für eine modellhafte CO2-Bilanzierung wird von den Autoren von einem Wert von 0,1 kWh/GB für den Energieverbrauch ausgegangen. Dieser Wert beruht auf wissenschaftlichen Prognosen zum Elektrizitätsverbrauch der mobilen Datenübertragung für das Jahr 2020 und stimmt auch mit weiteren Annahmen überein, die sich im Bereich von 0,047–1,04 kWh/GB bewegen (Pihkola et al. 2018). Diese Spannweite veranschaulicht die Komplexität einer aussagekräftigen Quantifizierung, die aufgrund der rasanten technischen Entwicklung schnell überholt sein kann und wesentlich von den verwendeten Netzwerktechnologien, Endgeräten und Nutzungsroutinen abhängt.
Ausgehend von einem CO2-Emissionsfaktor von 401 g/kwh lässt sich aus der angenommenen Datenmenge im Untersuchungszeitraum der emittierte CO2-Bedarf ableiten (Umweltbundesamt 2020a). Auf die Analyse dieser Werte wird in den Ergebnissen jedoch verzichtet, da sie zum einen den Einsparungen nahezu nicht entgegenwirken. Des Weiteren wird durch eine solche Kalkulation ein unzureichendes Bild gezeichnet, da weitere Emissionen entlang des Produktlebenszyklus durch den notwendigen Hardwareeinsatz und Rechenoperationen nicht belastbar abgebildet werden können, sondern lediglich qualitativ erfasst und beschrieben werden können.
Generell entsteht durch den Aufbau der notwendigen Infrastruktur für 5G ein Energie-Mehrbedarf aufgrund der Inbetriebnahme von zusätzlichen Funkmasten und Antennen, aber auch aufgrund des erhöhten Bedarfs an Rechenkapazität. Dieser erhöhte Bedarf übersteigt perspektivisch Effizienzgewinne durch technischen Fortschritt in den Rechenzentrumsbestandteilen (Kühlung, Abwärmenutzung, Leistungsfähigkeit) und bei der Stromerzeugung (Höfer et al. 2020). Für die Errichtung einer flächendeckenden 5G-Versorgung ist ein sehr viel engmaschigeres Geflecht aus Basisstationen und Antennen als bisher erforderlich. Eine Verbesserung der Energieeffizienz bei der Datenübertragung ergibt sich somit insbesondere aus der starken Erhöhung der Datenrate durch 5G (Pihkola et al. 2018).
Durch die Einführung von neuen Leistungsmerkmalen, aus welchen sich auch neue Anwendungsfälle und Nutzungsszenarien ergeben und eine voranschreitende digitale Vernetzung prognostiziert wird, können Effizienzgewinne durch einen Nachfrageanstieg relativiert werden. In diesem Fall stellt sich ein Rebound-Effekt ein. Im vorliegenden Anwendungsfall übersteigen die positiven ökologischen Nachhaltigkeitseffekte die IT-bedingten Wechselwirkungen deutlich. Zudem steht die Infrastruktur auch zahlreichen weiteren Anwendungsfällen abseits der Logistik zur Verfügung, womit mögliche Wechselwirkungen auch nur anteilig zugeordnet werden können.

3.3 Ergebnisse der Modellbetrachtungen

Szenarien zeigen alternative und sich strukturell unterscheidende Entwicklungs- und Zukunftspfade auf. Im vorliegeden Fall werden den Szenarien mehrere Konfigurationen des automatisierten Rangierens zu Grunde gelegt, die einen jeweils unterschiedlichen Automatisierungs- und Produktivitätsgrad herbeiführen können. Ein Business-as-usual-Szenario zeigt die Verwendung des automatisierten Rangierens bei gleichbleibender Umschlagsleistung, ein zweites Szenario basiert auf einer moderaten Steigerung, die zusätzliche Verlagerungskapazitäten eröffnet. Ein Extremszenario beschreibt die Effekte einer maximalen Ausnutzung der Rangierfenster und Effizienzsteigerungen. Die Veränderungen der Treibhausgasemissionen stellt hierbei stets die wesentliche Ausgangsgröße dar. Die Entwicklungen der Umschlagsleistung im untersuchten Containerbahnhof werden zudem in Kap. 4 mit möglichen prozentualen Veränderung des straßengebundenen Güterverkehrs (Quell-Ziel-Verkehr) mit Start oder Ziel in Region ins Verhältnis gesetzt.

3.3.1 Ausgangssituation

Der Umschlagpunkt im Raum Ulm, der die Grundlage der Modellbetrachtung bildet, verfügt über eine jährliche Umschlagleistung von 145.000 Ladeeinheiten (LE). Ausgegangen wird von typischen Betriebszeiten, die Rangiervorgänge in zwei Schichten im Zeitraum zwischen 06:00 Uhr und 22:00 Uhr von Montag bis Freitag vorsehen, sowie einer Schicht am Samstag. Dies ergibt für den Untersuchungszeitraum 254 Arbeitstage mit je 16 Betriebsstunden, sowie 50 Arbeitstage mit acht Betriebsstunden. Daraus ergeben sich 4464 Betriebsstunden und eine Umschlagsleistung von 32 LE in der Stunde.
Die Einführung des automatisierten Rangierens setzt die Verwendung elektrisch betriebener Rangierfahrzeuge voraus, ebenso wie digital ansteuerbare Weichen. Dies wird in allen Szenarien vorausgesetzt und nicht in eine Szenarien-Betrachtung integriert, da es sich hierbei nicht um anwendungsfall-spezifische Maßnahmen handelt, sondern um generelle Modernisierungsmaßnahmen in der Rangierinfrastruktur und -ausstattung.

3.3.2 Szenarienvergleich

Die in den folgenden Szenarien verwendeten Rechengrößen für die benötigte Datenmenge basieren auf Erfahrungswerten des Technologiepartners aus der Konzeptentwicklung. Die Übermittlung von Steuerungsinformationen erzeugt demnach eine stündliche Datenmenge von 5 Megabyte je Betriebsstunde. Die Bildübermittlung (zwei Kameras mit einer Bildauflösung von 4000 Pixeln) sorgen für eine stündliche Datenmenge von bis zu 100 Gigabyte. In den Szenarien werden diese gemäß den angegebenen Betriebszeiten mit den in Abschn. 3.2.3 eingeführten CO2-Emissionsfaktor (401 g/kwh) und dem dort angenommenen Energieverbrauch verrechnet (0,1 kwh/GB).
Die Effizienzgewinne des automatisierten Rangierens variieren sehr stark und hängen von den individuellen Gegebenheiten ab, beispielsweise davon, ob wesentliche Informationen zu Wagons und Ladung digital abgerufen werden können. In Abstimmung mit dem involvierten Technologiepartner wird in den vorliegenden Szenarien davon ausgegangen, dass bei gleichbleibenden Betriebszeiten eine Effizienzsteigerung von 20 % herbeigeführt werden kann. In Szenario 1 erfolgt demnach eine moderate Effizienzsteigerung durch Automatisierung. Hierbei wirken darüber hinaus keine weiteren Einflussfaktoren, so dass sich die Leistungsfähigkeit auf 174.000 Ladeeinheiten erhöht, was eine zusätzliche Verlagerungsleistung von 29.000 Ladeeinheiten bedeutet. Es werden zwei Rangierfahrzeuge eingesetzt, die während der Betriebszeiten kontinuierlich Steuerungsdaten übertragen.
In Szenario 2 erfolgt eine deutliche Leistungssteigerung durch die Automatisierung und eine Ausweitung der Rangierfenster. Das automatisierte Rangieren ermöglicht neben einer Effizienzsteigerung auch die Ausweitung von bisherigen Betriebszeiten, die zuvor aufgrund des Personalbestands und aufgrund von arbeitsschutzrechtlichen Beschränkungen nicht möglich waren. Bei einer Erweiterung des Rangierfensters auf einen 24-Stunden-Betrieb unter der Woche und auf acht Betriebsstunden am Samstag sowie einer Effizienzsteigerung von 20 % lässt sich die Umschlagsleistung auf sich 246.886 Ladeeinheiten steigern, was ein Verlagerungspotenzial von 101.886 Ladeeinheiten bedeutet. Für das Szenario werden drei Rangierfahrzeuge benötigt, die während des Betriebs Steuerungsdaten übertragen, zudem situativ auch Bilddaten (eine Stunde pro Betriebstag, insgesamt 304 h) für eine Remote-Steuerung übertragen.
Mit Szenario 3 wird eine maximale Effizienzsteigerung durch die Automatisierung und einen dauerhaften Betrieb beschrieben (24/7, 365 Tage). Ein nahezu unterbrechungsfreier Betrieb kann durch Vorhalten von Ersatzfahrzeugen und der Übermittlung von Live-Kamerabilder realisiert werden, die Verschleißerscheinungen und drohende Defekte prädiktiv erkennen können. Im Extremszenario werden stets drei Rangierfahrzeuge eingesetzt, die kontinuierlich Steuerungsdaten und Live-Bilder übertragen.
In Tab. 1 werden die jeweiligen Szenarien mit den relevanten Kenngrößen einander gegenübergestellt.
Tab. 1
Kenngrößen der Szenarien für ein Jahr
 
Szenario 1
Szenario 2
Szenario 3
Jährliche Betriebsstunden
4464
6496
8760
Umschlagsleistung (in LE)
174.000
246.886
336.384
Leistungssteigerung (in LE)
29.000
101.886
191.384
Automatisiertes Rangieren
Anzahl Fahrzeuge
2
3
3
Datenmenge (für Steuerungsinformationen und Bilddaten in GB)
44,64
91.297
2.629.131
Stromverbrauch 5G in kWh
4,46
9130
262.813
CO2-Emissionen durch zusätzlichen Strombedarf (in kg)
1,79
3661
105.388

4 Implikationen für verkehrspolitische Zielsetzungen

Für den Untersuchungsraum konnte eine bewegte Menge an Gütern von insgesamt 0,41 Mio. Tonnen identifiziert werden, was einer Umschlagsleistung von 30.552 Ladeeinheiten (LE) entspricht4. Als grundlegende Referenz im schienengebundenen Güterverkehr gilt eine Umschlagsleistung von 145.000 LE am regional ansässigen Umschlagpunkt. Dies entspricht in der Modellrechnung einem jährlichen Gütergesamtgewicht von 1,95 Mio. Tonnen. Mit Blick auf die Szenarien wird deutlich, dass das betrachtete Straßengüterverkehrsvolumen von 0,41 Mio. Tonnen (30.552 LE) bereits nahezu vollständig durch die geschaffenen Kapazitäten in Szenario 1 abgedeckt werden kann. Mit der Verlagerung der identifizierten Gesamtmenge (alle Trips >300 km) auf den Schienengüterverkehr können sich die CO2-Emissionen in Relation zum Gesamt-Lkw-Aufkommen (alle Trips >0 km) um bis zu 15,4 % verringern. Folgt man dem Diskurs über eine alternative Auslegung des wirtschaftlichen Schwellenwerts für die Verlagerung auf die Schiene (siehe Abschn. 3.2.2) und betrachtet alle Lkw-Fahrten ab einer Distanz von 100 Kilometern, dann könnten bis zu 58,4 % weniger CO2-Emissionen auf der Straße anfallen.
Der Schienengüterverkehr soll im Untersuchungsraum bis 2025 um etwa 66 % wachsen. Mit dem Projekt „Stuttgart 21“ wird in West-Ost-Richtung die Anzahl an Fernverkehrszügen um mindestens 50 % zunehmen und Kapazitätserweiterung erfordern. Das Güterverkehrszentrum erhält eine Schlüsselstellung für den Zugang der Region zu den Seehäfen an der Nordsee und in Italien sowie zu langlaufenden internationalen Güterverkehrskorridoren. Durch das stetig steigende Aufkommen an Gütertransporten wird der Bedarf an Transportverlagerungen und Umschlagkapazitäten konstant wachsen (IHK Schwaben 2012). Mit den weiteren Szenarien wird ein zusätzliches Verlagerungspotential von umgerechnet 1,36 Mio. Tonnen (Szenario 2) bzw. 2,56 Mio. Tonnen (Szenario 3) geschaffen. Im zweiten Szenario können bei der Betrachtung der reinen Transportprozesse auf der Straße und Schiene etwa 67.244 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden. Bei Betrachtung aller Fahrten ab 100 km, könnten mit Szenario 3 weitere 1,33 Mio. Tonnen Güter vom Lkw auf die Schiene verlagert werden. Insgesamt könnten so bis zu 16,11 % des Lkw-Quell‑/Ziel-Verkehrs durch das automatisierte Güterverkehrsterminal abgewickelt werden.
Auch wenn eine detaillierte Einzelfallberücksichtigung der IT-bedingten Energiebedarfe im Gesamten nicht abbildbar ist, veranschaulicht die Gegenüberstellung in einem konkreten Anwendungsfall die Größenordnungen der unterschiedlichen Wechselwirkungen in den Szenarien. Die Rolle der Digitalisierung und Automatisierung bestätigt sich nicht nur als „Ermöglicher“ für einen Wechsel auf die Schiene und damit auf einen deutlich emissionsärmeren Verkehrsträger, sondern die Ergebnisse legitimieren entsprechende Infrastruktur-Maßnahmen, auch wenn einige wesentliche Einflussfaktoren nur qualitativ gegenübergestellt werden konnten. Der größte Hebeleffekt ergibt sich aus dem lokal begrenzten Technologieeinsatz an einem wesentlichen Punkt der Supply Chain, der jedoch weit darüber hinaus seine Wirkung erzielen kann.

5 Diskussion

In den vorangegangenen Abschnitten wurden die systemischen Effekte aufgezeigt, die von der Einführung einer (informations-)technologischen Innovation ausgehen, die positiven Nachhaltigkeitseffekte, aber in gleichem Maße auch die Begleiterscheinungen. Die Komplexität des Betrachtungsgegenstands macht es notwendig, Systemgrenzen für die Erstellung der Szenarien zu definieren und Berechnungsgrößen aus der Literatur abzuleiten. Aus diesem Grund reicht auch die empirische Datengrundlage nicht aus, um die Ergebnisse als belastbare Vorhersagewerte zu betrachten.
Der Beitrag zielt folglich nicht darauf ab, die konkreten Verlagerungspotentiale und Emissionseinsparungen in der Logistik durch die Einführung des automatisierten Rangierens zu quantifizieren. Stattdessen wird veranschaulicht, dass sich größere Hebeleffekte dann erzielen lassen, wenn IT nicht allein zur Effizienzsteigerung, sondern zu einem weitreichenderen Systemwechsel eingesetzt wird. Dies umfasst im Kombinierten Verkehr und in der Logistik allgemein, neben dem beschriebenen Anwendungsfall einer Verschiebung hin zu einem ressourcenschonenderen Verkehrsträger, beispielsweise auch einen Wechsel in der Antriebstechnologie oder die Nutzung emissionsärmerer Energiequellen in der Beförderung. Durch ein solches systemisches Wirken wird verhindert, dass positive Effekte schnell wieder von Rebound-Effekten „aufgefressen“ werden.
Insgesamt zeigt die Analyse, dass nur ein kleiner Teil der betrachteten Fahrten mit Start und Ziel in der Region eine Distanz von mehr als 300 Kilometern aufweist. Es kann demnach ein noch weit größeres Verlagerungspotenzial mit positiven ökologischen Nachhaltigkeitseffekten ausgeschöpft werden, wenn der Schienenverkehr auch auf kürzeren Beförderungswegen wirtschaftlich wettbewerbsfähig ist.
Hierbei kann auch eine CO2-Bepreisung einen Beitrag leisten und lenkend wirken. Des Weiteren wurde auch der Durchgangsverkehr durch den Untersuchungsraum nicht berücksichtigt, der ebenfalls zum lokalen Verkehrsaufkommen beiträgt.
Die vorliegenden Szenarien lassen einige weitere Einflussfaktoren unberücksichtigt, die über den Betrachtungsrahmen dieses Beitrags hinausgehen, die bei einer noch eingehenderen Analyse allerdings genauer in den Blick genommen werden sollten. Hierzu zählt der tatsächliche Auslastungsgrad der Umschlaganlagen von bundesweit 80 % (Deutscher Bundestag 2019), der von der berücksichtigten gesamten Leistungskapazität eines Umschlagspunkts abweicht. Dies ist unter anderem auf belegte Streckenabschnitte oder eine unzureichende Infrastruktur, wie Abstellgleise in den Terminals, zurückzuführen. Weitere Limitationen betreffen unberücksichtigte technologische Fortschritte mit zunehmendem Zeitverlauf, die zusätzliche Effizienzzunahmen auf der Schiene versprechen, aber ebenso im Straßengüterverkehr. Denn auch LKWs werden etwa durch verbesserte Antriebstechnologien zukünftig emissionsärmer. Zudem werden Fragestellungen der Wirtschaftlichkeit und konkreten Operationalisierung durch Logistik-Unternehmen nicht behandelt, da der inhaltliche Fokus auf die Potentialbetrachtung durch den Einsatz einer neuen Technologie zur CO2-Reduktion abzielt.
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Fußnoten
2
Die zugrundeliegende Stichprobe aller durchgeführten Tripanalysen repräsentiert etwa 15 % aller sich tatsächlich im Untersuchungsraum befindlichen Lastkraftwagen (INRIX Trips Report (2019)). Mittels der Stichprobenanalysen können die jeweiligen Werte auf die Grundgesamtheit (100 %) hochgerechnet werden und folglich Richtwerte für Lieferverkehr innerhalb der Region abgeleitet werden.
 
3
Der Berechnungsstandard DIN EN 16258 kann jedoch ausschließlich bei reinen Transportprozessen verwendet werden. Für eine Gesamtberechnung der Emissionen innerhalb einer Supply Chain muss ein weiterer CEN-Standard betrachtet werden, der die Lager und Umschlagvorgänge separat beschreibt, jedoch im Rahmen dieser Szenarienbetrachtung auf Grund der begrenzten Datenmenge nicht ins Abschätzungsmodell mit aufgenommen wird.
 
4
Ableitend von den akutellen Angaben zur Umschlagleistung und dem Hinweis auf die entsprechende Lademenge in Tonnen, konnten die Analyseergebnisse in die jeweiligen Ladeangaben umgerechnet werden (Deutscher Bundestag (2019).
 
Literatur
Zurück zum Zitat Krumme K (2015) Kriterienfindung für nachhaltige Geschäftsprozesse in der Logistik; Eine Aufarbeitung bestehender Probleme und möglicher Chancen. In: Ludger Heidelbrink I, Meyer N, Reidel J, Schmidt I (Hrsg) Corporate Responsibility in der Logistikbranche – Anforderungen an eine nachhaltige Unternehmensführung. Erich Schmidt Verlag, Berlin, S 2 Krumme K (2015) Kriterienfindung für nachhaltige Geschäftsprozesse in der Logistik; Eine Aufarbeitung bestehender Probleme und möglicher Chancen. In: Ludger Heidelbrink I, Meyer N, Reidel J, Schmidt I (Hrsg) Corporate Responsibility in der Logistikbranche – Anforderungen an eine nachhaltige Unternehmensführung. Erich Schmidt Verlag, Berlin, S 2
Zurück zum Zitat Li S, Xu LD, Zhao S (2018) 5G internet fo things: a survey. J Ind Inf Integr 10:1–9 Li S, Xu LD, Zhao S (2018) 5G internet fo things: a survey. J Ind Inf Integr 10:1–9
Zurück zum Zitat Schmied M, Knörr W (2013) Berechnung von Treibhausgasemissionen in Spedition und Logistik gemäß DIN EN 16258.; Begriffe, Methoden, Beispiele. Deutscher Speditions- und Logistikverband eV, Bonn Schmied M, Knörr W (2013) Berechnung von Treibhausgasemissionen in Spedition und Logistik gemäß DIN EN 16258.; Begriffe, Methoden, Beispiele. Deutscher Speditions- und Logistikverband eV, Bonn
Metadaten
Titel
5G als Schlüsseltechnologie für mehr Nachhaltigkeit in der Logistik?
Ein Anwendungsfall zur Prozessinnovation im Kombinierten Verkehr
verfasst von
Patrick Ruess
Rebecca Litauer
Publikationsdatum
01.12.2020
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Ausgabe 1/2021
Print ISSN: 1436-3011
Elektronische ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-020-00688-7

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