Prof. Dr. Ove Jensen, Inhaber des Lehrstuhls für Vertriebsmanagement und Business-to-Business-Marketing der WHU - Otto Beisheim School of Management, Vallendar
WHU
Jeder kennt die Unterscheidung in Hunter und Farmer. Ich schätze die Hunter-Rolle. Kompetente, charismatische und leidenschaftliche Jäger sind rar. Verkauf im Bestand würde dieses Talent vergeuden. Eine Kundenübergabe an Farmer ist nicht schädlich, denn sie vermeidet ein Loch nach der Unterschrift: Während den Kunden Nachkauf-Zweifel quälen, schnauft der Verkäufer erst einmal durch. Ein großer Fußballclub hatte das Problem, dass Sponsoren nach Vertragsabschluss nicht ausreichend betreut wurden. Die Teilung des Verkaufs erreichte, dass nach Unterschrift beim Verkauf das Betreuungsteam den Kunden mit einem Tusch an die Hand nahm.
Was ich am Hunter-Farmer-Modell nicht mag, ist der Begriff Farmer. Denn im Idealfall wollen wir "Hunter Before" und „Hunter After“. Der Verkaufsprozess beginnt für viele mit Lead-Generierung bei Suspects, setzt sich mit Opportunity-Entwicklung bei Prospects fort und konvertiert irgendwann die Kontakte zu Kontrakten. Und dann? Für die Phase danach gibt es viele Begriffe, angefangen mit After-Sales-Service. Das klingt nach Reklamationen und Ersatzteilen. Delivery klingt schon kerniger, nach Einlösen eines Versprechens. Spannend fand ich, dass ein B2B-Zulieferer den Customer Service in Customer Development umbenannt hat. Damit verbunden war der Auftrag, aktiver die Verlängerung auslaufender Kontrakte sowie das Erobern weiterer Kundenanteile anzugehen. Die Sales-Mission teilt sich jetzt in die Teams Business Development und Customer Development auf. Alles nur Worte, Schall und Rauch? Mitnichten. Neu für das ehemalige Customer Service Team war etwa das Arbeiten mit Kunden(weiter)entwicklungsplänen.
Den Verkaufsprozess auf Rollen und Abteilungen aufteilen
In Unternehmen beobachte ich viele Varianten, den Verkaufsprozess auf Rollen und Abteilungen aufzuteilen. Allein den Außendienst Leads suchen, konvertieren und Bestandsservice übernehmen zu lassen, ist ineffektiv. Veränderte Rollen — "before sales" und "sales after"- sind:
Von Marketing zu Digital Lead Generation und Digital Sales. Wenn der Außendienst Leads sucht, ist das wie Fischen mit der Harpune. Besser ist das Fischen mit und im Netz: Im B2B beherrschen zu wenig Unternehmen das Inbound-Marketing, welches Leads mit digitalem Content erzeugt. Dazu gehört, Verkäufer mit Material anzufüttern, welches sie auf Linkedin posten können. Die IT-Branche macht dies vor. Die Summe der Linkedin-Kontakte der Mitarbeiter ist größer als die Adressenzahl im CRM-System. Ich bin erstaunt, wenn B2B-Verkäufer keine persönliche Linkedin-Präsenz entfalten und Unternehmen die Nutzung von Linkedin auf Firmenrechnern sperren. Noch etwas zur Wortwahl: Warum reden wir eigentlich von Online Marketing statt von Online Sales?
Vom Innendienstler zum Inside Account Manager. Das oben beschriebene Customer Development Team zeigt: Der Innendienst sollte die Werkzeuge des Key Account Managements nutzen.
Vom Key Accounter zum Value-Spezialisten. Nur wenige Key Accounter beherrschen es, dem Kunden finanzielle Vorteile einer hochpreisigen Lösung mit Business Cases aufzuzeigen. Diese Talente sollten keine Accounts betreuen, sondern alle Key Accounter unterstützen.
Vom CEO zum Chef-Verkäufer. Geht es beim Kunden um ein großes Umdenken im Vorstand oder um ein robustes Nein bei Verhandlungen, reicht ein Value-Spezialist nicht. Hier müssen Vorstände den Klick-Moment beim Kunden erzeugen. Nur zu führen, reicht nicht.
Die Kolumne von Ove Jensen ist im Schwerpunkt "After Sales" in Ausgabe 5/2017 der Zeitschrift Sales Management Review erschienen.