2.1 Institutioneller Rahmen: Das neue Elterngeld Plus und dessen Anreizstruktur
Das ursprüngliche, 2007 eingeführte Elterngeld – welches dem heutigen Basiselterngeld
1 entspricht – wurde mit der Neufassung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) im Jahre 2015 reformiert und um die beiden Komponenten Elterngeld Plus und Partnerschaftsbonus erweitert.
Ziel der Einführung des Elterngeld Plus war, eine Teilzeiterwerbstätigkeit
2 während des Elterngeldbezuges nicht länger zu sanktionieren. Denn unter der bis dahin geltenden Regelung führte eine Teilzeiterwerbstätigkeit während des Elterngeldbezuges in der Regel zu einer Reduzierung der individuellen Transferbezüge und war insofern wenig lohnend (Deutscher Bundestag
2018). Dementsprechend gingen auch lediglich 13 % der Mütter und 29 % der Väter während des Transferbezuges einer Teilzeiterwerbstätigkeit nach (BMFSFJ
2009). Damit stellte das Elterngeld in seiner urspünglichen Form ein institutionelles Hemmnis für eine Erwerbstätigkeit während des Elterngeldbezuges dar (Kluve und Tamm
2013).
Mit der Einführung des Elterngeld Plus (§4 Abs. 3 BEEG i.d.F. vom 27. Januar 2015) wurde dieses Erwerbshemmnis eliminiert bzw. abgemildert. Eltern, deren Kinder ab dem 01. Juli 2015 geboren wurden, haben nun die Möglichkeit, ihren Anspruch an Basiselterngeldmonaten ganz oder anteilig in Elterngeld-Plus-Monate umzuwandeln, d.h. statt einen Basiselterngeldmonat
zwei Elterngeld-Plus-Monate zu beanspruchen. Das Elterngeld Plus ersetzt dann – wie das Basiselterngeld – in der Regel 65 % des wegfallenden Nettoeinkommens. Es ersetzt jedoch höchstens die Hälfte des Elterngeldes, welches der berechtigten Person zustehen würde, wenn sie keine Einnahmen hätte. Dadurch entspricht die Summe von zwei Elterngeld-Plus-Monatsbeträgen einem Basiselterngeldmonatsbetrag (Geyer und Krause
2016, S. 13). Diese Neuregelung hat zur Folge, dass eine Teilzeiterwerbstätigkeit bzw. das daraus resultierende Einkommen nicht mehr zu einer Kürzung der Elterngeldbezüge führt, sofern das Teilzeiteinkommen nicht die Hälfte des vorgeburtlichen Einkommens übersteigt. Insbesondere Mütter sollen dadurch motiviert werden, ihre elterngeldbedingten Erwerbsunterbrechungen zu verkürzen (Deutscher Bundestag
2014, S. 16).
Neben der Elterngeld-Plus-Komponente wurde das Elterngeld mit dem Partnerschaftsbonus (PB) (§4 Abs. 4 BEEG i.d.F. vom 27. Januar 2015) um eine weitere Gestaltungskomponente ergänzt. Der PB ist ein Anspruch auf vier
zusätzliche Monatsbeträge Elterngeld Plus je Elternteil. Im Gegensatz zum Elterngeld Plus, welches von jedem Elternteil individuell beansprucht werden kann, adressiert dieser aber explizit den Paarkontext. Der Anspruch besteht nämlich nur, wenn
beide Elternteile für vier aufeinanderfolgende Monate parallel durchschnittlich zwischen 25 und 30 Std./Woche erwerbstätig sind.
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Mit der Vorgabe eines solchen Arbeitszeitkorridors für beide Elternteile sind im Wesentlichen zwei komplementäre Ziele verknüpft (Geyer und Krause
2016, S. 15 ff.): Erstens sollen Mütter ihre Erwerbstätigkeit bis mindestens 25 Wochenstunden ausdehnen. Denn die überwiegende Mehrheit der Mütter kehrt bisher nur mit einem deutlich reduzierten Stundenumfang in die Erwerbstätigkeit zurück (Rupp und Beier
2013, S. 69 ff.). Die Stundenausdehnung trägt dagegen dazu bei, die eigene wirtschaftliche Existenz auch während der Phase der jungen Mutterschaft besser abzusichern (Deutscher Bundestag
2014, S. 16). Zweitens sollen Väter, die ihre Vollzeiterwerbstätigkeit in dieser Lebensphase typischerweise fortsetzen, ihren Erwerbsumfang auf bis maximal 30 Stunden reduzieren. Diese Stundenreduktion schafft zeitliche Kapazitäten für eine stärkere väterliche Beteiligung an der Kinderbetreuung, ohne dass die Väter ihre Erwerbstätigkeit vollständig einstellen müssen. Insgesamt hat der PB damit zum Ziel, eine stärker egalitäre Verteilung von Erwerbs- und Familienzeiten zwischen den Elternteilen noch während der Phase der jungen Elternschaft zu unterstützen (Deutscher Bundestag
2014).
2.2 Empirischer Forschungsstand
Die Entscheidung für eine (parallele) Teilzeiterwerbstätigkeit während des Bezuges von Elterngeld Plus und/oder PB geht im Wesentlichen mit drei Abweichungen vom geschlechtstypischen und geschlechtsstereotypen Erwerbs- und Sorgeverhalten von Müttern, Vätern und Paaren im Übergang zur Elternschaft einher (BMFSFJ
2009, S. 8; WSI GenderDatenPortal
2019; Kühhirt
2012; Müller et al.
2013; Lott und Klenner
2018): Erstens kehren Mütter noch vor Vollendung des ersten Lebensjahres in die aktive Erwerbstätigkeit zurück, anstatt sich in dieser Phase ganz der Familienarbeit zu widmen. Zweitens reduzieren Väter ihre Erwerbstätigkeit auf maximal 30 Wochenstunden, anstatt weiterhin einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachzugehen. Und drittens realisieren Paare eine egalitäre Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit, anstatt ein traditionelles, d.h. spezialisiertes Arrangement zu verwirklichen. Die Frage, warum Eltern ihre individuellen und paarbezogenen Erwerbsentscheidungen in dieser Weise abweichend von Geschlechterstereotypen treffen, ist bereits Gegenstand bisheriger Forschungsarbeiten. Erste Hinweise auf mögliche elterliche Motive für ein paralleles Teilzeitarrangement während des Elterngeldbezuges lassen sich hieraus ableiten.
Zu der Frage, warum Mütter bereits während der Phase des Elterngeldbezuges einer Teilzeiterwerbstätigkeit nachgehen, existiert kaum empirische Evidenz. Einzig die Studie von Schreyer (
2015) befasst sich explizit mit den Motiven und Determinanten einer mütterlichen Teilzeiterwerbstätigkeit während des Elterngeldbezuges. Schreyer zeigt, dass eine bereits vor der Geburt des Kindes bestehende Selbstständigkeit sowie ein geringfügiger Erwerbsumfang der Mutter eine Teilzeiterwerbstätigkeit während des Elterngeldbezuges begünstigt. Für ein höheres Qualifikationsniveau und höhere Karriereambitionen zeigen sich in der multivariaten Analyse entgegen den Erwartungen allerdings keine signifikanten Effekte.
Neuere empirische Befunde zu den Motiven und Determinanten einer väterlichen Teilzeit sind derzeit noch begrenzt, wenngleich die Thematik in jüngster Zeit (wieder) Eingang in die arbeitssoziologische Forschung gefunden hat (Larsson und Björk
2017; Hobler und Pfahl
2015; Hipp et al.
2017; Bernhardt und Bünning
2017; Bjørnholt
2011). Meiner Kenntnis nach existieren in der jüngeren Forschung lediglich zwei qualitative Studien, die sich explizit mit den väterlichen Motivlagen für eine Teilzeiterwerbstätigkeit auseinandersetzen. Diese beiden Interviewstudien (Larsson und Björk
2017; Bjørnholt
2011) verweisen für Schweden und Norwegen auf zwei zentrale Motive: Zentral ist erstens der Wunsch nach mehr gemeinsamer Zeit mit den Kindern, um so Vorstellungen einer involvierten Vaterschaft besser umsetzen zu können. Zweitens entscheiden sich Väter für eine Teilzeiterwerbstätigkeit, um die berufliche Entwicklung der Partnerin zu unterstützen. Darüber hinaus reduzieren Väter ihren Erwerbsumfang, um den Alltag zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit zu entschleunigen oder auch um Hobbies und Partnerschaft besser pflegen zu können. Überdies zeigen Hipp et al. (
2017) in einem quantitativen Ländervergleich, dass Väter, die im Vergleich zu ihren Partnerinnen geringere oder gleiche Verdienstmöglichkeiten aufweisen, nicht mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in Teilzeit arbeiten als Väter mit relativ besseren Verdienstmöglichkeiten. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass ressourcentheoretische Überlegungen bei der Entscheidung für eine väterliche Teilzeiterwerbstätigkeit eine untergeordnete Rolle spielen. Darüber hinaus zeigt Buschmeyer (
2008) in einer qualitativen Interviewstudie zu Teilzeit und Männlichkeit, dass die Entscheidung für eine väterliche Teilzeit mit der Milieuzugehörigkeit bzw. der milieuspezifischen Konstruktion von Männlichkeit und Vaterschaft zusammenhängt. Keine der zitierten Studien fokussiert jedoch auf eine väterliche Teilzeiterwerbstätigkeit während der Phase des Elterngeldbezuges; insofern bleibt offen, inwiefern die dargestellten Erkenntnisse auch für diese spezielle Lebensphase gültig sind.
Innerhalb der vorhandenen Literatur zu den Determinanten egalitärer Erwerbsarrangements beschäftigt sich eine Reihe von Arbeiten mit dem Einfluss des Bildungsniveaus. Diese kommen mehrheitlich zu dem Ergebnis, dass insbesondere hohe Bildungsabschlüsse beider Partner_innen oder ein höherer Bildungsabschluss der Frau im Vergleich zum Partner (Bohr
2014; Kitterød und Lappegård
2012; Buschner et al.
2018; Berghammer
2014; Landivar
2015) die Realisierung ähnlich hoher Erwerbsumfänge begünstigen. Darüber hinaus dokumentieren qualitative Studien (Bernhardt et al.
2016; Dechant und Schulz
2014), dass finanzielle Spielräume eine egalitäre Aufteilung der Erwerbsarbeit von Paaren fördern. Die Präsenz jüngerer Kinder im Haushalt erschwert hingegen die Ausbildung egalitärer Erwerbsarrangements (Landivar
2015; Eeckhaut et al.
2014). Da die Mehrheit der empirischen Studien den Teilzeitaspekt jedoch gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt, ist unklar, inwieweit sich diese Ergebnisse auf egalitäre
Teilzeitmodelle übertragen lassen. Zudem bleiben auch hier das Elterngeld bzw. die Elternzeit als institutioneller Einflussfaktor für die Entscheidung unberücksichtigt.
Im Anschluss an die erstmalige Einführung des Elterngeldes mit den sogenannten „Vätermonaten“ im Jahr 2007 sind jedoch eine ganze Reihe von Publikationen entstanden, die sich mit den Motivlagen und Determinanten einer Inanspruchnahme von Elterngeld und Elternzeit durch Väter beschäftigen. Einerseits belegen dabei qualitative Studien, dass die Motive einer väterlichen Inanspruchnahme von Elterngeld und Elternzeit vielfältig sind (siehe z.B. Pfahl und Reuyß
2009; Peltz et al.
2017; Richter
2012; Böhme und Mönkedieck
2017; Peukert
2015; Aunkofer et al.
2019). Andererseits zeigt sich aber auch, dass ökonomische Abwägungen und insbesondere die (relative) Ressourcenausstattung der Partner_innen bei der Entscheidung für die väterliche Inanspruchnahme von Elterngeld bzw. Elternzeit sowie bei der Festlegung von deren Dauer – anders als bei der väterlichen Teilzeitentscheidung – von z.T. erheblicher Bedeutung sind (z.B. Pfahl und Reuyß
2009; Peltz et al.
2017; Richter
2012; Böhme und Mönkedieck
2017; Peukert
2015; Trappe
2013a, b; Vogt und Pull
2010; Reich
2011; Pull und Vogt
2010; Aunkofer et al.
2019). Aus diesem Grund bezieht die vorliegende Arbeit auch eine ressourcentheoretische Perspektive ein.
Zu Elterngeld Plus und PB selbst existiert derweil bislang kaum empirische Evidenz. Zu den individuellen Motiven der Inanspruchnahme des PB liefert einzig eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (
2018) erste empirische Erkenntnisse. Demnach sind für die meisten Befragten erstens der Wunsch nach mehr Zeit mit dem Kind und zweitens der Wunsch nach einer partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit von Bedeutung. Zudem nutzen Eltern den PB, um die Dauer des Elterngeldbezuges zu verlängern und die Partner_in bei der Kinderbetreuung oder Berufstätigkeit zu unterstützen. Eigene Karrieremotive oder monetäre Aspekte spielen im Vergleich zu den anderen genannten Motiven bei der Entscheidung für den PB für die befragten Eltern seltener eine Rolle.
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2.3 Theoretische Betrachtung einer (parallelen) Teilzeiterwerbstätigkeit während des Elterngeldbezuges
Eine elternzeitbedingte Erwerbsunterbrechung ist insbesondere für hochqualifizierte Individuen i.d.R. mit hohen Opportunitätskosten verbunden. Opportunitätskosten entstehen dabei im Wesentlichen durch das wegfallende Einkommen, durch Verluste im Humankapital oder verschlechterte Karrierechancen sowie aus daraus resultierenden zukünftigen Einkommenseinbußen (Rürup und Gruescu
2003, S. 50 ff.; Gruescu und Rürup
2005). Sowohl das bisherige Elterngeld (jetzt Basiselterngeld) als auch das Elterngeld Plus tragen dazu bei, die Opportunitätskosten der Sorgearbeit abzumildern. Das Elterngeld Plus vermag die Opportunitätskosten in stärkerem Maße zu senken als das Basiselterngeld. Denn kehrt der/die Elterngeldberechtigte noch während des Elterngeld-Plus-Bezuges in eine Teilzeiterwerbstätigkeit zurück, anstatt die Erwerbstätigkeit vollständig zu unterbrechen und Basiselterngeld zu beziehen, ist davon auszugehen, dass Humankapitalverluste und Karrierenachteile ebenso wie die daraus resultierenden zukünftigen Einkommenseinbußen deutlich geringer ausfallen als im Falle einer vollständigen Erwerbsunterbrechung (Beblo und Wolf
2002a, b). Insofern ist anzunehmen, dass insbesondere hochqualifizierte Individuen – und im Speziellen Mütter – das Elterngeld Plus beanspruchen und währenddessen in Teilzeit arbeiten, um Opportunitätskosten der Sorgearbeit abzumildern.
Um jedoch zu erklären, warum hochqualifizierte Individuen in Teilzeit arbeiten wollen, anstatt einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachzugehen, scheint die Betrachtung der Opportunitätskosten nur bedingt geeignet. Dies gilt insbesondere für hochqualifizierte Väter, die überdurchschnittlich häufig über ein überdurchschnittliches Einkommen verfügen (Destatis
2017, S. 168). Eine Arbeitszeitreduzierung oder Erwerbsunterbrechung ist hier aus ökonomischer Perspektive nicht zu erwarten, da diese mit entsprechend hohen Opportunitätskosten verbunden wäre.
Die Mangelhypothese als Bestandteil der Theorie des Wertewandels (Inglehart
1971) eröffnet dagegen eine wertebasierte Perspektive auf die Motive einer Teilzeiterwerbstätigkeit von hochqualifizierten Vätern – aber auch von Müttern – während des Bezuges von Elterngeld Plus. Die Mangelhypothese besagt, dass diejenigen Bedürfnisse an Bedeutung gewinnen, die noch nicht befriedigt worden sind. Unter Bezugnahme auf Maslow (
1954) liegt dieser Hypothese die Annahme zugrunde, dass die menschlichen Bedürfnisse hierarchisch angeordnet sind. Demnach ist die Ausbildung höherer bzw. postmaterieller Werte (z.B. Lebensqualität, Freiheit, Selbstentfaltung) erst möglich, sofern niedere bzw. materielle Bedürfnisse (z.B. ökonomische und physische Sicherheit) befriedigt sind. Hochqualifizierte Väter mit entsprechend sicheren und hohen Einkommen bilden demnach postmaterielle Wertorientierungen aus, da materielle Bedürfnisse bereits befriedigt sind, während das Bedürfnis nach ausreichend erwerbsfreien Zeiten für diese Gruppe besonders oft unbefriedigt bleibt (BMFSFJ
2012, S. 54, S. 117). Wenn auch nicht von Inglehart (
1971) explizit dahingehend operationalisiert, kann in diesem Sinne Zeitwohlstand (Rinderspacher
2002) als postmaterieller Wert verstanden werden. Zeitinstitutionen wie die Elternzeit schaffen den gesetzlichen Rahmen, um diesem Zeitbedürfnis besser nachkommen zu können. Das Elterngeld Plus flankiert gemeinsam mit dem Teilzeiteinkommen diese Zeitinstitution und schafft die materielle Voraussetzung für die Erhaltung und Entfaltung postmaterieller Wertorientierungen.
5 Demnach ist anzunehmen, dass insbesondere hochqualifizierte Väter mit einem entsprechend hohen und sicheren Einkommen aufgrund ihrer postmateriellen Wertorientierung bzw. ihrem unbefriedigten Bedürfnis nach Zeit motiviert sind, ihre Erwerbszeiten im Rahmen einer Elterngeld-Plus-Nutzung zu reduzieren.
Die individuellen Erwerbs- und Sorgeentscheidungen der Elternteile können allerdings nicht losgelöst vom Paarkontext betrachtet werden (vgl. z.B. Aunkofer et al.
2019). Um die paarinterne Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zu erklären, werden traditionell verschiedene ökonomische bzw. ressourcenbasierte (Becker
1965,
1993; Ott
1992; Lundberg und Pollak
1996) und normenbasierte (van Berkel und de Graaf
1999; Bielby und Bielby
1989; Eagly
1987) bzw. interaktionstheoretische Ansätze (West und Zimmermann
1987) herangezogen. Allerdings sind nicht alle diese Ansätze in der Lage, die Entscheidung für eine
egalitäre Erwerbskonstellation zu erklären: So eignen sich z.B. die ökonomische Theorie der Familie (Becker
1965,
1993) oder der Doing-Gender-Ansatz (West und Zimmermann
1987) besonders zur Erklärung spezialisierter bzw. traditioneller Arrangements (siehe hierzu Schulz
2010).
Um die Entscheidung für ein
egalitäres Teilzeitarrangement während des Bezugs von Elterngeld Plus zu erklären, scheinen dagegen insbesondere ressourcentheoretische Ansätze und hier im Speziellen verhandlungstheoretische Ansätze wie der Bargaining-Ansatz (Ott
1992) geeignet. Denn erstens belegt die Forschung zu egalitären Erwerbsmodellen und zur väterlichen (Nicht‑)Inanspruchnahme von Elterngeld bzw. Elternzeit, dass ökonomische Begründungsfiguren und die (relative) Ressourcenausstattung der Partner_innen von zentraler Bedeutung sind. Und zweitens zeigt sich, dass die paarinterne Arbeitsteilung und die Inanspruchnahme von Elterngeld bzw. Elternzeit nicht mehr alleine durch die Geschlechtszugehörigkeit oder etwa durch biologisch bedingte komparative Vorteile im Sinne Beckers (
1993) bestimmt wird, sondern auch Gegenstand von paarinternen Aushandlungen ist (siehe z.B. Aunkofer et al.
2019; Peukert
2015).
Der Bargaining-Ansatz (Ott
1992) interpretiert die paarinterne Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit als Ergebnis eines solchen paarinternen Aushandlungsprozesses. Diesem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass Erwerbsarbeit gegenüber Haus- und Sorgearbeit bevorzugt wird, da Erwerbsarbeit marktfähiger ist. Welche der beiden Partner_innen sich auf die Erwerbsarbeit spezialisieren
darf und welcher sich der Haus- und Sorgearbeit widmen
muss, ist abhängig von der internen Verhandlungsstärke. Die interne Verhandlungsstärke wird durch das relative Einkommenspotenzial der Partner_innen bestimmt. Derjenige Elternteil, der seine Humanressourcen gewinnbringender am Arbeitsmarkt einbringen kann, wird aus verhandlungstheoretischer Sicht in größerem Umfang erwerbstätig sein und einen geringeren Anteil der Haus- und Sorgearbeit übernehmen. Daraus folgt, dass bei einer ähnlich hohen Ressourcenausstattung der Partner_innen keine der Partner_innen bereit sein dürfte, mehr als die Hälfte der gemeinsamen Haus- und Sorgearbeit zu übernehmen. Eine egalitäre Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit wäre somit zu erwarten. Für bildungs- und einkommenshomogene Paare ist eine parallele Teilzeiterwerbstätigkeit während des Bezuges von Elterngeld Plus also das wahrscheinlichste Verhandlungsergebnis und zugleich eine Möglichkeit, die jeweilige Verhandlungsstärke auch unter den Bedingungen der Elternschaft zu erhalten.
Da ein ressourcen- bzw. verhandlungstheoretischer Erklärungsansatz alleine aber zu kurz greift (s.o.), wird dieser Ansatz mit dem „egalitarian values model“ (van Berkel und de Graaf
1999) um einen normen- bzw. wertebasierten Erklärungsansatz ergänzt: Während aus verhandlungstheoretischer Sicht bereits eine ähnliche Ressourcenausstattung der Partner_innen eine egalitäre Arbeitsteilung erwarten lässt, betont das „egalitarian values model“ darüber hinaus das
Niveau der Bildungshomogamie. Aus Sicht des Modells ist eine egalitäre Arbeitsteilung nur dann zu erwarten, wenn
beide Partner_innen über ein
hohes Bildungsniveau verfügen. Diesen Zusammenhang führen van Berkel und de Graaf auf geteilte egalitäre Werthaltungen von höher gebildeten Individuen zurück. Demnach kommen höher gebildete Individuen stärker mit demokratischen Werten wie Gleichheit, Toleranz und Freiheit in Kontakt als weniger gebildete Individuen. Durch die Internalisierung dieser Werte und Normen entstehen Werthaltungen wie die Gleichstellung der Geschlechter, die sich wiederum in einer egalitären Arbeitsteilung niederschlagen. Auch wenn sich das „egalitarian values model“ im Ursprung auf die paarinterne Aufteilung von Hausarbeit – und nicht auf die paarinterne Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit – bezieht, soll dieser Erklärungsansatz in Anlehnung an Dechant und Schulz (
2014) auf diese Arbeitsbereiche übertragen werden. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass hochqualifizierte bildungshomogene Paare eine parallele Teilzeiterwerbstätigkeit während des Bezuges von Elterngeld Plus anstreben, um ihre geteilten egalitären Werthaltungen auszuleben.