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02.02.2021 | Abwasser | Gastbeitrag | Online-Artikel

Nachhaltige Kreislaufführung von Prozesswässern

verfasst von: Dr. Rolf Stiefel

4:30 Min. Lesedauer

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Das Konzept einer innerbetrieblichen Kreislaufwirtschaft von Prozesswässern bietet in Zeiten von wachsendem Wasserbedarf eine zugleich ökonomische und ökologische Lösung für Industriebetriebe, wie Springer Vieweg-Autor Rolf Stiefel nachfolgend aufzeigt.


Eine weltweit wachsende Bevölkerung benötigt bei steigenden Bedürfnissen nicht nur mehr Frischwasser, sondern zusätzlich auch mehr Lebensmittel und Industriegüter. Die Landwirtschaft als großer Wasserverbraucher wird daher ebenso wie die Industrie ihren Bedarf steigern, wenn nicht neue Techniken und Konzepte der Wassernutzung eingeführt werden. Bei begrenzten Wasservorräten sind daher Verteilungsprobleme sehr wahrscheinlich, besonders vor dem Hintergrund des weltweiten Klimawandels und immer höheren Anforderungen eines nachhaltigen Gewässerschutzes. Welche Alternativen haben Industriebetriebe, um diesen Verteilungskampf zu vermeiden bei gleichzeitiger Sicherung der eigenen Frischwasserversorgung und Abwasserentsorgung

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Abwasserrecyclingverfahren

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Bei der herkömmlichen End-of-pipe-Technologie wird das Abwasser mittels unterschiedlicher Abwasserbehandlungsverfahren (z. B. Fällung von Schwermetallen mit Soda) soweit vorgereinigt, dass es in eine öffentliche Kläranlage oder in ein Oberflächengewässer eingeleitet werden kann. Der Reinigungsgrad richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften der entsprechenden Länder. Das kostbare Frischwasser geht den Firmen als vorbehandeltes Abwasser verloren, wobei zusätzliche Abwassergebühren anfallen. Die End-of-pipe-Technologie ist also eine Einbahnstraße. Das Konzept der nachhaltigen betrieblichen Wasserwirtschaft bietet hier hingegen einen alternativen Lösungsweg. Der Wasserverlauf der Prozesswässer  (Frischwasser – Prozesswassernutzung – Abwasserbehandlung – Abwasserrecycling – Frischwasser) formt sich zum innerbrieblichen Wasserkreislauf. Das nachfolgende Bild verdeutlicht die Hauptstufen dieser Wasserführung innerhalb eines Betriebes.

Konzept des Prozesswasserkreislaufs
inklusive Energie- und Wertstoffrückgewinnung


1. Prozesswassernutzung


Frischwasser wird als Prozesswasser innerhalb der einzelnen Industriebranchen für sehr unterschiedliche Anwendungen genutzt. Das Konzept eines Prozesswasserkreislaufs greift dabei bereits bei der Wassernutzung und nicht erst beim Abwasseranfall. Speziell beim Verbrauch des Frischwassers lautet das Credo: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Die Prozesswassernutzung ist ein integraler Bestandteil der Produktionsverfahren. So minimieren z. B. Sparspültechniken den Frischwasserverbrauch erheblich. 

Das Prozesswasser wird genutzt, um einen hohen Nutzungsfaktor (Wiederverwertungsgrad) (N) zu erreichen. Jede Produktionseinheit verfügt über einen internen Kreislauf seines Prozesswassers. Der Ablauf gliedert sich in Produktion, Prozesswassernutzung, Prozesswasseraufbereitung und Rückführung in die Produktion. 

Das Prozesswasser wird mittels Abwasserbehandlungsverfahren (z. B. Ultrafitration bei der Entfettung von Werksteilen) soweit gereinigt, dass es den innerbetrieblichen Qualitätsnormen genügt und wieder genutzt werden kann.
Bei diesem innerbetrieblichen Kreislauf muss nach einer gewissen Nutzungsphase des Prozesswassers ein Teil dessen als Abwasser ausgeschlämmt und durch Frischwasser ersetzt werden, um den Qualitätsstandard des Prozesswassers einzuhalten. Der nächste Schritt des Konzeptes ist die Abwassernutzung des abgeschlagenen Prozesswassers.

2. Abwasseraufbereitung


Das entstehende Abwasser fungiert als Rohstoffquelle. Die Abwassernutzung unterteilt sich in die Rückgewinnung von Wertstoffen und Energie. Die Nutzung der Abwasserinhaltsstoffe, wie z. B. Metalle und Fette, sowie der vorhandenen Energiepotentiale (z. B. in Form von Wärme und organischen Stoffen) erfordert eine Aufbereitung der Abwässer.

Wertstoffrückgewinnung

Mit sehr unterschiedlichen Verfahren werden Abwasserinhaltsstoffe (z. B. Kupfer und Nickel in der metallverarbeitenden Industrie mittels Ionenaustauscher oder Membranverfahren) aus dem Abwasser zurückgewonnen und als Wertstoffe  dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt. Die Wahl der Verfahren richtet sich nach den Abwasserinhaltsstoffen und den Abwassermengen. Es steht eine Vielzahl von Verfahren zur Verfügung, die einzeln oder in Kombination untereinander ihre Anwendung finden, wie z. B. Ionenaustauscher, Membrantechnik, Eindampfung.

Energierückgewinnung

Viele Abwässer besitzen hohe Energiepotentiale in Form von Wärme (z. B. bei Wäschereien) oder in Form von organischen Abwasserinhaltsstoffen (z. B. bei der Milchverarbeitung oder in Brauerei). Die Wärmepotentiale können teilweise durch Wärmeaustauscher zurückgewonnen werden. Die organischen Abwasserinhaltsstoffe können über die anaerobe Abwasserbehandlung in Biogas (Methan) überführt werden, das dann als Energiestoff direkt nutzbar ist. Die Abwasserverhältnisse (z. B. Toxizität, Abwassermenge und CSB-Konzentration) sind wichtige Kriterien für die Anwendung der anaeroben Verfahren.

3. Abwasserrecycling 

Nach der Phase der Rückgewinnung von Wertstoffen aus dem Abwasser wird das Wasser mittels weiterer Aufbereitungsverfahren, wie z. B. Membranverfahren oder Eindampfung, soweit behandelt, dass es den betriebsinternen Qualitätsnormen entspricht und als Recyclingwasser wieder der Produktion zugeführt wird. Angefangen bei der Nutzung der Prozesswässer in der Produktion und den nachfolgenden Behandlungsverfahren entstehen im innerbetrieblichen Kreislauf Wasserverluste, die ausgeglichen werden müssen. Es bieten sich verschiedene Wasserquellen an, um diese Verluste zu decken.

4. Regenwassernutzung

Die Nutzung von Regenwasser mittels abfließendem Niederschlagswasser von Dachflächen und weiteren Flächen innerhalb der Betriebsgelände bietet sich hier als Ersatz für die Wasserverluste an. Regenwasser hat eine sehr geringe Wasserhärte und ist nach mechanischer Filtrierung für viele Einsatzzwecke verwendbar.

Die Wasserverluste sollten primär mit Regenwasser ausgeglichen werden. Reichen die Regenwassermengen nicht aus, kann Brunnenwasser oder Stadtwasser die fehlenden Mengen ersetzten. Die Nutzung von Regenwasser weist einen weiteren ökologischen Vorteil auf im Hinblick auf Veränderungen der Niederschlagsmengen und Regenintervalle durch den Klimawandel. Das Regenwasser wird gesammelt und dem betrieblichen Wasserkreislauf zugeführt und damit regional genutzt. Der Abfluss von wertvollem Wasser wird damit verringert. Eine Vielzahl von Wasserspeichern von Einzelbetrieben kann zudem in einem regionalen Raum eine Art virtuelles Rückhaltebecken bilden und so die Folgen von Starkregeereignissen abmildern. Das Recyclingwasser ergänzt durch Regenwasser oder andere Wasserarten (z. B. Brunnenwasser) schließt mit dem Rücklauf in die Produktion den Kreislauf.

Geschlossener betrieblicher Wasserkreislauf

Das Konzept des Prozesswasserkreislaufs basiert auf einem technischen Kreislauf der Prozesswässer nach dem Vorbild der Natur. Ressourcenschonung von Stoffen und Energie sind integraler Bestandteil des Konzepts. Der Kreislauf bietet bei günstigen Betriebsverhältnissen eine Autarkie der Prozesswässer. Er ist abwasserfrei und ressourcenschonend. 
 

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