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Das sollten Sie zur Abgasnachbehandlung wissen

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Die Abgasnachbehandlung ist ein zentraler Baustein moderner Motorenentwicklung. Wir beantworten Fragen zum Entwicklungsstand der Abgasnachbehandlung und beleuchten, was die Abgasnorm Euro 7 für die Entwickler bedeutet. 

Bei der Twindosing-Technologie arbeiten zwei SCR-Katalysatoren zusammen – der eine liegt unmittelbar hinter dem Motor, der andere im Fahrzeugboden. Beide decken unterschiedliche Betriebssituationen ab und ergänzen sich in ihrer Wirkung.


Der Schadstoffausstoß der Kraftfahrzeuge konnte in den vergangenen Jahren durch technische Maßnahmen gesenkt werden. Sowohl durch innermotorische Maßnahmen und intelligente Motorsteuerungskonzepte ließen sich die Rohemissionen reduzieren als auch die in die Umwelt emittierten Emissionen durch optimierte Abgasnachbehandlungssysteme vermindern. In unserem Fragen + Antworten stellen wir den aktuellen Stand der Abgasnachbehandlung für Otto- und Dieselmotoren dar und beleuchten, welche Herausforderungen sich durch die geplante Euro-7-Abgasnorm ergeben. 

Empfehlung der Redaktion

01.01.2020 | Titelthema

"Bei Euro 7 liegt ein stärkerer Fokus auf Real Driving Emissions"

Abgasnachbehandlung und Energierückgewinnung werden für zukünftige Pkw- und Lkw-Abgasanlagen immer wichtiger. Im Interview erläutern Bernd Scherer und Peter Thomas von Tenneco Clean Air die aus ihrer Sicht notwendigen Schritte, um kommende Emissionsziele zu erreichen.

Worin bestehen die aktuellen Herausforderungen bei der Abgasreinigung?

Lag der Grenzwert der Stickoxidemission (NOx) für Dieselmotoren in der Euro-3-Norm ab dem Jahr 2000 noch bei 500 mg/km, so gelten seit 2020 bei neuen Typzulassungen laut Euro 6d nur noch 80 mg/km als zulässig. Am 1. Januar 2020 löste die Euro-6d-Norm die zuvor gültigen Euro-6d-TEMP-Grenzwerte bei neu homologierten Modellen ab. Ab 1. Januar 2021 müssen dann alle erstmals zugelassenen Neufahrzeuge die neuen Bedingungen erfüllen. Dabei gelten auch die strengen Vorgaben des RDE-Prüfverfahrens (Real Driving Emissions), das auf die Emissionen im realen Verkehrsalltag abzielt. 

"Die Stickoxide NO und NO2 sowie in Spuren weitere Oxide des Stickstoffs entstehen bei hohen Verbrennungstemperaturen durch Oxidation des in der Luft enthaltenen Stickstoffs zunächst zu NO", erklärt Springer-Autor Kai Borgeest im Kapitel Schadstoffe und ihre Wirkung aus dem Buch Manipulation von Abgaswerten. Stickoxidemissionen sind für Verbrennungsmotoren, die mit Luftüberschuss betrieben werden – also beim Dieselmotor – ein wesentlicher Schadstoff, den die Abgasnachbehandlung aufbereiten muss. "Spätestens seit der Euro-6-Gesetzgebung ist diese Aufbereitung durch SCR-Katalysatoren ein wesentlicher Baustein bei der Reduktion der Emission von Stickoxiden", so AVL im Artikel Umfassende SCR- und Adblue-Simulation aus dem ATZextra Automotive Engineering Partners 2020

Welchen Nutzen bringt ein Twindosing-System?

Bei der selektiven katalytischen Reduktion (SCR) werden die Stickoxide durch die Zugabe von Ammoniak beseitigt, da dieses Gas jedoch aggressiv ist, verwendet man im mobilen Einsatz Harnstoff. Dieser wird unter dem Handelsnamen Adblue als wässrige Lösung vertrieben, erklärt Springer-Autor Klaus Schreiner im Buchkapitel Kraftstoffe und Stöchiometrie des Buches Basiswissen Verbrennungsmotor

Beim von Volkswagen entwickelten Twindosing arbeiten zwei SCR-Katalysatoren zusammen. Adblue wird also doppelt eindosiert, was besonders effektiv ist. Dabei werden die unterschiedlichen Bedingungen in verschiedenen Bereichen der Abgasanlage genutzt, um angepasst an die diversen Betriebssituationen die Wirksamkeit des Gesamtsystems zu steigern. Auf diese Weise gelingt es zum Beispiel Audi, über einen breiten Temperatur- und Betriebsbereich mehr als 90 Prozent der Stickoxide der TDI-Motoren umzuwandeln, wie der Automobilhersteller in seinem Audi TechFocus Newsletter #07 zum Thema Abgasnachbehandlung erläutert. Fährt der Fahrer längere Zeit mit hoher Last, steigen die Abgastemperaturen am motornahen SDPF deutlich an. Dadurch sinken dessen Stickoxid-Umwandlungsraten. Hier kommt dann die zweite Eindosierung von Adblue vor dem zweiten aktiven SCR-Katalysator zum Tragen. Er ist wesentlich weiter hinten im Fahrzeugunterboden auf einem niedrigeren Temperaturniveau. So könne das Gesamtsystem über einen weiten Bereich hohe Umwandlungsraten realisieren, wie Audi erklärt.

Wie funktioniert ein Otto-Partikelfilter?

Die Entwicklung von Partikelfilter für Ottomotoren hat vor circa zehn Jahren begonnen. "Praktisch alle neuen Fahrzeuge mit Ottomotor und Direkteinspritzung in Europa und China werden mit Otto-Partikelfilter (OPF) ausgerüstet. Ottopartikelfilter scheiden nicht nur Ruß, sondern auch anorganische Aschepartikel ab", erklären die Autoren von Corning im Artikel Ottomotoren mit Partikelfilter Erfahrungen zur Ascheeinlagerung und Auswirkungen auf die Filtereigenschaften aus der MTZ 1/2019.

Beim Otto-Partikelfilter muss das Abgas hinter dem Katalysator durch einen feinporigen Keramikkörper aus Cordierit strömen, erklärt Audi in seinem TechFocus Newsletter #07. Die Funktionsweise des Otto-Partikelfilters ähnelt dabei der Abgasreinigung beim Dieselmotor: Das Abgas strömt durch Zellwände aus poröser Keramik. Diese bilden kleine, jeweils zur Ein- oder Auslassseite verschlossene Kanäle. Die Partikel bleiben auf der rauen Keramik-Oberfläche haften. "Die Regeneration des Filters verläuft je nach individuellem Fahrverhalten einfacher als bei einem Dieselaggregat, denn beim Ottomotor entstehen nicht in jeder Betriebssituation Partikel", so Audi. Ebenso sind die Abgastemperaturen prinzipbedingt höher als beim Selbstzünder. "Durch eine über die Motorsteuerung regelbare Sauerstoffversorgung und in der Folge kurzzeitige weitere Temperaturerhöhung im Abgastrakt lässt sich so die im Vergleich zu einem Diesel deutlich geringere Beladungsmenge leicht nachoxidieren und neutralisieren", erklärt Audi. 

Empfehlung der Redaktion

01.10.2020 | Im Fokus

Künftige Emissionsrichtlinien - Sauber in allen Betriebsphasen

Im Jahr 1970 traten die ersten einheitlichen Emissionsvorschriften für Pkw in der damaligen EWG in Kraft. Seither ist die Abgasgesetzgebung einer der maßgeblichen Treiber der Weiterentwicklung von Antriebssystem und Gesamtfahrzeug. Allerdings waren die Auswirkungen - insbesondere auf die Fahrzeugkosten - vermutlich noch nie so hoch wie bei der geplanten Euro-7-Richtlinie, bei der die schärferen Grenzwerte auf das umfassende RDE-Prüfverfahren treffen.

Wie streng wird die Euro-7-Abgasnorm?

Ab 2025 soll in der Europäischen Union für Pkw die Euro-7-Norm gelten. Bei der geplanten Euro-7-Richtlinie treffen schärfere Grenzwerte auf das umfassende RDE-Prüfverfahren. Im kommenden Jahr wird die EU-Kommission ihren Vorschlag für die neue Euro-7-Norm präsentieren. Bereits heute ist "davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bei den NOx-Emissionen an einem Limit von 35 mg/km sowohl für Otto- als auch Dieselmotorfahrzeuge orientieren wird", wie Richard Backhaus in seinem Report Künftige Emissionsrichtlinien – Sauber in allen Betriebsphasen aus der ATZ 10/2020 erläutert. Gegenüber der Euro-6-Richtlinie mit 60 mg/km (Ottomotoren) beziehungsweise 80 mg/km (Dieselmotoren) sei das zwar eine erhebliche Verschärfung, Experten würden allerdings Entwarnung geben. Die künftigen Grenzwerte sowohl bezüglich NOx als auch Partikel und anderer Abgasbestandteile sollten mit etwas Anstrengung in den Griff zu bekommen sein.

Welche Rolle spielen Abgasnachbehandlungssysteme bei der Erfüllung künftiger Emissionsnormen wie Euro 7?

Um noch schärferen Anforderungen Rechnung tragen zu können, gelte es vorbereitet zu sein – "zum Beispiel hinsichtlich eines verbesserten thermischen Managements, um etwa Wärmeverluste des Abgases vor Auftreffen auf die Katalysatoroberfläche zu minimieren und so die Komponenten des Abgasreinigungssystems möglichst schnell auf Funktionstemperatur zu erwärmen", wie Peter Thomas von Tenneco im Kurzinterviews des Reports "Künftige Emissionsrichtlinien – Sauber in allen Betriebsphasen" aus der ATZ 10/2020 erklärt. Dies lasse sich beispielsweise erreichen, indem Konzepte wie die von Tenneco vorgeschlagene kompakte Turbo-Bypass-Hot-End-Architektur in das Abgassystem und den Bauraum des Fahrzeugs eingepasst werden, so Thomas. Generell böten sich sowohl passive als auch aktive Thermomanagement-Maßnahmen an, zum Beispiel der Einsatz von Brennern oder elektrisch betriebenen Katalysatoren (E-Kats). Gerade bei Hybridfahrzeugen stelle dies in Bezug auf eine schnelle Betriebsbereitschaft der Abgasreinigung nach dem Kaltstart und dem Wiederanlassen eine Herausforderung dar.

Wie funktioniert der Ringkatalysator als kompakte Lösung für Euro 7?

Mithilfe des ursprünglich für Lkw- und Offroad-Anwendungen entwickelten Ringkatalysators realisiert Vitesco Technologies Emitec ein kompaktes Abgasnachbehandlungssystem als integrierte Einheit aus Turbolader und Katalysator. 

Der Turboladerkatalysator erlaubt einen extrem kompakten Aufbau. "Gleichzeitig steigert die räumliche Verlagerung des Wastegateventils und des Turbinenaustritts die Effizienz des Turboladers signifikant", wie Rolf Brück im Artikel Komponenten und Emissionskonzepte aus dem ATZ/MTZ-Sonderheft zum Wiener Motorensymposium 2019 erklärt. Im Hochlastpunkt führe eine perfekte Vermischung der Wastegateströmung mit dem Hauptabgasmassenstrom aus der Turbine zu einer Minderung der lokalen Spitzentemperaturen am Ringkatalysator, wodurch das Lambda-1-Kennfeld erweitert werden könne. "Durch die funktionsübergreifende Entwicklung des Turboladerkatalysators können alle Anforderungen an Turbolader, Katalysatorsystem, Sensoren und Motorsteuerung erfüllt und damit künftige Emissionsgrenzwerte eingehalten werden", so Brück. Für ein aktives Temperaturmanagement werde zudem eine elektrische Heizfunktion integriert.

Wie verändert sich das Abgasverhalten mit alternativen Kraftstoffen?

Synthetische Kraftstoffe bringen über einen erhöhten Sauerstoffanteil den Vorteil einer deutlichen Rußemissionsabsenkung direkt bei der Verbrennung mit sich bringen. "Hierdurch wird der NO x/Partikel-Zielkonflikt spürbar entschärft, und es entsteht mehr Spielraum in der Auslegung der Verbrennung und auch der Abgasnachbehandlung", so Bernd Scherer von Tenneco Clean Air im Interview "Bei Euro 7 liegt ein stärkerer Fokus auf Real Driving Emissions" aus der MTZ 1/2020. Mit der erwarteten Verschärfung der Emissionsgrenzwerte gerade für den realen Fahrbetrieb sieht er allerdings derzeit keine "Entfeinerung" der Abgasreinigung. Peter Thomas, ebenfalls von Tenneco Clean Air, ergänzt im Interview: "Synthetische Kraftstoffe werden aber auf jeden Fall dabei helfen können, einen geschlossenen CO2-Kreislauf aufzubauen. Die Abgasnachbehandlung wird dafür sorgen, die verbleibenden Emissionen weitestgehend zu reduzieren".

Benötigen Brennstoffzellenfahrzeuge eine Abgasnachbehandlung? 

Brennstoffzellen produzieren keine der vom Verbrennungsmotor her bekannten Schadstoffe. Jedoch muss das im Prozess entstehende Wasser, das mit geringen Konzentrationen von Verunreinigungen kontaminiert sein kann, abgeführt werden, wie Bernd Scherer von Tenneco Clean Air im Interview "Bei Euro 7 liegt ein stärkerer Fokus auf Real Driving Emissions" aus der MTZ 1/2020 erläutert. Zwar werde keine Abgasanlage im herkömmlichen Sinn erforderlich sein, jedoch analysiere man im Zusammenhang mit Brennstoffzellenfahrzeugen viele Entwicklungs- und Herstellungsprozesse.

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Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Umfassende SCR- und Adblue-Simulation

  • Simulation

Die Abgasnachbehandlung mit SCR-Katalysatoren ist seit der Euro-6-Gesetzgebung ein wichtiger Baustein bei der Reduktion der Emission von Stickoxiden. Die Aufbereitung von Adblue gilt als eine zusätzliche Herausforderung bei der Entwicklung des …

Real Driving Emissions (RDE)

  • 2019

Das Buch beschreibt die Entwicklung der Abgas-Gesetzgebung und der Fahrzyklen, auch für die Verbrauchsmessung (CO2). Schwerpunkte sind die RDE-Gesetzgebung und die Vorgehensweise bei der Straßenmessung inklusive der dafür notwendigen mobilen Messtechnik (PEMS). Die komplizierte Bewertung der Messergebnisse wird verständlich dargestellt. Auch wenn der Pkw (Diesel und Benzin) im Vordergrund steht wird auch die praxisnahe Feldüberwachung (In Service Conformity) für Nutzfahrzeuge betrachtet.

Grundlagen zum Partikelfilter

In diesem Kapitel soll das grundlegende Verständnis für den Ottopartikelfilter geschaffen werden. Die Technologie des Partikelfilters mit seinen verfahrenstechnischen Besonderheiten und seiner Materialwahl wurde bisher überwiegend im Hinblick auf …

Abgasnachbehandlung

Zunächst werden die wichtigsten Abgasbestandteile vorgestellt und deren Entstehung erläutert. Im Detail werden anschließend die innermotorischen Maßnahmen diskutiert, die ergriffen werden können, um die Abgasrohemissionen des Motors zu reduzieren.

Ottomotoren mit Partikelfilter Erfahrungen zur Ascheeinlagerung und Auswirkungen auf die Filtereigenschaften

  • Entwicklung

Ottopartikelfilter werden zukünftig in der Abgasnachbehandlung Teil einer nachhaltigen, umweltfreundlichen und zukunftsfähigen Mobilität. Corning berichtet über Erfahrungen aus Dauerlaufversuchen mit Ottopartikelfiltern und wie sich deren …

Der Ringkatalysator als ultrakompakte Lösung für Euro 7

  • Entwicklung

Uneingeschränkte, saubere Mobilität ist das Ziel der Entwicklung zukünftiger Antriebssysteme. Der Fokus liegt auf einer robusten Abgasnachbehandlung im gesamten Motorkennfeld bei gleichzeitiger Reduktion der CO 2-Emissionen, unterstützt durch Elektrifizierung. Hocheffiziente, turboaufgeladene Verbrennungsmotoren und Katalysatortechnologie sind die Grundvoraussetzungen, um dieses Ziel zu erreichen. Mithilfe des ursprünglich für Lkw- und Offroad-Anwendungen entwickelten Ringkatalysators realisiert Vitesco Technologies Emitec ein äußerst kompaktes Abgasnachbehandlungssystem als integrierte Einheit aus Turbolader und Katalysator.

    Bildnachweise
    Twindosing im Audi 3.0 TDI/© Audi, AVL List GmbH/© AVL List GmbH, dSpace, BorgWarner, Smalley, FEV, Xometry Europe GmbH/© Xometry Europe GmbH, The MathWorks Deutschland GmbH/© The MathWorks Deutschland GmbH, IPG Automotive GmbH/© IPG Automotive GmbH, HORIBA/© HORIBA, Outokumpu/© Outokumpu, Hioko/© Hioko, Head acoustics GmbH/© Head acoustics GmbH, Gentex GmbH/© Gentex GmbH, Ansys, Yokogawa GmbH/© Yokogawa GmbH, Softing Automotive Electronics GmbH/© Softing Automotive Electronics GmbH, measX GmbH & Co. KG