Verteileranlage einer Wasser-Wärmepumpe. Mit dieser Technologie kann die Energie in Abwässern zurückgewonnen werden.
Frank Urbansky
Abwasser hat eine unangenehme Eigenschaft: Es riecht meist nicht gut. Dennoch hat es auch einen unbestreitbaren Vorteil: Es ist warm. Würde man diese Wärme nicht nutzen, ginge sie im wahrsten Sinne des Wortes den Bach runter. Doch findige Ingenieure verhindern genau das. "Auch für die Rückgewinnung von Wärme aus Abwasser im Bereich der Kanalisation, der Kläranlage oder dezentral im Gebäude, gibt es seit etwa 30 Jahren erprobte Technologien und etablierte Praxisbeispiele." beschreiben dies die Springer Autoren Helke Wendt-Schwarzburg, Axel Dierich und Susanne Schön in ihrem Buchkapitel "Lange Zeit war Ruhe… Verheißungen und Risiken sektorübergreifender Infrastrukturgestaltung" auf Seite 222.
Die Wärmerückgewinnung aus Abwasser lässt sich also an drei Methoden festmachen: einmal kann sie direkt aus der Kanalisation erfolgen, zum zweiten aus einer Kläranlage und zum dritten im abwasserproduzierenden Gebäude selbst.
Gerade die letzte Methode ist die effizienteste, weil hier die Temperatur des Abwassers am höchsten ist. Findet es erst mal seinen Weg in Kanalisation oder Klärgrube, kühlt es bereits deutlich ab. Allerdings – wo Licht ist, ist auch Schatten. Und der heißt in diesem Falle: schwankende Mengen durch tageszeitlich unterschiedlichen Gebrauch der Warmwasserquellen im Gebäude.
In der Industrie schon verbreitet
Eine Ausnahme bilden Industrie- und Gewerbebetriebe. Hier ist der Warmwasserverbrauch meist recht konstant und die Abwassertemperaturen liegen im Schnitt bei 60 °C. Das ist deutlich mehr als in Haushalten, wo die Temperatur bei etwa 25 °C liegt. Deswegen sind die meisten schon heute realisierten Anwendungen in der Industrie zu finden. In einigen industriellen Bereichen ist die Wärmerückgewinnung gar die einzige Möglichkeit, überhaupt wirtschaftlich zu arbeiten, etwa bei Trocknungsprozessen.
Die Temperaturen in Kanalisation oder Klärgrube sind relativ konstant, die gewinnbare Wärmemenge hoch. Es bedarf jedoch Leitungen, um die Abwärme wieder einer Nutzung zuzuführen. Und jede Leitung wiederum zeitigt Verluste. Doch die Methode ist einen unbestreitbaren Vorteil: Nämlich in der Gewinnung von sonst vergeudeter Energie. Ikea zeigt an einem Standort in Berlin, wie das geht. Im Winter wird mittels Wärmepumpen dem Abwasser in der Kanalisation Wärme entzogen und für die Gebäudeheizung auf rund 35 °C erhitzt. Im Sommer hingegen wird zur Kühlung die Wärme des Einrichtungshauses wiederum ins Abwasser geleitet. Dafür verlegte das Möbelhaus unterirdisch eine 200 Meter lange Druckleitung, die an das kommunale Abwassernetz angeschlossen wurde. Durch sie strömt eine Abwassermenge von 500.000 bis 1,4 Millionen Litern pro Stunde.
Wärmepumpen nötig
Damit ist auch schon beschrieben, wie die Wärme wieder aus dem Wasser entzogen wird, nämlich mittels Wärmepumpe. Diese Wasserwärmepumpen werden aber nicht nur in Gewerbe und Industrie eingesetzt. Bereits 2008 gewinnt die Berliner Howege Wärme GmbH auf diese Art aus häuslichen Abwässern Wärme. Direkt aus den Abwassersammelrohren wird die Wärme wieder zurück in die zwei angeschlossenen Hochhäuser an der Seefelder Straße geleitet.
Doch die Nutzung im Bereich der Wohnungswirtschaft oder der Industrie ist nicht identisch. "Ein grundlegender Unterschied bei der Nutzung der Abwärme aus Abwässern zwischen dem kommunalen Bereich und Industriebetrieben besteht in der Verwertung der gewonnen Energie. Industriebetriebe haben oft einen weitgespannten Bogen beim Energiebedarf hinsichtlich einzelner Energiearten. Es ist daher zu klären, wie die rückgewonnene Energie sinnvoll verwertet werden kann", weist Springer Autor Rolf Stiefel im Buchkapitel "Energierückgewinnung aus Industrieabwässern" auf Seite 114 auf diesen Umstand hin.