2017 | OriginalPaper | Buchkapitel
„A traveling salesman from Hades“
Zur Kritik der Erwerbsmentalität in Nikolai W. Gogols Roman Tote Seelen (1842)
verfasst von : Prof. Christian von Tschilschke
Erschienen in: Zwischen Bescheidenheit und Risiko
Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden
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In Nikolai Wassiljewitsch Gogols (1809-1852) zum Kanon der Weltliteratur zählenden Roman Tote Seelen (1842) wird das bürgerlich-ökonomische Leitbild des ehrbaren Kaufmanns ex negativo evoziert: durch die Kontrastfigur Pawel Iwanowitsch Tschitschikow, einen dubiosen Geschäftemacher und betrügerischen Spekulanten. Tschitschikow plant einen groß angelegten Kreditbetrug in der russischen Provinz, der auf der kriminellen Idee der Beleihung sogenannter ‚toter Seelen‘, also toter Leibeigener beruht. Im Rückgriff auf jüngere Beiträge zum Verhältnis von literarischen und ökonomischen Diskursen und unter Berücksichtigung der sozialhistorischen Situation Russlands im 19. Jahrhundert sowie des literaturgeschichtlichen Kontexts untersucht der Beitrag die juristischen, moralischen, ökonomischen, metaphysischen und anthropologischen Implikationen dieses fiktiven Betrugsvorhabens. Aus der Perspektive einer ‚ökonomischen Lektüre‘ wird Gogols Roman lesbar als Produkt einer imaginären Verarbeitung des Befremdens, aber auch der Faszination, die der als neu und überwiegend ‚unrussisch‘ empfundene Geist des modernen Kapitalismus, die gespenstisch-unheimlich anmutende Funktionsweise des Geldes und die in Russland noch ungewohnte Kreditwirtschaft auslösen. Darüber hinaus wird gezeigt, dass Gogols satirischer Roman verblüffende strukturelle Parallelen zu aktuellen literarischen und filmischen Darstellungen der Finanzkrisen der Gegenwart aufweist.