Das After-Sales- und Servicegeschäft ist in Industrieunternehmen ein noch immer unterschätzter Rohdiamant, dessen Umsatz- und Ergebnisbedeutung oft verkannt wird. Dabei sind die Effekte vielversprechend.
Servicegeschäfte heben Bestandskundenpotenziale und bieten Unternehmen im Vertrieb die Chance, sich vom Wettbewerb abzusetzen.
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"Service Champions profitieren von bis zu 30 Prozent Mehrumsatz und attraktiven Margen von bis zu 25 Prozent", schreibt das Beraterteam Mortitz Mühlen, Selina Philipp und Sabine Hartje von der Unternehmensberatung Horváth & Partners im Sales Excellence-Beitrag "Der Service-Champion gewinnt den Markt" (Ausgabe 12 | 2019, Seite). Die These: ein kundenorientiertes Servicegeschäft bietet dem Vertrieb in Unternehmen nicht nur die Chance auf Mehrgeschäft, sondern auch eine nachhaltige Minderung der Risiken. Das erfordert jedoch einen Paradigmenwechsel vom produktorientierten zum kundenzentrierten Service, mit veränderten Kundenanforderungen, aber auch technischen Herausforderungen.
Diese Servicetransformation betrifft viele Unternehmen, die nicht mehr allein von physischen Produkten leben, sondern auch aus Servicegeschäften Umsatz als zusätzliches Standbein generieren wollen.
Doch nicht alle Unternehmen sind bereits in der Lage, das geschäftliche Potenzial immaterieller Dienstleistungen auch abzurufen. Der Vertrieb muss vielmehr alle Leistungsangebote und Prozesse konsequent am Kundenbedürfnis ausrichten, und dies über mehrere Ebenen hinweg, fordern die Berater. Die Servicetransformation sei "kein eindimensionales Thema – vor allem nicht bei Industrieunternehmen". Auch der Markt erwarte zudem diese Servicetransformation.
Herausforderungen auf dem Weg zum Serviceanbieter
Notwendige Schritte für Unternehmen, die Service Champions werden wollen, sind laut Horváth & Partners beispielsweise:
- sich als Anbieter von produktbasierten Aftersales-Potenzialen hin zum kundenzentrischen Serviceanbieter zu entwickeln,
- Produkt- und Marktoptimierung hin zu skalierbaren, flexiblen Geschäftsmöglichkeiten mit kontinuierlichen Erlösströmen zu verändern,
- integrierte, modulare Servicelösungen anzubieten und
- neue, agile Teams für eine integrierte Marktbearbeitung zu formen.
Chancen durch innovatives Servicegeschäft nutzen
Neue, bedarfsgerechte Services wirken sich nach Meinung der Autoren unmittelbar auf das Geschäft mit Bestandskunden aus, zudem lassen sich so auch neue serviceorientierte Zielgruppen langfristig binden. Allerdings müssen Unternehmen kreativ sein im Entwickeln neuer Leistungsbundles: Die Services sollten innovativ sein, physische und digitale Leistungen kombinieren, echten Mehrwert für die Kunden einbinden und attraktive Preise ansetzen, wie die Autoren raten. Das sehen auch die Springer-Autoren Matthias M. Herterich, Falk Uebernickel und Walter Brenner in ihrem Essential zu "Industriellen Dienstleistungen 4.0" so. Im Kapitel "Die Digitalisierung des industriellen Servicegeschäfts" (S. 1) stellen sie fest, dass physische Produkte "zunehmend als Endpunkte und Plattformen betrachtet werden, um Kunden zusätzliche Dienstleistungen anzubieten."
Darüber hinaus sollten Unternehmen laut den Experten von Horváth & Partners konsequent technologische Chancen nutzen, um sich wirklich als Service Champion vom Wettbewerb unterscheiden zu können.
Zum ganzheitlichen Lösungsanbieter entwickeln
Als Beispiel für eine erfolgreiche Servicetransformation nennen Mühlen/Philipp/Hartje die Plattform "365Farmnet" des Landmaschinenherstellers Claas. Mit der Plattform agiert das Unternehmen als ganzheitlicher Lösungsanbieter und verknüpft landwirtschaftliche Geräte und Informationen, Softwareanwendungen und Agrardienste. Dazu ermöglicht Claas den Zugriff auf ein umfangreiches Serviceportfolio, etwa den Fernzugriff in Echtzeit bei Störungen und eine cloudbasierte Ersatzteilversorgung und bleibt so auch über den Abschluss hinaus in Kundenkontakt. Zusätzlich werden modular aufgebaute Zusatzservices von Drittanbietern wie Michelin (Reifendruck), GEA (Herdenmanagement) und Meteoblue (Wetterdaten) angeboten.
Im Mittelpunkt der Strategien von Vertriebsorganisationen zum Service Champion müssen aus Sicht der Autoren immer Serviceleistungen stehen, die einen echten, langfristigen Mehrwert bringen und direkt auf ihr Geschäftsmodell einzahlen. Einsparungen bei Servicekosten oder eine höhere Prozesseffizienz sind dabei wichtig, am meisten zählt aber die Kundenbegeisterung.
Eine Kompakt-Übersicht zu weiteren Prinzipien für Service-Champion-Strategien im Vertrieb von Unternehmen lesen Sie im kompletten Beitrag in der Sales Excellence, Ausgabe 12 | 2019, S. 32.
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Quelle: Der Service-Champion gewinnt den Markt, "Sales Excellence, S. 30 |