Die additive Fertigung großvolumiger Kunststoffbauteile war bisher sehr zeitaufwändig. Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IWU haben nun ein neues System entwickelt, das im Vergleich zum herkömmlichem 3D-Druck acht Mal schneller ist.
Dieses Versuchsbauteil ist ein Hybrid aus CFK-Blech und 3D-gedruckten Strukturen.
Fraunhofer IWU
Auf Messen werden sie gerne genutzt: 3D-Drucker, die kleine Souvenirs schichtweise aus geschmolzenem Kunststoff aufbauen. Bis zu einer Stunde kann es dauern, so ein Mitbringsel im Hosentaschenformat herzustellen. Damit ist das Verfahren deutlich zu langsam, um Bauteile in Großserien herzustellen, wie sie beispielsweise die Automobilindustrie benötigt. Ein neues System des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz soll das jetzt ändern: Für die Fertigung eines 30 Zentimeter hohen Bauteils aus Kunststoff benötigt die Highspeed-Technologie lediglich 18 Minuten.
Der Drucker nutzt das an dem Chemnitzer Institut entwickelte Fertigungsverfahren SEAM (Screw Extrusion Additive Manufacturing). Zur Verarbeitung des Kunststoffs verwenden die Forscher eine eigens konstruierte Einheit, die das Rohmaterial aufschmilzt und mit einer hohen Austragsleistung ausstößt. Diese Einheit installierten sie über einer Bauplattform, die sich mithilfe des Bewegungssystems einer Werkzeugmaschine auf sechs Achsen schwenken lässt. Auf der Bauplattform wird der heiße Kunststoff in Schichten abgelegt. Das Bewegungssystem der Maschine sorgt dafür, dass die Bauplatte so unter der Düse entlanggleitet, dass die zuvor programmierte Bauteilform erzeugt wird. Der Tisch lässt sich mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde in die X-, Y- sowie Z-Achse bewegen und auch um bis zu 45 Grad kippen. "Damit drucken wir acht Mal schneller als herkömmliche Verfahren. Herstellungszeiten von Kunststoffbauteilen lassen sich somit enorm reduzieren", berichtet Dr. Martin Kausch, Wissenschaftler am Fraunhofer IWU.
SEAM nutzt preisgünstiges Ausgangsmaterial
Pro Stunde werden bis zu sieben Kilogramm Kunststoff durch die heiße Düse mit dem Durchmesser von einem Millimeter gedrückt. Die vergleichbaren 3D-Druckverfahren FDM (Fused Deposition Modeling) oder FLM (Fused Filament Modeling) erreichen in der Regel nur 50 Gramm Kunststoff pro Stunde. Die Besonderheit: SEAM verarbeitet statt teurem FLM-Filament rieselfähiges, preisgünstiges Standard-Kunststoffgranulat zu belastbaren, faserverstärkten, mehrere Meter großen Bauteilen. Auf diese Weise lassen sich die Materialkosten um das 200-fache senken.
Mit dem Verfahren lassen sich komplexe Geometrien ohne Stützstrukturen umsetzen. Der Clou: Mit dem neuen System gelingt es auch, auf bereits bestehende Spritzgießbauteile aufzudrucken. "Da sich unsere Bauplattform schwenken lässt, sind wir in der Lage, mit einer separat bewegten Z-Achse auf gekrümmte Strukturen aufzudrucken", sagt Kausch. "In Tests konnten wir verschiedenste Kunststoffe verarbeiten. Dies reicht von thermoplastischen Elastomeren bis hin zu Hochleistungskunststoffen mit 40 Prozent Kohlenstofffaser. Das sind für die Industrie besonders relevante Materialien, die sich mit klassischen 3D-Druckern nicht verarbeiten lassen."