Der Klimawandel macht sich weltweit immer stärker bemerkbar – mit einer Zunahme extremer Wetterereignisse wie langanhaltenden Dürreperioden und plötzlichen Starkregenfällen. Die sorgen in Städten für massive Probleme. Mit Hilfe von KI könnten sie eingedämmt werden.
Starkregen überlastet Kanalisationen und Kläranlagen. Eine intelligente Steuerung der Wehrklappen kann dem entgegenwirken.
L-Gruppe
Der Klimawandel verstärkt sowohl Dürren als auch Starkregen – zwei scheinbar gegensätzliche Phänomene, die jedoch auf denselben physikalischen Mechanismus zurückzuführen sind. Eine wärmere Atmosphäre führt dazu, dass mehr Wasser gespeichert wird, wodurch Trockenperioden länger werden. Wenn es dann regnet, fällt umso mehr Wasser auf einmal, was Überschwemmungen begünstigt.
Besonders in historischen Städten mit Mischkanalisationen stößt die bestehende Infrastruktur gerade bei Starkregenfällen an ihre Grenzen. Die Folge: Regen- und Schmutzwasser gelangen unkontrolliert in Flüsse und Seen, mitsamt aller Schadstoffe. Doch eine neue, intelligente Technologie könnte Abhilfe schaffen.
Überlastete Kanalsysteme
Ein Forschungsteam der Hochschule Magdeburg-Stendal arbeitet unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Jürgen Wiese an KI-gesteuerten Wehrklappen, die flexibel auf Wetterereignisse reagieren und so die Kanalisation entlasten. Das Projekt „InSchuKa 4.0“ (Kombinierter Infrastruktur- und Umweltschutz durch KI-basierte Kanalnetzbewirtschaftung) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und setzt auf eine smarte Steuerung des Abwassers
Viele deutsche Städte verfügen noch über Mischkanalisationen, die vor Jahrzehnten gebaut wurden und für heutige Extremwetter nicht ausgelegt sind. "In historischen Städten wie Magdeburg oder Jena wird nicht nur Regenwasser abgeleitet, sondern auch ungeklärtes Schmutzwasser. Bei starken Regenfällen sind diese Kanäle schnell überlastet und geben ihr Wasser ungefiltert in die Umwelt ab", erklärt Wiese.
Der Neubau großer Speicherbecken zur Entlastung der Kanalisation wäre enorm teuer und langwierig. Deshalb setzen die Forscher auf eine kosteneffizientere Alternative: digitale Wehrklappen, die den Wasserfluss gezielt steuern und Starkregenereignisse abfedern.
Die neuen Wehrklappen werden in das bestehende Kanalnetz integriert und sollen zwei zentrale Probleme lösen:
Reinigung der Kanalisation in Trockenzeiten
In längeren Trockenperioden lagern sich Schmutzpartikel in den Kanälen ab. Die Wehrklappen halten das Abwasser in der Nacht kurzzeitig zurück und lassen es dann in einem kontrollierten Schwall durch die Rohre fließen. Dieser Spülschwall löst Ablagerungen und transportiert sie zur Kläranlage, bevor sie sich festsetzen können.
Intelligente Wasserspeicherung bei Starkregen
Bei ungleichmäßigem Regenfall werden manche Kanäle überlastet, während andere noch freie Kapazitäten haben. Die Wehrklappen halten das Wasser dort zurück, wo noch Platz ist, und entlasten überfüllte Abschnitte. So wird die bestehende Kanalisation effizienter genutzt und verhindert, dass ungeklärtes Wasser in die Umwelt gelangt.
Das System bietet gleich mehrere Vorteile: Weniger Abwasser und Schadstoffe gelangen in Flüsse und Seen. Die Wehrklappen reagieren dynamisch auf Wetterverhältnisse, statt statisch zu operieren. Zudem wird bestehende Infrastruktur genutzt, teure Neubauten sind nicht erforderlich.
Testphase in Jena
Für die Modellregion Jena hat das Forschungsteam bereits detaillierte Berechnungen zur optimalen Platzierung der Klappen durchgeführt. In den kommenden Wochen startet die Praxisphase, in der das System unter realen Bedingungen getestet wird.
"Wenn alles funktioniert, wollen wir das System mithilfe von KI erweitern, so dass es in Echtzeit auf Wetterprognosen reagiert", so Prof. Wiese. Das Team ist zuversichtlich, dass die Wehrklappen nicht nur in Jena, sondern auch in vielen weiteren Städten zum Einsatz kommen könnten.